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des Landes Oberösterreich
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VwSen-103149/10/Br

Linz, 27.10.1995

VwSen-103149/10/Br Linz, am 27. Oktober 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung der Frau G R, A, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 17. Juli 1995, Zl.

VerkR96-9088-1994, wegen Übertretung der StVO 1960, nach der am 27. Oktober 1995 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird keine F o l g e gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird mit der Maßgabe bestätigt, daß in Ergänzung dessen Spruches nach der Wortfolge .....'auf Höhe der Reinigungsfirma L' die Ergänzung "in Fahrtrichtung L" einzufügen ist.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 471/1995 AVG iVm. § 19 § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 und § 51i Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 620/1995 - VStG; II. Als Kosten für das Berufungsverfahren werden der Berufungswerberin zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten 200 S (20 % der verhängten Strafe) auferlegt.

Rechtsgrundlage:

§ 64 Abs.1 u. 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding hat mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis über die Berufungswerberin wegen der Übertretung nach § 99 Abs.3 lit. a iVm § 9 Abs.2 StVO 1960 eine Geldstrafe von 1.000 S und für den Nichteinbringungsfall 24 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil sie am 18.11.1994 um ca. 18.02 den PKW Citroen GS mit dem Kennzeichen im Stadtgebiet von S auf dem Oberen Stadtplatz auf Höhe der Reinigungsfirma L gelenkt und einen Fußgänger das ungehinderte und ungefährdete Überqueren auf dem Schutzweg nicht ermöglicht habe.

2. Begründend führte die Erstbehörde aus:

"Der strafbare Tatbestand ist durch die dienstliche Wahrnehmung eines Organs der Sicherheitswache der Stadtgemeinde S sowie des Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens als erwiesen anzunehmen.

Sie lenkten am 18.11.1994 um ca. 18.02 Uhr den PKW der Marke Citroen mit dem Kennzeichen im Stadtgebiet S auf dem Oberen Stadtplatz auf Höhe der Reinigungsfirma L. In diesem Bereich befindet sich ein Schutzweg und standen auf dem Gehsteig drei Fußgänger, bei denen die Absicht deutlich erkennbar war, die Fahrbahn überqueren zu wollen. Aus diesem Grund hielt vor dem Schutzweg ein Radfahrer an. Sie fuhren an diesem anhaltenden Radfahrer vorbei, ohne die Fußgänger zu beachten, welche die Fahrbahn auf dem Schutzweg überqueren wollten. Diese Fahrweise wurde von einem unmittelbar mit dem Dienstfahrzeug nachfahrenden Organ der Sicherheitswache der Stadtgemeinde S beobachtet, welches Sie kurz danach anhalten und kontrollieren konnte. Zur Rechtfertigung gaben Sie an, keinen Fußgänger gesehen und sicher niemanden behindert zu haben.

Gegen unsere Strafverfügung vom 30.12.1994 erhoben Sie Einspruch und gaben dazu an, daß Sie am 18.11.1994 um ca.

18.00 Uhr mit Ihrem PKW stadtauswärts gefahren seien. Es sei bereits völlig dunkel und etwas regnerisch gewesen. Sie könnten sich sehr gut erinnern, daß Sie im Schrittempo den Zebrastreifen kurz vor dem L überquert, jedoch keinen Fußgänger dabei behindert oder gefährdet hätten. Natürlich hätten sich in der Nähe des Gehsteiges Passanten befunden, aus deren Verhalten jedoch nicht zu erkennen gewesen sei, daß Sie die Absicht gehabt hätten, die Straße zu überqueren.

Sie fühlten sich daher nicht schuldig, hätten dies auch Herrn H von der Stadtpolizei S gegenüber betont, der Sie zu S 500,- - Geldstrafe verurteilt hätte. Es sei Ihr Wunsch gewesen, diesen Vorfall an die Bezirkshauptmanschaft weiterzuleiten, da Sie den Ihnen unterstellten Tathergang richtigstellen und Ihre Unschuld beweisen möchten. Weiters verwiesen Sie auf § 21 Abs. 1 VStG und der Judikatur NF 4462 F zu dieser Bestimmung. Falls die Behörde es für erforderlich halten würde, könne sie Sie unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit Ihres Verhaltens bescheidmäßig ermahnen. Sie beantragten das Verfahren gegen Sie endgültig einzustellen.

