Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-510014/3/Fra/Ka

Linz, 24.03.1995

VwSen-510014/3/Fra/Ka Linz, am 24. März 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 6. Kammer (Vorsitzende: Dr. Klempt, Berichter: Dr. Fragner, Beisitzer: Dr.Schieferer) über die Berufung der C A, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 2. Jänner 1995, Zl.VerkR-270129/2-1994/G, betreffend Ansuchen um Erteilung einer Bewilligung für die Errichtung einer Fahrschule für die Gruppen A-G, zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz verwiesen.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.2 iVm §§ 67a und 67d Abs.1 AVG.

Entscheidungsgründe:

1. Frau A, hat mit Eingabe vom 15.12.1994 an den Landeshauptmann von Oberösterreich um die Erteilung einer Bewilligung für die Errichtung einer Fahrschule für die Gruppen A bis G mit Standort in Oberösterreich angesucht.

Die Antragstellerin bringt vor, die Ausbildung eines deutschen Fahrlehrers für alle Fahrschulklassen zu besitzen.

Diese Ausbildung sei mit der Ausbildung für einen Fahrschulleiter in Österreich gleichwertig. Die Ausbildung habe sie im Verkehrsinstitut S absolviert. Unter Hinweis auf den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union und Anschluß der Schulabschlußzeugnisse in beglaubigter Form ersucht Frau A, ihrem Antrag stattzugeben.

2. Der Landeshauptmann von Oberösterreich lehnte diesen Antrag mit dem in der Präambel angeführten Bescheid ab.

Begründend führt die belangte Behörde aus, daß gemäß § 108 Abs.3 KFG 1967 die Errichtung einer Fahrschule der Bewilligung des Landeshauptmannes bedarf. Nach § 109 Abs.1 lit.e KFG 1967 dürfe eine Fahrschulbewilligung nur Personen erteilt werden, die das Diplom der Fakultät für Maschinenbau oder für Elektrotechnik einer österr. Technischen Universität besitzen oder die Reifeprüfung an einer österr.

Höheren technischen Lehranstalt, maschinen- oder elektrotechnischer Richtung erfolgreich bestanden haben. Die Antragstellerin erfülle die schulmäßigen Voraussetzungen des § 109 Abs.1 lit.e leg.cit. nicht. Da daher die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Fahrschulbewilligung nicht gegeben seien, war der Antrag abzuweisen, ohne das Vorliegen der weiteren Voraussetzungen für die Erteilung einer Fahrschulbewilligung prüfen zu müssen.

3. Dagegen richtet sich die fristgerecht durch den ausgewiesenen Vertreter bei der Erstbehörde eingebrachte Berufung. Der Landeshauptmann von Oberösterreich - als nunmehr belangte Behörde - sah sich zu einer Berufungsvorentscheidung nicht veranlaßt und legte das Rechtsmittel, ohne eine Gegenschrift zu erstatten, dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor.

Gemäß § 67a Abs.1 Z1 AVG entscheiden die unabhängigen Verwaltungssenate über Berufungen in Angelegenheiten, die ihnen durch die Verwaltungsvorschriften zugewiesen sind.

Gemäß § 123 Abs.1 3. Satz (in Kraft getreten durch die 16.

Kraftfahrgesetznovelle, BGBl.Nr.743/1994, mit Ablauf des 9.

September 1994) haben, wenn der Landeshauptmann in erster Instanz entscheidet, über dagegen eingebrachte Berufungen die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern zu entscheiden. Die Zuständigkeit des O.ö. Verwaltungssenates, über die gegenständliche Berufung zu entscheiden, ist somit in örtlicher und sachlicher Hinsicht gegeben. Die Kammerzuständigkeit gründet sich auf § 67a Abs.2 AVG.

4. Die Berufungswerberin (Bw) macht in ihrem Rechtsmittel Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und rügt, daß die Verwaltungsbehörde den Sachverhalt unvollständig erhoben habe. Ihr Ansuchen wurde mit dem Hinweis auf § 109 Abs.1 lit.e KFG 1967 abgewiesen. Die Behörde erster Instanz habe jedoch dabei völlig übersehen, daß gemäß § 109 Abs.2 KFG 1967 der Landeshauptmann von Oberösterreich die Erbringung des Nachweises über die erfolgreiche Absolvierung der in § 109 Abs.1 lit.e leg.cit. angeführten Schulen befreien kann, wenn der Antragsteller eine gleichwertige andere Schulausbildung genossen hat. Die Behörde erster Instanz hätte daher nach Verneinung der Voraussetzung des § 109 Abs.1 lit.e leg.cit. weitere Erhebungen durchführen müssen, um den Sachverhalt vollständig zu ermitteln. Nur dann wäre eine ordnungsgemäße rechtliche Beurteilung möglich gewesen.

