Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420428/14, VwSen440051/12/SR/Ri

Linz, 13.12.2005

 

 

 

VwSen-420428/14, VwSen-440051/12/SR/Ri Linz, am 13. Dezember 2005

DVR.0690392

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Beschwerde der K S, geb., Mstraße, L, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt nach dem Unterbringungsgesetz - UbG (BGBl Nr. 155/1990, zuletzt geändert durch Art II des BGBl I Nr. 12/1997) und wegen darüber hinausgehender Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Zwangsgewalt im Zuge der Einlieferung in die O.Ö. Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg am 30. Mai 2005 durch dem Bezirkshauptmann von Kirchdorf zurechenbare Sicherheitsorgane, beschlossen und zu Recht erkannt:

 

I. Der Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt nach dem Unterbringungsgesetz wird Folge gegeben und die zwangsweise Einlieferung der Beschwerdeführerin vom 30. Mai 2005 von Grünburg in die Oö. Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg nach Linz für rechtswidrig erklärt.

 

II. Die Beschwerde wegen unmenschlicher und nicht schonender Behandlung im Zuge der unter Punkt I genannten Einlieferung wird für gegenstandslos erklärt und das diesbezügliche Verfahren eingestellt.

 

Rechtsgrundlage:

Art 129a Abs. 1 Z 2 B-VG iVm § 67a Abs. 1 Z 2 u § 67c AVG 1991; § 79a AVG 1991.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem am 11. Juli 2005 von der Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bfin) eingebrachten Schriftsatz vom 5. Juli 2005 wurde Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Artikel 129a Abs. 1 Z 2 B-VG mit dem weiteren Hinweis auf § 67a Abs. 1 Z 2 AVG sowie § 88 Abs. 1 und 2 SPG an den Oö. Verwaltungssenat erhoben und die Verletzung in verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechten auf persönliche Freiheit und menschenwürdige Behandlung sowie die Verletzung einfachgesetzlich gewährleisteter Rechte gerügt.

 

In der Beschwerdedarstellung zum Sachverhalt brachte die Bfin vor, dass sie am 30. Mai 2005 gegen ihren Willen mit der Rettung von Grünburg in die Oö. Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg in Gendarmeriebegleitung eingewiesen wurde.

 

Nach fünfwöchiger Sterbebegleitung ihrer Mutter hatte sie ein "Burn-Out". Die Pflege der Mutter habe in ihrer Wohnung stattgefunden. Ihre Mutter hatte drei tennisballgroße Tumore am Kopf. Jener auf der Stirn platzte kurz vor ihrem Tod auf. Die Mutter sei in ihren Armen gestorben und das Begräbnis habe am 20. Mai 2005 stattgefunden.

 

Auf Grund geringfügiger Differenzen mit der Nachbarin am 30. Mai 2005 hat die Bw in der Ordination des Dr. K angerufen und um eine Visite und die Verabreichung eines sanften Beruhigungsmittels ersucht.

 

Das Zusammentreffen der Gendarmen mit Dr. K vor der Wohnung der Bfin habe diesen irritiert. Sie sei etwas distanzlos gewesen. In der Meinung, dass Dr. K Zigaretten in der Brusttasche habe, hätte sie danach gegriffen. Daraufhin habe Dr. K das Parere ausgestellt. Eine Fremd- oder Selbstgefahr sei sicher nicht vorgelegen. Um einer zwangsweisen Einlieferung zu entgehen, sei sie aus dem Schlafzimmerfenster gesprungen und in eine nahegelegene Garage geflüchtet. Nach einiger Zeit hätten sie die Gendarmeriebeamten aus der Garage geholt, Handschellen am Rücken angelegt, auf die Bahre gelegt und mit einem Ledergurt fixiert. Mit einem Plastikkabelbinder habe man ihre Beine fixiert. Der Vorgang sei von den beiden "Damen D" vom Balkon aus beobachtet worden. Über Ersuchen habe sie mit Frau Häusler Kontakt aufnehmen können. Im Sanitätswagen hätte ein sadistisches Spiel begonnen. Anstifter sei jener Gendarmeriebeamte gewesen, der weder seinen Namen noch seine Dienstnummer bekannt gegeben habe. Trotz der schmerzvollen Sitzhaltung sei niemand bereit gewesen, ihr Erleichterung zu verschaffen. Diese Stellung habe sie während der gesamten Fahrt beibehalten müssen. Im Krankenhaus sei ihr - trotz ihrer Regelblutungen - vorerst nicht ermöglicht worden, die Toilette aufzusuchen.

 

Als Zeugen des "brutalen Abtransportes" führte die Bw folgende Personen an:

Frau D und Tochter,

Frau S H,

 

drei - namentlich nicht bekannte - Arbeiter, die in der angeführten Garage tätig waren und Dr. K.

 

In rechtlicher Hinsicht ist der Beschwerde zu entnehmen, dass die zwangsweise vorgenommene Einlieferung rechtswidrig gewesen und die Bfin im verfassungsmäßig gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit sowie in den aus dem § 8 UbG abgeleiteten Rechten verletzt worden wäre.

 

Erschließbar beantragt die Bfin, der unabhängige Verwaltungssenat möge erkennen:

 

"Die Beschwerdeführerin ist dadurch, dass sie am 20.10.2002 mittels einer Bescheinigung nach § 8 UbG ohne Angaben über das Vorliegen einer ernstlichen und erheblichen Gefährdung sowie über das Fehlen einer Behandlungs- oder Betreuungsalternative gegen ihren Willen in die O.Ö. Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg eingeliefert worden ist, die Einweisung sohin rechtswidrig erfolgte, in ihrem verfassungsmäßig gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit und in ihren aus den Bestimmungen des § 8 UbG resultierenden Rechten verletzt worden."