Aufgrund der Einspruchangaben wurde der Meldungsleger Insp.

H der Sicherheitswache der Stadtgemeinde S ersucht, eine Stellungnahme abzugeben und gab dazu folgendes an:

"Zum vorliegenden Sachverhalt teile ich mit, daß die drei Fußgänger, welche unmittelbar im Begriff waren, den Schutzweg zu überqueren, bereits zu dem Zeitpunkt, als sich Frau R dem Schutzweg mit dem Fahrzeug näherte, deutlich erkennbar, jeweils mit der Körpervorderseite dem Schutzweg zugewandt, an der Gehsteigkante standen. Frau R näherte sich dem Schutzweg in etwa mit einer Geschwindigkeit zwischen 20 und 30 km/h. Diese Angaben kann ich mit Bestimmtheit machen, da ich mit dem Dienstfahrzeug der städtischen Sicherheitswache unmittelbar hinter ihr gefahren bin.

Verwunderlich erscheint mit, daß Frau R mir als Anzeigeleger gegenüber erklärte, keine Fußgänger gesehen zu haben, im jetzigen schriftlichen Einspruch jedoch erklärt, in der Nähe des Schutzweges haben sich solche aufgehalten.

Nachdem Frau R widerrechtlich vor dem Schutzweg nicht angehalten hatte und vorbeigefahren war und ich vorschriftsmäßig, sowie der in der Anzeige genannte Radfahrer, anhielten, überquerten die drei Fußgänger die Straße am Schutzweg. Es erscheint mit aufgrund dieser Tatsache als erwiesen, daß diese vorangeführten Personen die unmittelbare Absicht hatten, den Schutzweg zu benutzen. Mehr kann ich zum Sachverhalt nicht anführen." Diese Stellungnahme wurde Ihnen mit unserem Schreiben vom 22.05.1995 in Fotokopie übermittelt und Ihnen die Möglichkeit eingeräumt, hiezu eine Äußerung abzugeben.

Ebenso wurden Sie auf die 15. StVO-Novelle hingewiesen, wonach die Verhaltensweisen der Fahrzeuglenker bei Annäherung an einen Schutzweg wesentlich verschärft wurden.

In Ihrem Schreiben vom 08.06.1995 erwähnten Sie, daß Sie die Stellungnahme der Sicherheitswache in keinem Punkt teilen könnten. Gegenüber dem Meldungsleger hätten Sie lediglich erklärt, daß Sie keine Fußgänger gesehen hätten, die die unmittelbare Absicht gehabt hätten, den Schutzweg zu benützen. Dementsprechend sei auch Ihr Einspruch ausgefallen, in dem Sie erklärt hätten, daß sich lediglich in der Nähe des Schutzweges Fußgänger angehalten hätten. Die Angabe, daß die Fußgänger bereits an der Gehsteigkante gestanden seien, sei unrichtig. Vielmehr hätten sich diese Fußgänger in der Nähe des Schutzweges befunden, wobei aber keiner dieser Fußgänger den Eindruck vermittelt hätte, daß die unmittelbare Absicht bestehe, den Schutzweg zu überqueren. Die Tatsache, daß nach Ihrem Überqueren des Schutzweges drei Fußgänger die Straße überquert hätten, erscheine Ihnen nicht dazu geeignet, zu beweisen, daß diese Personen vor Ihrem Vorbeifahren die unmittelbare Absicht gehabt hätten, den Schutzweg zu benützen. Sie seien sich keiner wie auch immer gearteten Schuld bewußt, außerdem seien Sie der Auffassung, daß hier sehr wohl § 21 Abs. 1 VStG angewendet werden könnte. Bezüglich Ihres monatlichen Einkommens verwiesen Sie darauf, daß Sie teilzeitbeschäftigt seien.

