Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-420043/13/Gf/La

Linz, 16.12.1993

VwSen-420043/13/Gf/La Linz, am 16.Dezember 1993 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der Oö. Verwaltungssenat hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Beschwerde des G B vom 23. August 1993 wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung am 18. Juli 1993 nach der am 15. Dezember 1993 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird insoweit, als darin die Rechtswidrigkeit der vorläufigen Führerscheinabnahme behauptet wird, abgewiesen.

II. Im übrigen wird jedoch festgestellt, daß die Vornahme der Hausdurchsuchung nicht der Vorschrift des § 142 Abs. 1 StPO entsprach.

Rechtsgrundlage:

§ 67c Abs. 3 AVG. Entscheidungsgründe:

1.1. In seiner am 25. August 1993 beim Oö. Verwaltungssenat eingelangten Beschwerde bringt der Beschwerdeführer vor, daß ihm am 18. Juli 1993 um 2.30 Uhr von Beamten des Gendarmerie postenkommandos Bad Leonfelden sein Führerschein abgenommen worden sei, obwohl er weder beim Lenken noch beim Inbetriebnehmen eines Kraftfahrzeuges betreten worden sei. Denn er habe sich bereits seit 00.20 Uhr zu Hause befunden und sein Fahrzeug sei in der Garage gestanden.

Da eine Führerscheinabnahme in der Wohnung unzulässig sei, fühlt sich der Beschwerdeführer in seinem subjektiven Recht darauf, daß die Abnahme des Führerscheines nur in der gesetzlich vorgesehenen Weise erfolgen darf, verletzt und beantragt - erschließbar - die Feststellung dieser Rechtswidrigkeit.

1.2. Die belangte Behörde hat Teile ihres Verwaltungsstrafverfahrensaktes zu Zl. VerkR96/4088/1993 in Kopie vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und - erschließbar - die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Begründend wird hiezu ausgeführt, daß um 01.46 Uhr des Vorfallstages eine Messung des Alkoholgehaltes der Atemluft des Beschwerdeführers erfolgt sei, die einen Wert von 1,53 mg/l ergeben habe. Da der Beschwerdeführer den Beamten gegenüber geäußert habe, sofort am nächsten Morgen zum Unfallgegner fahren zu wollen, um diese Angelegenheit klären zu wollen, ein derart hoher Alkoholwert aber nicht in dieser Zeit abgebaut werden könne, hätten die einschreitenden Beamten sohin davon auszugehen gehabt, daß zum fraglichen Zeitpunkt mit Sicherheit noch keine Fahrtauglichkeit gegeben gewesen wäre. Die Abnahme des Führerscheines sei sohin im Interesse der Verkehrssicherheit erforderlich gewesen und habe auch den Voraussetzungen des § 76 des Kraftfahrgesetzes, BGBl.Nr.

267/1967, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 517/1991 (im fol genden: KFG), entsprochen.

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der BH Urfahr-Umgebung zu Zl. VerkR96/4088/1993-Stei/Ga sowie im Wege der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu der als Parteien der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, E E und R S als Vertreter der belangten Behörde sowie die Zeugen GI J R, Insp. A Z und M B (Vater des Beschwerdeführers) erschienen sind.

Im Zuge dieser Beweisaufnahme wurde folgender Sachverhalt als erwiesen festgestellt:

Am 18. Juli 1993 begaben sich die beiden als Zeugen einvernommenen Gendarmeriebeamten zum Anwesen des Beschwerdeführers, um dort Erhebungen wegen eines Verkehrsunfalles, an dem jener beteiligt war, durchzuführen. Da die Sicherheitsorgane im Haus ein Licht wahrnehmen konnten, betraten sie dieses durch die nicht verschlossene Haustür und weckten die Eltern des Beschwerdeführers. Diese geleiteten sie in die Stube, wo der Beschwerdeführer auf einem Fauteuil schlafend vorgefunden wurde. Da die Beamten deutliche Alkoholisierungssymptome wahrnehmen konnten, wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, auf den Gendarmerieposten Bad Leonfelden mitzukommen, um dort einen Alkotest durchzuführen. Dieser Test ergab einen Wert von 1,53 mg/l bzw. 1,62 mg/l Alkoholgehalt der Atemluft. In der Folge wurde der Beschwerdeführer wieder nach Hause gebracht, wobei er im Zuge dieser Fahrt den Gendarmeriebeamten gegenüber äußerte, am kommenden Morgen selbst zum Unfallgegner fahren und die Angelegenheit bereini gen zu wollen. Daraufhin wurde dem Beschwerdeführer in seiner Wohnung gegen Aushändigung einer entsprechenden Bestätigung der Führerschein abgenommen.

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß § 76 Abs. 1 KFG haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einem Fahrzeuglenker, aus dessen Verhalten deutlich zu erkennen ist, daß er - insbesondere infolge eines übermäßigen Alkoholgenusses oder eines außergewöhnlichen Erregungs- oder Ermüdungszustandes - nicht mehr die volle Herrschaft über seinen Geist und seinen Körper besitzt, den Führerschein vorläufig abzunehmen, wenn er ein Kraftfahrzeug lenkt, in Betrieb nimmt oder versucht, es in Betrieb zu nehmen.

3.2. Eine derartige vorläufige Füherscheinabnahme - nur diese ist Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens stellt nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsund des Verwaltungsgerichtshofes eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dar (vgl.

die Nachweise bei F. Grubmann, Das Kraftfahrgesetz 1967, 3.

Auflage, Wien 1987, S. 479, E. 4 und 4a). Da im vorliegenden Fall auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen des § 67c Abs. 1 und 2 AVG erfüllt sind, ist die gegenständliche Maßnahmenbeschwerde sohin zulässig.

3.3. Sie ist im Ergebnis jedoch nur zum Teil begründet.

3.3.1. Zur vorläufigen Führerscheinabnahme:

Nach der Textierung des § 76 Abs. 1 KFG dient das Instrumentarium der vorläufigen Führerscheinabnahme ausschließlich dem öffentlichen Interesse daran, einen drohenden Verkehrsunfall durch einen nicht fahrtüchtigen Kraftfahrzeuglenker zu verhüten (vgl. zB VwGH v. 10. April 1984, Zl.

84/11/0105). Dabei kommt es anders als bei einer Bestrafung wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges im alkoholisierten Zustand (vgl. § 5 Abs. 1 iVm § 99 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung, BGBl.Nr. 159/1960, zuletzt geändert durch BGBl.Nr.

615/1991, im folgenden: StVO) und bei einer allfälligen späteren Entziehung der Lenkerberechtigung (vgl. die §§ 73 ff KFG) bei der hier in Rede stehenden vorläufigen Abnahme des Führerscheines gemäß § 76 KFG nicht darauf an, ob eine Alkoholbeeinträchtigung erwiesen ist; es genügt vielmehr, daß das Sicherheitsorgan die begründete Vermutung hegen durfte, der Lenker befinde sich in einem die Fahrtüchtigkeit ausschließenden Zustand (vgl. zB VwGH v. 13. März 1985, 83/11/0129).

Die beiden einschreitenden Gendarmeriebeamten haben anläßlich ihrer zeugenschaftlichen Einvernahme im Rahmen der vom Oö. Verwaltungssenat durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung übereinstimmend ausgesagt, daß der Beschwerdeführer bei der Rückfahrt vom Gendarmerieposten ihnen gegenüber zweifelsfrei seine Absicht bekundete, am nächsten Morgen selbst zum Unfallgegner fahren und "diese Angelegenheit" regeln zu wollen. Es wäre daher an ihm selbst gelegen, diese Aussagen durch ein persönlichen Erscheinen und eine entsprechende Gegendarstellung bei der mündlichen Verhandlung zu entkräften, was der Beschwerdeführer jedoch unterlassen hat.

So ist aber nach dem in § 67f Abs. 3 AVG verankerten Unmittelbarkeitsgrundsatz den glaubwürdigen Aussagen der einvernommenen Zeugen uneingeschränkt zu folgen und davon auszuge hen, daß es für die einschreitenden Beamten nahe lag, anzunehmen, daß der Beschwerdeführer tatsächlich am nächsten Morgen selbst zum Unfallgegner, dessen Name und Adresse ihm bekannt war, fahren könnte.

Aufgrund der mittels Alkotest festgestellten Alkoholisierung des Beschwerdeführers, die im Zeitpunkt der Führerscheinabnahme etwa 3,0 Promille Blutalkoholgehalt betragen hat, konnten die Gendarmeriebeamten selbst unter Berücksichtigung einer entsprechenden Abbaurate jedenfalls vertretbar davon ausgehen, daß der Beschwerdeführer am nächsten Morgen, also vier bis sechs Stunden nach dem Zeitpunkt ihres Einschreitens, noch einen Blutalkoholgehalt von jedenfalls über 0,8 Promille aufgewiesen hätte und daher aufgrund der gesetzlichen Vermutung des § 5 Abs. 1 zweiter Satz StVO als von Alkohol beeinträchtigt anzusehen gewesen wäre. Unter diesen Umständen war daher zwingend Vorsorge dafür zu treffen, daß der nicht fahrtüchtige Beschwerdeführer keinen Verkehrsunfall herbeiführt. Die im gegenständlichen Fall verfügte vorläufige Abnahme des Führerscheines erweist sich daher als den Voraussetzungen des § 76 Abs. 1 KFG entsprechend und somit als rechtmäßig.