 

2.1. Die belangte Behörde hat ihre Verwaltungsakten vorgelegt und die Gegenschrift vom 18. August 2005 erstattet, in der sie der Beschwerde entgegentritt und auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

 

Zum Sachverhalt wird ausgeführt, dass die Bfin am 30. Mai 2005 um 13.20 Uhr beim Gendarmerieposten Grünburg telefonisch Anzeige erstattete und eine Wegweisung erwirken wollte. Nach einer neuerlichen telefonischen Anzeige um 13.30 Uhr und der Aufforderung, die Beamten mögen eine Packung "Marlboro light" und einen Sechser-Pack "Red Bull" mitbringen verständigte der einschreitende Gendarmeriebeamte RevInsp G um 14.00 Uhr den Gemeindearzt Dr. K und ersuchte ihn, die Bfin auf ihren psychischen Zustand zu untersuchen. Die Untersuchung habe im Vorgarten der Wohnung der Bfin stattgefunden. Dabei negierte die Bfin Dr. K. Erst als dieser sich Notizen machte, sei die Bfin aktiv geworden, habe dem Gemeindearzt den Zettel entrissen, diesen zerrissen und auf den Boden geworfen. Auf Grund des Zustandes habe der Gemeindearzt Dr. K die Einlieferung in die O.Ö. Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg verfügt. Die Bfin habe sich massiv zur Wehr gesetzt und habe nur mit Unterstützung von zwei Beamten des GP Molln unter Anwendung einsatzbezogener Körperkraft unter größtmöglicher Schonung in das Rettungsfahrzeug gebracht werden können. Zur Eigensicherung und zur Sicherung während des Transportes sei die Bfin an Hand- und Fußgelenken mittels dienstlich zugewiesener Hand- und Fußfesseln fixiert worden. Der Transport sei von den Beamten des GP Grünburg begleitet worden.

Während des Transportes seien die Sanitäter und der mitfahrende Gendarmeriebeamte grob beschimpft worden, sodass man aus Gründen der Sicherheit die Hand- und Fußfesseln nicht abgenommen habe.

In der O.Ö. Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg sei die Fixierung auf Grund der unmittelbar bevorstehenden Untersuchung und der Umstände bei der Einlieferung nicht entfernt worden. Nachdem im Zuge der Untersuchung die Fixierung entfernt wurde, sei die Bfin wieder aggressiv geworden, habe die anwesenden Ärzte und das Pflegepersonal zu Seite gedrängt und auf eine Computertastatur eingeschlagen. Erst durch massiven Einsatz des Pflegepersonals habe die Bfin ruhiggestellt werden können.

 

Zusammenfassend erachtet die belangte Behörde die von den Beamten durchgeführten Handlungen und Maßnahmen für notwendig und gerechtfertigt. Sie seien erforderlich gewesen, um die durch den psychischen Zustand der Bfin erfolgte Einweisung durch einen Arzt des öffentlichen Gesundheitsdienstes in der O.Ö. Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg zu vollstrecken.

 

Abschließend wird die Abweisung der Beschwerde beantragt und auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

 

2.2. Aus Gründen der Verfahrensökonomie und der teilweise vagen und zum Vorlageakt widersprüchlichen Angaben der Bfin hat das zur Entscheidung zuständige Mitglied des Unabhängigen Verwaltungssenates eine Befragung der von der Bfin namhaft gemachten Zeuginnen S H, Gertrude D (31.5.1939 geb.) und Gertrude D (20.4.1973 geb.) vorgenommen. Die Zeuginnen konnten die behaupteten Übergriffe bzw. Misshandlungen bei der zwangsweisen Verbringung zum Rettungsfahrzeug nicht bestätigen. Übereinstimmend gaben sie an, keine derartigen Wahrnehmungen gemacht zu haben.

 

2.3. Zum Zwecke der Wahrung des Parteiengehörs wurde die Bfin für den 6. Dezember 2005, 09.00 Uhr zum Unabhängigen Verwaltungssenat geladen.

 

Der Bfin wurde der vorliegende Verwaltungsakt, die Erhebungen der belangten Behörde, die Gegenschrift und die Ermittlungen des Unabhängigen Verwaltungssenates zur Kenntnis gebracht.

 

Zusammengefasst hat die Bfin niederschriftlich ausgeführt, dass auch sie der Ansicht sei, dass die von ihr namhaft gemachten Zeugen Übergriffe oder ein menschenrechtswidriges Verhalten der amtshandelnden Personen nicht wahrnehmen konnten. Es sei auch verständlich, dass bei einer zwangsweisen Einweisung von den Beamten Zwangsgewalt angewendet werden müsse, wenn sich die einzuweisende Person der Einweisung widersetze. Rückblickend gehe sie auch davon aus, dass die Arbeiter in der Garage, in die sie sich geflüchtet habe, keine rechtswidrige Vorgangsweise wahrnehmen konnten. Einerseits hätten diese unbeeindruckt von den Vorkommnissen weitergearbeitet und Übergriffe hätten bei ihrer gewaltsamen Entfernung aus der Garage nicht stattgefunden. Neben den Schmerzen, die sie durch die Fixierung der Hände, Füße und des Körpers zu erdulden hatte, habe sie sich durch die zynischen und sarkastischen Äußerungen der begleitenden Personen "verletzt" gefühlt. In Kenntnis, dass sie diese nicht beweisen könne und der aktenkundigen Schilderungen ihres Verhaltens im Vorfeld der Einweisung, beim Transport und bei der Aufnahme in der O.Ö. Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg zog die Bfin die weitergehenden Beschwerdepunkte zurück.

Die Beschwerde betreffend die zwangsweise Einweisung in die O.Ö. Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg, verbunden mit dem Antrag, die zwangsweise Einlieferung als rechtswidrig festzustellen, wurde aufrecht erhalten.

 

3. Aus der aktenkundigen Beweislage lässt sich der folgende S a c h v e r h a l t ableiten:

 

Mit Schreiben vom 22. Juli 2005 wurde der belangten Behörde die Beschwerdeschrift der Bfin übermittelt und diese aufgefordert, binnen vier Wochen einen allenfalls vorhandenen, bezughabenden Verwaltungsakt vorzulegen.

 

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, holte Stellungnahmen der beteiligten Gendarmeriebeamten und übermittelte mit Schreiben vom 12. August 2005 den bezughabenden Verwaltungsakt. Da der am 18. August 2005 beim Oö. Verwaltungssenat eingelangte Verwaltungsakt die Bescheinigung nach § 8 UbG, mit der die zwangsweise Einlieferung der Bfin veranlasst worden war, weder im Original noch in Kopie aufwies, wurde die O.Ö. Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg um Übersendung ersucht.

 

Mit Fax vom 22. August 2005 wurde die gegenständliche Bescheinigung übermittelt.

 

Auf Grund des Ersuchens vom 26. September 2005 hat die O.Ö. Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg die relevanten Teile der Krankengeschichte der Bfin vorgelegt.

 

Die Befragungen der von der Bfin namhaft gemachten Zeuginnen S H, G D (geb.) und G D (geb.) haben keine Hinweise auf eine unmenschliche und/oder erniedrigende Behandlung der Bfin durch die einschreitenden Organe bzw. durch die, die Einweisung durchführenden Sanitäter erbracht.

 

3.1.1. Der schriftlichen Meldung des RevInsp G vom Gendarmerieposten Grünburg vom 31. Mai 2005, GZ E1/396/2005-gsch an die belangte Behörde ist folgende Darstellung des Sachverhaltes zu entnehmen:

 

Am 30. Mai 2005 teilte M M, geb. am 22. August 1971, wohnhaft in 4594 Grünburg, Hönigfeld 16 telefonisch mit, dass sich die Bfin unrechtmäßig Zutritt zur ihrer Wohnung verschafft habe und diese nicht mehr verlassen wolle. Vor Ort stellten die Gendarmeriebeamten GrInsp Sch und RevInsp G des GP Grünburg fest, dass die Bf mit einem T-Shirt und einem Slip bekleidet auf der Terrasse der Anruferin saß und einen Kaffee trank. Laut Angaben der M M gelangte die Bfin über die Terrasse in die Wohnung und bestellte sich einen Kaffee. Der Aufforderung, die Wohnung zu verlassen, kam die Bfin nicht nach.

 

Einer Aufforderung der Gendarmeriebeamten die Wohnung der Nachbarin M M zu verlassen, kam die Bfin vorerst nicht nach, da sie eine Anzeige erstatten wollte. Die Angaben der Bfin wirkten auf die Gendarmeriebeamten unglaubwürdig und ihr Zustand wurde als äußerst verwirrt und psychisch labil beschrieben. Während der Amtshandlung beschimpfte die Bfin die Beamten und die Nachbarin lautstark und drohte dabei, dem Gatten der Nachbarin aufzulauern und ihn an seiner Krawatte zu packen. Nachdem der Bfin erläutert worden war, dass ihre Bedenken den Sohn betreffend völlig unbegründet waren, wurden die Beamten erneut beschimpft. Trotz des Verhaltens der Bfin beendeten die Beamten die Amtshandlung und die Bfin begab sich wieder in ihre Wohnung.

 

Um 13.20 Uhr erstattete die Bfin telefonisch Anzeige und gab an, dass sie vor längerer Zeit bedroht worden sei und nun eine Wegweisung erwirken möchte. Da ihren wirren Angaben nicht gefolgt werden konnte, wurde sie aufgefordert, den GP Grünburg aufzusuchen. Nachdem die Bfin der Aufforderung nicht nachkommen wollte, wurde das Gespräch von RevInsp G beendet.

 

In der Folge wurde RevInsp G um ca. 13.25 Uhr von der BLZ Garsten mitgeteilt, dass die Bfin Anzeige erstattet habe und auf das Eintreffen der Beamten warte. Um ca. 13.30 Uhr wurde RevInsp G von der LLZ beim LGK für Oö in Linz fernmündlich mitgeteilt, dass die Bfin eine Wegweisung erwirken möchte. Die Angaben der Bfin seien sehr wirr gewesen und die Beamten mögen ihr "Marlboro light" und ein Sechser-Pack "Red Bull" mitbringen.

 

Auf Grund der vorangegangenen Vorfälle ersuchte RevInsp G um 14.00 Uhr den Gemeindearzt von Grünburg, Dr. K, an der Bfin eine Untersuchung vorzunehmen. Die Untersuchung fand im Vorgarten der Bfin statt. Dr. K versuchte mehrmals in aller Ruhe ein vernünftiges Gespräch mit der Bfin zu führen.

 

Ein solches kam nicht zustande, da die Bfin von der Anwesenheit des Gemeindearztes Dr. K keine Notiz nahm. Als sich Dr. K auf einem Zettel Anmerkungen machte, entriss ihm die Bfin diesen in aggressiver Weise, zerriss ihn und warf ihn auf den Boden.

 

Daraufhin verfügte Dr. K mittels Parere die zwangsweise Einlieferung der Bfin in die O.Ö. Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg.

 

Die sehr beleibte Bfin widersetzte sich der zwangsweisen Einlieferung. Unterstützt durch die Beamten des GP Molln, GrInsp K und RevInsp X konnte die Bfin unter Anwendung einsatzbezogener Körperkraft in das Fahrzeug des Roten Kreuzes Grünburg verbracht werden. Zur Eigensicherung der Bfin und der Beamten sowie zur Sicherung des Transportes wurde die Bfin an den Hand- und Fußgelenken mittels zugewiesener Hand- und Fußfesseln und an der Bahre fixiert.

 

3.1.2. Mit Schreiben vom 2. Juni 2005, Zl. 28 Ub 189/05 i teilte die Richterin Dr. C O vom BG Linz, Abt. 28 der belangten Behörde mit, dass die vorläufige Unterbringung der Bfin im der O.Ö. Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg gemäß § 20 Abs. 1 UbG bis zur Entscheidung gemäß § 26 Abs. 1 UbG aufgrund des hg Beschlusses vom 2.6.2005 zulässig ist.

 

3.1.3. Die von der O.Ö. Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg angeforderte und von Dr. K ausgestellte "Bescheinigung gemäß § 8 UbG" erweist sich als Formular. Die in der Folge kursiv angeführten Wörter/Wortgruppen stellen die handschriftlichen Vermerke von Dr. K dar.

 

 

"B E S C H E I N I G U N G

nach § 8 des Unterbringungsgesetzes, BGBl. Nr. 155/1990

Grünburg am 30.6.05

 

Es wird um Aufnahme der S K

geboren am, wohnhaft in H ersucht.

 

Voraussetzungen nach § 3 UBG:

 

  1. Eine psychische Krankheit liegt vor und der (die) Kranke gefährdet im Zusammenhang damit sein Leben oder seine Gesundheit oder das Leben oder die Gesundheit anderer ernstlich und erheblich.
  2. Er (sie) kann nicht in anderer Weise, insbesondere außerhalb einer Anstalt, ausreichend ärztlich behandelt oder betreut werden.

 

(im Anschluss an die Punkte 1 und 2 ist ein Kästchen vorgesehen; beide Kästchen wurden von Dr. K angekreuzt)

 

Befund und Gründe, warum die Voraussetzungen für die Unterbringung gegeben sind (§ 8 UBG)

 

  1. vielfache verbale telefon Übergriffe in Nachbarschaft, Angehörige, Polizei etc
  2. tätliche u verbale Angriffe auf Nachbarin (Fr M)
  3. Vernachlässigung der Tochter (schickt´s nur sporad. in die Schule)

 

Einweisender Arzt

Dr. K K, Gemeindearzt in G

Unterschrift und Stempel"

 

3.1.4. Die von der O.Ö. Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg vorgelegte Krankengeschichte beinhaltet Auszüge über die Aufenthalte der Bfin in der O.Ö. Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg und im LKH Steyr in den Zeiträumen 30. Mai bis 20. Juni und 1. bis 13. Juli 2005.

 

3.1.4.1. Krankengeschichte - Aufenthalt in der O.Ö. Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg vom 30. Mai bis 20. Juni 2005 (davon vom 13. bis 20. Juni im "offenen Bereich"):

Im Aufnahmebericht ist vermerkt, dass die Bfin am 30. Mai 2005 um 17.01 Uhr in die O.Ö. Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg aufgenommen wurde. Die Patientin wird als "gehfähig und nicht fixiert" beschrieben.

 

Unter Anamnese ist wie folgt ausgeführt (Hervorhebungen nicht im Original):

 

"pat. kommt nach telef. Ankündigung d. Gemeindearzt, sei dzt wieder manisch, sei übergriffig, dringe in Nachbarwohnungen ein, verlasse diese nicht mehr, auch nicht auf Aufforderung d. Gend., bedrohe die Nachbarin verbal, griff sie tätlich an, auch deren Gatten werde sie sich vorknöpfen. die Wohnung sei in desolaten Zustand, vernachlässige die Tochter, 10a, käme nur sporadisch in die Schule und müsse sich selbst versorgen, wenn Lehrerin anrufe, werde Pat. verbal aggressiv. Vielfache verbale telefon. Übergriffe, gegen Nachbarn, Angehörige, rufe etwa auch b. Polizei an, da sie Marlboro brauche, lt. Bruder schlafe s. mon. kaum noch."

 

Der Status psychicus wird wie folgt beschrieben:

"Pat. wird liegend fixiert gebracht, ist im Antrieb deutl. gesteigert, logorrhoisch, verbal aggressiv, keine Exploration möglich, setzt sich gleich an den Schreibtisch und will Aufnahmebericht korrigieren, sie sei geprüfte stenotypistin"

 

In der Krankheitsgeschichte vom 1. Juni 2005 wird auf den letzten stationären Aufenthalt in der O.Ö. Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg vom 2. bis zum 5. August 2004 hingewiesen.

 

Im Gegensatz zum Aufnahmebericht wird ausgeführt, dass die Bfin "einer Nachbarin angedroht habe, deren Gatten zu erwürgen".

 

In der Folge wird das Anamnesegespräch des 1. Juni 2005 und die Aussagen der Bfin wiedergegeben. Danach pflegte die Bfin in den letzten 5 Wochen ihre krebskranke Mutter. Am 18. Mai 2005 sei diese verstorben und das Begräbnis habe am 20. Mai 2005 stattgefunden. Die Pflege hätte der Bfin viel Kraft gekostet, der Bruder habe sie bei der Pflege nicht unterstützt und nur herumgenörgelt. In den letzten vier Tagen habe sie auch das Gartenhaus ihrer Mutter in Bad Hall ausgeräumt und die Sachen in ihre Wohnung gebracht. Am Aufnahmetag habe sie die Wegweisung ihres Bruders erwirken wollen und Dr. K um Behandlung ersucht. Die Bedrohung oder Belästigung der Nachbarn und die Vernachlässigung der Tochter wurden bestritten.