Aufgrund einer Vorladung erschien am 30.06.1995 der Meldungsleger RevInsp. H zur zeugenschaftlichen Aussage und verwies dieser lediglich auf die Angaben seiner Anzeige vom 29.11.1994 und auf seine Stellungnahme zum Einspruch vom 25.04.1995. Diese Ausführungen erhob er zu seiner Zeugenaussage und hatte nichts weiter hinzuzufügen.

Der § 9 Abs. 2 StVO 1960 in der Fassung der 19.

StVO-Novelle, BGBL. Nr. 518/94 lautet: "Der Lenker eines Fahrzeuges, das kein Schienenfahrzeug ist, hat einen Fußgeher, der sich auf dem Schutzweg befindet oder diesen erkennbar benützen will, das unbehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen. Zu diesem Zweck darf sich der Lenker eines solchen Fahrzeuges einem Schutzweg nur mit einer solchen Geschwindigkeit nähern, daß er das Fahrzeug vor dem Schutzweg anhalten kann, und er hat, falls erforderlich, vor dem Schutzweg anzuhalten..." Nach Ziffer 122 dieser 19. StVO-Novelle trat diese Bestimmung mit 01.10.1994 in Kraft.

Im Bericht des Verkehrsausschusses zu dieser StVO-Novelle ist unter Pkt. 2.2 ausgeführt, daß auf Schutzwegen der absolute Vorrang von Fußgängern schon dann bestehen soll, wenn Sie durch Ihr Verhalten anzeigen, daß Sie einen Schutzweg benützen wollen, ihn aber noch nicht betreten haben. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage wird zu dieser Bestimmung verwiesen, daß die derzeitige Bestimmung über Schutzwege sich in der Praxis als unzureichend erwiesen haben. Nicht zuletzt der hohe Anteil an Fußgängerunfällen auf Schutzwegen an der Gesamtzahl der Fußgängerunfälle lassen eine Reformierung notwendig erscheinen. Es gilt insbesondere, den unbedingten Vorrang eines Fußgängers, der einen Schutzweg benützt, zu unterstreichen. Dies soll vor allem dadurch geschehen, daß dieser Vorrang nicht nur Fußgänger, die sich bereits auf dem Schutzweg befinden, sondern auch solchen, die den Schutzweg erkennbar benützen wollen, eingeräumt wird. Damit wird der in der Praxis vorherrschenden, und aus der Sicht der Verkehrssicherheit berechtigten Erwartungshaltung von Fußgängern im Hinblick auf die Schutzwirkung dieser Querungshilfe entsprochen.

Diese Bestimmung entspricht in der novellierten Fassung dem § 26 der deutschen Straßenverkehrsordnung.

Aus diesen Erläuterungen ist klar und zweifelsfrei erkennbar, daß der Gesetzgeber den Vorrang und Schutz der Fußgänger in den Vordergrund stellte. Ein Beschuldigter ist nach dem Verwaltungsstrafgesetz nicht verpflichtet, wahrheitsgetreue Angaben zu machen, währenddessen der Meldungsleger RevInsp. H unter Hinweis auf seinen Diensteid und die zeugenschaftliche Wahrheitspflicht seine Aussage machte. Es ist auch nachvollziehbar, daß auf dem Gehsteig vor dem Schutzweg Fußgänger standen, welche erkennbar die Fahrbahn überqueren wollten, nachdem bereits ein Radfahrer zu diesem Zweck angehalten hatte. Bei einiger Aufmerksamkeit hätten Sie nicht nur die Fußgänger erkennen müssen, sondern auch den Radfahrer und warum dieser angehalten hatte. Ihre Fahrweise war hingegen nicht von der im Straßenverkehr und im besonderen im Bereich von Schutzwegen erforderlichen Aufmerksamkeit geprägt, weshalb Sie - ohne die Fußgänger, die den Schutzweg erkennbar benützen wollten, zu beachten und den damit zusammenhängenden Zweck des angehaltenen Radfahrers zu erkennen - den Schutzweg überquerten.

