Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-420080/6/Kl/Rd

Linz, 12.01.1996

VwSen-420080/6/Kl/Rd Linz, am 12. Jänner 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Klempt über die Beschwerde des Dr. M, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt am 22.6.1995 in Zurechnung der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck beschlossen:

I. Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

II. Der Beschwerdeführer hat dem Bund den Ersatz für den Vorlage- und Schriftsatzaufwand in der Höhe von insgesamt 3.365 S binnen 14 Tagen ab Zustellung bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Der Kostenersatzantrag des Beschwerdeführers wird abgewiesen.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: Art.129a Abs.1 Z2 B-VG iVm § 67a Abs.1 Z2 und § 67c AVG.

zu II.: § 79a AVG idFd Bundesgesetzes BGBl.Nr. 471/1995 iVm der Aufwandersatzverordnung UVS, BGBl.Nr. 855/1995.

Entscheidungsgründe:

1. Der Beschwerdeführer (kurz: Bf) brachte Beschwerde, beim O.ö. Verwaltungssenat eingelangt am 31.7.1995, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch ein Organ der BH Vöcklabruck am 22.6.1995, 15.30 Uhr, in der Kanzlei des Bf ein, und beantragte die Feststellung, daß die am 22.6.1995 um ca.

15.30 Uhr durch einen Beamten des GP A erfolgte Anordnung auf Herausgabe eines Reisedokumentes des S B rechtswidrig sei, und die Verfahrenskosten zuzuerkennen. Begründend wurde ausgeführt, daß der Bf Herrn S B anwaltlich vertrete. Die belangte Behörde habe am 20.6.1995 den GP A um Erhebungen und Berichterstattung ersucht, ob S B seiner Ausreisepflicht nachgekommen sei, widrigenfalls er wegen einer Übertretung nach § 82 Abs.1 Z2 FrG anzuzeigen sei, die Beamten zum Betreten der Räumlichkeiten des Fremden ermächtigt werden und der Fremde nach § 42 Abs.2 FrG festzunehmen und der Behörde zwecks Verhängung der Schubhaft vorzuführen sei. Der Genannte sollte am 23.6.1995 in sein Heimatland abgeschoben werden.

Der Bf wurde durch RI D vom GP A am 22.6.1995 gegen 11.30 Uhr befragt, ob bei ihm der Reisepaß des S B hinterlegt sei, was aber nicht im Detail bestätigt werden konnte. Er habe dann in seiner Kanzlei die Anweisung gegeben, aus dem Handakt während der Abwesenheit keine Urkunden auszufolgen.

Gegen 15.30 Uhr habe RI D von einer Mitarbeiterin des Bf gefordert, den im Handakt befindlichen Reisepaß herauszugeben (eine schriftliche Ermächtigung oder ein Bescheid wurden nicht vorgewiesen und nicht zugestellt). Die Mitarbeiterin verweigerte die Herausgabe. Daraufhin wurde mit Nachdruck erklärt, daß die Nichtherausgabe des Dokumentes die Vollziehung einer rechtmäßigen Amtshandlung und den Vollzug eines behördlichen Bescheides verhindere oder zumindest verzögere, und es wurde neuerlich die Herausgabe des Reisepasses gefordert bzw. aufgetragen. Die Herausgabe des - ohnehin ungültigen - Reisepasses unterblieb. Der zuständige Beamte hat daraufhin erklärt, daß er gegen den Bf eine Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft einbringen und eine Disziplinaranzeige erstatten werde.

Durch diese Vorgangsweise wurde die Verletzung des gemäß § 9 RAO gewährleisteten Rechts des Rechtsanwaltes zur Verschwiegenheit über die ihm anvertrauten Angelegenheiten und die ihm sonst in seiner beruflichen Eigenschaft bekannt gewordenen Tatsachen behauptet.

2. Die BH Vöcklabruck als belangte Behörde hat die bezughabenden Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie auf ein seit 13.1.1995 rechtskräftiges und durchsetzbares Aufenthaltsverbot hinwies, sowie auch auf den Umstand, daß der Fremde seiner Pflicht zur Ausreise nicht nachkam. Der Fremde wurde daher am 22.6.1995 gegen 10.05 Uhr auf dem Bahnhof A von einschreitenden Beamten des GPK A gemäß § 42 Abs.2 FrG festgenommen und in der Folge nach § 44 Abs.1 zweiter Satz FrG angehalten. Der Festgenommene gab vor, nicht im Besitz eines Reisepasses zu sein, weil sich dieser bei seinem Rechtsvertreter in Vöcklabruck befinde. Eine telefonische Anfrage gegen 11.30 Uhr wurde von diesem aber nicht ausreichend geklärt. Die belangte Behörde wies darauf hin, daß die vom beauftragten Organ ergangene Aufforderung an die Beschäftigte der Kanzlei des Bf um 15.30 Uhr, den dort deponierten Reisepaß herauszugeben, kein Akt der unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt sei, zumal es sich weder um eine Anordnung handelte, bei deren Nichtbefolgung physischer Sanktionszwang drohte, noch um eine solche, deren Nichtbefolgung eine Verwaltungsstrafe nach sich zog. Ausübung von der Verwaltungsbehörde zurechenbarer Zwangsgewalt scheidet schon begrifflich aus, nachdem der Gendarmeriebeamte die Kanzlei nach erfolglos ausgesprochener Aufforderung zur Herausgabe unverrichteter Dinge verließ.