 

Im Arztbrief vom 27. Juni 2005 wird der Status psychicus wie folgt beschrieben:

 

"Patient ist wach, bewusstseinsklar, Orientierung zu allen Qualitäten gegeben. Aufmerksamkeit, Konzentrationsfähigkeit vermindert. Gedächtnisleistungen erscheinen unauffällig. Der Ductus fließend, kohärent, keine inhaltlichen Denkstörungen, sprachlicher Ausdruck intermittierend dysarthrisch. Intelligenz grob klinisch unauffällig. Die Stimmung indifferent bis gereizt. Befindlichkeit negativ getönt. Affekt, Affizierbarkeit gegeben. Antrieb deutlich gesteigert. Psychomotorisch agitiert, keine sicheren Tagesschwankungen erhebbar. Schlaf außenanamnestisch in den letzten Tagen kaum geschlafen. Appetit normal. Keine produktive Symptomatik. Suicidgedanken werden negiert. Im Verhalten verhamlosend, Krankheits- und Behandlungsuneinsichtig."

Unter der Überschrift "Verlauf und Zusammenfassung " wird ausgeführt:

 

" Die Patientin ist bei der Aufnahme massiv angespannt, agitiert, verbal aggressiv, übergriffig, distanzlos, sie macht sich auch am Computer zu schaffen, ist in ihrer Agitation nicht zu stoppen. Sie ist weder krankheits- noch behandlungseinsichtig und muß wegen Selbst- und Fremdgefährdung untergebracht werden. Noch in der Aufnahme erhält sie 2 Ampullen Gewacalm und 2 Ampullen Haldol i.v. In weiterer Folge wird sie auf die orale Medikation mit Depakine, Seroquel und vorübergehend Temesta eingestellt. Selbst unter hoher Medikamentendosierung ist die Pat. anhaltend manisch, getrieben und logorrhoisch, im Gespräch kaum lenkbar. Inhaltlich ist sie vor allem auf ihre familiären Konflikte und Auseinandersetzungen, sowie der langen Pflege ihrer Mutter fixiert. Die Pat. nimmt während des stat. Aufenthalt die Medikamente ein, zeigt aber keinerlei Krankheitseinsicht und bleibt auch bei dem Vorhaben, nach der Entlassung keine Medikamente mehr weiterzunehmen. Wiederholt klagt die Pat. auch über Taubheitsgefühl in beiden Daumen, welches bei der klinischen Untersuchung nicht erhoben werden konnte. Eine lokale Salbentherapie brachte ihren Angaben zufolge keine Besserung. Aus den vielen Voraufenthalten ist bekannt, dass Fr. S bisher das KH sofort nach der Offenlegung verlassen hat. Diesmal konnte sie für einen kurzen Aufenthalt im offenen Bereich motiviert werden. Bei der Entlassung am 20.6.2005 war die Pat. nach wie vor eher logorrhoisch. Sie zweifelte vor allem auch vehement die Notwendigkeit der stat. Einweisung an. In vielen Gesprächen wurde sie auf die Notwendigkeit einer weiterführenden Medikamenteneinnahme hingewiesen."

 

3.1.4.2. Krankengeschichte - Aufenthalt in der O.Ö. Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg vom 1. bis 5. Juli 2005:

 

Der Polizeiarzt der Bundespolizeidirektion Linz, Dr. Gerhart Häusler, weist die Bfin am 1. Juli 2005 mittels ärztlicher Bescheinigung und ausführlicher Begründung gemäß § 8 UbG in die O.Ö. Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg ein. Die stationäre Aufnahme erfolgt wegen einer abermaligen manischen Exacerbation bei bekannter bipolarer affektiver Störung. Am 5. Juli 2005 wird die Bfin in das LKH Steyr verlegt. Auf dringenden Wunsch der Patientin und nach Wegfall der Unterbringungskriterien wird die Bfin am 13. Juli 2005 entlassen.

 

3.2. Auf Basis der oben dargelegten äußeren Umstände sowie unter Berücksichtigung des in der Krankengeschichte der O. Ö. Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg zum Ausdruck kommenden psychischen Befundes über die Bfin steht unbestritten fest, dass die Bfin zwangsweise in die O.Ö. Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg eingeliefert worden ist.

 

Aus den vorgelegten Aktenteilen ist auch erkennbar, dass die Situation vor der Einlieferung und der Aufnahme von den einschreitenden Beamten und dem einweisenden Arzt teilweise widersprüchlich geschildert wurde. Die teilweise schon "anfangs widersprüchlichen Sachverhaltsschilderungen" haben in der Folge im Aufnahmeprotokoll und den weiteren schriftlichen Aufzeichnungen in der Krankengeschichte eine deutliche Steigerung erfahren.

 

So ergibt sich aus der Meldung der einschreitenden Beamten keinerlei Hinweis auf einen "tätlichen Angriff auf die Nachbarin Frau M". Lediglich eine gröbliche Beschimpfung dieser wird festgehalten. Einziger Hinweis auf eine Tätlichkeit ist die Aussage der Bfin, dass sie dem "Gatten der M auflauern und ihn dann an der Krawatte packen" werde. Diese Äußerung veranlasste die einschreitenden Beamten jedoch nicht zur Annahme, dass von der Bfin eine Gefährdung für die genannte Person ausgehen könne. Sie wiesen die Bfin lediglich aus der Wohnung der Frau M und führten die Bfin diesem Zeitpunkt keiner amtsärztlichen Untersuchung zu.

 

Woraus der einweisende Arzt ableitete, dass die Bfin tätliche Angriffe gegen die Nachbarin Frau M gesetzt hat, ist auf Grund der Aktenlage nicht erschließbar.

 

Im Aufnahmeprotokoll vom 30. Mai 2005 der O.Ö. Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg wird bereits von einem Eindringen in Nachbarwohnungen gesprochen und die "beabsichtigte Tätlichkeit" gegen den Gatten der Frau M als ein "vorknöpfen" bezeichnet. In der Krankengeschichte vom 1. Juni 2005 wird schließlich festgehalten, dass die Bfin dieser "Nachbarin angedroht habe, deren Gatten zu erwürgen".

 

4. In rechtlicher Hinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Gemäß Art 129a Abs. 1 Z 2 B-VG iVm § 67a Abs. 1 Z 2 AVG erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten durch Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein (sog. Maßnahmenbeschwerde), ausgenommen Finanzstrafsachen des Bundes.