Zu Ihrem Hinweis im Einspruch, keinen Fußgänger behindert oder gefährdet zu haben, ist zu erwidern, daß es nicht Voraussetzung ist, einen Fußgänger zu behindern oder zu gefährden, sondern hat ein Fahrzeuglenker von vornherein einen Fußgänger diesen das unbehinderte und gefährdete Überqueren zu ermöglichen. Um dies zu ermöglichen, hat sich ein Fahrzeuglenker gegebenenfalls mit entsprechend geringer Geschwindigkeit dem Schutzweg zu nähern, um jederzeit anhalten zu können.

Es ist der Ansicht des Meldungslegers zuzustimmen, daß Sie sich in Ihren Aussagen widersprechen. Während Sie bei der Kontrolle angaben, keinen Fußgänger gesehen zu haben, erwähnen Sie im Einspruch sehr wohl, daß sich in der Nähe des Gehsteiges Passanten befunden hätten. In Ihrem Schreiben vom 08.06.1995 erwähnten Sie schließlich, daß sich diese Fußgänger in der Nähe des Schutzweges aufgehalten hätten.

Aus diesen Ausführungen ist zu erkennen, daß Sie bei Ihren Aussagen jedesmal den vom Meldungsleger festgestellten Sachverhalt näher kamen. Daß die Fußgänger die Absicht anzeigten, den Schutzweg benützen zu wollen, ist aufgrund der zeugenschaftlichen Aussage des Meldungslegers zu ermahnen, als auch des Verhaltens des Radfahrers, der stehenblieb, um der gesetzlichen Pflicht zu entsprechen.

Wenn die Fußgänger den Eindruck nicht vermittelt hätten, den Schutzweg zu benützen, hätte auch der Radfahrer keine Veranlassung gehabt, stehen zu bleiben. Auch durch die Tatsache, daß die Fußgänger unmittelbar nach Ihrem Überqueren des Schutzweges diesen benützt haben, ist erkennbar, daß sich diese unmittelbar davor an der Gehsteigkante befunden haben mußten.

Im Gesamten sind Ihre Ausführungen nicht geeignet, den strafbaren Sachverhalt zu widerlegen.

Zu Ihrem Hinweis, daß § 21 Abs.1 VStG im Hinblick auf das zitierte VwGH-Erkenntnis anzuwenden wäre, ist Ihnen entgegen zu halten, daß Sie den Grundgedanken der Judikatur verkennen. Wie Sie in Ihrem Einspruch richtig erwähnen, ist § 21 Abs. 1 VStG anzuwenden, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Diese Voraussetzungen liegen im gegenständlichen Fall nicht vor, zumindest ist das Verschulden des Beschuldigten nicht geringfügig und wird in diesem Zusammenhang auf die seit 01.10.1994 geltende strengere Rechtslage verwiesen, wonach dem Fußgänger im Bereich eines Schutzweges absoluter Vorrang einzuräumen ist.

Eine Mißachtung dieser Bestimmung ist somit keinesfalls als "geringfügiges Verschulden" anzusehen. Wenn nun eine der Voraussetzungen für die Anwendung des § 21 Abs.1 VStG nicht vorliegt, ist es der Behörde verwehrt, diese Bestimmung anzuwenden (sh. VwGH 16.03.1987, 87/10/0024).

Bei der Bemessung des Strafausmaßes konnte als mildernd Ihre bisherige Unbescholtenheit gewertet werden, wobei dieser Umstand auch zur in der Strafverfügung festgesetzten Strafe führte.

