Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420464/8/SR/Ps

Linz, 21.06.2006

 

 

 

VwSen-420464/8/SR/Ps Linz, am 21. Juni 2006

DVR.0690392

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Beschwerde des P N, geb. am, StA von Thailand, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. R G, Dr. J K, Mag. H P und Mag. H L, Mstraße, L, wegen behaupteter Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Ausfolgung des Schriftstückes vom 21. März 2006 - "Wahrnehmung der Ausreise" und behauptete "Anordnung der Ausweisung"; Festnahme am 21. März 2006 um ca. 15.50 Uhr) durch dem Bezirkshauptmann von Linz-Land zurechenbare Organe (in den Punkten III und IV) beschlossen und (in den Punkten I und II) zu Recht erkannt:

 

I. Der Beschwerde wird insoweit Folge gegeben und festgestellt, dass die am 21. März 2006, um ca. 15.50 Uhr erfolgte Festnahme des Beschwerdeführers durch Organe des Bezirkshauptmannes von Linz-Land rechtswidrig war und den Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) verletzt hat.

 

II. Der Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Linz-Land) hat dem Beschwerdeführer den notwendigen Verfahrensaufwand in Höhe von 686,40 Euro (darin enthalten Bundesstempel von 23,60 Euro) binnen 2 Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

III. Die Beschwerde wird - soweit sie sich auf die behauptete "Anordnung der Ausweisung" bezieht - mangels eines tauglichen Anfechtungsgegenstandes als unzulässig zurückgewiesen.

 

IV. Der Beschwerdeführer hat dem Bund, für den der Bezirkshauptmann von Linz-Land eingeschritten ist, den Vorlage- und Schriftsatzaufwand in Höhe von 271,80 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlagen:

Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG iVm § 67a Abs 1 Z 2 AVG 1991; § 67c AVG; § 79a AVG 1991 iVm UVS-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl II Nr. 334/2003.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

 

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatangehöriger von Thailand, geboren am 18.11.1977 in Nong Khai, Lebenspartner des deutschen Staatsangehörigen C K, reiste laut eigenen Abgaben am 21. März 2006 in das Bundesgebiet ein, nahm entsprechend den Meldevorschriften Unterkunft in der Pstraße, L und arbeitete vom 21. bis zum 31. März 2006 als selbständiger Transsexueller mit dem Künstlernamen "Trans Pretty" im "Laufhaus" in der Prstraße, L.

 

Im Zuge einer fremdenpolizeilichen Kontrolle durch Beamte der Polizeiinspektion Leonding am 21. März 2006 um 15.30 Uhr im "Laufhaus" wies sich der Beschwerdeführer mit seinem thailändischen Reisepass Nr. R415976 aus. Im Reisepass war der Aufenthaltstitel mit der Nr. D58007176 (unbefristete Niederlassungserlaubnis / Erwerbstätigkeit gestattet, ausgestellt am 27. Jänner 2003 vom Kreisverwaltungsreferat der Landhauptstadt München) eingeklebt. Da der Beschwerdeführer laut eigenen Angaben als transsexueller Prostituierter gearbeitet hatte, hielten die einschreitenden Polizeibeamten Rücksprache mit dem zuständigen Behördenvertreter. Dieser ordnete telefonisch die Festnahme des Beschwerdeführers und dessen Vorführung zur Behörde an. Entsprechend dieser Anweisung wurde der Beschwerdeführer am 21. März 2006 um 15.50 Uhr (siehe Aktenvermerk vom 24. März 2006; dagegen laut Anzeige vom 4. April 2006, GZ 8166/06/At: Festnahmezeitpunkt:15.55 Uhr) festgenommen und der Behörde vorgeführt.

 

Der Behördenvertreter hat ohne erkennbare Verfahrensschritte dem Beschwerdeführer in einer formularhaften Ausfertigung ("Wahrnehmung der Ausreise") zur Kenntnis gebracht, dass er sich unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und aufgefordert, das Bundesgebiet unverzüglich, bis spätestens 23.03.2006, 24.00 Uhr freiwillig zu verlassen. Nach der Ausfolgung dieses Schreibens konnte der Beschwerdeführer die Amtsräume verlassen.

 

2. Mit Schriftsatz vom 23. März 2006, eingelangt bei der belangten Behörde ebenfalls am 23. März 2006 erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch die in der Präambel angeführten Rechtsanwälte "Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 129 Abs. 1 Z 2 B-VG".

 

Beantragt wurde u.a. die Fällung folgenden Erkenntnisses:

 

"Ich bin durch die Festnahme am 21.3.2006, ca. 16 Uhr, durch Organe der Polizei Leonding im Auftrag der Fremdenpolizei und der Anordnung der Ausweisung durch die Fremdenpolizei der BH-LL, Herrn G F, am 23.3.2006, im verfassungsrechtlichen Recht auf persönliche Freiheit, sowie der durch die EU-Gesetze gewährleisteten Recht auf Reise- und Dienstleistungsfreiheit sowie der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. Nov. 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen und nach dem Freizügigkeitsgesetz, sowie nach dem Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) verletzt worden.

 

Der Bund (Bundesminister für Inneres) als Rechtsträger der belangten Behörde ist schuldig, dem Beschwerdeführer gemäß § 79a AVG 1991 die Kosten dieses Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen".

 

Zum Sachverhalt führte der Beschwerdeführer aus, dass er seit fast 5 Jahren mit einem deutschen Staatsbürger verheiratet sei und über eine "unbefristete Niederlassungserlaubnis EU, ausgestellt in der BRD" verfüge. Sein Wohnsitz sei in München. In einem Drittstaat habe er keinen Wohnsitz. In Leonding habe er sich kurzfristig - für zwei Wochen - eingemietet, um seine selbständige Tätigkeit - Dienstleistung Prostitution/Erotikmassagen - in Österreich auszuüben. Der Ausübung der Prostitution stünden weder Beschränkungen in arbeitsrechtlicher Hinsicht noch die Quotenregelung entgegen. Vor der Einreise und der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit habe sich sein Vermieters im BMI bei Fr. Mag. N informiert und rückversichert. Dennoch sei er im Zuge einer Kontrolle von Beamten der Polizei Leonding über Auftrag der Fremdenpolizei (Herrn F) verhaftet worden. Bei der Einvernahme sei mit Hilfe seines Vermieter und dem Anruf der Ministerialbeamtin Frau Mag. N klargestellt worden, dass es für diese Amtshandlung keine gesetzliche Grundlage gäbe. Trotzdem habe man ihm mitgeteilt, dass er sich unrechtmäßig in Österreich aufhalte und ihm aufgetragen, das "Land bis spätestens 23.3.2006, 24.00 Uhr `freiwillig´ zu verlassen."

 

Der Vorhalt des unrechtmäßigen Aufenthaltes widerspreche den geltenden Gesetzen und die Ausweisung sei daher nicht rechtmäßig.

 

Die Beschwerdeausführungen zur Rechtslage wurden ursprünglich unvollständig eingebracht (Seiten 4, 5 und 6 fehlten in der Beschwerdeschrift). Über Ersuchen wurde die Beschwerdeschrift mit Eingabe vom 5. April 2006 vervollständigt. Nach ausführlicher Darlegung der gesetzlichen Grundlagen und Hinweise auf das Schengener Durchführungsübereinkommen sieht sich der Beschwerdeführer neben dem Eingriff in die persönliche Freiheit auch als begünstigter Drittstaatsangehöriger (Ehegatte eines EWR-Bürgers) im Recht auf seine "Freizügigkeit" verletzt. Weiters liege auch eine Verletzung der Reise- und Dienstleistungsfreiheit vor, da die einschreitenden Organe zur Anordnung der Abschiebung nicht berechtigt gewesen seien.

 

3.1. Mit Schreiben vom 10. April 2006 hat die belangte Behörde Auszüge des bezughabenden Verwaltungsaktes übermittelt und eine Gegenschrift erstattet.

 

Entgegen den Äußerungen des Beschwerdeführers bringt sie vor, dass Drittstaatsangehörige, die in Österreich einer Beschäftigung nachgehen, grundsätzlich einen österreichischen Aufenthaltstitel benötigen. Der Beschwerdeführer habe lediglich über einen deutschen Aufenthaltstitel verfügt und sei unbestritten einer selbständigen Tätigkeit nachgegangen. Auf Grund dessen sei von den Beamten der Polizeiinspektion Leonding die Festnahme gemäß § 39 Abs. 1 FPG durchgeführt und der Beschwerdeführer der belangten Behörde vorgeführt worden. Trotz der aufrechten Meldung sei die Festnahme und Vorführung notwendig gewesen, da unrechtmäßig Beschäftigte sich erfahrungsgemäß einem allfälligen Verfahren durch Untertauchen entziehen würden. Gerade im Bereich der Rotlichtszene sei ein besonderer Maßstab anzulegen. Die Festnahme und Vorführung sei somit im Sinne des § 39 FPG zur Sicherung des fremdenpolizeilichen Verfahrens erfolgt. Nach Klärung des Sachverhaltes sei gegen den Beschwerdeführer ein Ausweisungsauftrag erlassen worden. Dabei habe es sich um eine verfahrensfreie Maßnahme gehandelt. Ein Ausweisungsverfahren sei nicht durchgeführt worden. Die Rücksprache mit Frau Mag. N (BMfI, Abt. II/3) habe ergeben, dass der Beschwerdeführer auch für seine kurzfristige selbständige Tätigkeit einen Aufenthaltstitel für die Republik Österreich benötigt hätte. Die Legaldefinition "Drittstaat" im FPG umfasse nach Ansicht des BMfI und der belangten Behörde auch andere EU-Staaten.

 

Abschließend wird die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

 

3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsakt ergänzende Erhebungen vorgenommen.

 

Auf Grund der Anfrage teilte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 25. April 2006 mit, dass er am 30. November 2001 vor dem Notar W D in München mit C K (geboren am in Fulda, deutscher StA) eine Lebenspartnerschaft eingegangen sei. Die Lebenspartnerschaftsurkunde, ausgestellt am 7. Jänner 2002 von der Landesnotarkammer Bayern in München, eingetragen im Lebenspartnerschaftsregister unter der Nr. 1/2002, wurde in Kopie vorgelegt. Ergänzend führte der Beschwerdeführer aus, dass diese Lebenspartnerschaft einer Ehe gleichzuhalten sei.

 

Da in der Gegenschrift der belangten Behörde - im Gegensatz zum Beschwerdevorbringen, den Anzeigen und Aktenvermerken der Meldungsleger - von einer Festnahme gemäß § 39 Abs. 1 FPG durch die einschreitenden Polizeibeamten die Rede ist, wurde die belangte Behörde um Klärung ersucht. Daraufhin teilte der Behördenvertreter mit, dass er die beiden Polizeibeamten um Vorführung des Beschwerdeführers ersucht habe.

 

Auf Grund der ergänzenden Ermittlungen, der Aktenlage, in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde ist der Sachverhalt hinlänglich geklärt und unstrittig. Da im Wesentlichen Rechtsfragen zu klären waren, konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

3.3. Der unter Punkt 1. dargelegte Sachverhalt steht unbestritten fest. Die Festnahme und Vorführung des Bf erfolgte über Anordnung der belangten Behörde.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Gemäß Art.129a Abs.1 Z 2 B-VG iVm § 67a Abs.1 Z 2 AVG erkennen die Unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten durch Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein (sog. Maßnahmenbeschwerde), ausgenommen Finanzstrafsachen des Bundes.

 

Die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt setzt nach der Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts die unmittelbare Anwendung physischen Zwanges oder die Erteilung eines Befehles mit unverzüglichem Befolgungsanspruch voraus (vgl VwGH 14.12.1993, 93/05/0191; VfSlg 11935/1988; VfSlg 10319/1985; VfSlg 9931/1984 und 9813/1983). Die bloße Untätigkeit einer Behörde erfüllt diesen Begriff nicht (vgl VfSlg 9813/1983; VfSlg 9931/1984; VfSlg 10319/1985, VfSlg 11935/1988). Für die Ausübung von Zwangsgewalt ist ein positives Tun begriffsnotwendig (vgl VwGH 25.4.1991, 91/06/0052; VwSlg 9461 A/1977; VfSlg 6993/1973; VfSlg 4696/1964). Dieses kann auch in einem schlüssigen Tun iSd § 863 ABGB bestehen (vgl Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1983, 74).

 

Voraussetzung für die Zulässigkeit einer sog. Maßnahmenbeschwerde ist daher, dass gegen den Beschwerdeführer physischer Zwang ausgeübt wurde oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehles droht (vgl mwN Walter/Mayer, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts, 8. A, 1996, Rz 610).

 

Unbestritten steht fest, dass der Beschwerdeführer über Auftrag der belangten Behörde festgenommen, vorgeführt und kurzfristig angehalten worden ist.

 

4.2.1. Nach Art. 5 Abs.1 EMRK hat jedermann ein Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf einem Menschen nur in den Fällen des Absatz 1 lit. a) bis f) und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden.

 

Art. 1 des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit (PerFrSchG), BGBl Nr. 684/1988, gewährleistet dieses Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) ebenfalls. Nach Art. 1 Abs.2 PersFrSchG darf niemand aus anderen als den in diesem BVG genannten Gründen oder auf andere als die gesetzlich vorgeschriebene Weise festgenommen oder angehalten werden. Der Entzug der persönlichen Freiheit darf nach Art. 1 Abs. 3 PersFrSchG nur vorgesehen werden, wenn dies nach dem Zweck der Maßnahme notwendig ist. Er ist nur zulässig, wenn und soweit dies nicht zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht.

 

Die Freiheitsentziehung im Sinne des PersFrSchG und der EMRK umfasst sowohl die Verhaftung (Festnahme) als auch die Anhaltung. Die Verhaftung (Festnahme) ist ein einmaliges Ereignis, sozusagen der Eintritt einer Freiheitsbeschränkung, der vom Willensakt eines Organs (Menschen) getragen wird. Dagegen stellt die Anhaltung die Fortdauer, die Aufrechterhaltung des einmal eingetretenen Zustands der Festgenommenheit dar (vgl. Ermacora, Grundriss der Menschenrechte in Österreich, 1988, Rz 364 ff). Auch dieses Verhalten eines Organs muss von dessen Willen getragen sein. Damit müssen jeweils zwei Elemente vorliegen, nämlich ein tatsächliches Verhalten und der Wille zur Freiheitsbeschränkung. Dieser Wille, durch den das bloße Verhalten erst zum normativen Akt - hier: zum Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt - wird, kann etwa dadurch ausdrücklich erklärt werden, dass jemand durch ein Organ "für verhaftet erklärt" wird. Andererseits kann ein Organverhalten auch dann eine Freiheitsentziehung bedeuten, wenn das Organ den Willen nicht ausdrücklich erklärt hat, dieser aber aus seinem Verhalten erschlossen werden muss.

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes kann von einem Eingriff in die persönliche Freiheit nur gesprochen werden, wenn der behördliche Wille primär auf eine Freiheitsbeschränkung gerichtet war, diese sich also nicht bloß als sekundäre Folge anderer Maßnahmen, mit denen Bewegungsbehinderungen verbunden sind, darstellt (vgl etwa VfSlg 5280/1966, 5570/1967, 8327/1978, 7298/1974, 12.017/1989, 12.792/1991). Im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Dezember 1998, B 1341/97, wurde in diesem Zusammenhang aber auch zum Ausdruck gebracht, dass eine nach Art und Umfang überschießende Amtshandlung eine einer Festnahme gleichkommende Beschränkung der persönlichen Freiheit darstellen kann.


4.2.2. Ein wesentliches Kriterium der Freiheitsentziehung ist die Unfreiwilligkeit. Ein freiwilliges Verhalten des Betroffenen kann nicht als Freiheitsbeschränkung gedeutet werden. Schon die Androhung von physischem Zwang genügt, um die Freiwilligkeit auszuschließen. Bloße Einladungen sind hingegen nicht als Androhung von Zwang zu werten. Eine bloße Einladung liegt nach VfSlg 13.156/1992 dann vor, wenn der Betroffene nach eigenem Gutdünken der Einladung auch nicht nachkommen konnte, ohne dabei Gefahr zu laufen, dass er deshalb unverzüglich und unmittelbar physischem Zwang unterworfen werde. Es handelt sich dabei um ein schlichtes Ansinnen, das keinen individuell-normativen Inhalt aufweist. Ein solches ist auch dann gegeben, wenn keine Androhung der sofortigen Festnahme erfolgt ist oder wenn bloß ein Wunsch geäußert wird, der keinen die sofortige Befolgung erheischenden Befehl darstellt, bei dessen Nichtbefolgung der Betroffene mit der Ausübung von körperlichem Zwang zu rechnen hätte (VfSlg 11.568/1987).

 

Im gegenständlichen Fall ist sowohl aus der Aktenlage (siehe AV vom 24.03.2006: Der Behördenvertreter "ordnete eine Festnahme und Vorführung zur Behörde an"; Anzeige vom 04.04.2006/Darstellung der Tat: Aus diesem Grunde wurde mit dem Behördenvertreter fernmündlicher Kontakt aufgenommen und "dieser ordnete die Festnahme zur Vorführung vor die Behörde an") als auch der Beschwerdeschrift zu ersehen, dass eine Festnahme und kurzfristige Anhaltung erfolgt und somit auch der Festnahme- und Anhaltewille vorgelegen ist.

 

4.2.3. Nach Art. 4 Abs. 3 PersFrSchG darf einem Menschen die persönliche Freiheit auf die gesetzlich vorgesehene Weise zum Zweck seiner Vorführung vor die zuständige Behörde wegen des Verdachtes einer Verwaltungsübertretung, bei der er auf frischer Tat betreten wird, sofern die Festnahme zur Sicherung der Strafverfolgung oder zur Verhinderung weiterer gleichartiger strafbarer Handlungen erforderlich ist, entzogen werden. Ebenso darf einem Menschen nach Art. 4. Abs. 7 leg. cit. die persönliche Freiheit auf die gesetzlich vorgesehene Weise entzogen werden, wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern.

 

4.2.3.1. Relevante Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl I Nr. 100/2005, zuletzt geändert mit BGBl I Nr. 157/2005 und des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG, BGBl I Nr. 100/2005, zuletzt geändert mit BGBl I Nr. 31/2006:

 

 

Fremdenpolizeigesetz 2005

 

5. Hauptstück (Befugnisse der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes)

Festnahme

§ 39. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, einen Fremden zum Zwecke einer für die Sicherung des Verfahrens unerlässlichen Vorführung vor die Behörde festzunehmen,

wenn

1. sie ihn bei Begehung einer Verwaltungsübertretung nach § 120 auf frischer Tat betreten oder

2. er seiner Verpflichtung nach § 32 Abs. 1 nicht nachkommt.

(2) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, einen Fremden festzunehmen,

1. gegen den ein Festnahmeauftrag (§ 74 Abs. 1 oder 2) besteht, um ihn der Behörde vorzuführen;

2. der innerhalb von sieben Tagen nach der Einreise bei nicht rechtmäßigem Aufenthalt betreten wird oder

3. der auf Grund einer Übernahmserklärung (§ 19) eingereist ist.

8. Hauptstück (Aufgaben und Befugnisse der Fremdenpolizeibehörden)

7. Abschnitt (Festnahme-, Übernahme- und Durchsuchungsauftrag)

§ 74. (1) Die Behörde kann die Festnahme eines Fremden auch ohne Erlassung eines Schubhaftbescheides anordnen (Festnahmeauftrag), wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die Voraussetzungen für die Erlassung einer Ausweisung oder eines

Aufenthaltsverbotes vorliegen und

1. der Fremde ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zu eigenen Handen zugestellten Ladung, in der dieses Zwangsmittel angedroht war, nicht Folge geleistet hat oder

2. der Aufenthalt des Fremden nicht festgestellt werden konnte, sein letzter bekannter Aufenthalt jedoch im Sprengel der Behörde liegt.

(2) Ein Festnahmeauftrag kann gegen einen Fremden auch dann erlassen werden,

1. wenn die Voraussetzungen zur Verhängung der Schubhaft nach § 76 Abs. 1 vorliegen und nicht aus anderen Gründen die Vorführung vor die Fremdenpolizeibehörde erfolgt;

2. wenn er seiner Verpflichtung zur Ausreise (§ 67, § 10 AsylG 2005) nicht nachgekommen ist oder

3. wenn gegen den Fremden ein Auftrag zur Abschiebung (§ 46) erlassen werden soll.

1. Hauptstück (Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen)

Begriffsbestimmungen

§ 2 Abs. 4

8. EWR-Bürger: ein Fremder, der Staatsangehöriger einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) ist;

9. Drittstaat: jeder Staat, der nicht Mitgliedstaat des EWR-Abkommens ist;

10. Drittstaatsangehöriger: ein Fremder, der nicht EWR-Bürger ist;

11. begünstigter Drittstaatsangehöriger: der Ehegatte, eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers oder Österreichers, die ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen haben, in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, sowie eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten in gerader aufsteigender Linie, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, insofern dieser Drittstaatsangehörige den freizügigkeitsberechtigten EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, von dem sich seine gemeinschaftsrechtliche Begünstigung herleitet, begleitet oder ihm nachzieht;

12. Familienangehöriger: wer Drittstaatsangehöriger und Ehegatte oder unverheiratetes minderjähriges Kind, einschließlich Adoptiv- oder Stiefkind, ist (Kernfamilie);

13. Ausreiseentscheidung: eine Zurückschiebung (§ 45), eine Abschiebung (§ 46), eine Ausweisung (§§ 53 und 54) oder ein Aufenthaltsverbot (§ 60) einer österreichischen Fremdenpolizeibehörde oder eine Rückführungsentscheidung eines Mitgliedstaates des Europäischen Wirtschaftsraumes (§ 71);

14. Aufenthaltsberechtigung: ein Aufenthaltstitel im Sinn des Bundesgesetzes über die Niederlassung und den Aufenthalt in Österreich - NAG BGBl. I Nr. 100/2005, oder ein von einen Vertragsstaat erteilter Aufenthaltstitel, der zur Niederlassung in dessen Hoheitsgebiet ermächtigt;

16. eine bloß vorübergehende selbständige Erwerbstätigkeit: eine solche, die innerhalb von zwölf Monaten nicht länger als sechs Monate ausgeübt wird, bei der ein Wohnsitz im Drittstaat aufrecht erhalten wird, der weiterhin den Mittelpunkt der Lebensinteressen bildet, und bei der es sich um keinen Fall der Pflichtversicherung des § 2 des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes (GSVG), BGBl. Nr. 560/1978, handelt;

4. Hauptstück (Rechtmäßigkeit der Einreise, des Aufenthalts und der Ausreise Fremder)

Voraussetzungen für die rechtmäßige Einreise in das Bundesgebiet

§ 15. (1) Fremde brauchen, soweit durch Bundesgesetz oder durch zwischenstaatliche Vereinbarung nicht anderes bestimmt ist oder nicht anderes internationalen Gepflogenheiten entspricht, zur rechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet ein gültiges Reisedokument (Passpflicht).

(2) Passpflichtige Fremde brauchen, soweit dies nicht durch Bundesgesetz, durch zwischenstaatliche Vereinbarungen oder durch unmittelbar anwendbare Rechtsakte der Europäischen Union anders bestimmt ist, zur rechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet ein

Visum (Sichtvermerkspflicht). Fremde, die eine gültige Aufenthaltsberechtigung, eine besondere Bewilligung während zwölf Monaten nach einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Ausweisung oder eine Bewilligung zur Wiedereinreise während der Gültigkeitsdauer eines Aufenthaltsverbotes innehaben, entsprechen der Sichtvermerkspflicht.

Sonderbestimmungen zur Erteilung von Visa zu Erwerbszwecken

§ 24. (1) Die Aufnahme

1. einer bloß vorübergehenden selbständigen Erwerbstätigkeit (§ 2 Abs. 4 Z 16);

2. einer bloß vorübergehenden unselbständigen Tätigkeit (§ 2 Abs. 4 Z 17) oder

3. einer Tätigkeit, zu deren Ausübung eine Beschäftigungsbewilligung nach § 5 AuslBG Voraussetzung ist, im Bundesgebiet ist nur nach Erteilung eines Aufenthalts-Reisevisums möglich. In diesem Fall ist dem Fremden unter Berücksichtigung des § 21 Abs. 1 und im Fall der Anwendbarkeit des Ausländerbeschäftigungsgesetzes bei Vorliegen einer Sicherungsbescheinigung nach § 11 AuslBG ein Aufenthalts-Reisevisum bis zu sechsmonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen.

(2) Abs. 1 findet auf Fremde, die zur sichtvermerksfreien Einreise berechtigt sind, zur Aufnahme einer Tätigkeit gemäß Abs. 1 Z 3 keine Anwendung.

 

 

10. Hauptstück

Familienangehörige von nicht freizügigkeitsberechtigten EWR-Bürgern, Schweizern und Österreichern

§ 87. Familienangehörige (§ 2 Abs. 4 Z 12) unterliegen der Sichtvermerkspflicht. Für sie gelten die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach den §§ 85 Abs. 2 und 86.

Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz

1. Teil, 1. Hauptstück

Geltungsbereich

§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz regelt die Erteilung, Versagung und Entziehung von Aufenthaltstiteln von Fremden, die sich länger als sechs Monate im Bundesgebiet aufhalten oder aufhalten wollen, sowie die Dokumentation von bestehenden Aufenthalts- und Niederlassungsrechten.

(2) Dieses Bundesgesetz gilt nicht für Fremde, die

1. nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, und nach vorigen asylgesetzlichen Bestimmungen zum Aufenthalt berechtigt sind, soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt;

2. nach § 95 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100, über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügen oder

3. nach § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt sind.

4.2.3.2. Wie unter den Punkten 1. und 3.3. festgestellt, kann das Verhalten des Beschwerdeführers nicht als freiwillige Mitwirkung an der Amtshandlung qualifiziert werden. Das Vorgehen der belangten Behörde stellt vielmehr einen Akt verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt mit impliziertem Duldungsbefehl dar.

 

4.2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hatte somit zu prüfen, ob die Festnahme (samt Vorführung und nachfolgender kurzfristiger Anhaltung) auf Art. 4 Abs. 3 oder Art. 7 PersFrSchG oder auf §§ 39 und 74 FPG gestützt werden kann.

 

4.2.4.1. Nach der Aktenlage steht fest, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Festnahme nicht auf frischer Tat bei der Begehung einer Verwaltungsübertretung betreten worden ist. Somit konnte die Festnahme weder der Sicherung der Strafverfolgung noch der Verhinderung einer weiteren gleichartigen strafbaren Handlung dienen. Die Festnahme kann daher nicht auf Art. 2 Abs. 3 PersFrSchG gestützt werden.

 

Ebenso wenig lässt sich die Festnahme, die Vorführung und nachfolgende Anhaltung auf Art. 2 Abs. 7 leg. cit. stützen. Die belangte Behörde und die ihr zuzurechnenden Organe haben die Zwangsmaßnahme ausschließlich mit der Sicherung des fremdenpolizeilichen Verfahrens begründet. Dass auf Grund der bereits im Vorfeld der Zwangsmaßnahmen bekannten Fakten eine Ausweisung oder Auslieferung beabsichtigt wurde, hat nicht einmal die belangte Behörde behauptet. Nach "Klärung des Sachverhaltes" wurde "lediglich ein Ausreiseauftrag erlassen".

 

4.2.4.2. Ausschließlich in der Gegenschrift ist die belangte Behörde davon ausgegangen, dass die einschreitenden Beamten die Festnahme des Beschwerdeführers entsprechend § 39 Abs. 1 FPG vorgenommen haben. Im Zuge des Beschwerdeverfahrens und im Hinblick auf die eindeutige Aktenlage wurde diese Behauptung nicht mehr aufrecht erhalten.

 

Neben den in den Ziffern 1 und 2 des § 39 Abs. 1 FPG angeführten Voraussetzungen ist die Festnahme eines Fremden nur zum Zweck einer für die Sicherung des Verfahrens unerlässlichen Vorführung vor die Behörde zulässig.

 

Weder dem Vorlageakt noch der Gegenschrift kann entnommen werden, dass die Vorführung vor die Behörde unerlässlich gewesen ist. Auch ist nicht einmal ansatzweise erkennbar, welches Verfahren durch die Festnahme gesichert werden sollte.

Um eine Festnahme und Vorführung als rechtmäßig ansehen zu können, muss neben den allgemeinen Voraussetzungen des § 39 Abs. 1 FPG entweder die Ziffer 1 oder 2 erfüllt sein.

 

4.2.4.2.1. § 39 Abs. 1 Z 1 FPG setzt voraus, dass das Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes den Fremden bei der "Begehung einer Verwaltungsübertretung nach § 120 auf frischer Tat betritt".

 

Nach § 120 Abs. 1 FPG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer als Fremder nicht rechtmäßig in das Bundesgebiet einreist (Z 1) oder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (Z 2).

 

Grundsätzlich benötigen passpflichtige Fremde zur rechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet gemäß § 15 Abs. 1 FPG ein Visum (Sichtvermerkspflicht). Davon ausgenommen sind Fremde, die über eine gültige Aufenthaltsberechtigung verfügen. Die Berechtigten entsprechen der Sichtvermerkspflicht.

 

Diese Ausnahme wird durch weitere Bestimmungen des FPG wiederum eingeschränkt. U.a. sieht § 87 FPG vor, dass Familienangehörige von nicht freizügigkeitsberechtigten EWR-Bürgern (§ 2 Abs. 4 Z 12 FPG) der Sichtvermerkspflicht unterliegen.

 

Der Beschwerdeführer ist zwar Lebenspartner eines EWR-Bürgers, fällt aber nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 4 Z 12 FPG nicht unter den Angehörigenbegriff und unterliegt daher auch nicht der Sichtvermerkspflicht nach § 87 FPG.

 

Dem Beschwerdeführer wurde von der zuständigen Behörde der Bundesrepublik Deutschland am 7. Jänner 2003 ein Aufenthaltstitel (unbefristete Niederlassungserlaubnis - Erwerbsausübung gestattet) ausgestellt. Dieser Aufenthaltstitel ist nach § 2 Abs. 4 Z 14 FPG als "Aufenthaltsberechtigung" zu betrachten. Da der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Amtshandlung über einen von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitel (d.h. gültige Aufenthaltsberechtigung) verfügt hat, sind sowohl seine Einreise in das Bundesgebiet gemäß § 15 Abs. 2 FPG als auch sein Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 31 Abs. 1 Z 3 FPG als rechtmäßig anzusehen.

 

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde benötigte der Beschwerdeführer auch kein Aufenthalts-Reisevisum gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 FPG für die Aufnahme einer bloß vorübergehenden selbständigen Erwerbstätigkeit. § 24 Abs. 1 Z 1 FPG verweist auf die entsprechende Begriffsbestimmung in § 2 Abs. 4 Z 16 FPG. Danach wird für eine bloß vorübergehende selbständige Erwerbstätigkeit ein Aufenthalts-Reisevisum ausschließlich von jenem Personenkreis benötigt, der unter den dort genannten Voraussetzungen seinen Wohnsitz im Drittstaat beibehält. Nach der Begriffsbestimmung "Drittstaat" in § 2 Abs. 4 Z 9 FPG sind darunter jene Staaten zu verstehen, die nicht Mitgliedsstaaten des EWR-Abkommens sind. Infolgedessen der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland - einem Mitgliedsstaat des EWR-Abkommens - beibehalten hat, bedarf er keines Aufenthalts-Reisevisums. Weiters findet auch § 24 Abs. 1 Z 3 FPG auf den Beschwerdeführer keine Anwendung, da für die Ausübung seiner Tätigkeit eine Beschäftigungsbewilligung nach § 5 AuslBG nicht Voraussetzung ist.

 

Nach § 1 NAG ist das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz auf die gegenständliche Fallkonstellation nicht anzuwenden.

 

Im Hinblick auf die Rechtslage, die Einreise- und Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers und das Nichtvorliegen einer Verwaltungsübertretung konnte der Beschwerdeführer nicht auf frischer Tat (§ 120 FPG) betreten werden.

 

4.2.4.2.2. Unter der Voraussetzung, dass der unter Punkt 4.2.4.2. angeführte Sicherungsbedarf vorliege und der Fremde seiner Verpflichtung nach § 32 Abs. 1 FPG nicht nachgekommen wäre, könnte seine Festnahme auf § 39 Abs. 1 Z 2 FPG gestützt werden.

 

Der Beschwerdeführer hat aber bei der gegenständlichen Amtshandlung die für seine Aufenthaltsberechtigung maßgeblichen Dokumente mitgeführt und den einschreitenden Beamten unverzüglich ausgehändigt. Da er der geforderten Mitwirkungspflicht ( § 32 Abs. 1 FPG) nachgekommen ist, kann die Festnahme nicht auf § 39 Abs. 1 Z 2 FPG gestützt werden.

 

4.2.4.3. Obwohl sich die belangte Behörde in der Gegenschrift nicht auf § 39 Abs. 2 FPG bezogen hat, hatte der Oö. Verwaltungssenat zu prüfen, ob die Festnahme des Beschwerdeführers auf die genannte Bestimmung gestützt werden kann.

 

Nachdem sich der Beschwerdeführer rechtmäßig in Österreich aufgehalten und nicht auf Grund einer Übernahmserklärung eingereist ist, war auf § 39 Abs. 2 Z 2 und 3 FPG nicht weiter einzugehen.

 

Zu prüfen ist daher ausschließlich, ob die Festnahme, gestützt auf § 39 Abs. 2 Z 1 FPG, als rechtmäßig zu betrachten ist.

 

Nach der Aktenlage und dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes den Beschwerdeführer über "Auftrag" der belangten Behörde "festgenommen und vorgeführt".

 

Entgegen § 74 Abs. 4 FPG hat die belangte Behörde den "Festnahmeauftrag" nicht aktenkundig gemacht.

 

Aus dem Vorlageakt ergibt sich kein Hinweis, dass die belangte Behörde - wie in § 74 Abs. 1 FPG vorgesehen - auf Grund bestimmter Tatsachen annehmen konnte, dass die Voraussetzungen für die Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes vorliegen.

 

Auch bei der "Klärung des Sachverhaltes" in den Räumlichkeiten der belangten Behörde ergaben sich keine Anhaltspunkte, die die Einleitung eines Verfahrens zu Erlassung einer Ausweisung bzw. eines Aufenthaltsverbotes gerechtfertigt hätten. Der "Sachverhalt" dürfte so klar gewesen sein, dass die belangte Behörde sogar auf die Aufnahme einer Niederschrift verzichtet hat. Nicht nachvollziehbar erscheint, warum die belangte Behörde dennoch den Beschwerdeführer aufgefordert hat, das Bundesgebiet freiwillig zu verlassen und seinen Aufenthalt im (ausgefolgten) Schriftstück vom 21. März 2006 (ohne Aktenzahl) - "Wahrnehmung der Ausreise" - als unrechtmäßig qualifiziert hat.

 

Abgesehen davon, dass nicht einmal die geforderten "bestimmten Tatsachen" vorgelegen sind, hätte der "Festnahmeauftrag" weder auf die Ziffer 1 noch die Ziffer 2 des § 74 Abs. 1 FPG gestützt werden können. Unbestritten steht nämlich fest, dass dem Beschwerdeführer keine zwangsbewehrte Ladung zugestellt worden ist und dieser zu Beginn der Amtshandlung aufrecht gemeldet war.

 

Da auch keiner der Fälle des § 74 Abs. 2 (Ziffern 1 bis 3) FPG zutrifft (Z 1: Schubhaftverhängung ist unzulässig, da sich der Beschwerdeführer rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und keine bestimmten Tatsachen gegeben sind, dass er sich dem Verfahren entziehen werde; Z 2: keine Verpflichtung zur Ausreise nach dem AsylG 2005 besteht; Z 3: mangels Voraussetzungen kann ein Auftrag zur Abschiebung nicht erlassen werden), lässt sich der "Festnahmeauftrag" damit nicht begründen.

 

4.2.4.4. Aus all diesen Gründen war der vorliegenden Beschwerde - soweit sie die Festnahme am 21. März 2006 gegen 15.50 Uhr, die unmittelbar anschließende Vorführung und die kurzfristige Anhaltung betrifft - gemäß § 67c Abs. 3 AVG stattzugeben und die Festnahme des Beschwerdeführers für rechtswidrig zu erklären.

 

4.3. Mit Schriftsatz vom 23. März 2006 (die entsprechenden Anträge wurden unter Punkt 2 wiedergegeben) hat der Beschwerdeführer weiters vorgebracht, dass er durch die "Anordnung der Ausweisung" durch die belangte Behörde in seinen Rechten verletzt worden sei.

Wie bereits unter Punkt 4.1. ausgeführt, erkennen die Unabhängigen Verwaltungssenate gemäß Art. 129a Abs. 1 Z 2 B-VG iVm § 67a Abs. 1 Z 2 AVG über Beschwerden von Personen, die behaupten durch Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein (sog. Maßnahmenbeschwerde).

 

Die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt setzt nach der Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts die unmittelbare Anwendung physischen Zwanges oder die Erteilung eines Befehles mit unverzüglichem Befolgungsanspruch voraus. Für die Ausübung von Zwangsgewalt ist ein positives Tun begriffsnotwendig. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer sog. Maßnahmenbeschwerde ist daher, dass gegen den Beschwerdeführer physischer Zwang ausgeübt wurde oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehles droht.

 

Im Übrigen dient der subsidiäre Rechtsbehelf der Maßnahmenbeschwerde nur dem Zweck, Lücken im Rechtsschutzsystem zu schließen. Zweigleisigkeiten für die Verfolgung ein- und desselben Rechts sollten mit der Maßnahmenbeschwerde nicht geschaffen werden. Was im Verwaltungsverfahren ausgetragen werden kann, ist daher kein zulässiger Gegenstand einer Maßnahmenbeschwerde (vgl z.B. VwGH 18.3.1997, 96/04/0231; VwGH 17.4.1998, 98/04/0005). Das gilt auch dann, wenn das für die Rechtsdurchsetzung zur Verfügung stehende Verwaltungsverfahren allenfalls länger dauert (vgl VwGH 15.6.1999, 99/05/0072, 0073, 0074 mwN). Demnach sind auch Zwangsmaßnahmen kein tauglicher Beschwerdegegenstand, wenn sie im Verwaltungsverfahren bekämpft werden können (vgl VwGH 25.4.1991, 91/06/0052; VwSlg 9.461 A/1977 und VwSlg 9.439 A/1977).

 

Wie der Antragstellung in der gegenständlichen Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 129 Abs. 1 Z 2 B-VG eindeutig zu entnehmen ist, bekämpft der Beschwerdeführer das ihm am 21. März 2006 ausgefolgte Schriftstück "Wahrnehmung der Ausreise", indem er darin eine "Anordnung zur Ausweisung" erblickt.

 

Nach der insoweit übereinstimmenden Judikatur des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes stellt die "bloße" Androhung keine "Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt" dar, die mit einer Beschwerde gemäß Art. 129a Abs. 1 Z 2 B-VG bekämpft werden könnte.

 

Im gegenständlichen Fall liegt nicht einmal die Androhung einer Zwangsmaßnahme vor. Der Beschwerdeführer wurde lediglich aufgefordert, das Bundesgebiet "freiwillig" zu verlassen. Diese in Schriftform getätigte Aufforderung ist nicht zwangbewehrt und stellt auch keine - wie der Beschwerdeführer vermeint -Ausweisungsanordnung dar.

Im Ergebnis lagen die begrifflichen Voraussetzungen einer Maßnahmenbeschwerde in diesem Beschwerdepunkt nicht vor, weshalb der gegenständliche Beschwerdepunkt ohne weiteres Verfahren mangels eines tauglichen Anfechtungsgegenstandes als unzulässig iSd § 67c Abs. 3 AVG zurückzuweisen war.

 

5.1. Zu den Spruchpunkten I und II:

 

Bei diesem Ergebnis hatte der Bund als Rechtsträger, für den die belangte Behörde tätig geworden ist, dem Beschwerdeführer als der obsiegenden Partei gemäß § 79a AVG 1991 den notwendigen Verfahrensaufwand zu ersetzen. Als Aufwendungen gelten nach § 79a Abs. 4 AVG neben Stempel- und Kommissionsgebühren sowie Barauslagen die durch Verordnung des Bundeskanzlers (vgl. Aufwandersatzverordnung UVS 2003, BGBl II Nr. 334/2003) festgesetzten Pauschalbeträge für Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand.

 

Nach § 1 Z 1 beträgt der Schriftsatzaufwand des Beschwerdeführer als obsiegende Partei 660,80 Euro. Es sind Eingabengebühren für die Beschwerdeschrift vom 23. März 2006 (13 Euro) und 3 Beilagen (3 x 3,60 = 10,80 Euro) in Höhe von insgesamt 23,60 Euro angefallen. Dem Beschwerdeführer war daher für seinen Verfahrensaufwand einschließlich der Stempelgebühren, für die er aufzukommen hat (vgl § 79a Abs. 4 Z 1 AVG), ein Betrag in Höhe von 686,40 Euro zuzusprechen.

 

Analog dem § 59 Abs. 4 VwGG 1985 war eine Leistungsfrist von 2 Wochen festzusetzen, zumal das Schweigen des § 79a AVG nur als planwidrige Lücke aufgefasst werden kann, sollte doch die Neuregelung idF BGBl Nr. 471/1995 im Wesentlichen eine Angleichung der Kostentragungsbestimmungen an das VwGG bringen (vgl. Erl zur RV 130 BlgNR 19. GP, 14 f).

 

5.2. Zu den Spruchpunkten III und IV:

 

Gemäß § 79a Abs. 3 AVG 1991 ist der Beschwerdeführer auch im Fall der Zurückweisung seiner Beschwerde als unterlegene Partei anzusehen. Es war daher dem Bund als dem Rechtsträger, für den die belangte Behörde eingeschritten ist, auf Antrag Aufwandersatz gemäß dem § 79a AVG zuzusprechen.

 

Die belangte Behörde hat in ihrer Gegenschrift den Aufwandersatz beantragt. Nach § 1 Z 3 UVS-Aufwandersatzverordnung 2003 beträgt der Vorlageaufwand 51,50 Euro und nach § 1 Z 4 der Schriftsatzaufwand 220,30 Euro. Dem Bund war daher ein Ersatz in der Höhe von 271,80 Euro zuzusprechen.

 

Analog dem § 59 Abs 4 VwGG 1985 war eine Leistungsfrist von zwei Wochen festzusetzen, zumal das Schweigen des § 79a AVG 1991 nur als planwidrige Lücke aufgefasst werden kann, sollte doch die Neuregelung idF BGBl Nr. 471/1995 im Wesentlichen eine Angleichung der Kostentragungsbestimmungen an das VwGG bringen (vgl Erl zur RV, 130 Blg NR 19. GP, 14 f).

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren sind Bundesstempelgebühren in Höhe von 13 Euro für die Beschwerde und von je 3,60 Euro für 3 Beilagen, insgesamt daher von 23,80 Euro angefallen, ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

Mag. Stierschneider

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