Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420112/8/Kl/Ka

Linz, 14.08.1996

VwSen-420112/8/Kl/Ka Linz, am 14. August 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Klempt über die Beschwerde der UKF, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Verhaftung und Unterbringung in die geschlossene Abteilung der Landesnervenklinik am 24.4.1996 in Zurechnung der Bundespolizeidirektion Linz beschlossen:

I. Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

II. Die Beschwerdeführerin hat dem Bund die Kosten für den Vorlage- und Schriftsatzaufwand in der Höhe von insgesamt 3.365 S binnen 14 Tagen ab Zustellung bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Der Kostenersatzantrag der Beschwerdeführerin wird abgewiesen.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: Art.129a Abs.1 Z2 B-VG iVm § 67a Abs.1 Z2 und § 67c Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz - AVG.

zu II.: § 79a AVG idFd Bundesgesetzes BGBl.Nr. 471/1995 iVm der Aufwandersatzverordnung UVS, BGBl.Nr. 855/1995.

Entscheidungsgründe:

1. Die Beschwerdeführerin (kurz: Bf) brachte mit Schriftsatz vom 22.5.1996, beim O.ö. Verwaltungssenat eingelangt am 23.5.1996, Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Beamte der Bundespolizeidirektion Linz am 24.4.1996 durch Verhaftung und Unterbringung in die geschlossene Abteilung der Landesnervenklinik ein und machte die Verletzung von verfassungsgesetzlich gewährleisteten und einfach gesetzlichen Rechten, nämlich Recht auf persönliche Freiheit gemäß Art.8 StGG und Art.5 EMRK, Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art.83 B-VG, Recht, keiner unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung unterworfen zu werden, gemäß Art.3 EMRK sowie Recht auf Achtung des Privatund Familienlebens gemäß Art.8 EMRK geltend. Zum Sachverhalt wurde ausgeführt, daß am 24.4.1996 zwei Polizisten in die Wohnung der Bf kamen und ihr erklärten, sie müßte mit ihnen kommen. Sie sei dem Amtsarzt vorgeführt worden, welcher sich auf eine Anzeige berief, ohne die Aufklärung über einen anonymen Anruf vorzunehmen. Es wurde eine Urinprobe abgenommen und auf Alkohol oder Rauschgift untersucht, was negativ verlief. Die Erklärung, daß es der Bf nun reiche, wurde willkürlich mißgedeutet im Sinne einer Selbstmorddrohung und zum Anlaß genommen, sie wegen angeblicher Selbstmordgefahr in die geschlossene Abteilung des Wagner-Jauregg Krankenhauses einzuweisen. Dort wurde sie in ein Mehrbettzimmer untergebracht, mußte sich völlig entkleiden und mußte in einem Anstaltshemd zu Bett gehen.

Fachärztlich sei sie erst am nächsten Tag untersucht und am Nachmittag wieder nach Hause geschickt worden. Seitens der Patientenanwältin des Wagner-Jauregg Krankenhauses wurde auch ein Wahrnehmungsbericht über die ungewöhnliche Vorgangsweise an das Bezirksgericht Linz geschickt und ein Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Unterbringung gestellt. Es wurde daher die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Festnahme und Unterbringung in die geschlossene Abteilung des Wagner-Jauregg Krankenhauses und der Kostenzuspruch beantragt.

2. Die Bundespolizeidirektion (BPD) Linz als belangte Behörde hat die bezughabenden Verwaltungsakte vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie die Zurückweisung der Beschwerde als unzulässig, in eventu die Abweisung der Beschwerde beantragte und jedenfalls den Aufwandersatz beantragte. Unter Hinweis auf die Aktenunterlagen wurde ausgeführt, daß die Polizeibeamten aufgrund einer Anzeige, daß die Bf ihren PKW soeben im alkoholisierten Zustand nach Hause gelenkt habe, eingeschritten sind, wobei die Bf freiwillig nach Läuten die Wohnungstür öffnete und die Beamten in die Wohnung ließ.

