Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420324/12/Kl/Rd

Linz, 07.02.2002

VwSen-420324/12/Kl/Rd Linz, am 7. Februar 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Beschwerde des P, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Entfernung und Beschlagnahme einer Autobahnvignette am 27.11.2001 am Grenzübergang Suben in Zurechnung der Bezirkshauptmannschaft Schärding nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 1. Februar 2002 zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Verwaltungsakt als rechtswidrig festgestellt.

II. Der Bund hat dem Beschwerdeführer Ersatz für Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand sowie Bundesstempelmarken in der Höhe von insgesamt 1.378,08 Euro (entspricht 18.962,79 S) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Der Kostenersatzantrag der belangten Behörde wird abgewiesen.

III. Die weiteren Ersatzanträge werden zurückgewiesen.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: Art. 129a Abs.1 Z2 B-VG iVm §§ 67a und 67c AVG iVm § 13 Bundesstraßenfinanzierungsgesetz 1996 - BStFG 1996, BGBl.Nr. 201/1996 idF BGBl. I Nr. 142/2000.

zu II.: § 79a AVG iVm § 1 Z1 und 2 UVS-Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl. II Nr. 499/2001.

zu III.: § 79a AVG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Eingabe vom 13.12.2001, beim Oö. Verwaltungssenat am selben Tage eingelangt, erhob der Bf Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe der BH Schärding am 27.11.2001 um ca. 8.15 bis 8.45 Uhr am Grenzübergang Suben durch Gendarmeriebeamte durch Entfernung und Beschlagnahme der Autobahnvignette an dem Pkw VW-Caddy, Kennzeichen, zugelassen auf P C. Es wurde beantragt, den angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären, gemäß § 79a AVG Kostenersatz des Bundes für das Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich im verzeichneten Ausmaß binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution auszusprechen und der Zulassungsbesitzerin den Ersatz einer Ganzjahresvignette für ein Kfz bis 3,5t zuzusprechen.

In der Beschwerde wurde ausgeführt, dass am 27.11.2001 um 8.15 Uhr am Grenzübergang Suben von Gendarmeriebeamten eine Lenker- und Fahrzeugkontrolle durchgeführt und festgestellt wurde, dass die Jahresautobahnvignette nicht dauernd fest mit dem Fahrzeug verbunden sei und die angebrachte Seriennummer nicht einwandfrei lesbar sei. Es wurde der Verdacht geäußert, die Vignette sei mit einem Hilfsmittel an der Windschutzscheibe befestigt und jederzeit entfernbar. Der Bf sei zur Bezahlung des vorgesehenen Strafbetrages von 1.650 S aufgefordert worden, was aber verweigert wurde, da der Pkw mit der angebrachten Vignette in diesem Zustand gekauft und für die Gattin des Bf zugelassen worden sei. Überdies hat noch nie eine Kontrolle eine Beanstandung ergeben. Die Vignette wurde trotz Einwendungen des Bf über die gänzliche Unbrauchbarkeit und Beschädigung bei Entfernung von der Windschutzscheibe dann vom Beamten entfernt und beschlagnahmt und es wurde eine Bestätigung über die Beschlagnahme dem Bf ausgehändigt. Die Beschlagnahme stellt einen Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums gemäß Art.5 StGG dar. Sie ist gesetzlich nicht begründet. Die Beschlagnahme gemäß § 37a Abs.2 Z2 VStG iZm dem Bundesstraßenfinanzierungsgesetz ist rechtswidrig, zumal § 37a von einer Sicherheitsleistung spricht. Überdies sei die Strafverfolgung des Bf durch die Behörde leicht möglich gewesen, weil der Wohnsitz in T ist, bekannt gegeben wurde und der Pkw auf die Gattin zugelassen ist. Gründe für eine Strafvereitelung liegen nicht vor. Aber auch die Voraussetzung wegen Gefahr im Verzug gemäß § 39 Abs.2 VStG für eine Beschlagnahme liegt nicht vor.

2. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding als belangte Behörde hat einen Aktenvermerk vom 7.1.2002 sowie die Kopie einer Anzeige vom 27.11.2001 vorgelegt und in der Stellungnahme vom 7.1.2002 die Abweisung der Beschwerde und Kostenersatz beantragt. Sie führte dazu aus, dass das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 29a VStG an die BH Linz-Land abgetreten wurde. Gefahr im Verzug gemäß § 39 Abs.2 VStG lag vor, da zu befürchten stand, dass der Bf (oder andere Lenker des von ihm benützten Kraftfahrzeuges ohne Entrichtung der Mautgebühr und) unter Verwendung der ungültigen, beschlagnahmten Mautvignette, weitere mautpflichtige Bundesstraßen benützen werde. In einer weiteren Stellungnahme vom 30.1.2002 wurde angeführt, dass durch das Anbringen einer bereits einmal verwendeten Mautvignette der Tatbestand des Betruges gemäß § 146 StGB verwirklicht werden kann, wenn auch der Bf nicht im Verdacht stand, ein derartiges Vergehen begangen zu haben (er führte immerhin an, dass der von ihm am 27.11.2001 verwendete Pkw in diesem Zustand - sohin mit der in Rede stehenden Mautvignette - angekauft worden ist), liegt doch eine Verdachtslage gegen Vorbesitzer dieses Pkw bzw vorherigen Inhabern dieses Kraftfahrzeuges vor. Bei einer derartigen Sachlage ist jedoch die Beschlagnahme der Mautvignette gemäß §§ 24 und 143 Abs.1 StPO als zulässig anzusehen.

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 1.2.2002, zu welcher neben den Verfahrensparteien auch der Zeuge BI H, Zollwacheabteilung Suben/MÜG, geladen wurden. Der Bf und der Zeuge sind erschienen und wurden einvernommen; ein Vertreter der belangten Behörde hat sich entschuldigt.

4. Folgender Sachverhalt wurde als erwiesen festgestellt:

4.1. Am 27.11.2001 um 8.25 Uhr wurde auf der Autobahn A8 am Grenzübergang Suben eine Kontrolle des Pkw mit dem Kennzeichen durchgeführt und ergab die Kontrolle, dass die am Fahrzeug angebrachte Mautvignette nicht vorschriftsmäßig angebracht war. Die Seriennummer der an der Windschutzscheibe angebrachten Jahresvignette war nicht mehr leserlich. Bei näherer Prüfung der Vignette war für das überprüfende Organ, welches bei der mündlichen Verhandlung als Zeuge einvernommen wurde, ersichtlich, dass die Vignette mit einer klebrigen Substanz beschichtet war und durch einen Klebstoff bzw durch einen Silikonspray an der Windschutzscheibe befestigt war und jederzeit abgenommen werden konnte. Die tatsächliche Abnahme durch das Organ erfolgte mit zwei Fingern ohne weitere Gewaltanwendung und ohne Zuhilfenahme eines Hilfsmittels. Bei der Abnahme erschien auch nicht das Sicherheitszeichen "ungültig". Der Bf als Lenker des Kraftfahrzeuges, welches im Übrigen im Eigentum der Gattin des Bf steht, und auf diese zugelassen ist, wurde auf die Nichtlesbarkeit der Seriennummer hingewiesen und auf die unordnungsgemäße Anbringung auf der Windschutzscheibe. Der Bf äußerte bei der Kontrolle, dass er trotz mehrerer Kontrollen noch nie diesbezüglich Beanstandungen gehabt habe. Er habe bzw seine Gattin habe das Fahrzeug glaublich im Juli 2001 in diesem Zustand und mit der bereits angebrachten Jahresvignette gekauft. Es wurde an ihr auch nicht manipuliert. Der Aufforderung des Organs, eine Ersatzmaut in der Höhe von 1.650 S gemäß § 13 Abs.3 Bundesstraßenfinanzierungsgesetz 1996 zu entrichten, kam der Bf nicht nach.

