Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420157/7/Kl/Rd

Linz, 04.12.1997

VwSen-420157/7/Kl/Rd Linz, am 4. Dezember 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Beschwerde der E, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Abnahme der Kennzeichentafeln in Zurechnung der Bundespolizeidirektion Steyr zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und die Abnahme der Kennzeichentafeln am 10.6.1997 als nicht rechtswidrig festgestellt.

Rechtsgrundlagen: Art. 129a Abs.1 Z2 B-VG iVm §§ 67a Abs.1 Z2 und 67c AVG und § 102 Abs.12 KFG 1967. Entscheidungsgründe:

1. Mit Eingabe vom 4.7.1997, beim unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich eingelangt am 7.7.1997, beantragte die Bf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der KFZ-Kennzeichenabnahme. Dazu führte sie aus, daß sie am 10.6.1997 um 5.55 Uhr ein kurzes Stück in Steyr in der Wolfernstraße stadteinwärts fuhr, ohnehin nur mit dem Ziel zum nächsten Parkplatz in Friedhofsnähe zu fahren, wobei sie vom Streifenwagen der Bundespolizeidirektion Steyr beobachtet wurde. Sie sei deshalb im Rückwärtsgang die Wolfernstraße ein kleines Stück stadtauswärts gefahren und habe den PKW Typ Fiat 127 mit dem Kennzeichen auf dem Parkplatz der Fa. Reifenprofi abgestellt. Die Fahrzeugtüren waren verschlossen und es hätte die Bf an Ort und Stelle die kontrollierenden Beamten der BPD Steyr lediglich ersucht, die Fahrzeugkennzeichentafeln auf dem Wagen zu belassen, wobei sie auf das Schicksal ihres Wagens im Vorjahr, welchem ebenfalls die Kennzeichen abgenommen wurden, hinwies. Die Abgabe des Fahrzeugschlüssels und des Zulassungsscheines würde bedeuten, daß sie kein Recht mehr am Wagen hätte, auch keine Sachen aus dem Wagen nehmen könne, keine Begutachtungsplakette mehr erlangen könnte usw. Die Kennzeichenabnahme wurde von den Beamten RI R und BI G der BPD Steyr vorgenommen. Nach ihrer Auffassung bedürfe ein ordnungsgemäß angemeldetes Fahrzeug einer Kennzeichentafel, weshalb die Abnahme der Kennzeichentafel gesetzwidrig vorgenommen worden sei. Schließlich wies die Bf darauf hin, daß der im Vorjahr eingebrachte Entmündigungsantrag mit Beschluß des BG Steyr vom 10.6.1997 abgeschlossen wurde. Diesen Beschluß und eine Anzeige der BPD Steyr legte sie der Beschwerde bei. 2. Die BPD Steyr als belangte Behörde hat den bezughabenden Verwaltungsakt vorgelegt und in einem Bericht dahingehend im wesentlichen Stellung genommen, daß auch seit der letzten Entscheidung des O.ö. Verwaltungssenates vom 19.8.1996 die Bf ihren PKW ohne die erforderliche Lenkerberechtigung am 11.9.1996 und am 9.2.1997 sowie am 11.3.1997 und am 24.3.1997 gelenkt hat. Auch am 24.3.1997 wurden die Kennzeichentafeln vorläufig abgenommen und über Antrag am 25.3.1997 wieder ausgefolgt. Bereits am 23.4.1996 sei die Bf durch den Polizeiamtsarzt Dr. B mit Gutachten für handlungs- und zurechnungsunfähig erklärt worden und es wurde daraufhin von der BPD Steyr am 26.4.1996 ein neuerlicher Antrag auf Bestellung eines Sachwalters beim BG Steyr gestellt. Am 10.6.1997 wurde die Bf neuerlich beim Lenken ihres PKW betreten und es wurden als sichernde Maßnahme die Kennzeichentafeln abgenommen. Diese sei iSd § 102 Abs.12 KFG zu Recht erfolgt. Eine Wiederausfolgung derselben erscheine aber im Hinblick auf den Geisteszustand und die daraus resultierenden vergangenen und künftig zu erwartenden Verwaltungsübertretungen nach § 64 Abs.1 KFG als bedenklich. Hinsichtlich des Beschlusses des BG Steyr vom 10.6.1997 betreffend die Bestellung eines Sachwalters wurde fernmündlich von der BPD Steyr Rücksprache gehalten, welche ergeben hat, daß das Gericht den Beschluß ohne Einholung eines ärztlichen Gutachtens bzw. Beiziehung eines ärztlichen Sachverständigen gefaßt hat. 3. Der O.ö. Verwaltungssenat hat in den vorgelegten Verfahrensakt der BPD Steyr Einsicht genommen. Die Äußerung der belangten Behörde wurde der Bf unter Setzung einer Frist zur Stellungnahme übermittelt und damit das Parteiengehör gewahrt. Von dieser Möglichkeit wurde von der Bf nicht Gebrauch gemacht. Weil aber der Sachverhalt der Abnahme der Kennzeichentafeln am 10.6.1997 klar auf der Hand liegt, von der Bf anhand der von der BPD Steyr erstatteten Anzeige geltend gemacht wurde und in keinem Punkt vom Akteninhalt abweicht, und auch sonst das Vorbringen dem vorgelegten Akt entspricht, war eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht erforderlich. Auch wurden von der Bf keine Beweise angeboten und keine Beweismittel genannt. Ebensowenig hat sie ein dem Akt widersprechendes Sachverhaltsvorbringen dargelegt. Weil der Sachverhalt in allen Punkten geklärt ist und von der Bf den Aktenunterlagen entsprechend vorgebracht wurde, war ein weiteres Ermittlungsverfahren bzw. eine mündliche Verhandlung nicht anzuberaumen.