Nach längerem Zögern habe die Bf freiwillig der Aufforderung, sich vom Amtsarzt untersuchen zu lassen im Hinblick auf eine Beeinträchtigung durch Medikamente bzw Suchtgift Folge geleistet. Sie billigte ungezwungen in die Untersuchung ein. Aufgrund weiterer Äußerungen über den Tod ihres Mannes und die Drogensucht ihrer Tochter und des weinerlichen Zustandes wurde sie zum Wachzimmer und dann zur amtsärztlichen Untersuchung in das Polizeigefangenenhaus verbracht, wo der Polizeiarzt die Voraussetzungen für eine zwangsweise Unterbringung feststellte und ein Parere ausstellte, und die Bf sodann mit der Rettung ins Spital verbracht wurde. Es habe daher weder für das Betreten der Wohnung noch die Vorführung vor den Polizeiarzt einer Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt bedurft und hat eine solche nicht stattgefunden. Im übrigen wäre eine solche aber gemäß § 46 SPG sowie § 9 UbG gerechtfertigt gewesen. Ein Parere wurde durch den Polizeiarzt ausgestellt. Hinsichtlich der Aufnahme in die Anstalt und dem weiteren Verbleib in der Anstalt sei aber die BPD Linz nicht verantwortlich.

3. Weil schon aus dem Beschwerdeschriftsatz und auch den Äußerungen der belangten Behörde samt dem vorgelegten Aktengang ersichtlich ist, daß die Beschwerde zurückzuweisen ist, war eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht anzuberaumen (§ 67d Abs.1 AVG). Der Bf wurde der Schriftsatz der belangten Behörde nachweislich zur Kenntnis gebracht und im Sinne des Parteiengehörs Gelegenheit zu einer schriftlichen Äußerung binnen angemessener Frist eingeräumt.

Davon machte die Bf allerdings weder in der gesetzten Frist noch bis zur gegenständlichen Entscheidung Gebrauch.

4. Gemäß Art.129a Abs.1 Z2 B-VG iVm § 67a Abs.1 Z2 AVG erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes.

Zulässiger Anfechtungsgegenstand ist nur ein Akt der unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt, welcher eine rechtsfeststellende oder -erzeugende Wirkung beigemessen werden kann, die sich gegen eine individuell bestimmte Person richtet, und sohin einen individuellen normativen Inhalt hat. Es ist daher erforderlich, daß ein verwaltungsbehördlicher Befehl mit unverzüglichem Befolgungsanspruch erteilt wurde, der erforderlichenfalls mit sofortigem Zwang durch unmittelbare Gewaltanwendung durchgesetzt worden wäre. Das heißt, daß die individuelle Anordnung bzw. der Befehl die Erwirkung einer hic-et-nunc-Realisierung intendiert, also entweder durch einen durchsetzbaren Folgebefehl, durch die Anwendung unmittelbarer Gewalt oder die Androhung einer Verwaltungsstrafe als Reaktion auf befehlswidriges Verhalten. Es muß daher das für den befehlenden verfahrensfreien Verwaltungsakt typische Element der Dringlichkeit gegeben sein. Demgemäß sind daher individuelle Aufforderungen, die zwar sofortige Realisierung erheischen, bei deren Nichtbefolgung aber die Möglichkeit unverzüglicher physischer Zwangsvollstreckung, der Erlassung eines entsprechenden Folgebefehls oder der Verhängung einer Verwaltungsstrafe weder von einer generellen Norm vorgesehen noch im Einzelfall rechtswidrigerweise angedroht sind, keine befehlenden verfahrensfreien Verwaltungsakte (vgl.

Bernd-Christian Funk, Der verfahrensfreie Verwaltungsakt, Seiten 103, 188 ff und 193). Weiters ist die Anwendung von Zwangsgewalt anfechtbar.