Der verhängte Strafsatz ist dem Verschulden - im besonderen auch im Hinblick auf die seit 01.10.1994 geltende Rechtslage - angemessen und erscheint geeignet, Sie in Hinkunft von der Begehung weiterer gleicher Delikte abzuhalten.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse wurden dabei berücksichtigt. Mangels Angaben wurden die persönlichen Verhältnisse geschätzt und zwar monatliches Einkommen ca. S 15.000,--, keine Sorgepflicht, kein Vermögen; in Ihrem Schreiben vom 08.06.1995 haben Sie das von uns geschätzte monatliche Einkommen als "keinesfalls realistisch" betrachtet, da sie teilzeitbeschäftigt seien (24 Stunden-Wochen), unterließen es jedoch, Ihr tatsächliches monatliches Einkommen bekanntzugeben, womit Sie Ihre Mitwirkungspflicht im Verwaltungsstrafverfahren nicht nachgekommenen sind. Wir gehen nunmehr von einem monatlichen Einkommen von ca. S 12.000,- aus. Bezüglich der Familien- und Vermögensverhältnisse machten Sie keine Angaben.

Die vorgeschriebenen Kosten sind in der zitierten Gesetzesstelle begründet." 2.1. Dagegen wendet sich die Berufungswerberin mit ihrer fristgerecht erhobenen Berufung. Sie führt aus wie folgt:

" Betrifft: VerkR96-9088-1994 Ansuchen um Strafnachsicht bzw. Strafmilderung Sehr geehrte Damen und Herren! Mit Straferkenntnis vom 17. Juli 1995 hat die Bezirkshauptmannschaft Schärding über mich eine Geldstrafe in der Höhe von 1.000.-- S verhängt, da ich - so zumindest der Spruch des entsprechenden Straferkenntnisses - einem Fußgänger das ungehinderte und ungefährdete Übergehen auf dem Schutzweg nicht ermöglicht hätte.

Dementsprechend stelle ich an die Berufungsbehörde gem. § 51 Abs.4 VStG das Ansuchen um Nachsicht oder Milderung der Strafe. Die dabei ins Treffen zu führenden rücksichtwürdigen Umstände entnehmen Sie bitte aus dem Akt. Nochmals möchte ich kurz erwähnen, daß für den Fall, daß mir der Eindruck vermittelt worden wäre, daß Fußgänger die unmittelbare Absicht haben, den Fußgängerschutzweg zu überqueren, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit stehengeblieben wäre. Diese Tatsache wird auch durch meine bisherige Unbescholtenheit untermauert, welche ansonsten schon sicherlich des öfteren dahingehend bestraft worden wäre.

Ich bin der Ansicht, daß der Fußgänger, der einen Schutzweg benutzen will, absoluten Vorrang vor einem PKW haben soll.

Entgegen den Ausführungen der Bezirkshauptmannschaft Schärding ist in meinen bisherigen Aussagen im Strafverfahren kein Widerspruch zu erkennen. Trotzdem verzichte ich im konkreten Fall auf die Erhebung einer Berufung und stelle anstatt dessen das Ansuchen um Nachsicht bzw. Milderung der über mich ausgesprochenen Strafe, da angesichts meiner erheblichen regelmäßigen Belastung eine verhängte Geldstrafe von S 1.000,-- doch als wesentlich überhöht zu betrachten ist.

Ich bitte die Berufungsbehörde, meinem diesbezüglichen Ersuchen stattzugeben und verbleibe mit freundlichen Grüßen (e.h. Unterschrift)" 3. Die Erstbehörde hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt; somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser ist, da keine 10.000 S übersteigende Strafe verhängt worden ist durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Weil die Berufungswerberin zumindest im Kontext ihrer Berufungsausführungen die Tatbegehung auch inhaltlich bestreitet, wurde die Berufung als nicht bloß gegen die Strafe gerichtet erachtet und somit eine öffentliche mündliche Verhandlung anberaumt (§ 51e Abs.1 VStG).

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt der Bezirkshauptmannschaft Schärding, VerkR96-9088-1994. Ferner durch die Vernehmung des Zeugen Insp. H. Die Vermessung der Sichtweiten und der Fahrbahnbreite erfolgte im Rahmen des anläßlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung durchgeführten Ortsaugenscheines. Ebenfalls wurde wegen deren unentschuldigten Nichterscheinens mit der Berufungswerberin fernmündlichen Kontakt aufgenommen, wobei sie vom Ergebnis der Beweisaufnahme in Kenntnis gesetzt wurde. Sie teilte im Zuge dieses Telefonates mit, daß sie sich mittels einer Mitteilung per FAX an den Oö. Verwaltungssenat für den Verhandlungstermin entschuldigt hätte. Dieses Fax wurde jedoch bereits am 25.10.1995 in der Firma der Berufungswerberin vorbereitet und am 27.10.1995, 09.00 Uhr abgesendet. Die gesundheitlichen bzw familiären Probleme wurden nicht genannt.

5. Die Fahrbahnbreite beträgt im Bereich des Fußgängerüberganges 5,8 Meter. Ausgehend von der Annahme, daß die Berufungswerberin vom westlichen Teil des Stadtplatzes nach rechts in Richtung L eingebogen sein sollte, beträgt die Sichtweite auf den Fußgängerübergang bzw. den rechtsseitigen Gehsteig 28 Meter. Falls der Stadtplatz jedoch in gerader Richtung durchfahren worden sein sollte, beträgt die Sichtweite auf diesen Punkt zumindest 100 Meter.

5.1. Die Berufungswerberin näherte sich dem Fußgängerübergang vorerst mit etwa 30 km/h. Vor ihr fuhr ein Radfahrer, sodaß sie die Fahrgeschwindigkeit im Zuge der Annäherung an den Schutzweg entsprechend reduzieren mußte.

Unmittelbar hinter der Berufungswerberin fuhr der Meldungsleger mit dem Dienstkraftwagen. Während der Radfahrer wegen der am rechten Gehsteig befindlichen, in Richtung des anflutenden Verkehrs blickenden Fußgänger welche so ihre Absicht den Fußgängerübergang überqueren zu wollen anzeigten - anhielt, fuhr die Berufungswerberin mit geringer Geschwindigkeit an diesem Radfahrer vorbei. Sie konnte folglich nach einer Fahrtstrecke von 1,5 Kilometer vom Meldungsleger angehalten werden. Dabei kam es zwischen der Berufungswerberin und dem Meldungsleger zu keinem Konsens hinsichtlich des Tatvorwurfes.

5.2. Dieses Beweisergebnis stützt sich auf die Feststellungen anläßlich des Ortsaugenscheines. Im Zuge dieses Ortsaugenscheines wurde der Meldungsleger nochmals im Detail zeugenschaftlich einvernommen. Er gab dabei glaubwürdig und den Denkgesetzen entsprechend an, daß er hinter der Berufungswerberin nachgefahren sei und gesehen habe, daß diese am Radfahrer, welcher bereits wegen der rechts am Gehsteig wartenden und in Richtung des anflutenden Verkehrs blickenden Fußgänger, angehalten hatte, vorbeifuhr.

Dadurch seien die Fußgänger im Sinne der nunmehrigen Rechtslage am Überqueren des Schutzweges behindert worden.

Der Zeuge legte dabei dar, daß er mit einer geringen Fahrgeschwindigkeit und einem entsprechend geringen Abstand hinter der Berufungswerberin fuhr und diesen Vorgang genau beobachten habe können. Diese Angaben sind über jeden Zweifel erhaben und sind damit im Ergebnis in Widerspruch zum Berufungsvorbringen. Die Berufungswerberin vermeint nämlich, daß sie mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit angehalten hätte, falls Fußgänger auf sie den Eindruck erweckt hätten die Fahrbahn überqueren zu wollen. Wenngleich andererseits die Berufungswerberin dann doch in ihrer Überschrift der Berufungsschrift die Berufung bloß gegen den Strafausspruch (Strafnachsicht bzw.