Der Bf nahm daraufhin ein Gespräch per Handy mit einem Freund auf, der - wie der anwesende Zeuge aus dem Gespräch mitverfolgen konnte - ihm rechtliche Beratung zukommen ließ, nämlich dass er zusehen sollte, dass er die Vignette behält.

Die Vignette wurde auch von Kollegen des einschreitenden Organs betrachtet und es hat daraufhin das einschreitende Organ die Jahresvignette ohne Hilfsmittel mit zwei Fingern von der Windschutzscheibe entfernt und zur Beweissicherung einbehalten und beschlagnahmt. Es wurde daraufhin eine Beschlagnahmequittung ausgestellt. Auf der Bescheinigung wurde eine Beschlagnahme "zur Sicherung des Verfalls wegen Gefahr in Verzug" mit der Rechtsgrundlage "§ 37a Abs.2 Z2 VStG (offenbare Unmöglichkeit oder wesentliche Erschwerung der Strafverfolgung)" angekreuzt. Auch in der öffentlichen mündlichen Verhandlung dazu befragt, gab das Organ an, dass nach Abnahme der Vignette nicht das Sicherheitszeichen "ungültig" aufschien und dies dem § 8 der Mautordnung widerspreche. Nach § 8 der Mautordnung verwirkt ein nachträgliches Aufkleben mit Klebstoffen udgl. den Nachweis der ordnungsgemäßen Entrichtung der Autobahnmaut. Aufgrund des Telefonats und der Rechtsberatung wurde die Vignette rein zu Beweiszwecken einbehalten, dh, dass die Beschlagnahme lediglich zu Beweissicherungszwecken ausgesprochen wurde. Die Beschlagnahme erfolgte nur für die BH Schärding, nicht für gerichtliche Zwecke. Es wurde auch keine Strafanzeige erstattet.

4.2. Die Feststellungen gründen sich einerseits auf die Beschwerdeausführungen und andererseits auf die glaubwürdigen Aussagen des unter Wahrheitspflicht einvernommenen Zeugen. Aufgrund des Diensteides und der Dienstpflichten des einvernommenen Zeugen sowie des Erscheinungsbildes bei der öffentlichen mündlichen Verhandlung waren keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen.

5. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

5.1. Gemäß Art. 129a Abs.1 Z2 B-VG iVm § 67a Abs.1 Z2 AVG entscheiden die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein.

Die Beschwerde wurde rechtzeitig eingebracht und ist zulässig. Sie ist auch begründet.

5.2. Aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens steht als erwiesen fest, dass zum Zeitpunkt der Amtshandlung für das einschreitende Organ die Seriennummer der Autobahnvignette nicht vollständig lesbar war und offensichtlich war, dass die Vignette mittels Klebstoff oder Spray an der Windschutzscheibe befestigt war und jederzeit leicht lösbar war. Deshalb wurde die Vignette vom Organ entfernt und zu Beweissicherungszwecken beschlagnahmt.

Gemäß § 39 Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG kann die Behörde zur Sicherung des Verfalls die Beschlagnahme von Gegenständen anordnen, wenn der Verdacht einer Verwaltungsübertretung vorliegt, für die der Verfall von Gegenständen als Strafe vorgesehen ist. Bei Gefahr in Verzug können auch die Organe der öffentlichen Aufsicht aus eigener Macht solche Gegenstände vorläufig in Beschlag nehmen.

Gemäß § 13 Abs.1 Bundesstraßenfinanzierungsgesetz 1996 - BStFG 1996 begehen Kraftfahrzeuglenker, die gemäß § 7 Abs.1 zeitabhängig die Maut der Bundesstraßen benützen ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, eine Verwaltungsübertretung. Die Tat wird straflos, wenn der Täter bei Betretung, wenngleich auf Aufforderung, eine in der Mautordnung festzusetzende Ersatzmaut zahlt (§ 13 Abs.3 BStFG).

