Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-103231/10/Br

Linz, 22.11.1995

VwSen-103231/10/Br Linz, am 22. November 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr.Bleier über die Berufung der Frau M N, M, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 15. September 1995, AZ.VerkR96-2749-1994-HU, wegen Übertretungen der StVO 1960, nach der am 22. November 1995 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird F o l g e gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl.Nr.

51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 471/1995 - AVG, iVm § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 und § 51i Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr.

620/1995 - VStG.

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskosten.

Rechtsgrundlage:

§ 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat mit dem Straferkenntnis vom 15. September 1995, AZ.

VerkR96-2749-1994-Hu, über die Berufungswerberin wegen der ihr zur Last gelegten Übertretungen der Straßenverkehrsordnung Geldstrafen von 1) 500 S und für den Nichteinbringungsfall 24 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, 2) 1.000 S und für den Nichteinbringungsfall ebenfalls 24 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe und 3) 1.500 S und für den Nichteinbringungsfall 48 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt und der Berufungswerberin im Spruch folgendes zur Last gelegt:

"Sie haben am 18.10.1993 gegen 16.50 Uhr in T, auf der K Bundesstraße B , in Richtung T (Kreuzung B - B 1) den PKW, Kz. gelenkt und dabei unmittelbar vor der T vorerst 1) den Fahrstreifen nach links gewechselt, ohne sich vorher zu überzeugen, daß dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist und es in der Folge nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden, mit dem Ihr Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang stand, unterlassen, 2) die nächste Sicherheitsdienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, obwohl ein gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift der Unfallbeteiligten unterblieben ist und 3) an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, weil Sie sich mit Ihrem Fahrzeug von der Unfallstelle entfernten und somit nicht mehr festgestellt werden konnte, ob Sie fahrtüchtig waren." 1.1. Ihre Entscheidung stützt die Erstbehörde im wesentlichen auf die Angaben des Lenkers des zweitbeteiligten Fahrzeuges. Dieser habe die Berufungswerberin über den Unfall informiert und sie aufgefordert, bei dem der Unfallstelle nächstgelegenen "C" anzuhalten. Die gegensätzliche Verantwortung der Berufungswerberin hielt die Erstbehörde als Schutzbehauptung.

2. Die Berufungswerberin führte im Gegensatz dazu in ihrer fristgerecht erhobenen Berufung dazu im wesentlichen aus, daß sie der zweitbeteiligte Lenker, welcher hinter ihrem Fahrzeug stehend, sie bloß beschimpft jedoch von einem Unfall nichts gesagt hätte. Er stieg dann wieder in sein Fahrzeug ein und fuhr ebenfalls, so wie sie, nachdem die Ampel auf GRÜN umschaltete, wieder los. Er habe ihr nicht gesagt, daß sie zur Tankstelle fahren hätte sollen.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch die Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land und dessen Erörterung im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung. Ferner wurde Beweis geführt durch die Vernehmung von S. B als Zeugen und der Berufungswerberin als Beschuldigte.

4. Es ist nicht in ausreichender Schlüssigkeit nachgewiesen, wenngleich dies auch nicht ausschließbar ist, daß die Berufungswerberin infolge ihres toten Sichtwinkels während des Fahrstreifenwechsels den zweitbeteiligten Fahrzeuglenker zum Ausweichen nötigte und dieser dadurch sein Fahrzeug gegen den Randstein lenken mußte, wobei sein Fahrzeug dadurch beschädigt wurde. Insbesondere ist nicht geklärt, wie diese Behinderung konkret strukturiert war. Folglich hielt der Lenker des zweitbeteiligten Fahrzeuges zwischen zehn bis zwanzig Meter hinter der vor der Verkehrslichtsignalanlage mit der B (T) ampelbedingt anhaltenden Berufungswerberin an. Er stieg aus seinem Fahrzeug aus und begab sich in Richtung des Fahrzeuges der Berufungswerberin. Zu diesem Zeitpunkt herrschte bereits Abenddämmerung und die Berufungswerberin konnte den Zweitbeteiligten gestikulieren sehen und gegen sie schimpfen hören. Sie vernahm dabei jedoch nicht, daß sie einen Unfall verursacht haben sollte. Das vorherige Abdrängen hatte sie nicht bemerkt.

4.1. Dieses Beweisergebnis wurde im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung sowohl durch die Angaben der Berufungswerberin als auch durch den Zeugen B erhärtet.

Letzterer ließ erkennen, daß er sich nicht sicher sei, ob er die Berufungswerberin während seiner Kontaktaufnahme über den Unfall informieren habe können bzw. ob sie hörte, daß sie beim C anhalten sollte. Der Zeuge bestätigte auch, daß er ein Stück hinter dem Fahrzeug der Berufungswerberin angehalten hatte und auch von hinten mit ihr den verbalen Kontakt aufnahm. Dabei bestritt er jedoch, daß er die Berufungswerberin beschimpft hätte. Er räumte ferner ein, daß die Ampel in kürzester Zeit auf "GRÜN" umschaltete und die Berufungswerberin wegfuhr und folglich nicht beim C anhielt.

Angesichts dieser Angaben war die Verantwortung der Berufungswerberin durchaus nachvollziehbar. Die Berufungswerberin machte einerseits einen sehr glaubwürdigen Eindruck und konnte ihr daher durchaus darin gefolgt werden, daß sie von einem Abdrängen und einem damit im Zusammenhang stehenden Unfall nichts bemerkt hatte. Angesichts ihres bisherigen tadellosen Verhaltens im Straßenverkehr wird ihr schließlich auch darin geglaubt, daß der Fahrstreifenwechsel nicht vorschriftswidrig erfolgte. Immerhin wurde seitens des Zweitbeteiligten diesbezüglich offenbar kein akustisches Warnsignal abgegeben. Schließlich ist jedem Fahrzeuglenker bekannt, daß Verkehrssituationen denkbar sind, bei denen Behinderungen beim Fahrstreifenwechsel auch unverschuldet verkommen können. Somit war im Rahmen des Beweisverfahrens letztlich noch zu klären, ob sie vom Zweitbeteiligten auf den Unfall konkret hingewiesen worden war und sie somit anhalte-, mitwirkungs- bzw. meldepflichtig wurde. Dies konnte durch die Zeugenaussage des S. B letztlich aber nicht erhärtet werden.

5. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

5.1.1. Die Anhaltepflicht (u. die Meldepflicht) tritt wohl grundsätzlich schon dann ein, wenn dem (der) Fahrzeuglenker(in) bei gehöriger Aufmerksamkeit objektive Umstände zu Bewußtsein hätten kommen müssen, aus denen er (sie) die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermocht hätte (vgl. VwGH v.

19.1.1990, Zl. 89/18/0199).

Solche Umstände konnten hier jedoch nicht als erwiesen angesehen werden, zumal das zweitbeteiligte Fahrzeug von der Berufungswerberin in der unfallursächlichen Phase - so sie überhaupt eine solche herbeiführte - glaubhaft nicht wahrgenommen wurde. Hier lagen demnach keine Anhaltspunkte dafür vor, welche auf einen von der Berufungswerberin verursachten Unfall schließen lassen hätten können. Nicht schon jeder Aufmerksamkeitsfehler, welcher an sich geeignet ist, eine Schadenersatzpflicht - ein zivilrechtliches Verschulden - zu begründen, begründet gleichzeitig auch immer schon den berechtigten Vorwurf der fahrlässigen Nichterkennung des Unfalles. Ein Schuldvorwurf im Hinblick auf die Nichteinhaltung der Vorschriften nach § 4 StVO 1960 trifft die Berufungswerberin hier daher nicht.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. B l e i e r

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