Aus diesen Gründen war daher die vorliegende Beschwerde insoweit gemäß § 67c Abs. 3 AVG abzuweisen.

3.3.2. Zur Vornahme der Hausdurchsuchung:

Der glaubwürdigen Aussage des Vaters des Beschwerdeführers zufolge haben die beiden Sicherheitsorgane zunächst das Haus betreten, ohne daß ihnen freiwillig Einlaß gewährt worden wäre.

Für die Fälle einer Fahndung nach einem vermeintlich fahrerflüchtigen Kraftfahrzeuglenker sind die Bestimmungen des Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl.Nr. 566/1991 (im folgenden: SPG), nicht anwendbar (vgl. die §§ 3, 20 und 24 SPG).

Der gegenständliche Sachverhalt ist daher ausschließlich nach den Bestimmungen des Gesetzes zum Schutze des Hausrechtes, RGBl.Nr. 88/1862 (im folgenden: HausRG), das im Rang eines Bundesverfassungsgesetzes steht, zu beurteilen.

Eine Hausdurchsuchung nach § 1 HausRG stellt nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes dann und insoweit eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dar, als diese nicht im Rahmen eines richterlichen Hausdurchsuchungsbefehles erfolgt (vgl.

zB VfSlg 8545). Da ein solcher im gegenständlichen Fall nicht vorlag, ist sonach auch diese Prozeßvoraussetzung des § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG erfüllt und die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

Nach § 3 HausRG iVm § 2 dritter Satz HausRG kann von den Sicherheitsorganen aus eigener Macht eine Hausdurchsuchung zum Zweck der polizeilichen Aufsicht ua. dann vorgenommen werden, wenn jemand durch öffentliche Nacheile oder öffentlichen Ruf einer strafbaren Handlung verdächtig bezeichnet wird.

Im gegenständlichen Fall hat der Unfallgegner, also ein Dritter, angezeigt, daß der Beschwerdeführer an einem Verkehrsunfall beteiligt gewesen sei und nicht sofort angehalten bzw. nicht die nächste Sicherheitsdienststelle verständigt habe; dies stellt gemäß § 4 iVm § 99 Abs. 2 lit. a StVO eine verwaltungsbehördlich strafbare Handlung dar. Die Voraussetzungen für die eigenmächtige Anordnung einer Hausdurchsuchung durch die Sicherheitsorgane waren daher gegeben.

Deren Durchführung hatte aber gemäß § 5 HausRG nach den Bestimmungen der Strafprozeßordnung, BGBl.Nr. 631/1975 (im folgenden: StPO) zu erfolgen. Nach § 142 Abs. 1 StPO sind Hausdurchsuchungen stets mit Vermeidung allen unnötigen Aufsehens, jeder nicht unumgänglich nötigen Belästigung oder Störung der Beteiligten, mit möglichster Schonung ihres Rufes und ihrer mit dem Gegenstand der Untersuchung nicht zusammenhängenden Privatgeheimnisse sowie mit sorgfältigster Wahrung der Schicklichkeit und des Anstandes vorzunehmen.

Insbesondere letzteren Anforderungen wurde im gegenständlichen Fall offensichtlich nicht Rechnung getragen, wenn die beiden einschreitenden Beamten - trotz des Umstandes, daß sie nach ihren eigenen Angaben bei ihrem Eintreffen schon ein Licht im Haus wahrgenommen haben - dieses betreten haben, noch bevor ihnen freiwillig Einlaß gewährt wurde (gleiches träfe übrigens für den - hier nicht weiter zu verfolgenden - Vorwurf zu, daß dem Beschwerdeführer die Abnahmebestätigung mit dem ironischen Kommentar: "Das ist jetzt ihr Führerschein" ausgehändigt worden sein soll).

Insoweit erweist sich daher das Vorgehen der Sicherheitsorgane als rechtswidrig und war der Beschwerde in diesem Umfang gemäß § 67c Abs. 3 AVG stattzugeben.

4. Eine Kostenentscheidung war mangels darauf gerichteter Anträge nicht zu treffen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für den Oö. Verwaltungssenat:

Dr. G r o f

Kanzlei:

1. Statistikblatt entnehmen; 2. MA lt. AV; 3. Akt nach Abfertigung zurück zu Dr. Grof.

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum