Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420367/26/WEI/An

Linz, 04.10.2004

 

 

 VwSen-420367/26/WEI/An Linz, am 4. Oktober 2004

DVR.0690392
 

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Beschwerde des J K, geb. , R, A, vom 26. Juni 2003 wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt am 15. Mai 2003 betreffend seine Vorführung zum Strafantritt durch den Bezirkshauptmann von Braunau am Inn zurechenbare Gendarmerieorgane in der öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung am 22. April 2004 zu Recht erkannt:

 

 

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

 

II. Der Beschwerdeführer hat den der belangten Behörde entstandenen Verfahrensaufwand in Höhe von 547,10 Euro dem jeweiligen Rechtsträger, für den die belangte Behörde (Bezirkshauptmann von Braunau am Inn) eingeschritten ist, binnen 2 Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Dabei ist nach dem Verhältnis der vollstreckten Strafen eine Aufteilung von 7/24stel für den Bund und von 17/24stel für das Land Oberösterreich vorzunehmen.

 

Rechtsgrundlagen:

Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG iVm § 67a Abs 1 Z 2 AVG 1991; § 67c AVG iVm § 33 Abs 1VwGG; § 79a AVG 1991 iVm UVS-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl II Nr. 334/2003.

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit der beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich am 30. Juni 2003 eingebrachten handschriftlichen Eingabe vom 26. Juni 2003 hat der Beschwerdeführer (Bf) noch rechtzeitig Maßnahmenbeschwerde mit folgendem Inhalt erhoben:

 

"Beschwerde wegen Verletzung subjektiver Rechte durch Ausübung unmittelbarer sicherheitsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt

 

Sehr geehrte Damen und Herren !

 

Ich wurde am 15.5.2003 in meiner Wohnung A, R, um 20 Uhr 17 von vier Gendarmeriebeamten rechtswidrig festgenommen und in die Justizanstalt R eingeliefert.

Es wurde ohne Durchsuchungsbefehl eine Hausdurchsuchung gemacht. Im gesamten Obergeschoß wurde nach mir gesucht.

Der Beamte F wollte gerade die Schlafzimmertür eintreten. Erst zu diesem Zeitpunkt öffnete ich. Trotz Vorweisung einer gültigen Einweisung in Anstaltspflege (Krankenhaus R) verhafteten sie mich.

Die verfassungsmäßig gewährleisteten Grundrechte Art. 5 MRK, Art. 5 StGG, Art. 1-8 PersFreiheits BVG wurden auf das Gröbste mißachtet.

Ich bitte um Untersuchung und um Feststellung der Rechtswidrigkeit der Amtshandlung. Ich beantrage eine öffentliche mündliche Verhandlung.

 

Hochachtungsvoll

J K"

 

2. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat als belangte Behörde bezughabende Verwaltungsakten vorgelegt und die Gegenschrift vom 15. Juli 2003, Zl. Sich90-1-2003-Ga, erstattet, in der sie der Beschwerde entgegentritt und deren kostenpflichtige Abweisung beantragt.

 

Die belangte Behörde verweist auf rechtskräftige Verwaltungsstrafen, die beim Bf uneinbringlich waren. Deshalb sei er zum Antritt der Ersatzfreiheitsstrafe von 35 Tagen und 6 Stunden aufgefordert worden. Trotz wiederholt gewährten Aufschubs leistete der Bf der Aufforderung zum Strafantritt keine Folge, weshalb er am 15. Mai 2003 durch Beamte der Bundesgendarmerie im Auftrag der belangten Behörde festgenommen und vorgeführt hätte werden müssen. Da das Recht auf persönliche Freiheit nicht schrankenlos gewährleistet und nur gesetzmäßig vorgegangen worden sei, liegt keine Verletzung dieses verfassungsmäßig gewährleisteten Rechts vor. Auch eine Hausdurchsuchung sei nicht durchgeführt worden, weil den Gendarmeriebeamten der Aufenthaltsort des Bf ohnehin bekannt gewesen sei. Es liege daher auch keine Verletzung des Hausrechts vor.