 

Die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt setzt nach der Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts die unmittelbare Anwendung physischen Zwanges oder die Erteilung eines Befehles mit unverzüglichem Befolgungsanspruch voraus (vgl VwGH 14.12.1993, 93/05/0191; VfSlg 11935/1988; VfSlg 10319/1985; VfSlg 9931/1984 und 9813/1983). Die bloße Untätigkeit einer Behörde erfüllt diesen Begriff nicht (vgl VfSlg 9813/1983; VfSlg 9931/1984; VfSlg 10319/1985, VfSlg 11935/1988). Für die Ausübung von Zwangsgewalt ist ein positives Tun begriffsnotwendig (vgl VwGH 25.4.1991, 91/06/0052; VwSlg 9461 A/1977; VfSlg 6993/1973; VfSlg 4696/1964). Dieses kann auch in einem schlüssigen Tun iSd § 863 ABGB bestehen (vgl Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1983, 74).

 

Voraussetzung für die Zulässigkeit einer sog. Maßnahmenbeschwerde ist daher, dass gegen den Beschwerdeführer physischer Zwang ausgeübt wurde oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehles droht (vgl mwN Walter/Mayer, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts, 8. A, 1996, Rz 610).

 

Im Übrigen dient der subsidiäre Rechtsbehelf der Maßnahmenbeschwerde nur dem Zweck, Lücken im Rechtsschutzsystem zu schließen. Zweigleisigkeiten für die Verfolgung ein- und desselben Rechts sollten mit der Maßnahmenbeschwerde nicht geschaffen werden. Was im Verwaltungsverfahren ausgetragen werden kann, ist daher kein zulässiger Gegenstand einer Maßnahmenbeschwerde (vgl z.B. VwGH 18.3.1997, 96/04/0231; VwGH 17.4.1998, 98/04/0005). Das gilt auch dann, wenn das für die Rechtsdurchsetzung zur Verfügung stehende Verwaltungsverfahren allenfalls länger dauert (vgl VwGH 15.6.1999, 99/05/0072, 0073, 0074 mwN). Demnach sind auch Zwangsmaßnahmen kein tauglicher Beschwerdegegenstand, wenn sie im Verwaltungsverfahren bekämpft werden können (vgl VwGH 25.4.1991, 91/06/0052; VwSlg 9.461 A/1977 und VwSlg 9.439 A/1977).

 

In der Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts sind Beschwerden gegen die zwangsweise Einlieferung in psychiatrische Krankenanstalten schon vor dem Unterbringungsgesetz als zulässig angesehen worden (vgl VfSlg 8.180/1977 und VfSlg 11.784/1988, VwSlg 12.302 A/1986 und VwGH 17.6.1987, 85/01/0094). Der Verwaltungsgerichtshof hat diesen Standpunkt in VwSlg 13.994 A/1994 auch für das Unterbringungsgesetz (UbG) aufrechterhalten und einige grundlegende Unterscheidungen getroffen, denen sich der Verfassungsgerichtshof angeschlossen hat (vgl VfGH 8.3.2001, B 1723/00-9).

 

Nach dem § 18 UbG ist Gegenstand des gerichtlichen Prüfverfahrens die Zulässigkeit der Unterbringung (iSd § 2 UbG) des Kranken in der Anstalt. Eine Unterbringung liegt vor, sobald eine in eine Anstalt eingelieferte Person durch Anstaltspersonal Einschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit unterworfen wird (vgl näher VwSlg 13.994/1994). Somit erstreckt sich die gerichtliche Kontrollbefugnis nicht auch auf die der Unterbringung vorangegangenen sicherheitsbehördlichen Maßnahmen. Deren Überprüfung fällt vielmehr in die Zuständigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate. Unzulässig sind dagegen Maßnahmenbeschwerden gegen Anstaltsakte.

 

4.2. Die gegenständliche Beschwerde gegen die zwangsweise Einlieferung in die O.Ö. Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg ist zulässig.

 

Diese Zwangseinweisung wurde unter der Führung des GrInsp Sch vom Gendarmerieposten Grünburg, der auch im Rettungsfahrzeug nach Linz mitgefahren war, durchgeführt (vgl ergänzendes Schreiben der Polizeiinspektion Grünburg - zum Zeitpunkt der Amtshandlung GP Grünburg - 3. August 2005 und der Meldung vom 31. Mai 2005). Den in Grünburg zur Unterstützung angeforderten Beamten des GP Molln kam daher lediglich eine Hilfsfunktion zu. Die gegenständliche Zwangseinweisung ist als einheitlicher Vorgang zu betrachten, der im Wirkungsbereich der belangten Behörde seinen entscheidenden Ursprung hatte und von dieser Behörde zurechenbaren Organen geführt wurde. Aus diesen Gründen ist die Zwangseinweisung zur Gänze der belangten Behörde zuzurechnen. Ab Übernahme der Bfin durch das Personal der Oö. Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg war die Bfin den ärztlich angeordneten Bewegungseinschränkungen unterworfen und damit iSd § 2 UbG untergebracht. Diese Zwangsakte im Krankenhaus unterliegen nicht mehr der Überprüfung durch den unabhängigen Verwaltungssenat. Vielmehr haben darüber die ordentlichen Gerichte zu befinden.

 

4.3. Gemäß § 8 UbG darf eine Person gegen oder ohne ihren Willen nur dann in eine Anstalt gebracht werden, wenn ein im öffentlichen Sanitätsdienst stehender Arzt oder ein Polizeiarzt sie untersucht und bescheinigt, dass die Voraussetzungen der Unterbringung vorliegen.