Das Beschwerdevorbringen iZm dem Bericht der BPD Steyr konnte daher der Entscheidung zugrundegelegt werden. Überdies wird der in rechtskräftigen Bescheiden des O.ö. Verwaltungssenates vom 19.8.1996, VwSen-420106/10/Kl/Rd, und vom 30.10.1995, VwSen-420081/20/Kl/Rd, ebenfalls betreffend die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Abnahme der Kennzeichentafeln festgestellte Sachverhalt zugrundegelegt. Danach wurde mit Bescheid vom 1.8.1993 der BPD Steyr der Bf gemäß § 75 Abs.2 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für die Gruppen A und B wegen mangelnder geistiger Eignung bis zur Wiedererlangung entzogen und es wurde dieser Bescheid im Rechtsmittelweg durch den Landeshauptmann von mit Wirkung vom 3.9.1993 rechtskräftig bestätigt. Seit diesem Zeitpunkt verfügt die Bf über keine gültige Lenkerberechtigung mehr. Das gegenständliche Kraftfahrzeug, Kombi, Steyr-Fiat 127, wurde von der Bf am 22.12.1995 mit dem Kennzeichen zur Anmeldung gebracht. Bereits am 4.1.1996 wurde wegen Lenkens ohne Lenkerberechtigung mit diesem Fahrzeug die Kennzeichentafeln abgenommen und über Ersuchen am 17.1.1996 für dieses Fahrzeug wieder ausgefolgt. Ein Antrag der Bf vom 1.2.1996 auf Neuerteilung einer Lenkerberechtigung für die Gruppe B wurde durch die belangte Behörde mit Bescheid vom 26.4.1996 gemäß § 64 Abs.2 KFG 1967 mangels geistiger Eignung abgewiesen; dagegen wurde Berufung eingebracht. Aufgrund der eingeholten Krankengeschichte der o.ö. Landesnervenklinik Wagner-Jauregg vom 16.4.1996 bescheinigte der Polizeiarzt der BPD Steyr, daß die Bf nicht zurechnungsfähig und nicht handlungsfähig sei und daher nicht geeignet sei zum Erwerb einer Lenkerberechtigung (Gutachten vom 23.4.1996). Daraufhin wurde die Bf am 25.4.1996 zum bisherigen Verfahrensstand einvernommen und es wurde am 26.4.1996 zum einen ein neuerlicher Antrag auf Bestellung eines Sachwalters iSd § 273 Abs.1 ABGB an das BG Steyr gestellt und andererseits der Antrag auf Erteilung einer Lenkerberechtigung für die Gruppe B mit obgenanntem Bescheid mangels geistiger Eignung abgewiesen. Wie die Bf nunmehr selbst in der Beschwerde vorbringt, wurde mit Beschluß des BG Steyr vom 10.6.1997, 1P123/96g-17, festgelegt, daß in der Pflegschaftssache Er, geb. am, das Verfahren nicht fortgesetzt wird. Darin wurde in der Begründung auf das wiederholte Lenken ohne Lenkerberechtigung und die Kennzeichenabnahme Bezug genommen und die Veräußerung der beiden PKW als zielführend erachtet, weiters erwogen, daß die Bestellung eines Rechtsanwaltes zur Durchführung des Verkaufs aber mehr Kosten verursachen würde als dem Verkaufserlös entspricht, weshalb der Verein für Sachwalterschaft dazu nicht bereit ist. 5. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

