Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-440043/6/Ste/WW

Linz, 02.11.2004

 

 

 VwSen-440043/6/Ste/WW Linz, am 2. November 2004

DVR.0690392
 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Vizepräsident Mag. Dr. Wolfgang Steiner über die Beschwerde des Dipl.Ing. W H, vertreten Dr. J H und Mag. Dr. T H, wegen Verhängung eines Betretungsverbotes nach § 38a SPG, zu Recht erkannt:

 

 

  1. Der Beschwerde wird stattgegeben. Das am 7. Juli 2004 um 07.40 Uhr gegen den Beschwerdeführer ausgesprochene Betretungsverbot, er dürfe Haus und Grundstück in 4650 Lambach, Richterstraße 6, nicht mehr betreten, war rechtswidrig.
  2. Der Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmannschaft Wels-Land) hat dem Beschwerdeführer Kosten in Höhe von insgesamt 673,80 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 67a und 67c Abs. 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG.

zu II: § 79a AVG

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Schriftsatz vom 14. Juli 2004, beim Verwaltungssenat eingelangt am 19. Juli 2004, erhob der rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer Beschwerde wegen der Verhängung eines Betretungsverbotes nach § 38a SPG. Er beantragte, das am 7. Juli 2004 um 07.40 Uhr gegen ihn ausgesprochene Betretungsverbot, er dürfe Haus und Grundstück in 4650 Lambach, nicht mehr betreten, für rechtswidrig zu erklären.

 

Begründend führte er aus, das Betretungsverbot sei von Beamten des Gendarmeriepostens Lambach verhängt worden, wenngleich im Informationsblatt zum Betretungsverbot als Kontaktbeamte Organe des GP Marchtrenk angeführt seien. Belangte Behörde sei die BH Wels - Land. Das Verbot sei am 7. Juli 2004 ausgesprochen worden. Die am 15. Juli 2004 zur Post gegebene Beschwerde sei daher fristgerecht überreicht.

 

Der Beschwerdeführer sei mit E H verheiratet. Diese sei Alleineigentümerin der Liegenschaft 4650 Lambach,. Die Liegenschaft diene als Ehewohnung. Der Beschwerdeführer habe sich dort auch ein Büro eingerichtet. Der Ehe entstamme der Sohn M P. M P, die angeblich gefährdete Person, sei beruflich erfolglos. Seit einigen Monaten lebe er im Elternhaus in Lambach. Er habe dort eine Freundin und wolle den Vater aus dem Haus haben, um sich selbst auszubreiten und häuslich einzurichten. Der Beschwerdeführer habe Angst vor seinem Sohn. Dieser habe ihn in der Vergangenheit wiederholt geschlagen. Am Abend des 6. Juli 2004 sei es zwischen M P und dem Beschwerdeführer zu einem Wortwechsel gekommen. Der Streit sei an sich um ein nichtiges Thema gegangen und lächerlich gewesen. Anschließend habe M P den Beschwerdeführer ausgesperrt. Dieser habe nicht mehr zurück ins Haus gekonnt und habe die Gendarmerie gerufen. Die einschreitenden Beamten hätten die Situation beruhigen können. Die Nacht sei ruhig verlaufen.

 

Am nächsten Morgen, dem 7. Juli 2004, habe M P erneut einen Streit vom Zaun gebrochen. Er habe dem Beschwerdeführer unflätig und in einer herabsetzenden und erniedrigenden Art und Weise beschimpft, die dem Beschwerdeführer so entrüstet habe, dass er ein DIN A4 Papier, welches er gerollt in der Hand gehalten habe, gegen M P geführt habe, wobei nur das Papier, nicht jedoch die Hand des Beschwerdeführers dessen Kopf berührt habe. M P hätte den Beschwerdeführer als "Wixer" bezeichnet und seine Männlichkeit (anatomisch) verspottet. Nachdem das zusammengerollte Papier den Kopf von M P berührt hätte, habe dieser ausgerufen: "Ha, jetzt hob i di". Er habe die Gendarmerie gerufen und Anzeige erstattet. Offensichtlich hätte er nur darauf gewartet, einen Anlass zu finden, den Vater aus dem Haus zu schaffen. Die einschreitenden Beamten hätten das bekämpfte Betretungsverbot verhängt.

 

Die Voraussetzungen für die Verhängung des Betretungsverbotes seien nicht gegeben gewesen. Als Indikator im Sinne des § 38 a Abs. 1 erster Satz SPG sei in der Dokumentation angegeben: "Gendarmerieintervention am Vortag um 22.35 Uhr nach Familienstreit. H wurde von seinem Sohn aus dem Haus gesperrt". Daraus könne nur geschlossen werden, dass die Aggression in die umgekehrte Richtung gehe. Die angeblich gefährdete Person habe den eigenen Vater aus dem Haus gesperrt, welches der Mutter gehöre. Es sei der Beschwerdeführer gewesen, der die Gendarmerie zur Hilfe rufen musste und nicht etwa M P als angeblich gefährdete Person.

 

Der Vorfall am Morgen des 7. Juli 2004 stelle sich ebenfalls nicht als gefährlicher Angriff dar.

 

M P gebe an, ihm sei die Benützung des Büros verweigert worden. Beide hätten um den Teppich gestritten und der Beschwerdeführer hätte dabei die Familie seiner Gattin beschimpft. Dies sei unrichtig: der Beschwerdeführer verweise auf die obige Sachverhaltsdarstellung. Unrichtig sei, dass M P am nächsten Morgen in aller Ruhe zu diskutieren begonnen hätte. Das Gegenteil sei der Fall gewesen. Auch dazu verweise der Beschwerdeführer auf die obige Sachverhaltsdarstellung.

 

M P gebe bei seiner Vernehmung indirekt den Gegenstand seiner Beschimpfungen zu, wenngleich der Vorwurf gegenüber dem Beschwerdeführer ungerechtfertigt sei: Wie sollte sich der Beschwerdeführer in der Kindheit von M P über dessen Männlichkeit herablassend geäußert haben? Der Vorwurf sei gänzlich unberechtigt. In dieser Aussage und im folgenden Satz: "Ich warf seine eigenen Aussagen an ihn zurück", könne aber nur im Zugeständnis der vom Beschwerdeführer wiedergegebenen beleidigenden Äußerungen erblickt werden. Der Beschwerdeführer wolle grundsätzlich keine Diskussion über Erziehungsmaßnahmen eröffnen. Er weise nur daraufhin, dass die "gsunde Dachtl" vor ca. 20 Jahren Gegenstand politischer Diskussionen für ein Misshandlungsverbot von Kindern durch Erziehungsberechtigte gewesen sei. Jedenfalls ergebe sich aus den Aussagen, das in den letzten 20 Jahren keine Erziehungsmaßnahmen gesetzt worden seien. Folgerichtig sage M P, dass er keine Angst vor dem Beschwerdeführer habe. Dieser bestreitet allerdings, dass er körperlich am Ende sei.

 

Der Beschwerdeführer bestreite, dass er die angeblich gefährdete Person verletzt habe. Die Verletzung sei nicht objektiviert. M P habe angekündigt, er werde "den Arzt zur Dokumentation aufsuchen". Dies sei jedoch nicht geschehen. Bei einer Akteneinsicht durch die Kanzlei des Rechtsvertreters am 13. Juli 2004, habe kein ärztliches Attest festgestellt werden können. Die Eintragung in der Dokumentation: "Rötung, ca. 5 cm an der linken Schläfe" enthalte keine genauen Angaben über die Wahrnehmung durch die Beamten, schon gar nicht über das entstehen dieser angeblichen Beeinträchtigung. In einem vergleichbaren Fall sei der UVS als belangte Behörde in seiner rechtlichen Würdigung zum Ergebnis gekommen, dass das Vorliegen einer nur geringfügigen Verletzung, deren Zustandekommen vorerst nicht klärbar gewesen sei und durch die nächtlichen Erhebungen der Beamten und deren Eindringen in das Schlafzimmer der Mitbeteiligten verärgerte und eine verbal aggressive Frau, von der bis dato keine Gewalthandlung bekannt gewesen sei, eine Maßnahme im Sinne des § 38a SPG nicht gerechtfertigt habe.

 

Der Vorfall vom 7. Juli 2004 in der Früh könne nicht als vorangegangener gefährlicher Angriff angesehen werden. Es liege nicht einmal eine Entrüstungsbeleidigung vor, weil es am Tatbestandsmerkmal des § 115 Abs. 1 StGB "von mehreren Leuten" fehle. Im übrigen wäre der Beschwerdeführer entschuldigt (§ 115 Abs. 3 StGB). Überdies handle es sich um ein Privatanklagedelikt. Auch § 83 Abs. 2 StGB sei nicht verwirklicht. Ein erheblicher Widerspruch bestehe auch bei den Beschreibungen des psychischen und emotionalen Zustandes der Beteiligten: M P soll aufgebracht, bei der Schilderung weinerlich und zitternd gewesen sein, der Beschwerdeführer hingegen beherrscht und bei Sinnen. Er soll gegenüber den einschreitenden Beamten ruhig und sachlich bestritten haben, seinen Sohn mit dem zusammengerollten Papierbogen verletzt zu haben. Wäre der Beschwerdeführer ein Alkoholiker und körperlich am Ende, so wäre eher bei ihm eine übermäßige Erregung zu erwarten. M P habe selbst ausgesagt, er habe keine Angst und er hätte in aller Ruhe die Diskussion in der Küche eröffnet. Die näheren Hintergründe seien den einschreitenden Beamten unbekannt gewesen. Die Leidenschaft zum Schauspielen habe aber offenbar ausgereicht, den in der Dokumentation wiedergegebenen psychischen und emotionalen Zustand vorzutäuschen. Aus der wenig später von M Pabgelegten Aussage würden sich keine wie immer gearteten Anzeichen für einen solchen Zustand ableiten lassen. Das vorangegangene Geschehen wäre auch gar nicht geeignet, um einen 33-jährigen Mann in einen solchen Zustand zu versetzen. Aufgrund des Gesamtbildes sei ein gefährlicher Angriff nicht zu erwarten gewesen. Im vorliegenden Fall gebe M P explizit an, er habe keine Angst. Die bloße Möglichkeit, das neuerlich ein Streit beginne, mag durchaus gegeben gewesen sein. Für einen gefährlichen Angriff habe jedoch kein Hinweis bestanden.

 

Gänzlich unberücksichtigt sei auch die Frage der Verhältnismäßigkeit gemäß § 38a Abs. 2 SPG geblieben. Aufgrund der Schilderung von M P und des Zustandes und des Verhaltens des Beschwerdeführers beim Einschreiten der Beamten am Morgen des 7. Juli 2004, hätte das behördliche Einschreiten sofort beendet werden können.

 

  1. Die belangte Behörde hat den bezughabenden Akt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der nachstehender Antrag gestellt wurde: Abweisung der Beschwerde von Herrn DI W H als unbegründet. In eventu Zurückweisung der Beschwerde als unzulässig. Auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde verzichtet.
  2.  

    Begründend wurde ausgeführt, das Vorbringen des Beschwerdeführers lasse nicht erkennen, das durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes Befehls- und Zwangsgewalt eingesetzt worden sei. Der Beschwerdeführer moniere in der Beschwerde den Ausspruch eines auf § 38a SPG gestützten Betretungsverbotes durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und behaupte damit die Verletzung eines nicht auf Zwang gerichteten Verhaltens hoheitlicher Art.

     

    Aus der Aktenlage, unmittelbar beim Einschreiten ersichtlich, habe die gefährdete Person, M P, eine Rötung an der linken Schläfe (ca. 5 cm) aufgewiesen und gebe der Beschwerdeführer zu, mit einem zusammengerollten Papierbogen gegen die Schläfe des M P geschlagen zu haben. Dies sei in der Dokumentation über das Einschreiten auch festgehalten.

     

    Faktum sei weiters eine vorangegangene Interventation am Vortag wegen familiärer Streitigkeiten. Für die Organe des öffentliches Sicherheitsdienstes schien zum Zeitpunkt am 7. Juli 2004 ein weiterer gefährlicher Angriff durchaus vertretbar. Rechtlich plausible Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stütze, könne der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde nicht aufzeigen.

     

     

  3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der belangten Behörde sowie ergänzende eigenständige Ermittlungstätigkeiten. Von der Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde Abstand genommen, weil der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits nach der Aktenlage feststand. Die belangte Behörde hat ausdrücklich auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

 

3.1. Im Zuge der Beweisaufnahme wurde folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt ermittelt:

 

E H und der Beschwerdeführer sind seit 1. September 1978 verheiratet. M P, der gemeinsame Sohn des Beschwerdeführers und der E H, wurde am 16. September 1971 geboren. E H ist Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ 256 GB 5117 Lambach, auf welcher sich das Haus 4650 Lambach, samt Nebengebäude befindet. E H, der Beschwerdeführer und M P wohnten bis 7. Juli 2004 in diesem Haus.

In der Vergangenheit war es zwischen dem Beschwerdeführer und M Pimmer wieder zu Streitigkeiten gekommen. Am Abend des 6. Juli 2004, um 22.35 Uhr, ersuchte der Beschwerdeführer um Gendermarieintervention, nachdem ihn sein Sohn aus dem Haus gesperrt hatte. Am Morgen des 7. Juli 2004 kam es zwischen dem Beschwerdeführer und M Perneut zum Streit, wobei sich die beiden heftig gegenseitig beschimpften. In der Folge schlug der Beschwerdeführer M P mit sechs DIN A4 Blättern, die er in der Hand hielt, links und rechts gegen die Wangen. Daraufhin verständigte M P um 7.35 Uhr den Gendarmerieposten Lambach.

Die Streife Lambach 1 (GI H S und RI W) traf um 7.40 Uhr am Tatort ein. Im Zuge der Amtshandlung beschimpften sich der Beschwerdeführer und M P auch im Beisein der Beamten gegenseitig sehr heftig. Die Beamten gingen auf Grund der Angaben des M P davon aus, dass dieser durch den ihm vom Beschwerdeführer versetzten Schlag ins Gesicht eine etwa 5 cm lange Rötung im Bereich der linken Schläfe erlitten habe. Es wurden mehrere Fotos angefertigt, auf denen diese 5 cm langen Rötung an der Schläfe des M P zu sehen ist. M P machte auf die Beamten einen aufgebrachten Eindruck. Bei der Schilderung des Vorfalles war sein Zustand weinerlich und zitternd. Die einschreitenden Beamten empfanden das Verhalten des Beschwerdeführers ihnen gegenüber als ruhig und sachlich, seinen emotionalen Zustand als beherrscht und bei Sinnen. Er räumte den Beamten gegenüber ein, M P mit einem zusammengerollten Papierbogen gegen die Schläfe geschlagen zu haben, bestritt aber, diesen durch den Schlag verletzt zu haben. Er stellte sich selber als Opfer verbaler Attacken dar.

 

Die Beamten waren der Ansicht, dass offensichtlich eine durch den Beschwerdeführer verursachte Verletzung vorlag und ein weiterer gefährlicher Angriff nicht auszuschließen war. Darum wurde gegen den Beschwerdeführer am 7.Juli 2004 um 7.40 Uhr, von RI W gemäß § 38 a SPG eine Wegweisung und ein Betretungsverbot ausgesprochen. Der räumliche Schutzbereich des Betretungsverbotes erfasste das Haus und das Grundstück in 4650 Lambach,. Es wurde keine unmittelbare Zwangsgewalt gemäß § 50 SPG angewendet.

 

Mit Aktenvermerk vom 7. Juli 2004 wurde von der belangten Behörde festgehalten, dass zum Schutz der gefährdeten Person das ausgesprochene Betretungsverbot weiterhin aufrecht zu erhalten ist. Es wurde festgehalten, dass das Betretungsverbot mit Ablauf des 10 Tages, das ist mit Ablauf des 17. Juli 2004 endet.

 

Mit einstweiliger Verfügung des Bezirksgerichtes Lambach vom 14. Juli 2004, 1C80/04g, wurde dem Beschwerdeführer verboten, die Liegenschaft Hr EZ256 GB51117 Lambach (4650 Lambach, Richterstraße 6 und 6a) zu betreten. Dem Beschwerdeführer wurde weiters verboten, die Arbeitsstelle der E H, und zwar das Schüler- und Lehrlingsheim der Stadt Wels, zu betreten. Dem Beschwerdeführer wurde aufgetragen, das zusammentreffen sowie die Kontaktaufnahme mit M P und E H zu vermeiden. Diese einstweilige Verfügung gilt für die Dauer von drei Monaten.

 

Mit Schreiben vom 12. August 2004 wurde dem Beschwerdeführer von der Staatsanwaltschaft Wels mitgeteilt, dass die gegen ihn vom Gendarmerieposten Lambach erstattete Anzeige wegen § 83 Abs. 2 StGB gemäß § 90 Abs. 1 StPO zurückgelegt wurde.

 

Mit Beschluss des Landesgerichtes Wels vom 25. August 2004, 21R248/04a, wurde dem Rekurs des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Lambach vom 14. Juli 2004, 1C80/04g, Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wurde aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

 

Das Bezirksgericht Lambach beraumte in dieser Rechtssache für den 27. September 2004 eine Verhandlung an. Bei dieser Verhandlung wurde von den Parteien einfaches Ruhen vereinbart.

 

3.2. Diese Sachverhaltsfeststellungen waren im Wesentlichen unstrittig und gründen sich auf den Gendarmeriebericht über die Wegweisung und die Verhängung des Betretungsverbots, die Strafanzeige des Gendarmeriepostens Lambach sowie die Aussagen des Beschwerdeführers und des M Pam Gendarmerieposten Lambach. Die Einstellung des Strafverfahrens wegen § 83 Abs. 2 StGB wurde dem Oö. Verwaltungssenat von den Vertretern des Beschwerdeführers mitgeteilt. Die Rekursentscheidung des Landesgerichtes Wels, vom 25. August 2004, wurde dem Verwaltungssenat vom BG Lambach übermittelt. Das Bezirksgericht Lambach informierte den Oö. Verwaltungssenat auch darüber, dass (auf die Rekursentscheidung des Landesgerichtes Wels hin) eine Verhandlung für den 27. September 2004 anberaumt wurde, in der von den Parteien einfaches Ruhen vereinbart wurde.

 

 

4. Über die Beschwerde hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

Wie der Beschwerdeführer richtig ausführt, wurde das Betretungsverbot und die Wegweisung von Beamten des Gendarmerieposten Lambach angeordnet. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land ist daher belangte Behörde. Dies wird dadurch nicht relativiert, dass auf dem von den Gendarmeriebeamten ausgehändigten Informationsblatt Beamte des Gendarmerieposten Marchtrenk als Kontaktpersonen angeführt werden.

 

Die Beschwerde richtet sich ausschließlich gegen das am 7. Juli 2004 ausgesprochene Betretungsverbot, nicht aber gegen die gleichzeitig angeordnete Wegweisung. Es erübrigen sich daher weitere Erörterungen zur Wegweisung.

 

4.1. Zur Zulässigkeit der Beschwerde gegen das Betretungsverbot ist auszuführen: Das Betretungsverbot selbst darf nicht mit Zwangsgewalt durchgesetzt werden
(§ 38a Abs. 2 erster Satz Sicherheitspolizeigesetz - SPG, BGBl. Nr.566/1991, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 104/2002; vergleiche auch § 50 SPG), sondern ist verwaltungsstrafrechtlich durch § 84 Abs. 1 Z. 2 SPG abgesichert. Unter den Voraussetzungen des § 35, (insbesondere Z. 3) kann daher (auch zwangsweise) mit Festnahme vorgegangen werden, sofern nicht mit einer Wegweisung nach § 84 Abs. 2 iVm. § 81 Abs. 3 SPG als gelinderem Mittel das Auslangen gefunden werden kann. Diese Wegweisung darf zwangsweise durchgesetzt werden. Ob das Betretungsverbot damit ein Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt im Sinne Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG und § 88 Abs. 1 SPG ist, könnte angesichts des Umstandes, dass eine Missachtung nicht unmittelbar mit physischer Gewalt sanktioniert ist, und mit Blick auf eine Rechtssprechungslinie des Verfassungsgerichtshofs, wonach behördliche Aufforderungen, deren Nichtbefolgung lediglich unter Verwaltungsstrafdrohung stehen, bloße Ersuchen sind, zweifelhaft sein, wird aber wohl zu bejahen sein. Praktisch hat diese Frage freilich keine besondere Bedeutung, weil sie nicht über das ob der Anfechtbarkeit, sondern nur darüber entscheidet, ob die Beschwerdemöglichkeit nach § 88 Abs. 1 oder aber § 88 Abs. 2 SPG eröffnet ist. Die Regierungsvorlage geht von einer Anfechtbarkeit gemäß § 88 Abs. 1 SPG aus (vgl. Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz2, 325f.). Die Beschwerde gegen das ausgesprochene Betretungsverbot war somit zulässig. Es ist zu prüfen, ob der Beschwerdeführer durch den Ausspruch des Betretungsverbotes und dessen Aufrechterhaltung in seinen subjektiven Rechten verletzt wurde.

 

4.2. Zur Rechtmäßigkeit des Betretungsverbotes ist auszuführen: Ist aufgrund bestimmter Tatsachen, insbesondere wegen eines vorangegangenen gefährlichen Angriffs, anzunehmen, es stehe ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit bevor, so sind gemäß § 38a Abs. 1 SPG die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, einen Menschen, von dem die Gefahr ausgeht, aus einer Wohnung, in der ein Gefährdeter wohnt aus derer unmittelbarer Umgebung wegzuweisen. Sie haben ihm zur Kenntnis zu bringen, auf welchen räumlichen Bereich sich die Wegweisung bezieht; Dieser Bereich ist der Maßgabe der Erfordernisse eines wirkungsvollen, vorbeugenden Schutzes zu bestimmen.

 

Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gemäß § 38a Abs. 2 SPG ermächtigt, einen Menschen das Betreten eines nach Abs. 1 festzulegenden Bereiches zu untersagen. Die Ausübung von Zwangsgewalt zur Durchsetzung dieses Betretungsverbotes ist jedoch unzulässig. Bei einem Verbot, in die eigene Wohnung zurückzukehren, ist besonders darauf Bedacht zu nehmen, dass dies ein Eingriff in das Privatleben des Betroffenen die Verhältnismäßigkeit (§ 29) wahrt. Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, den Betroffenen alle in seiner Gewahrsam befindlichen Schlüssel zur Wohnung abzunehmen; sie sind verpflichtet, ihm Gelegenheit zu geben, dringend benötigte Gegenstände des persönlichen Bedarfs mitzunehmen und sich darüber zu informieren, welche Möglichkeiten er hat, unterzukommen. Sofern sich die Notwendigkeit ergibt, dass der Betroffene die Wohnung, deren betreten ihm untersagt ist, aufsucht, darf er das nur in Gegenwart eines Organs des öffentlichen Sicherheitsdienstes tun.

 

Gemäß § 38a Abs. 7 SPG ist die Einhaltung eines Betretungsverbotes zumindest einmal während der ersten drei Tage seiner Geltung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu überprüfen. Das Betretungsverbot endet mit Ablauf des zehnten Tages nach seiner Anordnung. Es endet im Falle eines binnen dieser Frist eingebrachten Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382b EO. mit der Zustellung der Entscheidung des Gerichts an den Antragsgegner, spätestens jedoch mit Ablauf des 20. Tages nach Anordnung des Betretungsverbotes. Von der Einbringung eines Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382b EO hat das Gericht die Sicherheitsbehörde unverzüglich in Kenntnis zu setzen.

 

Ein gefährlicher Angriff ist nach § 16 Abs. 2 SPG die Bedrohung eines Rechtsgutes durch die rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestandes einer gerichtlich strafbaren Handlung, die vorsätzlich begangen und nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten verfolgt wird, sofern es sich um einen Straftatbestand u.a. nach dem Strafgesetzbuch handelt. Das bloße Misshandeln (auch Schlagen) bildet eine gerichtlich strafbare Handlung nur, wenn es öffentlich oder von mehreren Leuten begangen wird (§ 115 StGB; da Privatanklagedelikt (§ 117 StGB) allerdings kein gefährlicher Angriff) oder eine fahrlässige Körperverletzung zur Folge hat (§ 83 Abs. 2 StGB; vgl. VwGH 21.12.2000, 2000/01/0003).

 

Aus der ärztlichen Bestätigung des Dr. A, vom 7. Juli 2004, geht hervor, das der Arzt eine Rötung im Schläfenbereich und eine Gesichtsprellung links festgestellt hat, die nach den Angaben des M P durch einen Schlag des Beschwerdeführers mit der Hand gegen seine linke Schläfenregion verursacht worden sein soll. Da auch der Beschwerdeführer eingestanden hat, M P geschlagen zu haben (wenn er auch letztlich bestritten hat, damit eine Verletzung verursacht zu haben), durften die Beamten durchaus davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer dem M P eine (leichte) Verletzung (vorsätzlich) zugefügt und damit einen gefährlichen Angriff im Sinn des § 16 Abs. 2 SPG gesetzt hat.

 

Aber selbst wenn von einem vorangegangenem gefährlichen Angriff ausgegangen werden konnte, ist eine Wegweisung und ein Betretungsverbot noch nicht zwingend auszusprechen. § 38a Abs. 1 SPG ermächtigt zur Wegweisung, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen, insbesondere wegen eines vorausgegangenen gefährlichen Angriffs anzunehmen ist, es stehe ein gefährlicher Angriff bevor. Die Tatsache, das unmittelbar vor oder im Zuge des polizeilichen Einschreitens ein gefährlicher Angriff stattgefunden hat, legitimiert allein noch nicht zur Wegweisung und zum Ausspruch eines Betretungsverbotes. Einem solchen vorangegangenen Angriff kommt jedoch eine wichtige, im Gesetz herausgestrichene Indizwirkung zu. Die Folge, dass wegen eines vorangegangenen gefährlichen Angriffs ein gefährlicher Angriff bevorsteht, wird vom Gesetz aber nicht vermutet, sondern ist eben vom einschreitenden Organ zu beurteilen. Dabei ist vom Wissenstand des Beamten im Zeitpunkt des Einschreitens auszugehen und zunächst zu fragen, ob er vertretbar annehmen konnte, dass ein gefährlicher Angriff erfolgt ist und ob ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit bevorsteht. Aufgrund des sich ihm bietenden Gesamtbildes muss mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein, dass ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit durch den Wegzuweisenden bevorstehe. Drohende "bloße" Belästigungen unter Schwelle eines gefährlichen Angriffs reichen daher nicht aus (vgl. VwGH 21.12.2000, 2000/01/0003).

 

Wie aus dem Gendarmeriebericht hervorgeht, hat der Beschwerdeführer zugegeben, M P mit einem zusammengerollten Papierbogen gegen die Schläfe geschlagen zu haben. Auf die nach den kurz wiedergegebenen Angaben des Beschwerdeführers im Raum stehende Provokation durch M P geht der Bericht nicht ein. Der Umstand, dass die Beamten den Zustand des M P bei der Schilderung des Vorfalles als weinerlich und zitternd bezeichneten, kann noch nicht als Hinweis auf einen bevorstehenden gefährlichen Angriff gewertet werden. Gleiches gilt für die Gendarmerieintervention am Vortag (dem 6. Juli 2004) nach einem Familienstreit, zumal dabei der Beschwerdeführer von M Paus dem Haus gesperrt wurde. Auch war es nicht M P, sondern der Beschwerdeführer, der am 6. Juli 2004 die Gendarmeriebeamten verständigte. Aus der Niederschrift mit M P vom 7. Juli 2004 ergeben sich ebenso keine konkreten Hinweise darauf, dass eine weitere Gefährdung durch den Beschwerdeführer unmittelbar drohte. Er schildert darin ein Alkoholproblem des Beschwerdeführers und den Streit am Abend des 6. Juli 2004 sowie den Schlag des Beschwerdeführers gegen seine linke Schläfe am 7. Juli 2004, dem eine wörtliche Auseinandersetzung voranging. Darüber hinaus schildert er bereits lange zurückliegende Vorfälle und erklärt sogar ausdrücklich, dass der Beschwerdeführer in letzter Zeit nicht mehr gewalttätig gewesen sei. Er habe auch keine Angst vor ihm (womit feststeht, dass der weinerliche und zitternde Zustand des M Pbei der Schilderung des Vorfalles jedenfalls nicht auf Furcht vor dem Beschwerdeführer zurückzuführen ist). Auch gegenüber E H sei er in der letzten Zeit nicht gewalttätig gewesen, er betreibe jedoch Psychoterror. Bei solcher Sachlage erscheint die Annnahme der Beamten, ein gefährlicher Angriff stehe unmittelbar bevor, nicht gerechtfertigt. Der Vorfall am Morgen des 7. Juli 2004 ist als Ausnahmeerscheinung anzusehen. Es waren allenfalls weitere Streitereien und Beschimpfungen, die - wie in der Vergangenheit - ohne gefährliche Angriffe iSd. § 16 SPG verlaufen, zu erwarten. Das Betretungsverbot verstößt somit gegen § 38a Abs. 1 und Abs. 2 SPG. Der vorliegenden Beschwerde war daher nach § 67c Abs.3 AVG statt zu geben und das Betretungsverbot - wie beantragt - für rechtswidrig zu erklären.

 

 

5. Bei diesem Verfahrensergebnis waren dem Beschwerdeführer nach § 79 a Abs.1, Abs. 2 und Abs. 4 Z.1 und 3 AVG iVm. § 1 Z. 1 der UVS-Aufwandersatzverordnung 2003, Kosten in Höhe von insgesamt 673,80 Euro (Gebühren: 13 Euro; Schriftsatzaufwand: 660,80 Euro) zuzusprechen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 € zu entrichten.

 

Mag.Dr. Wolfgang Steiner

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