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat am 22. April 2004 eine öffentliche mündliche Verhandlung in Gegenwart des Bf und der Behördenvertreterin Frau Mag. E G durchgeführt und Beweis aufgenommen durch Verlesung von Aktenteilen und Einvernahme der Gendarmeriebeamten AbtInsp A D und RevInsp J F.

 

Die als Zeugen geladenen betagten Eltern des Bf sind entschuldigt nicht erschienen. Frau Hermine und Herr A K haben sich telefonisch entschuldigt und ärztliche Atteste vorgelegt, die bescheinigen, dass ihr Erscheinen zur anberaumten Verhandlung wegen ihres schlechten Gesundheitszustandes unzumutbar gewesen wäre (vgl näher Aktenvermerk ON 16 vom 14.04.2004). Ihre Einvernahme war zur Wahrheitsfindung auch nicht unbedingt notwendig.

 

3.2. Auf Grund der vorgelegten Verwaltungsakten und der durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung steht folgender S a c h v e r h a l t fest:

3.2.1. Im Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 20. Juli 2000, Zl. VerkR96-10476-2000-Fs, bestätigt durch das Erkenntnis der 6. Kammer des Oö. Verwaltungssenats vom 5. Dezember 2000, Zl. VwSen-107179/12/SR/Ri, wurde der Bf wegen der Verwaltungsübertretung der Alkotestverweigerung nach dem § 5 Abs 2 iVm § 99 Abs 1 lit b) StVO 1960 mit einer Geldstrafe von ATS 24.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Tagen) rechtskräftig bestraft.

Mit den Spruchpunkten 2. und 3. des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 20. Juli 2000, Zl. VerkR96-10476-2000-Fs, bestätigt durch das Erkenntnis des Einzelmitglieds des Oö. Verwaltungssenats vom 27. November 2000, Zl. VwSen-107180/9/SR/Ri, wurde der Bf der Verwaltungsübertretungen nach § 1 Abs 3 FSG 1997 und § 102 Abs 5 lit b) KFG 1967 schuldig erkannt und mit Strafen von ATS 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 10 Tage) und ATS 200,-- (12 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) belegt.

Mit dem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 28. August 2001, Zl. Pol96-78-2000-W, bestätigt durch die abweisende Berufungsentscheidung des Oö. Verwaltungssenats vom 11. Dezember 2001, VwSen-300441/17/Ki/Ka, wurde der Bf wegen Lärmerregung nach § 3 Abs 1 Oö. PolStG schuldig erkannt und über ihn ein Geldstrafe von ATS 600,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Stunden) verhängt.

Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 17. Juni 2002, Zl. VerkR96-4502-2002-Fs, wurde über den Bf wegen einer Übertretung nach § 2 Abs 2 iVm § 6 Abs 1 lit b) des Oö. Parkgebührengesetzes eine Geldstrafe von 36 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) verhängt.

 

Diese Strafen sind alle rechtskräftig und vollstreckbar geworden.

 

3.2.2. Aus den vorgelegten Akten sind folgende von der belangten Behörde gegen den Bf betriebene Exekutionsverfahren ersichtlich:

 

Mit Exekutionsbewilligung des Bezirksgerichts M vom 6. April 2001, Zl. 1E 526-01a-2 (BP), wurde dem Land Oberösterreich die Gehaltsexekution gegen den Bw auf Grund diverser Strafbescheide wegen ATS 46.060,-- samt Nebengebühren bewilligt.

 

Mit Schreiben vom 17. April 2001 teilte die Buchhaltung der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich der belangten Behörde mit, dass der Exekutionsbeschluss vorgemerkt, die vollstreckbare Forderung allerdings an fünfter Stelle zu reihen sei, weshalb sie derzeit nicht zum Zuge gelangen könne. Aus der formularmäßigen Drittschuldnererklärung geht hervor, dass vorrangige Unterhaltsforderungen und weitere Forderungen in Höhe von ATS 543.168,-- vorgemerkt sind.

 

Mit Exekutionsbewilligung des Bezirksgerichts M vom 25. April 2002, Zl. 1E 613/02x-2(BP), wurde der Republik Österreich und dem Land Oberösterreich auf Grund diverser Strafbescheide die Fahrnisexekution wegen einer vollstreckbaren Forderung von insgesamt 3.241,16 Euro samt Nebengebühren bewilligt. Nach dem Bericht des Gerichtsvollziehers vom 26. August 2002 erschien ein Vollzug nicht erfolgversprechend, weil in einem anderen Fahrnisexekutionsverfahren zuletzt am 5. Juni 2002 die Exekution mangels pfändbarer Gegenstände nicht vollzogen werden konnte.

 

3.3.3. Die belangte Behörde hat den Bf mit Schreiben vom 10. September 2004, Zl. Ka96, unter Hinweis auf die noch zu vollstreckenden Strafen aus den Strafbescheiden in den Verfahren VerkR96-10476-2000-Fs, Pol96-78-2000-W und VerkR96-4502-2002 zum Antritt der Ersatzfreiheitsstrafe von 35 Tagen und 6 Stunden aufgefordert. Dabei wurden ihm offene Forderungen von insgesamt 3.429,56 Euro bekannt gegeben. Nach dieser Aufforderung hätte sich der Bf binnen zwei Wochen zum Strafantritt in der Justizanstalt R während der Amtsstunden melden und einen Lichtbildausweis mitbringen sollen. Eine Durchschrift erging an die Justizanstalt mit dem Ersuchen um Vollzug.

 

Mit näher begründeter Eingabe vom 27. September 2002 beantragte der Bf einen Aufschub des Strafvollzuges. Die belangte Behörde gewährte daraufhin mit Bescheid vom 1. Oktober 2002, Zl. Ka96, auf der Grundlage des § 54b Abs 3 VStG einen Zahlungsaufschub bis 1. März 2003.

 

Mit dem an den Bf adressierten Schreiben vom 24. März 2003, Zl. Ka96, ordnete die belangte Behörde die zwangsweise Vorführung zum Strafantritt gemäß § 53b Abs 2 VStG an, weil der Bf die vorangegangene Aufforderung nicht befolgte hätte. Der Auftrag erging auch an das Gendarmeriepostenkommando A.

 

Mit Schreiben des Bf vom 4. April 2003 reagierte der Bf und machte die belangte Behörde darauf aufmerksam, dass er nach Ablauf der Zahlungsaufschubsfrist am 1. März 2003 keine neuerliche Aufforderung zum Antritt der Ersatzfreiheitsstrafe erhalten habe. Er habe daher noch zugewartet und bitte die Ersatzfreiheitsstrafe am 28. April 2003 antreten zu dürfen. Er benötige diese Frist, um noch einige persönliche Angelegenheiten regeln zu können. Es bestünde auch keine Fluchtgefahr.

 

Mit Schreiben vom 16. April 2003, Zl. Ka96, gab die belangte Behörde neuerlich dem Ansuchen statt, teilte dem Bf aber gleichzeitig mit, dass seine Vorführung zum Strafantritt ohne nochmalige Aufforderung unverzüglich veranlasst werde, sollte er am 28. April 2003 die Ersatzfreiheitsstrafe nicht freiwillig in der Justizanstalt R antreten. Dieses Schreiben wurde am 18. April 2003 beim Postamt A für den Bf hinterlegt.

 

3.3.4. Der Gendarmerieposten A erhielt den Auftrag zur Vorführung zum Strafantritt am 2. April 2003, wurde dann aber von der belangten Behörde verständigt, dass der Vorführungsauftrag bis 30. April 2003 aufgeschoben werde. Da der Bf abermals nicht freiwillig die Ersatzfreiheitsstrafe antrat und trotz vorangegangener Versuche und Vorsprachen bei den Eltern des Bf bis zum 15. Mai 2003 nicht aufgegriffen werden konnte, hat der Zeuge AbtInsp D an diesem Tag mit der Mutter des Bf telefonischen Kontakt aufgenommen. Sie gab ihm bekannt, dass sich ihr Sohn in seinem Zimmer aufhalte. Der Beamte D vereinbarte mit der Mutter des Bf, einen Geißfuß mitzubringen, um gegebenenfalls die Tür zum Zimmer des Bf durch Aufdrücken des Schlosses gewaltsam öffnen zu können, sollte dieser sein Zimmer nicht öffnen. Allfällige Beschädigungen wären in Kauf genommen worden, weil die Eltern des Bf endlich Ruhe haben wollten. Der Bf bewohnte ein Zimmer im Obergeschoss des im Miteigentum der Eltern A und H K stehenden Hauses und benutzte auch noch weitere Räume wie Bad und WC.

 

Da sich der Bf bei früheren Amtshandlungen renitent und aggressiv verhalten hatte, organisierte AbtInsp D auch die Anwesenheit von zwei Beamten einer weiteren Sektorstreife zur Unterstützung.

 

3.3.5. So begaben sich AbtInsp D und RevInsp F in Begleitung von zwei weiteren Beamten am Abend des 15. Mai 2003 um etwa 20.00 Uhr zum Haus der Eltern des Bf in A, R, um den Bf festzunehmen und zum Antritt der Ersatzfreiheitsstrafe in der Justizanstalt Ried im Innkreis vorzuführen. Der Vater des Bf ließ die vier Gendarmeriebeamten ins Haus und begleitet sie nach kurzem Gespräch über den Grund des Einschreitens zum Zimmer des Bf im ersten Stock des Hauses. Die Mutter blieb im Erdgeschoss. Den Gendarmen D und F war außerdem schon von früheren Amtshandlungen bekannt, wo sich das Schlafzimmer des Bf im ersten Stock des Hauses befindet. Vor der verschlossenen Zimmertür des Bf nahmen dann alle Personen Aufstellung und durch die verschlossene Tür wurde dem Bf der Grund für das Einschreiten der Gendarmen mitgeteilt. Trotz wiederholter Aufforderungen durch Gendarmen, die Tür zu öffnen und die Ersatzfreiheitsstrafe anzutreten, blieb die Tür zunächst verschlossen. Erst nachdem AbtInsp D und RevInsp F dem Bf angedroht hatten, die Tür gegebenenfalls gewaltsam zu öffnen, war der Bf schließlich bereit herauszukommen und sich der Amtshandlung zu stellen.

 

Der Bf zeigte den Gendarmen dann eine ärztliche Einweisung ins Krankenhaus R, wo er sich in stationäre Behandlung begeben müsste. Dem aktenkundigen "Ersatz-Arzthilfeschein" der BVA vom 7. Mai 2003 ist eine "Zuweisung an: KH R Interne Abtlg." des Dr. M K zu entnehmen. Dabei wurde erbeten die Hypertonie, Kardiomyopathie und Oberbauchbeschwerden (GDKS, Refluxsymtome) beim Bf stationär abzuklären.

 

Unter Hinweis auf diese Einweisung ins Krankenhaus behauptete der Bf Haftunfähigkeit. AbtInsp D fragte den Bf nach Beschwerden und er äußerte Magenschmerzen. Danach nahm er mit seinem Diensthandy Kontakt mit dem Journalbeamten der belangten Behörde auf, wobei er die Stiege hinunter ging und sich vor die Haustür begab, um in Ruhe mit Mag. S telefonieren zu können. Der Zeuge D informierte den Journalbeamten über den Inhalt des Einweisungsscheins und teilte ihm seinen persönlichen Eindruck mit, dass der Beschwerdezustand des Bf nicht ernst erscheine. Da kein akuter Zustand - die Einweisung war bereits eine Woche alt - vorlag, der eine Haftunfähigkeit nahegelegt hätte, ordnete der Journalbeamte die Einlieferung in die Justizanstalt an, zumal dort ohnehin ein Arzt beigezogen werden würde. Der Bf wurde schließlich um 20.17 Uhr festgenommen und in weiterer Folge in die Justizanstalt zum Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe überstellt.

 

In der Justizanstalt R wurde der Bf um 21.30 Uhr eingeliefert. Da er über Herzrasen und Oberbauchbeschwerden klagte, einen internistischen Befund aus 2002 und eine hausärztliche Einweisung bei sich hatte, verständigte der Justizwachebeamte GrInsp H G den diensthabenden Arzt Dr. B, der um 22.15 Uhr eintraf, den Bf untersuchte und mit Medikamenten versorgte. Danach habe sich der Bf ruhig verhalten und niedergelegt (vgl Aktenvermerk JA R.). Dem Personalblatt der Justizanstalt betreffend die Verwaltungshaft des Bf ist die Zugangsuntersuchung am 19. Mai 2003 durch den Anstaltsarzt Dr. A zu entnehmen, wonach der Bf als haft- und arbeitsfähig eingestuft wurde. Bei der Abgangsuntersuchung am 16. Juni 2003 hatte er sogar 2 kg Körpergewicht (von 85 auf 87 kg) zugenommen.

 

Das errechnete Strafende war am 20. Juni 2003 um 02.17 Uhr. Die Entlassung aus der Haft erfolgte aber bereits am 18. Juni 2003 um 08.00 Uhr, weil die Entlassung auf einen Sonntag gefallen wäre.

 

3.4. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den unbedenklichen und in den wesentlichen Punkten übereinstimmenden Aussagen der einvernommenen Zeugen AbtInsp A D und RevInsp J F in Verbindung mit der Aktenlage und den zitierten aktenkundigen Urkunden. Der teilweise widersprechenden Darstellung des Bf, der in der mündlichen Verhandlung einen unglaubwürdigen und renitenten Eindruck hinterlassen hatte, war nicht zu folgen. Seine auf eine Verletzung des Hausrechts abzielende Behauptung, die Gendarmen hätten im Obergeschoss des Hauses seiner Eltern nach ihm suchen müssen, ist schon angesichts des Umstandes, dass die Eltern der Amtshandlung zustimmten und die Gendarmen freiwillig in ihr Haus ließen (dies gesteht auch der Bf zu; vgl Tonbandprotokoll, Seite 5), völlig unglaubhaft. Außerdem kannten die Zeugen den Aufenthaltsort des Bf schon von früheren Amtshandlungen. Eine Hausdurchsuchung war nicht erforderlich und hat in Wahrheit auch nicht stattgefunden.

 

Die in der Aufforderung zum Strafantritt vom 10. September 2002 angeführten aushaftenden Beträge und Ersatzfreiheitsstrafen hat der Bf ebenso wie die Tatsache, dass er keine Zahlungen leistete, als richtig zugestanden (vgl Tonbandprotokoll vom 22.04.2004, Seite 3). Der Bf musste schließlich - auch wenn er die Untersuchung als oberflächlich empfand - zugeben, dass er ob seiner behaupteten Beschwerden in der Justizanstalt R noch am 15. Mai 2003 von Dr. B ärztlich untersucht und dabei keine Haftunfähigkeit festgestellt wurde (vgl Tonbandprotokoll, Seite 7). Auch die weiteren Untersuchungen des Bf in der Justizanstalt widerlegen dessen Behauptung der Haftunfähigkeit.

 

Die Behauptung des Bf, der Gendarmeriebeamte F hätte gedroht, die Türe einzutreten, was ihn eingeschüchtert hätte, erscheint wenig glaubhaft, weil AbtInsp D in Absprache und mit Zustimmung der Mutter des Bf einen Geißfuss mitgebracht hatte, um gegebenenfalls das Schloss der Schlafzimmertür des Bf aufdrücken zu können. Das erkennende Mitglied geht davon aus, dass der Bf auf Grund der beharrlichen Aufforderungen herauszukommen und nach Androhung der gewaltsamen Öffnung der Türe einsah, die Gendarmen nicht abwimmeln zu können. Da er eine ärztliche Überweisung zur stationären Untersuchung im Krankenhaus R vorweisen konnte, hoffte der Bf immerhin auch noch Haftunfähigkeit vortäuschen zu können. Mit diesem Kalkül fiel es ihm auf jeden Fall leichter, sich der Amtshandlung zu stellen.

 

In der mündlichen Verhandlung gewann das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenats den festen Eindruck, dass der Bf unter Berücksichtigung angelesener Rechtskenntnisse die Umstände des Vorfalles nicht objektiv, sondern allein auf seinen Vorteil bedacht darzustellen versuchte. Dieser Umstand wird auch durch das Telefonat vom 14. April 2004 mit der Mutter des Bf bestätigt (vgl Aktenvermerk ON 16 vom 14.04.2004), die angab, dass sich ihr Sohn mit den Gesetzen gut auskenne und alle möglichen Gerichtsverfahren als Hobby betreibe.

 

4. In rechtlicher Hinsicht hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Gemäß Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG iVm § 67a Abs 1 Z 2 AVG erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten durch Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein (sog. Maßnahmenbeschwerde), ausgenommen Finanzstrafsachen des Bundes.

 

Die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt setzt nach der Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts die unmittelbare Anwendung physischen Zwanges oder die Erteilung eines Befehles mit unverzüglichem Befolgungsanspruch voraus (vgl VwGH 14.12.1993, 93/05/0191; VfSlg 11935/1988; VfSlg 10319/1985; VfSlg 9931/1984 und 9813/1983). Die bloße Untätigkeit einer Behörde erfüllt diesen Begriff nicht (vgl VfSlg 9813/1983; VfSlg 9931/1984; VfSlg 10319/1985, VfSlg 11935/1988). Für die Ausübung von Zwangsgewalt ist im Allgemeinen ein positives Tun begriffsnotwendig (vgl VwGH 25.4.1991, 91/06/0052; VwSlg 9461 A/1977; VfSlg 6993/1973; VfSlg 4696/1964). Dieses kann auch in einem schlüssigen Tun iSd § 863 ABGB bestehen (vgl Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1983, 74).

 

Voraussetzung für die Zulässigkeit einer sog. Maßnahmenbeschwerde ist daher, dass gegen den Beschwerdeführer physischer Zwang ausgeübt wurde oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehles droht (vgl mwN Walter/Mayer, Bundesverfassungsrecht9 Rz 610).

 

Die Vorführung zum Strafantritt und der anschließende Vollzug einer Ersatzfreiheitsstrafe ist nach herrschender Rechtssprechung eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (vgl Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrengesetze I2, E 44 und E 54 zu § 67AVG).

 

4.2. Gemäß § 54b Abs 2 VStG ist die dem ausstehenden Betrag entsprechende Ersatzfreiheitsstrafe zu vollziehen, soweit die Geldstrafe uneinbringlich ist oder dies mit Grund anzunehmen ist. Der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe hat zu unterbleiben, soweit die ausstehende Geldstrafe erlegt wird. Darauf ist in der Aufforderung zum Strafantritt hinzuweisen.

 

Nach § 54b Abs 3 VStG hat die Behörde einem Bestraften, dem aus wirtschaftlichen Gründen die unverzügliche Zahlung nicht zuzumuten ist, auf Antrag einen angemessenen Aufschub oder Teilzahlung zu bewilligen.

 

Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, dass die Ersatzfreiheitsstrafe nur bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe in Betracht kommt und ohne vorangegangene Aufforderung zum Strafantritt nicht vollzogen werden darf. Mit dem Vollzug darf erst nach einem fehlgeschlagenen Versuch der Eintreibung der Geldstrafe oder der begründeten Annahme der Uneinbringlichkeit begonnen werden (vgl dazu näher Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, Anm 5 und E 4 und E 23 zu § 54b VStG).

 

Wie sich aus den Feststellungen im Punkt 3.2.2. ergibt waren die gegenständlich zu vollstreckenden Geldstrafen beim Bf uneinbringlich. Die von der belangten Behörde betriebenen gerichtlichen Exekutionsverfahren (Gehalts- und Fahrnisexekution) erbrachten wegen zahlreicher vorrangiger Forderungen anderer Gläubiger des Bf und mangels pfändbarer Gegenstände kein Ergebnis. Die belangte Behörde hat den Bf mit Schreiben vom 10. September 2002, Zl. Ka96, grundsätzlich zu Recht zum Antritt der Ersatzfreiheitsstrafe von 35 Tagen und 6 Stunden binnen zwei Wochen in der Justizanstalt R aufgefordert. Der Bf wurde auch auf die zwangsweise Vorführung bei Nichtbefolgung hingewiesen und dass er durch Zahlung der Geldstrafe den Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe abwenden könnte.