5.1. Gemäß Art. 129a Abs.1 Z2 B-VG iVm § 67a Abs.1 Z2 AVG entscheiden die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein.

Durch die Abnahme der Kennzeichentafeln durch Organe der BPD Steyr am 10.6.1997 wurde eine Maßnahme in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gesetzt. Die übrigen Voraussetzungen liegen vor, es ist die Beschwerde daher zulässig. Ist überhaupt noch kein Sachwalter bestellt und hegt die Verwaltungsbehörde Bedenken gegen die Verhandlungsfähigkeit, so hat sie beim zuständigen Gericht (Pflegschaftsgericht) die Sachwalterbestellung zu veranlassen. Diese obliegt dem Gericht. Letztlich entscheidet das Gericht, ob eine Sachwalterbestellung für die Angelegenheit erforderlich ist. Der Verwaltungsbehörde steht kein Antragsrecht zu, sie hat ein solches Verfahren nur zu veranlassen. Sie hat auch keine Rechtsmittelbefugnis. Sie ist weiters an die Entscheidung des Gerichts gebunden (siehe Hauer-Leukauf, Handbuch des österr. Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, S. 159 mN). Sie ist aber nicht begründet.

5.2. Gemäß § 102 Abs.12 KFG 1967 sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder der Straßenaufsicht berechtigt, Personen am Lenken oder an der Inbetriebnahme eines Fahrzeuges zu hindern, wenn diese hiedurch begehen oder begehen würden ua eine Übertretung des Abs.5 lit.a, wenn der Besitz der vorgeschriebenen Lenkerberechtigung nicht glaubhaft gemacht werden kann oder der Führerschein gemäß § 76 vorläufig abgenommen wurde (lit.f). Zu diesem Zweck sind, falls erforderlich, je nach Lage des Falles und Art des Fahrzeuges oder der Beladung Zwangsmaßnahmen, wie etwa Abnahme der Fahrzeugschlüssel, Absperren oder Einstellung des Fahrzeuges udgl. anzuwenden. Solche Zwangsmaßnahmen sind unverzüglich aufzuheben, wenn der Grund für ihre Anwendung weggefallen ist, im Falle der lit.d, f oder h auch, wenn eine Person, bei der keine Hinderungsgründe gegeben sind, beabsichtigt, das Fahrzeug in Betrieb zu nehmen und zu lenken.

5.2.1. Nach dem Sinn des § 102 Abs.12 KFG 1967 besteht eine Ermächtigung zu Zwangsmaßnahmen nur für den Fall, um Personen am Lenken oder an der Inbetriebnahme zu hindern, also wenn sie unmittelbar bei einer vorangeführten Übertretung bzw. unmittelbar vor dieser Übertretung betreten werden und eine Inbetriebnahme hintangehalten werden soll. Zweck dieser Maßnahme ist nämlich, die betreffende Person unmittelbar am Lenken des Fahrzeuges zu hindern (vgl. Grubmann, KFG, Manz-Verlag, Anm.26 zu § 102 KFG). Eine "vorsorgliche" Maßnahme im Hinblick auf eine allfällige künftige noch nicht konkret absehbare Übertretung ist hingegen von der Bestimmung gemäß 102 Abs.12 KFG 1967 nicht gedeckt. Die letztgenannte Bestimmung hat nämlich nur das Ziel, eine unmittelbare Verletzung der darin genannten kraftfahrrechtlichen Bestimmungen hintanzuhalten, weshalb aufgrund dieser Unmittelbarkeit ("Gefahr im Verzug") auch ein unverzügliches Einschreiten ohne verwaltungsbehördliches Verfahren, das ist eine faktische Amtshandlung oder Zwangsmaßnahme, erforderlich ist. Eine solche unmittelbare Gefahr, welche ein unmittelbares (verfahrensfreies) Einschreiten der Polizeiorgane erfordert, lag gegenständlich vor.