 

Als im öffentlichen Sanitätsdienst stehende Ärzte kommen neben den hauptberuflich bei den Sanitätsbehörden tätigen Amtsärzten auch Gemeinde-, Sprengel-, Kreis- und Distriktsärzte in Betracht (vgl Hopf/Aigner, UbG, 26 Anm 5 zu § 8).

 

Nach § 9 Abs. 1 UbG sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes berechtigt und verpflichtet, eine Person, bei der sie aus besonderen Gründen die Voraussetzungen der Unterbringung für gegeben erachten, zur Untersuchung zum Arzt (§ 8) zu bringen oder diesen beizuziehen. Bescheinigt der Arzt das Vorliegen der Voraussetzungen der Unterbringung, so haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes die betroffene Person in eine Anstalt zu bringen oder dies zu veranlassen. Wird eine solche Bescheinigung nicht ausgestellt, so darf die betroffene Person nicht länger angehalten werden.

 

Daneben regelt auch § 46 Sicherheitspolizeigesetz (SPG) eine Vorführungsbefugnis. Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind nach § 46 Abs. 1 SPG ermächtigt, Menschen, von denen sie aus besonderen Gründen annehmen, dass sie an einer psychischen Krankheit leiden und im Zusammenhang damit ihr Leben oder ihre Gesundheit oder das Leben oder die Gesundheit anderer ernstlich und erheblich gefährden, einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arzt oder einem Polizeiarzt vorzuführen, sofern dies notwendig ist, um eine Untersuchung des Betroffenen durch diesen Arzt zu ermöglichen.

 

Weiters sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, solche Menschen einer Krankenanstalt (Abteilung) für Psychiatrie vorzuführen, sofern der Arzt die Voraussetzungen für eine Unterbringung bescheinigt.

 

Gemäß § 3 UbG, der die Voraussetzungen der Unterbringung regelt, darf in einer Anstalt nur untergebracht werden, wer

1. an einer psychischen Krankheit leidet und im Zusammenhang damit sein Leben oder seine Gesundheit oder das Leben oder die Gesundheit anderer ernstlich und erheblich gefährdet und

2. nicht in anderer Weise, insbesondere außerhalb einer Anstalt ausreichend ärztlich behandelt oder betreut werden kann.

 

Voraussetzung für die Unterbringung ist demnach eine psychische Krankheit verbunden mit erheblicher Leibes- oder Lebensgefährdung sowie dem Fehlen ausreichender Behandlungsmöglichkeiten außerhalb einer Anstalt.

 

In VwSlg 14.706 A/1997 hat der Verwaltungsgerichtshof aus §§ 8 und 9 UbG abgeleitet, dass eine Beurteilung der Unterbringungsvoraussetzungen schon bei der Vorführung zum Arzt bzw. der Verbringung in die Anstalt vorzunehmen ist. Das Gesetz lasse allerdings erkennen, dass diese Beurteilung in unterschiedlicher Intensität zu erfolgen hat.

 

Nach § 10 Abs. 1 UbG ist erst für die Aufnahme in die Anstalt die Untersuchung der betroffenen Person durch zwei Fachärzte vorgesehen, die in unabhängig voneinander erstellten ärztlichen Zeugnissen die Voraussetzungen der Unterbringung übereinstimmend feststellen.

 

Für die Verbringung in die Anstalt bedarf es nach § 9 Abs. 2 UbG bei Gefahr im Verzug keiner ärztlichen Untersuchung und sonst gemäß § 9 Abs. 1 iVm § 8 UbG nur der Untersuchung durch einen im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arztes oder durch einen Polizeiarzt, der nicht Facharzt des einschlägigen Sonderfaches sein muss.

4.4. Beim gegebenen Sachverhalt steht fest, dass der Gemeindearzt Dr. K keine den Anforderungen des UbG entsprechende Bescheinigung ausgestellt hat und die Gendarmeriebeamten des GP Grünburg dennoch eine Zwangseinweisung der Bfin in die Wege leiteten. Im § 8 Abs. 2 UbG ist im Unterschied zum früheren "Parere" nach dem § 49 KAG eine detaillierte Begründungspflicht über die Voraussetzungen der Unterbringung vorgesehen, die eine Nachvollziehbarkeit und Überprüfung ermöglichen soll (vgl dazu unter Auswertung des JAB Hopf/Aigner, UbG, 1993, 28, Anm 10 und Anm 11 zu § 8). Bloße formularmäßige Bescheinigungen - wie die im gegenständlichen Fall - genügen diesen Anforderungen nicht (ständige Entscheidungspraxis des Oö. Verwaltungssenates, z.B. VwSen-420350/8/WEI/Ni vom 3. März 2003).

 

In einer Bescheinigung nach § 8 UbG soll im Hinblick auf § 3 UbG vielmehr festgehalten werden, aus welchem Verhalten eine psychische Krankheit abzuleiten ist, worin die ernstliche und erhebliche Gefährdung besteht und warum keine alternativen Behandlungsmöglichkeiten zur Anstaltseinweisung möglich sind.

 

Das vom Gemeindearzt Dr. K verwendete Formular "Bescheinigung nach § 8 des Unterbringungsgesetzes" enthält keinerlei Begründung zur Notwendigkeit der Unterbringung. Wie die unter Punkt 3.1.3 wiedergegebene Bescheinigung zeigt, wird unter der Überschrift "Voraussetzungen nach § 3 UBG" ausschließlich ein - leicht umformulierter - Gesetzestext wiedergegeben. Die handschriftlichen Ausführungen unter der Überschrift "Befund und Gründe, warum die Voraussetzungen für die Unterbringung gegeben sind (§ 8 UBG)" lassen weder einen Hinweis auf eine psychische Krankheit erkennen noch zeigen sie auf, dass das Leben oder die Gesundheit der Bfin oder anderer ernstlich und erheblich gefährdet sind. Auch aus dem ansatzweisen Begründungsversuch, der darüber hinaus aktenwidrig ist, kann eine derartige Gefährdung nicht abgeleitet werden. Wie bereits ausgeführt, wurde nach der Aktenlage die Nachbarin M zu keinem Zeitpunkt von der Bfin tätlich angegriffen. Die Bfin hat lediglich bei der Amtshandlung am Vormittag des 30. Mai 2005 gegenüber den beiden einschreitenden Beamten geäußert, dass sie den Gatten der Nachbarin an der Krawatte packen werde. Schon das weitere Vorgehen der Beamten hat gezeigt, dass sie die Äußerung der Bfin nicht ernst genommen haben. In Kenntnis der "Vorgeschichte", den Umständen bei der Untersuchung durch den Gemeindearzt Dr. K und der bloß formularmäßigen Bescheinigung hätten sich die beiden Gendarmeriebeamten nicht mit einem bloßen Formalakt des Gemeindearztes begnügen dürfen, sondern eine Bescheinigung iSd § 8 UbG verlangen müssen (Vgl. auch VwSen-420350/8/WEI/Ni). Es bedarf daher keiner weiteren Begründung, dass die zwangsweise Verbringung der Bfin ins Wagner-Jauregg Krankenhaus auf Basis der gegenständlichen ärztlichen Einweisung unvertretbar war.

 

Aus § 9 Abs. 1 letzter Satz UbG folgt eindeutig, dass eine Person nicht länger angehalten werden darf, wenn die Voraussetzungen der Unterbringung nicht in einer Bescheinigung iSd § 8 UbG dargelegt werden.

 

Die Zwangseinweisung in die Psychiatrie kommt nur als letztes Mittel in Frage, wenn die Unterbringungsvoraussetzungen iSd § 3 UbG erfüllt sind. Es gilt der Grundsatz der Subsidiarität der Unterbringung, der bereits im Vorfeld der Aufnahme des Kranken zu beachten ist (vgl Hopf/Aigner, UbG, 28, Anm 11 zu § 8). Deshalb verpflichtet § 9 Abs. 3 UbG den Arzt und die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes mit psychiatrischen Einrichtungen außerhalb einer Anstalt zusammenzuarbeiten. Gegebenenfalls sind daher psychosoziale Dienste oder ähnliche Einrichtungen zu kontaktieren.

 

4.5. Die Beschwerde ist daher mit ihrem Vorbringen grundsätzlich im Recht.

 

Berücksichtigt man ergänzend die oben unter Punkt 3.1.4.1. wiedergegebenen Aussagen in der Krankengeschichte der O.Ö. Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg und die oben unter Punkt 3.2. aufgezeigten Widersprüche, so kann man nach Ansicht des erkennenden Verwaltungssenats zwar eine Geistesstörung der Bfin, nicht aber eine ernstliche und erhebliche Selbst- oder Fremdgefährdung schlüssig ableiten. Eine gewisse Desorientierung und eine verbale Ausfälligkeit oder Aggression genügen noch nicht, um diese Gefährdung zu bescheinigen.

 

Eine Person, die anderen wegen ihrer psychischen Störung lästig fällt darf nicht schon deswegen einfach zwangsweise in die Psychiatrie eingeliefert werden. Dass die Bfin als von einem solchen Zwangsakt Betroffene mit zunehmender Bedrängnis immer aufgeregter, uneinsichtiger, verbal aggressiver und ausfälliger reagierte, verwundert nicht wirklich, können doch derartige Entgleisungen auch "normalen" Menschen in besonders angespannten Situationen unterlaufen.

 

4.6. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die gegenständliche Zwangseinlieferung der Bfin durch Organe des Gendarmeriepostens Grünburg mangels hinreichender Bescheinigung der Unterbringungsvoraussetzungen ex ante unvertretbar und daher im Sinne der §§ 3, 8 und 9 UbG rechtswidrig war. Damit wurde die Bfin eo ipso auch in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) nach Art 1 Abs. 1 und 2 iVm Art 2 Abs. 1 Z 5 PersFrSchG 1988 verletzt, weil nach diesen Verfassungsbestimmungen der Entzug der persönlichen Freiheit nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise erlaubt ist. Da die gesetzlichen Voraussetzungen nach dem UbG für die Unterbringung in einer Anstalt nicht angenommen werden konnten, wurde in gleicher Weise auch das Recht auf Freiheit und Sicherheit nach Art 5 Abs. 1 EMRK verletzt.

 

5. Gemäß § 79a Abs 1 AVG 1991 idF BGBl Nr. 471/1995 und BGBl I Nr. 137/2001 hat die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wird der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig erklärt, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die belangte Behörde die unterlegene Partei (§ 79a Abs 2 AVG). Nach § 79a Abs 6 AVG ist Aufwandersatz nur auf Antrag der Partei zu leisten. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen, da zum Entscheidungszeitpunkt kein Antrag auf Zuspruch des pauschalierten Aufwandersatzes vorgelegen ist.

 

6. Die Beschwerde wegen unmenschlicher und nicht schonender Behandlung im Zuge der zwangsweisen Einlieferung in die O.Ö. Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg wurde bei der niederschriftlichen Befragung am 6. Dezember 2005 zurückgezogen.

 

Die Gegenstandsloserklärung hatte in der für das verfassungsrechtliche Rechtsschutzsystem entscheidenden Regelform des Bescheides zu erfolgen, zumal es sich gegenständlich um ein Mehrparteienverfahren handelt.

 

Eine Kostenentscheidung zu Gunsten des Rechtsträgers der belangten Behörde, die gemäß § 79a Abs.3 AVG auch im Fall der Zurückziehung einer Beschwerde als obsiegende Partei anzusehen ist, war nicht zu treffen, da zum Entscheidungszeitpunkt kein Antrag auf Zuspruch des pauschalierten Aufwandersatzes vorgelegen ist.

 

 

 

 

Mag. Stierschneider

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