Strafmilderung) richtete. Ihre Verantwortung in diesem Verfahren ist an sich divergierend, zumal sie im Einspruch vom 13. Februar 1995 noch davon spricht, was mit den Angaben des Meldungslegers in Einklang steht, daß sie den Zebrastreifen im Schrittempo überquert habe und dabei festgestellt habe, daß sich sehr wohl Fußgänger "in der Nähe des Gehsteiges befunden hätten", aus deren Verhalten aber eine "Überquerungsabsicht" nicht zu erkennen gewesen sei. Im Zuge des Ferngespräches mit der Berufungswerberin zeigte diese sich durchaus einsichtig und brachte dabei zum Ausdruck, daß die Bezahlung eines Organmandates offenbar nur durch das während der Amtshandlung entstandene "unbefriedigende Gesprächsklima" mit dem Beamten unterblieben ist.

6. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen.

6.1. Der Lenker eines Fahrzeuges, das kein Schienenfahrzeug ist, hat einem Fußgänger, der sich auf einem Schutzweg befindet oder diesen erkennbar benützen will, das unbehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen. Zu diesem Zweck darf sich der Lenker eines solchen Fahrzeuges einem Schutzweg nur mit einer solchen Geschwindigkeit nähern, daß er das Fahrzeug vor dem Schutzweg anhalten kann, und er hat, falls erforderlich, vor dem Schutzweg anzuhalten (§ 9 Abs.2 StVO 1960 1. Fall).

Diese Anhaltepflicht ist bei logischer Betrachtung unter dem Aspekt zu erblicken, daß ein "sicheres Anhalten noch rechtzeitig" möglich ist. Hier wäre dies bei objektiver Beurteilung der Situation gefahr- und mühelos möglich gewesen. Wenn die Berufungswerberin vorerst hinter einem Radfahrer nachfuhr, so wäre ihr sehr wohl ein sicheres Anhalten hinter dem Radfahrer und somit vor dem Schutzweg möglich gewesen. Ein allfälliges zur Nichtwahrnehmung der Fußgänger bzw. das Anhalten des Radfahrers falsch verstehen lassendes Aufmerksamkeitsdefezit vermochte die Berufungswerberin nicht zu entschuldigen. Hier ist auf die gleichen Bedingungen der Anhaltepflicht vor durch Verkehrslichtsignalanlagen geregelten Kreuzungen abzustellen (halber Reaktionsweg plus Bremsweg, auf der Basis einer Betriebsbremsung, vgl. Benes-Messiner, Kommentar zur StVO, 8. Auflage, Seite 510 ff., Anm. 2, sowie E 1, 4 und 5).

7. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

7.1. Fehlverhalten der Fahrzeuglenker im Zusammenhang mit vor bzw. auf Schutzwegen befindlichen Fußgänger indiziert ein hohes Unfallrisiko. Diesem suchte der Gesetzgeber durch einen weiteren Schutz der Fußgänger, nämlich diesen bereits bei deren "Erkennenlassen" den Schutzweg benützen zu wollen, den Vorrang einzuräumen. Es widerspricht daher auch angesichts der Einkommensverhältnisse und deren der Berufungswerberin bisherigen verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit nicht dem Sinn der Strafbemessungsbestimmungen, bei einer gesetzlichen Höchststrafe von 10.000 S hier die Geldstrafe mit 1.000 S zu bemessen (siehe auch VwGH 18. September 1991, Zlen. 91/03/0043, 91/03/0250).

Wie oben schon dargelegt brachte die Berufungswerberin in ihren an sich umfangreichen Schriftsätzen nichts vor, was als Entschuldigungsgrund für ihr doch nicht bloß unerhebliches Fehlverhalten im Straßenverkehr herangezogen werden könnte. Wie von der Erstbehörde zutreffend ausgeführt wurde, bedarf es daher jedenfalls der Verhängung einer Geldstrafe, um derartigen Übertretungen mit Nachdruck entgegenzuwirken. Dies insbesondere im Sinne der Generalprävention. Das Vorgehen mit einer bloßen Ermahnung wäre schon aus gesetzlichen Gründen nicht möglich.

Diesbezüglich fehlt es sowohl an den dafür erforderlichen bloß unbedeutenden Folgen der Übertretung und auch an einem bloß geringen Verschulden.

Der Berufung war daher der Erfolg in jeder Richtung hin zu versagen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. B l e i e r

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