 

Dem Bf wurde in der Folge Strafaufschub bis 1. März 2003 gewährt. Da diese Frist fruchtlos abgelaufen war und der Bf keine Anstalten machte, die Ersatzfreiheitsstrafe freiwillig anzutreten, erging das auch dem Bf zugestellte Schreiben "Vorführung zum Strafantritt" der belangten Behörde vom 24. März 2003. Der Bf ersuchte daraufhin die Ersatzfreiheitsstrafe am 28. April 2003 antreten zu dürfen, was ihm mit Schreiben der belangten Behörde vom 16. April 2004 gewährt wurde. Er wurde dabei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass seine Vorführung ohne nochmalige Aufforderung veranlasst werden würde, sollte er die Ersatzfreiheitsstrafe nicht freiwillig am 28. April 2003 antreten.

 

Das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenats vertritt dazu entgegen der Meinung des Bf die Ansicht, dass die belangte Behörde den Bf unter den gegebenen Umständen kein weiteres Mal zum Antritt der Ersatzfreiheitsstrafe auffordern hätte müssen. Die Sache war für den Bf ohnehin klar und transparent. Er beabsichtigte, die belangte Behörde, die ihm auch großzügig Strafaufschübe gewährt hatte, immer wieder hinzuhalten. Zuletzt wollte der Bf offenbar durch die Vorlage einer hausärztlichen Einweisung zur stationären Durchuntersuchung im Krankenhaus R eine Haftunfähigkeit vortäuschen, um dem Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe zu entgehen. Wie die ärztlichen Untersuchungen in der Justizanstalt R belegt haben, befand sich der Bf aber in einem hafttauglichen Gesundheitszustand.

 

Die von der belangten Behörde angeordnete Vorführung zum Strafantritt sowie der anschließende Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe war unter dem Gesichtspunkt des Freiheitsschutzes (vgl dazu Art 1 Abs 3 und Art 2 Abs 1 Z 4 PersFrSchG 1988) nach den gegebenen Umständen grundsätzlich rechtmäßig.

 

4.4. Zu prüfen ist daher nur noch, ob der Bf im Zuge der Durchführung des behördlichen Auftrags durch die Gendarmerieorgane in sonstigen Rechten verletzt worden ist. Dazu ist vorauszuschicken, dass im gegenständlichen Fall entgegen der Darstellung des Bf eine Hausdurchsuchung tatsächlich nicht stattfand, weshalb sich Ausführungen dazu erübrigen. Die Beamten wurden von den vorinformierten Eltern des Bf eingelassen und brachten auch mit deren Zustimmung einen Geißfuss mit, um gegebenenfalls die verschlossene Tür zum Schlafzimmer des Bf aufdrücken zu können.

 

Nach Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Schutz vor Hausdurchsuchungen gewährt das Grundrecht nach Art 9 StGG. Maßnahmen, denen das Element der Suche fehlt, können ins Recht auf Achtung der Wohnung nach Art 8 EMRK eingreifen, wobei nicht nur der Eigentümer oder Mieter sondern auch der Inhaber von Räumlichkeiten geschützt wird (vgl mit Nachw Mayer, B-VG3, Art 9 StGG, Anm I.,II. Z 3 und IV.) In das Recht auf Achtung der Wohnung wird nicht nur durch eine Hausdurchsuchung, sondern durch jede Maßnahme eingegriffen, die die Intimität einer Wohnung stört (vgl Mayer, B-VG3, Art 9 MRK Anm II. Z 3).

 

Für den vorliegenden Sachverhalt spielt es daher keine Rolle, auf welcher Rechtsgrundlage der Bf Räumlichkeiten im ersten Stock des Hauses seiner Eltern benutzt. Unbestritten ist, dass er im Zeitpunkt der Amtshandlung jedenfalls mit dem Willen seiner Eltern der Inhaber eines Schlafraumes war. Durch die Vorgangsweise der Gendarmen verbunden mit dem angedrohten gewaltsamen Öffnen der Türe, wurde der Bf in seiner Intimität gestört, weshalb ein Eingriff in sein Recht auf Achtung der Wohnung angenommen werden muss.

