Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420318/20/Kl/Rd

Linz, 16.01.2002

VwSen-420318/20/Kl/Rd Linz, am 16. Jänner 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Beschwerde des P, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt am 21.9.2001 durch der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung zuzurechnende Gendarmerieorgane nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 10.1.2002 beschlossen:

I. Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

II. Der Kostenersatzantrag des Beschwerdeführers wird abgewiesen. Ein weiterer Kostenausspruch war nicht zu treffen.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: Art. 129a Abs.1 Z2 B-VG iVm §§ 67a Abs.1 Z2 und 67c AVG.

zu II.: § 79a AVG.

Entscheidungsgründe:

1. Der Bf brachte mit Schriftsatz vom 22.10.2001 Beschwerde gemäß Art. 129a Abs.1 Z2 B-VG iVm § 88 Abs.1 und Abs.2 SPG wegen Verletzung verfassungsrechtlich und einfachgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt sowie auf andere Weise durch die Besorgung der Sicherheitsverwaltung ein. Von der Firma K, sei durch Flugzetteln angekündigt worden, dass zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort ein Firmenauto aufgestellt sei und ein Angestellter Wasserproben zur Trinkwasserprobenuntersuchung entgegennehme. Als Entgelt seien 500 S bei Abgabe der Probe oder per Nachnahme zu bezahlen. Der Bf als Angestellter dieser Firma habe am 21.9.2001 um ca. 9.30 Uhr das Firmenfahrzeug vor dem Gemeindeamt Zwettl/Rodl abgestellt. Nach einer Lenkerkontrolle durch das Gendarmerieorgan seien die Fahrzeugpapiere kopiert worden und dem Bf gegenüber angeordnet worden, kein Bargeld anzunehmen. Eine Passantin habe das Organ weggewiesen. Anschließend sei der Bf nach Oberneukirchen gefahren und habe den Firmen-Pkw gegenüber vom Gemeindeamt abgestellt. Ein Interessent hat eine Wasserprobe abgegeben und wollte bar zahlen, was der Bf aber angesichts des Bargeldannahmeverbotes abgelehnt habe und daher die Zahlung per Nachnahme vereinbart worden sei. Der Bf sei daher durch Anordnungen mit Beschränkungen bei der Ausübung der Erwerbstätigkeit belegt worden, es sei die Identität rechtswidrig festgestellt worden, die Ausweise datenschutzwidrig kopiert und der Bf rechtswidrig überwacht worden. Er sei daher im Recht auf Achtung des Privatlebens (Art. 8 EMRK), im Recht, dass die Behörde nur im Rahmen des Gesetzes handelt, sowie im Recht auf Erwerbsfreiheit und im Recht, dass nicht entgegen den Bestimmungen des Gesetzes die Identität festgestellt werde, verletzt worden. Es wurde daher die Feststellung der Rechtswidrigkeit und Kostenersatz beantragt.

2. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung als belangte Behörde hat den bezughabenden Verwaltungsakt vorgelegt und in einer Stellungnahme ausgeführt, dass die Firma K mit Strafverfügung wegen unbefugter Gewerbeausübung in Vorderweißenbach und Reichenau rechtskräftig bestraft worden sei, weil sie Trinkwasseruntersuchungen vor den Gemeindeämtern der genannten Orte angeboten und die Kosten dafür an Ort und Stelle eingehoben hat. Da die Firma trotz rechtskräftiger Bestrafung weiterhin ihre Dienste anbot, wurde über Auftrag der Bezirkshauptmannschaft die gegenständliche Kontrolle am 21.9.2001 vom GP Oberneukirchen durchgeführt. In Zwettl/Rodl wurde eine Frau mit Plastikflasche, welche nach einer Sammelstelle für Plastikabfall fragte, entsprechend vom Gendarmeriebeamten informiert. Bei dieser handle es sich daher nicht um eine Interessentin an einer Wasseruntersuchung. Die Überwachung sei dann in Oberneukirchen fortgesetzt worden, wo auch eine Wasserprobe entgegengenommen wurde. Kassiert wurde nicht. Es liege daher kein Grund für eine Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vor.

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 10.1.2002. Zur mündlichen Verhandlung wurde der Bf und die belangte Behörde geladen und nahmen diese an der Verhandlung teil. Weiters wurde der Zeuge BI F vom GP Oberneukirchen geladen und einvernommen.

4. Als entscheidungserheblicher Sachverhalt steht fest, dass mit Gewerbeschein des Magistrats der Stadt Wien eine Gewerbeberechtigung zu Gunsten des Gewerbeinhabers M für das Gewerbe chemische Laboratorien (§ 212 GewO 1994) eingeschränkt auf Wasseruntersuchungen am Standort Wien (hier eingeschränkt auf den Bürobetrieb) besteht. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 15.5.2001 wurde eine weitere Betriebsstätte im Standort H, genehmigt. Für M besteht weiters eine Gewerbeberechtigung für das nichtbewilligungspflichtige gebundene Gewerbe "Handelsgewerbe und Handelsagenten, eingeschränkt auf das Handelsgewerbe" vom Magistrat der Stadt Linz.