Wie schon aus der Aktenlage, insbesondere aus der Anzeige der BPD Linz vom 24.4.1996, ersichtlich ist, war zu keiner Zeit während der Amtshandlung eine Zwangsmaßnahme, also ein gewaltsames Einschreiten erforderlich. Dies deckt sich im übrigen auch mit den Beschwerdeausführungen, zumal die Bf im dargelegten Sachverhalt ausführte, daß "zwei Polizisten in meine Wohnung kamen und mir erklärten, ich müßte mit ihnen kommen". Von einem gewaltsamen Eindringen, wie zB das Aufbrechen der Tür bzw von einem Befehl, die Tür zu öffnen, weil ansonsten die Tür aufgebrochen werde oder sonstige Gewalt angewendet werde, ist selbst in der Beschwerde nicht die Rede. Auch behauptete die Bf zu keiner Zeit in der Beschwerde, daß bzw wann sie tatsächlich durch Polizeibeamte ausdrücklich festgenommen wurde bzw daß körperliche Gewalt angewendet wurde. Aus der "Vorführung" zum Amtsarzt allein kann noch keine Gewaltanwendung geschlossen werden, sondern vielmehr ist darunter das Verbringen zum Amtsarzt, und zwar auch mit Einwilligung des Betroffenen zu sehen. Gemäß § 5 Abs.5 und 9 StVO 1960 in der Fassung der 19. StVO-Novelle sind nämlich Organe der Straßenaufsicht berechtigt, Personen, bei denen Alkoholbeeinträchtigung bzw Suchtgiftbeeinträchtigung vermutet werden kann, zur Feststellung des Grades der Beeinträchtigung zu einem Arzt zu bringen, und es hat der Betreffende sich dieser Untersuchung zu unterziehen. Zur Anwendung von Zwangsmaßnahmen wird aber nach dieser Gesetzesstelle nicht ermächtigt und ist die Anwendung von Zwang auch nicht erforderlich, zumal bei Nichtbefolgung dieser gesetzlichen Anordnung dieselbe Strafe verhängt wird, wie wenn eine Beeinträchtigung festgestellt wird. Eine Festnahme kann daher nur unter den Voraussetzungen des § 35 VStG stattfinden. Eine dezidierte Festnahme wurde aber mangels entsprechender Beschwerdebehauptungen weder ausgesprochen noch tatsächlich ausgeführt. Es hat daher auch der Verfassungsgerichtshof bereits entschieden, daß eine freiwillige Folgeleistung einer Aufforderung, zum Gendarmerieposten mitzukommen, bzw das Mitkommen zum Wachzimmer keine Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt sind (VfSlg.11568/1987 und 11816/1988). Die Bf macht weiters in der Beschwerde niemals geltend, daß zB von den Polizeibeamten ein Befehl mit unverzüglichem Befolgungsanspruch, dh eine Anordnung mit drohendem Folgebefehl bzw mit drohender Zwangsausübung ergangen ist.

Weil es daher an einer wesentlichen Zulässigkeitsvoraussetzung für die Beschwerde fehlt, war diese daher als unzulässig zurückzuweisen. Eine meritorische Überprüfung der behaupteten Verletzung von subjektiven Rechten der Bf war daher nicht durchzuführen.

5. Was hingegen "die Unterbringung in der geschlossenen Abteilung eines Irrenhauses" anlangt, so gelten die vorangeführten Ausführungen sinngemäß für die Vorführung zum Polizeiarzt bzw Untersuchung beim Polizeiarzt. Die Beschwerde führt weder eine Androhung von Gewaltanwendung noch eine tatsächliche Gewaltanwendung aus. Es fehlt daher auch diesbezüglich an einem tauglichen Anfechtungsgegenstand. Auch wurde hinsichtlich der Verbringung in das Wagner-Jauregg Krankenhaus durch den Rettungsdienst keine Gewaltanwendung behauptet.