Der Verfall von Gegenständen ist im BStFG 1996 nicht geregelt.

Das festgestellte nicht ordnungsgemäße Anbringen der Vignette an der Windschutzscheibe bedeutet nach § 8 der Mautordnung ein nicht ordnungsgemäßes Entrichten der Maut, das eine Verwaltungsübertretung nach § 13 Abs.1 BStFG 1996 bedeutet. Für diese Verwaltungsübertretung ist der Verfall von Gegenständen als Strafe nicht vorgesehen. Es fehlt daher an einer wesentlichen Voraussetzung für eine Beschlagnahme nach § 39 VStG.

Da eindeutig erwiesen ist, dass zum Zeitpunkt des Einschreitens durch das Organ ein Verdacht einer gerichtlich strafbaren Handlung nicht vorlag und im Übrigen auch im Nachhinein weder vom eingeschrittenen Organ noch von der belangten Behörde der Verdacht einer gerichtlich strafbaren Handlung geschöpft wurde und ein solcher auch von der belangten Behörde letztlich in ihrer Stellungnahme auch verneint wurde, kam eine Anwendung einer gerichtlichen Beschlagnahme zu Beweiszwecken gemäß § 143 Abs.1 StPO nicht in Betracht. Es entbehrt daher die gegenständliche Beschlagnahme jeder rechtlichen Grundlage. Schon aus diesem Grunde war daher der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig, was auch spruchgemäß festzustellen war.

5.3. Wenn hingegen in der ausgehändigten Bestätigung die Rechtsgrundlage des § 37a Abs.2 Z2 VStG angekreuzt wurde, so ist dazu anzumerken, dass nach § 37a VStG aufgrund behördlicher Ermächtigung das Organ von Personen, die auf frischer Tat betreten werden und bei denen eine Strafverfolgung offenbar unmöglich oder wesentlich erschwert sein wird, eine vorläufige Sicherheit einheben kann, wobei gemäß § 13 Abs.4 Z2 BStFG 1996 von Betretenen, die keine Zahlung gemäß Abs.3 (Ersatzmaut) leisten, eine vorläufige Sicherheit bis zum Betrag von 660 Euro festgesetzt und eingehoben werden kann.

Der Bf hat hiezu zu Recht ausgeführt, dass er über einen ordentlichen Wohnsitz verfüge, diesen auch bekannt gegeben habe, sich der Wohnsitz in Oberösterreich befindet und daher eine Strafverfolgung möglich und nicht erschwert sei. Es kommt daher die Einbehaltung einer vorläufigen Sicherheit, welche im Übrigen vom Organ an Ort und Stelle nicht in Betracht gezogen und eingehoben wurde, nicht zur Anwendung.

6. Gemäß § 79a AVG hat die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wird die Beschwerde abgewiesen, dann ist die belangte Behörde die obsiegende und der Bf die unterlegene Partei. Als Aufwendungen waren daher dem Bf Stempelgebühren in der Höhe der 180-S-Bundesstempelmarke (entspricht 13,08 Euro) sowie für den Schriftsatzaufwand in Höhe von 610 Euro und Verhandlungsaufwand in der Höhe von 755 Euro gemäß § 1 Z1 und 2 UVS-Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl. II Nr. 499/2001, zuzusprechen. Der Aufwandersatzantrag der belangten Behörde war daher entsprechend abzuweisen.

Für weitere Ersatzansprüche bietet § 79a AVG keine Rechtsgrundlage. Es war daher der weitere Antrag auf Ersatz einer Ganzjahresvignette mangels Rechtsgrundlage zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro (entspricht 2.476,85 S) zu entrichten.

Dr. Klempt

Beschlagwortung:

Ankleben mit Klebstoff, rechtswidrige Mautentrichtung, kein Verfall, keine Beschlagnahme zur Beweissicherung.

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