Es liegt eine schriftliche Rechtsauskunft des BM für Wirtschaft und Arbeit vom 11.9.2001, GZ 30599/178-III/A/1/01, vor, wonach "die anfragegegenständliche Tätigkeit, soweit Arbeitsaufträge entgegengenommen werden, iS von § 54 Abs.1 GewO 1994 als Aufsuchen von Personen zum Sammeln von Bestellungen betrachtet werden kann. Dies ist gemäß § 50 Abs.1 Z5 iVm § 54 Abs.1 GewO 1994 auch außerhalb von Betriebsstätten zulässig. Die Entgegennahme und der Transport der Wasserproben ins Labor wird auf Grundlage von § 50 GewO 1994, der nur eine demonstrative Aufzählung der außerhalb von Betriebsstätten zulässigen gewerblichen Tätigkeiten enthält, als zulässig angesehen, dies, weil das Entgegennehmen und ins Labor bringen der Wasserproben ein Äquivalent zum Lieferrecht der Händler nach § 50 Abs.1 Z2 leg.cit. darstellt und die Tätigkeiten, die ohnehin nur Hilfstätigkeiten sind, im Lichte der Gestaltung der gesamten Gewerbstätigkeit des gegenständlichen Unternehmens, wirtschaftlich notwendig scheinen (§ 50 Abs.1 Z3 iVm 4 GewO 1994). Ein ökonomisch sinnvoller Betrieb wäre wohl nicht möglich, wenn die Kunden die Proben selbst ins Labor bringen müssten. Auch steht es Gewerbetreibenden generell zu, die für ihre Tätigkeiten notwendigen Waren überall zu holen, selbst wenn diese, wie im vorliegenden Fall, grundsätzlich transportabel sind, und auch vom Kunden an den Gewerbetreibenden geliefert werden können. Im Lichte der Judikatur ist nicht davon auszugehen, dass im konkreten Fall die Mindesterfordernisse für die Begründung einer Betriebsstätte gegeben sind, wenn es, wie in der do Eingabe dargestellt, den Tätigkeiten an einzelnen Orten an Regelmäßigkeit fehlt. Nicht zuletzt deshalb ist auch die allfällige Inkassotätigkeit ohne Begründung einer weiteren Betriebsstätte möglich."

Aus den Aussagen des Bf sowie des einvernommenen Zeugen geht ausdrücklich hervor, dass durch Flugblätter in den Gemeinden im Voraus bekannt gegeben wird, an welchem Ort zu welchem Zeitpunkt Wasserproben zur Untersuchung abgegeben werden können und dass entweder die Dienste gleich oder per Nachnahme bezahlt werden können. Aufgrund einer solchen Flugblattankündigung ist der Bf als Angestellter der Firma K am 21.9.2001 gegen 9.30 Uhr vor dem Gemeindeamt Zwettl/Rodl angehalten, hat den Firmen-Pkw geparkt und auf Kundschaft gewartet. Er wurde vom einvernommenen Gendarmeriebeamten zunächst einer Routinekontrolle, nämlich Kontrolle der Fahrzeugpapiere, unterzogen. Der Bf war dem Gendarmeriebeamten persönlich nicht bekannt. Die Fahrzeugpapiere wurden dann vom Gendarmeriebeamten kopiert und sodann wieder ausgehändigt. Eine sich nähernde Frau fragte nach einer Abfallstelle für Plastikflaschen, was der Gendarmeriebeamte beantwortete und woraufhin die Dame sich wieder entfernte. Ein Verbot oder ein Befehl, wie etwa wegzufahren oder Proben nicht anzunehmen, wurde nicht erteilt. Nach etwa einer halben Stunde verließ der Bf den Standort und fuhr mit dem Fahrzeug vor das Gemeindeamt Oberneukirchen. Auch dorthin kam der Gendarmeriebeamte nach. Auch dort wurde keine Anordnung ausgesprochen und auch nicht mit Zwangsmaßnahmen gedroht. Der Beamte erklärte lediglich im Zuge des Gespräches mit dem Bf, dass es nicht erlaubt sei, Bargeld entgegenzunehmen. Eine Äußerung, was passieren würde, wenn der Bf doch Bargeld kassieren würde, machte er jedoch nicht. An diesem Standort kam ein Mann mit einer Wasserflasche vorbei (dieser war dem Gendarmeriebeamten auch namentlich bekannt), übergab die Wasserflasche dem Bf zur Durchführung einer Untersuchung und wollte mit Bargeld bezahlen, welches aber vom Bf nicht entgegengenommen wurde. Es wurde dagegen auf dem vom Kunden ausgefüllten Formular (Name, Anschrift udgl) vom Bf die Bezahlung per Nachnahme angekreuzt. Weil kein weiterer Kunde mehr gekommen ist, ist der Bf dann zu seinem beabsichtigten nächsten Standort gefahren, welcher aber nicht im Zuständigkeitsbereich des Gendarmeriebeamten lag und daher der Gendarmeriebeamte dorthin nicht folgte.

5. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

5.1. Gemäß Art. 129a Abs.1 Z2 B-VG iVm § 67a Abs.1 Z2 AVG erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes.

Zulässiger Anfechtungsgegenstand ist nur ein Akt der unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt, welcher eine rechtsfeststellende oder -erzeugende Wirkung beigemessen werden kann, die sich gegen eine individuell bestimmte Person richtet, und sohin einen individuell normativen Inhalt hat. Es ist daher erforderlich, dass ein verwaltungsbehördlicher Befehl mit unverzüglichem Befolgungsanspruch erteilt wurde, der erforderlichenfalls mit sofortigem Zwang durch unmittelbare Gewaltanwendung durchgesetzt worden wäre. Dh, dass die individuelle Anordnung bzw der Befehl die Erwirkung einer hic-et-nunc-Realisierung intendiert, also entweder durch einen durchsetzbaren Folgebefehl, durch Anwendung unmittelbarer Gewalt oder die Androhung einer Verwaltungsstrafe als Reaktion auf befehlswidriges Verhalten. Es muss daher das für den befehlenden verfahrensfreien Verwaltungsakt typische Element der Dringlichkeit gegeben sein. Demgemäß sind daher individuelle Aufforderungen, die zwar sofortige Realisierung erheischen, bei deren Nichtbefolgung aber die Möglichkeit unverzüglicher physischer Zwangsvollstreckung, der Erlassung eines entsprechenden Folgebefehls oder der Verhängung einer Verwaltungsstrafe weder von einer generellen Norm vorgesehen noch im Einzelfall rechtswidrigerweise angedroht sind, keine befehlenden verfahrensfreien Verwaltungsakte (vgl. Berndt-Christian-Funk, Der Verfahrensreihe Verwaltungsakt, S. 103, 188ff und 193; sowie VwGH 14.12.1993, 93/05/0191; VfSlg 11935/1988; VfSlg 10319/1985; VfSlg 9931/1984 und 9813/1983). Voraussetzung für die Zulässigkeit einer sogenannten Maßnahmenbeschwerde ist daher, dass gegen den Bf physischer Zwang ausgeübt wurde oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehls droht (vgl. mwN Walter-Mayer, Grundriss des österr. Bundesverfassungsrechts, 8. Auflage, 1996, RZ 610).

Im Übrigen dient der subsidiäre Rechtsbehelf der Maßnahmenbeschwerde nur dem Zweck, Lücken im Rechtsschutzsystem zu schließen. Zweigleisigkeiten für die Verfolgung ein und desselben Rechts sollten mit der Maßnahmenbeschwerde nicht geschaffen werden. Was im Verwaltungsverfahren ausgetragen werden kann, ist daher kein zulässiger Gegenstand einer Maßnahmenbeschwerde (vgl. VwGH 18.3.1997, 96/04/0231; VwGH 17.4.1998, 98/04/0005).

5.2. Im Grunde dieser Ausführungen und unter Zugrundelegung des festgestellten maßgeblichen Sachverhaltes ist daher erwiesen, dass weder ein Befehl noch die Androhung einer Zwangsgewalt ausgesprochen wurde noch Zwangsgewalt tatsächlich ausgeübt wurde. Es fehlt daher der gegenständlichen Beschwerde an einem tauglichen Anfechtungsgegenstand. Es war daher die gegenständliche Beschwerde mangels einer wesentlichen Zulässigkeitsvoraussetzung als unzulässig zurückzuweisen. Eine meritorische Überprüfung von behaupteten Rechtsverletzungen war nicht durchzuführen.

5.3. Die Beschwerde stützt sich weiter auf § 88 Sicherheitspolizeigesetz. Das Sicherheitspolizeigesetz - SPG, BGBl.Nr. 566/1991 idgF, regelt die Organisation der Sicherheitsverwaltung und die Ausübung der Sicherheitspolizei (§ 1 leg.cit.). Eine Fahrzeugkontrolle sowie die Kontrolle einer Gewerbeausübung sind Aufgabenbereiche der Verwaltungspolizei und fallen daher nicht in das Sicherheitswesen und daher auch nicht in den Anwendungsbereich des SPG. Das SPG ist daher für den gegenständlichen Fall nicht anwendbar. Es konnte sich daher der Bf auch nicht gemäß § 88 Abs.2 SPG auf Rechtsverletzungen aus schlichtem Handeln der Exekutivorgane berufen.

6. Gemäß § 79a AVG hat die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen wird, dann ist die belangte Behörde die obsiegende und der Bf die unterlegene Partei (Abs.3). Es war daher der Aufwandersatzantrag des Bf abzuweisen.

Die belangte Behörde hat den ihr zustehenden Kostenersatz nicht beantragt. Es war daher kein Aufwandersatz zuzusprechen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 € (entspricht 2.476,85 S) zu entrichten.

Dr. Klempt

Beschlagwortung:

Keine Anordnung, kein Zwang, untauglicher Anfechtungsgegenstand.

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