 

Nach Art 8 Abs 2 EMRK ist der Eingriff in die Rechte nach Abs 1 nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Demnach muss der Eingriff in das Recht auf Achtung der Wohnung gesetzlich vorgesehen sein, ein anerkanntes Ziel verfolgen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein. Eine gesetzliche Grundlage findet dieser Eingriff im vorliegenden Fall in der Vorschrift des § 54b VStG über die Vollstreckung von Geldstrafen. Danach sind uneinbringliche Geldstrafen, die rechtskräftig verhängt wurden, durch die entsprechende Ersatzfreiheitsstrafe (§ 16 VStG) zu vollziehen. Diese wurde zu diesem Zwecke für den Fall der Uneinbringlichkeit im Strafbescheid festgesetzt.

 

Die Androhung der Gendarmen, die Tür zum Schlafzimmer des Bf gewaltsam zu öffnen, diente dem legitimen Ziel der Durchsetzung eines staatlichen Strafanspruches. Auch in einer demokratischen Gesellschaft ist es zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung und zur Verhinderung von weiteren strafbaren Handlungen notwendig, verhängte Geldstrafen einzutreiben und bei Uneinbringlichkeit die Ersatzfreiheitsstrafe zu vollziehen. Der Bf war erst nach der Drohung der Gendarmen bereit, sich der Amtshandlung zu stellen, die mit Einwilligung seiner Eltern in deren Haus stattfand. Für den Oö. Verwaltungssenat war die Vorgangsweise der Gendarmen in der vorgefundenen Situation maßhaltend und letztlich auch zielführend, um den Bf endlich zu bewegen, die Ersatzfreiheitsstrafe anzutreten. Der angedrohte Zwang war daher legitim und hat den Bf nicht in einfachgesetzlich oder verfassungsmäßig gewährleisteten Rechten verletzt.

 

4.5. Gemäß § 79a Abs 1 AVG 1991 idF BGBl Nr. 471/1995 hat die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wird die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen oder zurückgezogen, dann ist die belangte Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei (§ 79a Abs 3 AVG). Nach § 79a Abs 6 AVG 1991 ist Aufwandersatz nur auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.

 

Nach § 79a Abs 4 AVG gelten als Aufwendungen gemäß Abs 1 neben Stempel- und Kommissionsgebühren sowie Barauslagen vor allem die durch Verordnung des Bundeskanzlers festgesetzten Pauschbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand. Nach der geltenden UVS-Aufwandersatzverordnung 2003 (BGBl II Nr. 334/2003) betragen die Pauschbeträge für die belangte Behörde als obsiegende Partei für den Vorlageaufwand 51,50 Euro, den Schriftsatzaufwand 220,30 Euro und den Verhandlungsaufwand 275,30 Euro. In Summe beträgt der Verfahrensaufwand für jede der belangten Behörde 547,10 Euro.

 

Der Bf hat für Vorlageaufwand, Schriftsatzaufwand und Verhandlungsaufwand der obsiegenden belangten Behörde einen Gesamtbetrag in Höhe von 547,10 Euro dem jeweiligen Rechtsträger zu ersetzen, für den die belangte Behörde eingeschritten ist. Der gegenständlichen Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafen lagen uneinbringliche Geldstrafen nach der StVO 1960, nach dem FSG, dem KFG 1967 und dem Oö. Parkgebührengesetz zugrunde. Das Verhältnis der für das Land Oberösterreich und der für den Bund zu vollziehenden Strafen beträgt im gegebenen Zusammenhang 17 Teile zu 7 Teile. Es war daher eine Aufteilung des Aufwandersatzes von 17 Teilen (17/24stel) zugunsten des Landes Oberösterreich und 7 Teilen (7/24stel) zugunsten des Bundes auszusprechen.

 

Analog dem § 59 Abs 4 VwGG 1985 war eine Leistungsfrist von 2 Wochen festzusetzen, zumal das Schweigen des § 79a AVG 1991 nur als planwidrige Lücke aufgefasst werden kann, sollte doch die Neuregelung idF BGBl Nr. 471/1995 im Wesentlichen eine Angleichung der Kostentragungsbestimmungen an das VwGG bringen (vgl Erl zur RV, 130 BlgNR 19. GP, 14 f).

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

  1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.
  2. Im gegenständlichen Verfahren sind Bundestempelgebühren in Höhe von 13 Euro für die eingebrachte Beschwerde angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

Dr. W e i ß

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