5.2.2. Wie aktenkundig und der Bf durchaus bewußt ist, wurde der Bf die Lenkerberechtigung für die Gruppen A und B rechtskräftig mit Wirkung vom 3.9.1993 wegen Nichtvorliegens der geistigen Eignung zum Lenken eines Kraftfahrzeuges bis zur Wiedererlangung der Eignung entzogen. Auch wurde sie wiederholt wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges ohne die erforderliche Lenkerberechtigung rechtskräftig bestraft. Auch am 10.6.1997 war die Bf nicht im Besitz einer gültigen Lenkerberechtigung, wurde aber ohne die erforderliche Lenkerberechtigung beim Lenken des Kraftfahrzeuges Fiat 127 mit dem Kennzeichen betreten. Nach der ständigen Judikatur des VwGH wird das Fahren ohne Lenkerberechtigung als einer der gröbsten kraftfahrrechtlichen Verstöße bezeichnet (VwGH vom 11.3.1971, 1775/70). Weil die Bf nicht im Besitz der erforderlichen Lenkerberechtigung war, konnte sie auch keinen Führerschein vorweisen. Wie sie selbst in der Beschwerde ausführte, wollte sie ohnehin nur zum Parkplatz in der Nähe des Friedhofes fahren, welchen sie bei der Betretung fast sah. Nach der aktenkundigen Anzeige vom 10.6.1997 verweigerte die Bf die Herausgabe des Fahrzeugschlüssels und die Aushändigung des Zulassungsscheines. Dies wurde auch in der Beschwerde nicht bestritten, sondern es führte die Bf dazu noch aus, daß sie ohne Fahrzeugschlüssel und ohne Zulassungsschein keine Rechte am Fahrzeug mehr hätte und nicht einmal eine Überprüfungsplakette erwirken könne. Weil die Abnahme des Fahrzeugschlüssels bzw. des Zulassungsscheines nicht möglich war, waren daher von den Organen solche Zwangsmaßnahmen erforderlich und zielführend, die die Bf unmittelbar am Lenken des Fahrzeuges hindern. Es waren daher die Organe der BPD Steyr zu Recht mit der Abnahme der Kennzeichentafeln vorgegangen. Die Kennzeichentafeln wären nämlich ebenfalls erforderlich gewesen, um eine Fahrt fortsetzen zu können. Es ist daher diese Maßnahme im gegenständlichen Fall geeignet, um die Bf von der Fortsetzung der Fahrt abzuhalten. Diese Maßnahme ist auch die gelindeste noch zum Ziel führende. Es wären nämlich auch weitergehende Maßnahmen, die das tatsächliche Inbetriebnehmen des Fahrzeuges - weil der Fahrzeugschlüssel noch im Besitz der Bf war - verunmöglichen sollen, wie zB das Anlegen von Radklammern gerechtfertigt, wobei diese Maßnahme ein weitergehendes Mittel als die angewendete Maßnahme darstellt. Die tatsächlich durchgeführte Abnahme der Kennzeichentafeln war daher geeignet und erforderlich, die Bf unmittelbar am Lenken des Fahrzeuges zu hindern, und sie war auch das gelindeste noch zum Ziel führende Zwangsmittel. Es wurde daher der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht verletzt. Dies war daher auch spruchgemäß festzustellen.

Eine weitere Rechtsverletzung wurde nicht geltend gemacht und kam nicht hervor. 6. Weil ein Kostenantrag gemäß § 79a AVG von keiner der Parteien gestellt wurde, war eine weitere Kostenentscheidung nicht zu treffen.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Dr. Klempt Beschlagwortung: Verhältnismäßigkeit; Sachwalterbestellung; Bindung des UVS

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