Die Berufungswerberin weist darauf hin, seit 1986 in Neuhaus/Inn eine Fahrschule zu betreiben. Neuhaus/Inn ist die Grenzstadt zu Schärding. Durch ihre langjährige Erfahrung als Inhaberin einer Fahrschule bringe sie die praktischen Voraussetzungen mit. Zum Nachweis dafür legte die Bw in ihrem Rechtsmittel die Erlaubnisurkunde des Landratsamtes Passau vom 14.5.1986 vor. Die Gleichwertigkeit der Ausbildung sei aufgrund der Vollzugsklausel des § 136 Abs.1 lit.f und g KFG 1967 im Einvernehmen mit dem jeweils zuständigen Bundesministerium festzustellen. Der Landeshauptmann habe daher vor seiner Entscheidung die Stellungnahme der jeweils fachlich zuständigen Stellen einzuholen. Dies sei im gegenständlichen Fall unterblieben.

Der angefochtene Bescheid sei daher mit einer offensichtlichen Mangelhaftigkeit behaftet. Die Berufungswerberin stellt daher den Antrag an den unabhängigen Verwaltungssenat, ihrem Rechtsmittel stattzugeben und nach neuerlicher Durchführung des Ermittlungsverfahrens den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, daß ihr die Bewilligung für die Errichtung einer Fahrschule für die Gruppen A bis G erteilt wird; in eventu den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen. Wie unten näher ausgeführt, war dem Eventualantrag stattzugeben.

5. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

5.1. Zur Geltung und Anwendbarkeit des Rechts der Europäischen Union:

5.1.1. Mit einer Volksabstimmung am 12.6.1994 ermächtigte das Bundesvolk die bundesverfassungsgesetzlich zuständigen Organe, den Staatsvertrag über den Beitritt Österreichs zur EU abzuschließen (BVG über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union, BGBl.Nr.744/1994). Mit 1.1.1995 ist die Republik Österreich der Europäischen Union beigetreten (EU-Beitrittsvertrag BGBl.Nr.45/1995). Da die Berufungswerberin Staatsbürgerin des EG-Gründungsmitgliedstaates Bundesrepublik Deutschland und somit Unionsbürgerin ist, und es sich hier um einen wirtschaftlich relevanten Sachverhalt handelt, war zunächst zu prüfen, inwieweit EG-Recht zur Anwendung kommt bzw überhaupt in der österreichischen Rechtsordnung unmittelbar gilt.

5.1.2. Im Beitrittsvertrag hatte sich Österreich verpflichtet, das gesamte zum Zeitpunkt der Wirksamkeit des Beitritts geltende Gemeinschaftsrecht (Acquis communautaire) zu übernehmen. Die wesentlichen Charakteristika jenes spezifischen Systems der supranationalen Rechtsetzung und Rechtskontrolle, das in den Gemeinschaftsverträgen grundgelegt ist und in der Rechtsprechung des Gerichtshofes der europäischen Gemeinschaften (EuGH) maßgeblich fortentwickelt wurde, liegen in der unmittelbaren Wirkung des Gemeinschaftsrechtes (das durch Gemeinschaftsorgane geschaffene Recht gilt für jeden Mitgliedstaat und in jedem Mitgliedstaat unmittelbar, also ohne Dazwischentreten einer nationalen Rechtssetzungsinstanz), im Vorrang des Gemeinschaftsrechts (Gemeinschaftsrecht geht dem nationalen Recht, und zwar auch dem nationalen Verfassungsrecht im Konfliktfall vor), und im EuGH (dieser kontrolliert die Rechtmäßigkeit der Handlungen von Gemeinschaftsorganen sowie die Einhaltung der gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen durch die Mitgliedstaaten). Aus diesen gravierenden verfassungsrechtlichen Änderungen hat auch der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes in seinem Gutachten vom 28.9.1988, GZ.671.171/87-V/5/88, die Auffassung vertreten, daß wegen einer damit bewirkten Gesamtänderung der Bundesverfassung eine Volksabstimmung notwendig ist.

Im Gegensatz zu einigen EG-Gründungsmitgliedstaaten ist wegen des österreichischen EU-Beitrittes am Vorrang des Gemeinschaftsrechts auch vor nationalem Verfassungsrecht deshalb nicht zu zweifeln, weil die Rechtsprechung des EuGH jedenfalls zum relevanten "Acquis" zählt; jede diesbezügliche Einschränkung hätte einer ausdrücklichen Regelung im Beitrittsvertrag bedurft (vgl. Gerhart Holzinger, Gravierende verfassungsrechtliche Änderungen im Zusammenhang mit einem österreichichen EG-Beitritt, JBL 1993/1 S.2ff). Es ist somit festzuhalten, daß nach der Rechtsprechung des EuGH das Gemeinschaftsrecht unmittelbar in den Mitgliedstaaten gilt, ohne daß es einer Transformation in staatliches Recht bedürfte:

Gemeinschaftsrecht "gilt" in Österreich nicht anders als Bundesrecht in einem Land gilt (Öhlinger, Verfassungsrecht II, Grundrechte - Europäische Integration, S.115 f).

5.1.3. Wie soeben festgestellt, hat das gesamte - primäre wie sekundäre - Gemeinschaftsrecht nach der Rechtsprechung des EuGH Vorrang vor dem staatlichen Recht einschließlich des Verfassungsrechts (Costa/ENEL, Slg.1964, 1251).

Der Vorrang des Gemeinschaftsrechts wurde vom EuGH näher präzisiert als Anwendungsvorrang (Simmenthal II, Slg.1978, 629): Dem Gemeinschaftsrecht widersprechendes nationales Recht wird nicht aufgehoben und tritt nicht automatisch außer Kraft, es darf aber im Konfliktfall nicht angewendet werden. Dies ist von jedem in Betracht kommenden staatlichen Organ - Gerichten und Verwaltungsorganen - selbständig zu beurteilen: jedes rechtsanwendende Organ hat österr. Recht am Maßstab des Gemeinschaftsrechts zu prüfen und darf es bei festgestellter Gemeinschaftsrechtswidrigkeit nicht anwenden (Inzidentzuständigkeit aller staatlicher Behörden; vgl. dazu Öhlinger, a.a.O.).

5.1.4. Im gegenständlichen Fall steht fest, daß sich die belangte Behörde in keiner Weise in irgendeiner Hinsicht mit dem Gemeinschaftsrecht auseinandergesetzt hätte.

5.2. Anwendung des Niederlassungsrechts Es ist nunmehr zu prüfen, ob der vorliegende Sachverhalt nicht von der bereits im Vertrag zur Gründung der europäischen Gemeinschaft (im folgenden: EGV) normierten Niederlassungsfreiheit oder allenfalls der Dienstleistungsfreiheit umfaßt ist (wird).

5.2.1. Das Niederlassungsrecht ist in den Artikeln 52 ff des EGV, die Dienstleistungsfreiheit in den Artikeln 59 ff des EGV geregelt. Der EGV enthält weder eine Definition der Niederlassungsfreiheit noch der Dienstleistungsfreiheit.

Gemäß Artikel 60 Abs.3 EGV umfaßt die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs die Freiheit des Leistenden, seine Tätigkeit nach dem Grundsatz der Inländergleichbehandlung v o r ü b e r g e h e n d in dem Staat auszuüben, in dem die Leistung erbracht wird. Unter die gemeinschaftsrechtliche Dienstleistungsfreiheit fallen also zeitlich begrenzte (vorübergehend), in grenzüberschreitender Weise, gegen Entgelt erbrachte Leistungen. Gemäß Art.52 Abs.1 EGV gilt die Niederlassungsfreiheit für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten, unabhängig davon, wo sie ansässig sind. Gemäß Art.52 Abs.2 EGV umfaßt die Niederlassungsfreiheit vorbehaltlich des Kapitels über den Kapitalverkehr die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen, insbesondere von Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Abs.2, nach den Bestimmungen des Aufnahmestaates für seine eigenen Angehörigen. Die beantragte Tätigkeit der Berufungswerberin fällt daher nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates eindeutig in den Bereich des Niederlassungsrechtes nach Art.52 ff EGV.

5.2.2. Die Niederlassungsfreiheit (Art.52 bis 58) gehört zu den vier Grundfreiheiten (Freizügigkeit der Arbeitnehmer, Freiheit des Dienstleistungsverkehrs und Freiheit des Kapitalverkehrs) des EGV. Der Europäische Gerichtshof (im folgenden: EuGH) hat in diesem Zusammenhang wiederholt ausgesprochen (vgl. Rs.2/74, Reyners/Belgien, Rspr.1974, S.631 ff), daß die Bestimmungen über die Niederlassungsfreiheit nach Art.52 ff EGV seit dem Ende der Übergangsperiode, also seit dem 1. Jänner 1970 u n m i t t e l b a r a n w e n d b a r s i n d .

5.2.3. Allerdings ist zu prüfen, ob die beantragte Tätigkeit von der Niederlassungsfreiheit ausgenommen ist. Gemäß Art.55 Abs.1 iVm Art.66 EGV sind nämlich Tätigkeiten ausgenommen, die in einem Mitgliedstaat dauernd oder zeitweise mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind. Außerdem sind gemäß Art.56 Abs.1 EGV Sonderregelungen für Ausländer erlaubt, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit die Niederlassungsfreiheit beschränken. Im gegenständlichen Fall liegt jedoch keiner der erwähnten Tatbestände vor. Darüber hinaus kann der Rat gemäß Art.55 Abs.2 EGV bestimmte Tätigkeiten von der Anwendung der Rechtsvorschriften über die Niederlassungsfreiheit ausnehmen. Bisher hat der Rat jedoch von dieser Ermächtigung noch nicht Gebrauch gemacht, weshalb auch diesbezüglich keine Ausnahme vorliegen kann.

5.2.4. Von entscheidender Bedeutung für den ggst. Fall können allerdings Richtlinien sein, wobei man inhaltlich zwischen den allgemeinen Richtlinien betreffend die Aufhebung der Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen zum Zwecke der Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit sowie speziellen Richtlinien betreffend die Angleichung des Berufszulassungs- und Ausübungsrechts unterscheiden kann. Zum gegenständlichen Fall existiert noch keinerlei Richtlinie (Fahrschul-Richtlinie). Was die Judikatur des EuGH anlangt, so ist festzustellen, daß es bereits vereinzelt Entscheidungen gibt, die - allerdings nur in Teilbereichen für den vorliegenden Fall interessant sind:

5.2.5. Im Fall Ordre des avocats au barreau de Paris/Klopp, Rs.107/83, Rspr.1984, S.2971, hat der EuGH ausgesprochen, daß es dem Begriff der Niederlassungsfreiheit immanent ist, daß sich jemand in einem anderen Staat niederlassen darf, auch unter Beibehaltung seines Standortes im Herkunftsland (es ging hier um einen Fall eines Rechtsanwaltes, der in Düsseldorf seine Kanzlei hatte und in Frankreich eine [zweite] Rechtsanwaltskanzlei eröffnen wollte); allerdings hatte er alle erforderlichen französischen Diplome; er wurde von Frankreich deshalb abgelehnt, weil nach französischem Recht ein Rechtsanwalt nur eine Kanzlei betreiben dürfe.

Dies ist aber für das Gemeinschaftsrecht unerheblich.

5.2.6. Im Falle Reyners/Belgien, Rs.2/74, ging es darum, daß ein niederländischer Rechtsanwalt, der ebenfalls in Belgien studiert hatte und deshalb die entsprechenden belgischen Diplome besaß, von den belgischen Behörden nicht zugelassen wurde; auch hier hat der EuGH die Nichtzulassung als unzulässige Diskriminierung erklärt.

6. Von entscheidender Bedeutung sind die sogenannten Anerkennungs- und Koordinierungsrichtlinien:

6.1. Bei der Verwirklichung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit im Bereich von Handel, Handwerk, Industrie und Landwirtschaft wurden die in den allgemeinen Programmen vorgegebenen Zeitpläne weitgehend eingehalten; dies insbesondere durch Übergangsregelungen, die, unter Verzicht auf inhaltliche Angleichung der Ausbildungsordnungen, während einer bestimmten Zeit ausgeübte praktische Berufstätigkeit als Ersatz für einen Befähigungsnachweis im Aufnahmeland anerkannten. Da die Bw über einen längeren Zeitraum eine entsprechende praktische Berufstätigkeit ausgeübt hat, könnte man nun zur Auffassung gelangen, daß auch hier unter Verzicht auf inhaltliche Angleichung der Ausbildungsnormen, dh im konkreten Fall nach § 109 Abs.1 lit.e KFG 1967 ihre praktische Berufstätigkeit einen Ersatz darstellen könnte, sodaß die Berufungswerberin berechtigt wäre, auch in Österreich eine Fahrschule zu führen. Im Gegensatz zu den Bereichen Handel, Handwerker und Industrie etc gibt es jedoch für den Bereich Fahrschulen der unter dem Verkehrsbereich zu subsumieren ist - keine entsprechende Richtlinie.

6.2. Da die Bw kein Diplom im eigentlichen Sinne innehat, fällt auch der Bereich der wechselseitigen Anerkennung der Diplome im gegenständlichen Fall weg (Richtlinie zur Anerkennung der Hochschuldiplome Nr.89/48/EWG).

6.3. Im gegenständlichen Fall von entscheidender Bedeutung ist nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich die Richtlinie Nr.92/51/EWG vom 18.

Juni 1992 über eine zweite allgemeine Regelung zur Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise (ABl.1992, Nr.L209, S.25ff).

6.3.1. Danach ist für alle Gemeinschaftsbürger vorgesehen, daß die in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen Qualifikationen von einem Aufnahmestaat, in dem eine bestimmte berufliche Tätigkeit reglementiert ist, anerkannt oder berücksichtigt werden. Erfaßt werden davon alle Gemeinschaftsangehörigen, die einen berufsqualifizierenden Abschluß eines kurzen Studienganges oder eine Sekundarschulausbildung vorweisen können sowie bestimmte Personen, die zwar kein Diplom besitzen, aber über eine einschlägige Berufserfahrung verfügen (wie im gegenständlichen Fall). Die Tatsache, daß für einzelne Berufe spezifische Richtlinien betreffend die Harmonisierung der Berufsausübungs- und Zulassungsregeln fehlen und diese Berufe auch nicht der allgemeinen Hochschuldiplomrichtlinie unterfallen, berechtigt Mitgliedstaaten aber nicht, Angehörigen dieser Berufssparten die Ausübung ihres Berufes zu verbieten (Art.5 RL 92/51/EWG). Im Hinblick auf die unmittelbare Anwendbarkeit der Art.52 und Art.59 EGV sind die Mitgliedstaaten nach der Judikatur des EuGH (zB Rs.11/77 Patrick/Minister für kulturelle Angelegenheiten, Rechtsprechung 1977, S.1199 ff ua) nämlich verpflichtet, auch bei Fehlen spezifischer Richtlinien, das von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellte Diplom (Befähigungsnachweis) auf seine Gleichwertigkeit mit dem innerstaatlichen Diplom zu prüfen und gegebenenfalls als gleichwertig anzuerkennen (Äquivalenzprüfung).

6.3.2. Da sich somit die erwähnte Richtlinie auf vollausgebildete Personen bezieht (und nicht auf Lehrgänge, Titel, Diplome etc), war es nach Auffassung des O.ö.

Verwaltungssenates unzulässig, die Berufungswerberin lediglich nach dem formalen Kriterium des Erfüllens der Voraussetzungen nach österreichischem Recht (§ 109 Abs.1 lit.e KFG 1967) summarisch zu prüfen, da die Bw gerade für diesen Beruf in der BRD zugelassen ist und diesen auch seit Jahren ausübt. Die Erstbehörde hätte somit eine Gleichwertigkeitsprüfung durchführen müssen und keinesfalls war sie berechtigt, der Berufungswerberin die Ausübung ihres Berufes in Österreich pauschal abzulehnen.

6.3.3. Dies ist folgendermaßen zu begründen:

Der EuGH hat in der Rechtssache C-340/89 (Vlassopoulou), Urteil vom 7.5.1991; Slg.1991, S.I-2357, ausgesprochen, daß nationale Qualifikationsvoraussetzungen, selbst wenn sie ohne Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit angewandt werden, sich dahin auswirken können, daß sie die Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten in der Ausübung des ihnen durch Art.52 EGV gewährleisteten Niederlassungsrechts beeinträchtigen. Dies kann der Fall sein, wenn die fraglichen nationalen Vorschriften die von dem Betroffenen in einem anderen Mitgliedstaat bereits erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten unberücksichtigt lassen.

Ein Mitgliedstaat, bei dem die Zulassung zu einem Beruf beantragt worden ist, dessen Aufnahme nach nationalem Recht vom Besitz eines Diploms oder einer beruflichen Qualifikation abhängt, hat somit die Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise, die der Betroffene erworben hat, um den gleichen Beruf in einem anderen Mitgliedstaat auszuüben, in der Weise zu berücksichtigen, daß er die durch diese Diplome bescheinigten Fachkenntnisse mit den nach nationalem Recht vorgeschriebenen Kenntnissen und Fähigkeiten vergleicht.

Im Rahmen dieser Prüfung kann ein Mitgliedstaat jedoch objektiven Unterschieden Rechnung tragen, die sowohl hinsichtlich des im Herkunftsmitgliedstaat für den fraglichen Beruf bestehenden rechtlichen Rahmens als auch hinsichtlich des Tätigkeitsbereichs dieses Berufs vorhanden sind. Führt diese vergleichende Prüfung zu der Feststellung, daß die durch den ausländischen Befähigungsnachweis bescheinigten Kenntnisse und Fähigkeiten den nach den nationalen Rechtsvorschriften verlangten entsprechen, so hat der Mitgliedstaat anzuerkennen, daß dieser Befähigungsnachweis die in diesen Vorschriften aufgestellten Voraussetzungen erfüllt. Ergibt der Vergleich hingegen, daß diese Kenntnisse und Fähigkeiten einander nur teilweise entsprechen, so kann der Aufnahmemitgliedstaat von dem Betroffenen den Nachweis, daß er die fehlenden Kenntnisse und Fähigkeiten erworben hat, verlangen. Insoweit müssen die zuständigen nationalen Behörden beurteilen, ob die im Aufnahmemitgliedstaat im Rahmen eines Studienganges oder praktischer Erfahrung erworbenen Kenntnisse für den Nachweis des Erwerbs der fehlenden Kenntnisse ausreichen.

6.4. Im gegenständlichen Zusammenhang ist auch die schriftliche Anfrage vom 22.12.1987, Nr.1928/87, von Frau Anne André (LDR-B) an die Kommission der Europäischen Gemeinschaften betreffend "Die Fahrschulen und die für 1992 vorgesehene Vollendung des großen Binnenmarktes" von Interesse. Die Anfrage lautet: "In Belgien erfolgt die Zulassung von Fahrschulen durch den Staat. Werden die Fahrschulen im Anschluß an die Verwirklichung des für 1992 vorgesehenen großen Binnenmarktes der Konkurrenz ausländischer Fahrschulen, die sich dann auf belgischem Gebiet niederlassen, ausgesetzt sein?" Die Antwort von Lord Cockfield im Namen der Kommission vom 16.3.1988 lautet wie folgt: "Artikel 52 des EWG-Vertrages, der seit dem Ende der Übergangszeit, also seit dem 1. Januar 1970 (bei einem früheren Beitritt seit deren Datum), unmittelbar anwendbar ist, ermöglicht es jedem Bürger eines Mitgliedstaats, sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats niederzulassen, um dort "nach den Bestimmungen des Aufnahmestaats für seine eigenen Angehörigen" eine Fahrschule zu eröffnen und zu leiten. Es trifft zu, daß kein gemeinschaftlicher Rechtsakt verabschiedet worden ist, um die tatsächliche Ausübung des Niederlassungsrechts insbesondere dadurch zu erleichtern, daß diejenigen Mitgliedstaaten, die als Voraussetzung für den Zugang zu der betreffenden Tätigkeit einen förmlichen Nachweis der beruflichen Eignung verlangen, dazu verpflichtet werden, einen in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen ähnlichen Befähigungsnachweis anzuerkennen. Eine Angleichung der Ausbildung und eine spezifische gegenseitige Anerkennung der Befähigungsnachweise in dem betreffenden Bereich wurden im Weißbuch über die Vollendung des Binnenmarktes bis zum 31.

Dezember 1992 auch nicht vorgesehen. Der Gerichtshof hat aber durch seine Rechtsprechung die Strenge des Grundsatzes der Inländerbehandlung ein wenig gemildert. Aus dem Urteil vom 15. Oktober 1987 in der Rechtssache 222/86 (Heylens) läßt sich nämlich ableiten, daß ein Aufnahmestaat verpflichtet ist zu beurteilen, inwieweit ein in einem anderen Mitgliedstaat ausgestelltes Diplom bescheinigt, daß dessen Inhaber über - gleichartige oder doch zumindest gleichwertige - Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, wie der Inhaber eines inländischen Diploms. Nach Ansicht der Kommission sind die belgischen Behörden daher verpflichtet, einen von einem europäischen Bürger in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen förmlichen Befähigungsnachweis, der in letzterem zur Eröffnung und Leitung einer Fahrschule berechtigt, ganz oder teilweise zu berücksichtigen" (veröffentlicht im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr.L289/1988).

6.5. Zusammenfassend ist daher festzustellen, daß die belangte Behörde die oa Gleichwertigkeitsüberprüfung durchzuführen hat: Der EuGH hat - siehe oben - in seinem Urteil vom 15. Oktober 1987 in der Rechtssache 222/86 (Heylens) darauf hingewiesen, daß die Prüfung, ob die durch das ausländische Diplom bescheinigten Kenntnisse und Fähigkeiten den nach dem Recht des Aufnahmemitgliedstaates vorgeschriebenen entsprechen, von den nationalen Behörden nach einem Verfahren vorgenommen werden muß, das mit den Erfordernissen des Gemeinschaftsrechts in bezug auf den effektiven Schutz der den Gemeinschaftsangehörigen vom Vertrag verliehenen Grundrechte in Einklang steht. Deshalb muß jede Entscheidung gerichtlich auf ihre Rechtmäßigkeit im Hinblick auf das Gemeinschaftsrecht überprüft werden und der Betroffene von den Gründen Kenntnis erhalten können, auf denen die ihm gegenüber getragene Entscheidung beruht.

6.6. Würde daher diese (Gleichwertigkeits-) Prüfung der unabhängige Verwaltungssenat vornehmen, würde der Berufungswerberin der vom EuGH geforderte gerichtliche Rechtsschutz insofern entzogen werden, als der (gemäß Art.130 und 131 B-VG zur allfälligen Überprüfung zuständige) Verwaltungsgerichtshof - im Gegensatz zum unabhängigen Verwaltungssenat (vgl. Art. 129a B-VG iVm §§ 67a ff AVG) im wesentlichen "nur" als Revisionsinstanz (§ 41 Abs.1 VwGG) und nicht als Tatsacheninstanz eingerichtet ist. Daß diese beschränkte Kontrollbefugnis des VwGH verfassungs- und völkerrechtliche Bedenken angesichts Art.6 MRK hervorruft, wurde schon wiederholt aufgezeigt (vgl.zB Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, S.31 ff). Dazu kommt, daß die EG-Organe für den Bereich der Anwendung von EG-Recht durch innerstaatliche Behörden von einem ähnlich weiten Begriff der "civil rights" bzw "droits de caractère civil" ausgehen wie die Europäischen Instanzen in Straßburg (ist nunmehr offenkundig). Es war daher zwingend anzunehmen, daß die Gleichwertigkeitsprüfung von der Behörde durchzuführen ist, sodaß für die Berufungswerberin eine allfällige (umfassende) Prüfungsmöglichkeit durch den unabhängigen Verwaltungssenat gewahrt bleibt.

7. Die belangte Behörde hat weder eine Gleichwertigkeitsprüfung im Sinne des Vorbringens der Bw vorgenommen noch geprüft, ob die Bw aufgrund des Europäischen Gemeinschaftsrechts einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Bewilligung hat. Aufgrund der oben dargestellten Erwägungen erscheint es unvermeidlich, die gebotene Prüfung durchzuführen und nach dem Ergebnis dieses Prüfungsverfahrens eine neuerliche Sachentscheidung zu treffen. Es war daher im Sinne des Eventualantrages der Berufungswerberin spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. K l e m p t

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