6. Was jedoch die weitere Vorgangsweise bei der Anhaltung in der Krankenanstalt sowie die einschränkenden Maßnahmen in der Krankenanstalt anlangt, so ist im Sinn des Unterbringungsgesetzes (§ 2 UbG) Unterbringung dann vorliegend, sobald eine in eine Anstalt eingelieferte Person durch Anstaltspersonal Einschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit unterworfen wird. Ab diesem Zeitpunkt ist sie im Sinne des § 1 Abs.1 UbG in die Krankenanstalt "aufgenommen". Gemäß § 18 UbG hat über die Zulässigkeit der Unterbringung des Kranken das Gericht nach Prüfung der Voraussetzungen der Unterbringung zu entscheiden. Von dieser Möglichkeit hat dann auch die Bf tatsächlich Gebrauch gemacht. Im übrigen kommt den Gerichten auch die Kontrolle der Zulässigkeit der in den §§ 33, 34 und 35 UbG geregelten Beschränkungen und der ärztlichen Behandlung von Kranken zu.

Aus diesen Regelungen ergibt sich daher die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte zur Prüfung der im Unterbringungsgesetz geregelten Zwangsakte in Krankenanstalten und Abteilungen für Psychiatrie. Weil aber Beschwerden wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt lediglich subsidiäre Rechtsmittel sind, die nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur der Schließung einer Lücke im Rechtschutzsystem, nicht aber der Eröffnung einer Zweigleisigkeit für die Verfolgung ein- und desselben Rechts dienen, ist daher zufolge der umfassenden Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte zur Prüfung der Zulässigkeit einer Unterbringung nach dem Unterbringungsgesetz, die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates zur Überprüfung jener Anstaltsakte nicht gegeben (vgl. VwGH vom 28.1.1994, 93/11/0035, 0036; 31.5.1994, 93/11/0033).

6. Unbeschadet der obigen Ausführungen wird aber zur Behauptung der Bf, daß eine Einweisung lediglich über richterlichen Befehl erfolgen könne, entgegengehalten, daß wie die belangte Behörde zu Recht ausführte - gemäß § 46 Sicherheitspolizeigesetz iVm § 9 UbG die Organe der öffentlichen Aufsicht ermächtigt sind, Menschen, von denen sie aus besonderen Gründen annehmen, daß sie an einer psychischen Krankheit leiden oder im Zusammenhang damit ihr Leben oder ihre Gesundheit oder das Leben oder die Gesundheit anderer ernstlich und erheblich gefährden, einem im öffentlichen Sicherheitsdienst stehenden Arzt oder einem Polizeiarzt vorzuführen, sofern dies notwendig ist, um eine Untersuchung des Betroffenen durch diesen Arzt zu ermöglichen.

Weiters sind sie ermächtigt, solche Menschen einer Krankenanstalt (Abteilung) für Psychiatrie vorzuführen, sofern der Arzt die Voraussetzungen für eine Unterbringung bescheinigt. Zu bemerken ist allerdings, daß nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes eine Beurteilung der Richtigkeit des Inhaltes der Bescheinigung (Parere) den Exekutivorganen bzw der Behörde nicht obliegt, sondern es ist für die Einweisung lediglich das Vorhandensein des Pareres mit dem gesetzlichen Inhalt erforderlich (vgl. Hauer-Keplinger, Handbuch zum Sicherheitspolizeigesetz zu § 46 SPG, S.247 f).

7. Dem Antrag auf Weiterleitung an die Staatsanwaltschaft kann nicht entsprochen werden und müßte ein Herantreten durch die Bf in eigener Person erfolgen, zumal es sich um von ihr persönlich gemachte Wahrnehmungen - und nicht solche des O.ö. Verwaltungssenates bei seiner Amtsausübung handelt (§ 84 StPO).

8. Gemäß § 79a AVG idFd Bundesgesetzes BGBl.Nr. 471/1995, hat die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.

Wenn die Beschwerde zurückgewiesen wird, dann ist die belangte Behörde die obsiegende und der Bf die unterlegene Partei (Abs.3). Gemäß der Verordnung des Bundeskanzlers über die Pauschalierung der Aufwandersätze für den Schriftsatzund Verhandlungsaufwand im Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Aufwandersatzverordnung UVS, BGBl.Nr. 855/1995), war daher der belangten Behörde als obsiegender Partei der Vorlageaufwand von 565 S und der Schriftsatzaufwand von 2.800 S zuzusprechen. Entsprechend war aber das Kostenbegehren der Bf abzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. K l e m p t

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