Letztlich wurden noch Ausführungen zur tatsächlichen Erlangung des gültigen Reisepasses und Abschiebung des Fremden am 23.6.1995 gemacht. Die belangte Behörde ersuchte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen bzw. die Beschwerde zurückzuweisen und den vorgesehenen Kostenersatz zuzuerkennen.

3. Weil schon aus den Beschwerdevorbringen und auch den Äußerungen der belangten Behörde samt dem vorgelegten Aktengang ersichtlich ist, daß die Beschwerde zurückzuweisen ist, war eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht anzuberaumen (§ 67d Abs.1 AVG).

4. Gemäß Art.129a Abs.1 Z2 B-VG iVm § 67a Abs.1 Z2 AVG erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes.

Zulässiger Anfechtungsgegenstand ist nur ein Akt der unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt, welcher eine rechtsfeststellende oder -erzeugende Wirkung beigemessen werden kann, die sich gegen eine individuell bestimmte Person richtet, und sohin einen individuellen normativen Inhalt hat. Es ist daher erforderlich, daß ein verwaltungsbehördlicher Befehl mit unverzüglichem Befolgungsanspruch erteilt wurde, der erforderlichenfalls mit sofortigem Zwang durch unmittelbare Gewaltanwendung durchgesetzt worden wäre. Das heißt, daß die individuelle Anordnung bzw. der Befehl die Erwirkung einer hic-et-nunc-Realisierung intendiert, also entweder durch einen durchsetzbaren Folgebefehl, durch die Anwendung unmittelbarer Gewalt oder die Androhung einer Verwaltungsstrafe als Reaktion auf befehlswidriges Verhalten. Es muß daher das für den befehlenden verfahrensfreien Verwaltungsakt typische Element der Dringlichkeit gegeben sein. Demgemäß sind daher individuelle Aufforderungen, die zwar sofortige Realisierung erheischen, bei deren Nichtbefolgung aber die Möglichkeit unverzüglicher physischer Zwangsvollstreckung, der Erlassung eines entsprechenden Folgebefehls oder der Verhängung einer Verwaltungsstrafe weder von einer generellen Norm vorgesehen noch im Einzelfall rechtswidrigerweise angedroht sind, keine befehlenden verfahrensfreien Verwaltungsakte (vgl.

Bernd-Christian Funk, Der verfahrensfreie Verwaltungsakt, Seiten 103, 188 ff und 193).

Schon aus den Beschwerdebehauptungen ergibt sich aber, daß gegen den Bf bzw. die der Sphäre des Bf zuzurechnende Bedienstete durch das einschreitende Organ des GP A ein Befehl mit unverzüglichem Befolgungsanspruch, dh eine Anordnung mit drohendem Folgebefehl bzw. mit drohender Zwangsausübung bzw.

physischer Zwang nicht ergangen ist.

Es war daher die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen.

Weil aber eine wesentliche Zulässigkeitsvoraussetzung für die Beschwerde fehlt, war auch eine weitere Überprüfung hinsichtlich der behaupteten Verletzung von subjektiven Rechten des Bf nicht durchzuführen.

5. Gemäß § 79a AVG idFd Bundesgesetzes BGBl.Nr. 471/1995, welches mit 1.1.1996 in Kraft getreten ist, hat die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen wird, dann ist die belangte Behörde die obsiegende und der Bf die unterlegene Partei (Abs.3). Als Aufwendungen gemäß Abs.1 gelten Stempel- und Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, und die durch Verordnung des Bundeskanzlers im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates festzusetzenden Pauschbeträge für den Schriftsatz- und für den Verhandlungsaufwand. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht.

Gemäß der Verordnung des Bundeskanzlers über die Pauschalierung der Aufwandersätze für den Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand im Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Aufwandersatzverordnung UVS, BGBl.Nr. 855/1995), wurden Pauschbeträge für den Vorlageaufwand der belangten Behörde als obsiegender Partei von 565 S und für den Schriftsatzaufwand der belangten Behörde als obsiegender Partei von 2.800 S festgelegt. Es war daher der beantragte Vorlage- und Schriftsatzaufwand spruchgemäß in der Höhe von insgesamt 3.365 S zuzuerkennen.

Entsprechend war aber das Kostenbegehren des Bf abzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. K l e m p t

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum