Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-420234/9/SCHI/Km

Linz, 30.10.1998

VwSen-420234/9/SCHI/Km Linz, am 30. Oktober 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schieferer über die Beschwerde der C S, rumänische Staatsangehörige, vertreten durch Dres. F und W F, Rechtsanwälte, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Abschiebung am 27.5.1998 durch Organe der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung, zu Recht erkannt:

Die am 27.5.1998 erfolgte Abschiebung der Beschwerdeführerin wird als rechtswidrig festgestellt.

Der Bund (Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in Höhe von 8.630 S zu ersetzen.

Rechtsgrundlage: Zu I: Art.129a Abs.1 Z2 B-VG iVm § 67a Abs.1 Z2 und § 67c Abs.4 AVG iVm §§ 10, 16, 41, 56 und 60 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr 75/1997; zu II. § 79a AVG iVm § 1 Z1 Aufwandersatzverordnung UVS, BGBl.Nr. 855/1995.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Schriftsatz vom 17.6.1998, beim Oö. Verwaltungssenat eingelangt am 18.6.1998, hat die Bf Maßnahmebeschwerde wegen "Verletzung der einfachgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Aufenthalt im Bundesgebiet Österreich gemäß § 6 Abs.1 Z4 FrG" wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Abschiebung aus Österreich am 27.5.1998 durch Organe der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung erhoben und beantragt, die Abschiebung für rechtswidrig zu erklären und den Bund in den Kostenersatz von (zunächst) 8.810 S zu verfällen. Weiters wurde ausdrücklich auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. 2. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat mit Schriftsatz vom 26.6.1998 den bezughabenden Verwaltungsakt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, mit der die Abweisung der Maßnahmebeschwerde und der volle Kostenersatz beantragt wurde. Aufgrund der Gegenschrift hat die Bf einen weiteren Schriftsatz vom 9.7.1998 eingebracht und eine doppelte Pauschalaufwandentschädigung zuzüglich Barauslagen von insgesamt 17.210 S gefordert.

3. Aufgrund der Beschwerde in Verbindung mit dem vorgelegten Verwaltungsakt, den Ausführungen in der Gegenschrift und der Erwiderung der Bf ist von folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt auszugehen:

3.1. Die Bf ist rumänische Staatsangehörige und am 19.1.1968 geboren; vor ihrer Verehelichung lautete ihr Name C C. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 6.11.1997, Zl. Sich40-1070, wurde über die Bf mit dem damaligen Namen C C ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot rechtskräftig erlassen. Dieses Aufenthaltsverbot wurde auch im Reisepaß der Bf ersichtlich gemacht; die Bf hat nach der Zustellung des Bescheides am 6.11.1997 Österreich verlassen. Die Bf hat am 22.12.1997 in B, ihren Lebensgefährten Herrn E S geheiratet und dessen Namen angenommen. Am 24.12.1997 erhielt die Bf von der zuständigen Paßbehörde in Rumänien einen neuen rumänischen Reisepaß auf den Namen C S ausgestellt. Von der österreichischen Botschaft wurde ihr am 15.1.1998 aufgrund ihres Antrages in den neuen, auf den Namen C S lautenden Reisepaß ein D-Visum, gültig bis 21.7.1998, erteilt. Am 22.1.1998 ist die Bf mit diesem Visum in ihrem neuen Reisepaß beim Grenzübergang Nickelsdorf nach Österreich eingereist. 3.2. Am 2.4.1998 beantragte die Bf die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes; dieser Antrag wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 15.4.1998, Zl. Sich40-1070, abgewiesen; einer dagegen eingebrachten Berufung wurde mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 13.5.1998, Zl. St84/98, keine Folge gegeben bzw. abgewiesen.

Am 27.5.1998 wurde die Bf von ihrem letzten Aufenthaltsort in Kreuzweg 7, 4111 Ottensheim von Organen der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung abgeholt und nach Rumänien (über den Flughafen Schwechat) abgeschoben.

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß Art.129a Abs.1 Z2 B-VG iVm § 67a Abs.1 Z2 AVG erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt in ihrem Recht verletzt worden zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes. Gemäß § 67c Abs.3 AVG ist der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären, wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder als unbegründet abzuweisen ist. Gemäß § 67c Abs.5 AVG ist auch die belangte Behörde Partei des Verfahrens. 4.2. Gemäß § 1 Abs.1 FrG ist Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt. Gemäß § 2 Abs.1 FrG brauchen Fremde für die Einreise, während des Aufenthaltes und für die Ausreise einen gültigen Reisepaß. Gemäß § 5 FrG unterliegen paßpflichtige Fremde bei der Einreise in das Bundesgebiet und während des Aufenthaltes in ihm der Sichtvermerkspflicht, soweit nicht anderes bundesgesetzlich oder durch zwischenstaatliche Vereinbarungen bestimmt wird (Abs.1). Wer der Sichtvermerkspflicht unterliegt, braucht einen Einreise- oder Aufenthaltstitel (Abs.2). Gemäß § 6 Abs.1 Z4 werden Einreisetitel (Visa) ua. erteilt als Aufenthaltsvisum (Visum für den längerfristigen Aufenthalt, Visum D). Gemäß § 10 Abs.1 Z1 FrG ist die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels zu versagen, wenn gegen den Fremden ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot besteht. Gemäß § 16 FrG ist ein Einreisetitel für ungültig zu erklären, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, die eine Versagung rechtfertigen würden (Verweis auf §§ 10 und 11) (Abs.1). Einreise- und Aufenthaltstitel werden ungültig, wenn gegen Fremde ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung durchsetzbar wird. Ein Aufenthaltstitel lebt von Gesetzes wegen wieder auf, sofern innerhalb seiner ursprünglichen Geltungsdauer das Aufenthaltsverbot oder die Ausweisung anders als gemäß § 44 behoben wird (Abs.2). Die Ungültigkeit der im Reisedokument ersichtlich gemachten Einreise- oder Aufenthaltstitel ist in diesen Reisedokumenten kenntlich zu machen. Hiezu ist jede Behörde (§ 88 und § 89 FrG) ermächtigt, der ein Reisedokument anläßlich einer Amtshandlung nach diesem Bundesgesetz vorliegt (Abs.4). Gemäß § 31 Abs.1 Z2 FrG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie aufgrund eines Aufenthaltstitels oder einer Verordnung für Vertriebene (§ 29) zum Aufenthalt berechtigt sind.

Gemäß § 41 FrG darf der Fremde während der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ohne Bewilligung nicht wieder einreisen (Abs.1). Die Bewilligung zur Wiedereinreise kann dem Fremden auf Antrag erteilt werden, wenn dies aus wichtigen öffentlichen oder privaten Gründen notwendig ist, die für das Aufenthaltsverbot maßgeblichen Gründe dem nicht entgegenstehen und auch sonst kein Sichtvermerksversagungsgrund vorliegt. Mit der Bewilligung ist auch die sachlich gebotene Gültigkeitsdauer festzulegen (Abs.2). Die Bewilligung wird ungeachtet des Bestehens eines rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes in Form eines Visums erteilt (Abs.3).

Gemäß § 56 Abs.1 Z4 FrG können Fremde, gegen die ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung durchsetzbar ist, von der Behörde zur Ausreise verhalten werden (Abschiebung), wenn sie dem Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundegebiet zurückgekehrt sind.

Gemäß § 60 Abs.1 FrG sind die Zurückweisung, die Transitsicherung, die Zurückschiebung, die Abschiebung und die Durchbeförderung von Fremden von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes mit unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durchzusetzen, wenn dies auf andere Weise nicht oder nicht rechtzeitig möglich ist.

5.1. Zunächst ist festzustellen, daß durch die Erteilung des Visums D durch die Österreichische Botschaft in Bukarest der Bf das (vorläufige) Recht zur Einreise und zum Aufenthalt entgegen dem rechtskräftigen Aufenthaltsverbot zugekommen ist. Selbst wenn die Österreichische Botschaft in B dieses Visum der Bf aufgrund eines Irrtums, eines Fehlers (zB weil das FIS in B nicht funktionierte) oder aufgrund der Verschweigung des Aufenthaltsverbotes bei Antragstellung (Erschleichung) erteilt hätte, würde sich daran nichts ändern. Das Visum ist nämlich nur die Beurkundung bzw. Sichtbarmachung eines von der Österreichischen Botschaft erteilten Bescheides, mit dem die Einreise und der Aufenthalt in Österreich - trotz Aufenthaltsverbot - bewilligt wird. 5.2. In diesem Zusammenhang ist kurz auf den Fehlerkalkül des AVG für Bescheide einzugehen. Der Fehlerkalkül zieht die Grenze zwischen Rechtsakt und Nicht-Rechtsakt. Fehler außerhalb des Fehlerkalküls verhindern das Entstehen eines Rechtsaktes; "Bescheide" (hier: Visum D), die an einem derartigen Fehler leiden, sind daher "Nichtbescheide" oder "absolut nichtig". Leidet ein Bescheid hingegen an einem Fehler, der vom Fehlerkalkül erfaßt ist, so wird der Bescheid zwar existent, kann aber allenfalls aufgehoben bzw. "als nichtig" erklärt werden (§ 68 Abs.4 AVG). Als wesentlicher Fehler, die zur absoluten Nichtigkeit eines erlassenen "Bescheids" führen, sind die mangelnde Behördenqualität der bescheiderlassenden Stelle, die mangelnde Ermächtigung der den Akt genehmigenden Person, für die Behörde durch die Erlassung von Bescheiden tätig zu werden, das Fehlen eines normativen Gehalts (Spruch) des Aktes, das Fehlen eines Adressaten und das Fehlen der ordnungsgemäßen Unterfertigung anzusehen (vgl. zum Ganzen Walter/Mayr, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts, 6. Auflage, Rz. 436 bis 441).

5.3. Das heißt für den vorliegenden Fall, daß wegen des Aufenthaltsverbotes nicht von einem absolut nichtigem Bescheid (Visum) auszugehen ist; vielmehr von der bloßen Vernichtbarkeit dieses Bescheides (des Visums). Dies wird auch unterstrichen durch die ausdrückliche Bestimmung des § 16 Abs.1 und 4 FrG, wonach ein Einreisetitel für ungültig zu erklären ist, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, die eine Versagung rechtfertigen würden. In diesem Zusammenhang wird ua. auf § 10 FrG verwiesen, wonach die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels zu versagen ist, wenn gegen den Fremden ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot besteht. Die Behörde hätte daher zunächst das Visum D für ungültig erklären müssen und wäre erst danach berechtigt gewesen, die Abschiebung durchzuführen. Dazu ist noch auf § 16 Abs.4 FrG zu verweisen, wonach die Ungültigkeit der im Reisedokument Fremder ersichtlich gemachter Einreise- oder Aufenthaltstitel im Reisedokument kenntlich zu machen ist. Weiters bestimmt § 16 Abs.4 FrG, daß hiezu jede Behörde (sohin auch die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung) gemäß den §§ 88 und 89 FrG ermächtigt gewesen wäre.

5.4. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde ändert daran auch § 16 Abs.2 FrG nichts, wonach Einreise- und Aufenthaltstitel ungültig werden, wenn gegen Fremde ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung durchsetzbar wird. Denn das gegenständliche Aufenthaltsverbot ist schon längst (seit 6.11.1997) durchsetzbar geworden; ein neuerliches "Durchsetzbarwerden" durch die Abweisung des Antrages auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes ist weder gesetzlich vorgesehen noch tatsächlich möglich. Es bedurfte daher sehr wohl einer bescheidmäßigen Ungültigerklärung des Einreisetitels; erst nach dieser bescheidmäßigen Ungültigerklärung hätte die Bf abgeschoben werden dürfen. Die von der belangten Behörde vorgenommene Interpretation des § 16 Abs.2 FrG wäre allenfalls dann zutreffend, wenn dieser Satz lauten würde: "Einreise- und Aufenthaltstitel sind ungültig, wenn (solange) gegen Fremde ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung rechtskräftig bzw. durchsetzbar ist." Durch die vom Gesetzgeber gewählte Formulierung (werden ungültig ... durchsetzbar wird) ist jedoch erkennbar, daß das im § 16 Abs.1 normierte Verfahren, nämlich zunächst Ungültigerklärung und dann Abschiebung, einzuhalten ist. 5.5. Schließlich ist aber insbesondere auf die oben angeführte Bestimmung des § 41 FrG hinzuweisen, welche ausdrücklich die Möglichkeit der Erteilung einer Bewilligung zur Wiedereinreise trotz rechtskräftigem Aufenthaltsverbot vorsieht; dabei wird in Abs. 3 bestimmt, daß die Bewilligung ungeachtet des Bestehens eines rechtskräftigen Aufenthaltsverbots in Form eines Visums erteilt wird.

5.6. Somit ist eindeutig klargestellt, daß die Bf in ihrem Recht auf Aufenthalt (aufgrund ihres D-Visums) verletzt wurde, weshalb sich die Abschiebung als eine rechtswidrige Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt erweist. 5.7. Aus diesem Grund war der Beschwerde gemäß § 67c Abs.4 AVG stattzugeben und der angefochtene Verwaltungsakt (die Abschiebung) für rechtswidrig zu erklären.

6. Zum Kostenersatz:

Nach § 79a Abs.1 AVG hat die im Verfahren obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Der Bund (Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung) war daher zu verpflichten, der Bf gemäß § 1 Z1 Aufwandersatzverordnung-UVS, BGBl.Nr. 855/1995, Aufwendungen von 8.400 S für den Schriftsatzaufwand zu ersetzen. Das darüber hinausgehende Begehren der Bf war abzuweisen, weil der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 5.7.1996, Zl. 95/02/0549, ausgesprochen hat, daß es sich bei dem in der Aufwandersatzverordnung festgesetzten Schriftsatzaufwand um einen pauschalierten Schriftsatzaufwand handelt, der für alle im Verfahren erstatteten Schriftsätze nur einmal zusteht. Vollkommen unhaltbar ist in diesem Zusammenhang die Ansicht der Bf, wonach die Stellungnahme vom 9.7.1998 bei teleologischer Auslegung die mündliche Verhandlung ersetzt, weshalb eine "doppelte Pauschalaufwandentschädigung" zuzusprechen wäre. Auch der Antrag auf nicht näher bezeichnete "Barauslagen" in Höhe von 180 S bzw. 410 S war abzuweisen; hingegen war der Ersatz für Stempelaufwand in Höhe von S 180 (für die Beschwerde) + 50 S (für die Beilage), insgesamt sohin 230 S zuzusprechen, sodaß der gesamte Kostenersatzaufwand 8.630 S beträgt.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig. Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Dr. Schieferer Beschlagwortung: Visum bricht Aufenthaltsverbot, Abschiebung rechtswidrig; Kostenersatz

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum