Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-520008/27/Gf/Km

Linz, 06.08.1998

VwSen-520008/27/Gf/Km Linz, am 6. August 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 7. Kammer unter dem Vorsitz von Mag. Gallnbrunner, den Berichter Dr. Grof und den Beisitzer Dr. Konrath über die Berufung des J K, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 20. Oktober 1997, Zl. VerkR-392776/6-1997/Si, wegen Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs. 4 AVG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Einer Anzeige des GPK Grein vom 28. November 1996, Zl. P-1134/96/Har, zufolge ist der Beschwerdeführer - nachdem seine Ehegattin am 19. November 1996 um 23.55 Uhr behauptet hatte, er sei soeben alkoholisiert mit seinem PKW weggefahren - am 20. November 1996 auf dem Gendarmerieposten zur Durchführung eines Atemalkoholtestes aufgefordert worden; diesen habe er jedoch mit der Begründung, einerseits "auf keinen Fall mit dem PKW gefahren" zu sein und andererseits deshalb, weil sich das zu erwartende Ergebnis negativ auf das anhängige Scheidungsverfahren auswirken könnte, verweigert.

1.1.1. § 5 Abs. 2 der zuvor letztmals durch BGBl.Nr. 201/1996 geänderten Straßenverkehrsordnung, BGBl.Nr. 159/1960 (im folgenden: StVO), hatte damals folgenden Wortlaut:

"Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht sind berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Sie sind außerdem berechtigt, die Atemluft von Personen, die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand 1. ein Fahrzeug gelenkt zu haben oder 2. als Fußgänger einen Verkehrsunfall verursacht zu haben, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen." 1.1.2. Und § 99 Abs. 1 lit. b StVO lautete:

"Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 8.000 S bis 50.000 S, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von einer bis sechs Wochen zu bestrafen, a) ..... b) wer sich bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen oder sich vorführen zu lassen oder sich bei Vorliegen der bezeichneten Voraussetzungen nicht der ärztlichen Untersuchung unterzieht, c) ....." 1.2. Aufgrund dieser Anzeige des GPK Grein hat der Bezirkshauptmann von Braunau dem Rechtsmittelwerber mit seinem auf § 57 Abs. 1 AVG gestützten Bescheid vom 2. Jänner 1997, Zl. VerkR21-8-1997/BR, die Lenkerberechtigung für die Gruppe B für die Dauer von 12 Monaten vorübergehend entzogen und ihm für denselben Zeitraum das Lenken von Motorfahrrädern verboten.

1.2.1. § 74 Abs. 1 des zuvor letztmals durch BGBl.Nr. 258/1995 geänderten Kraftfahrgesetzes, BGBl.Nr. 267/1967 (im folgenden: KFG), lautete:

"Die Lenkerberechtigung ist vorübergehend zu entziehen, wenn ihr Besitzer nicht mehr im Sinne des § 66 verkehrszuverlässig, nicht mehr geistig oder körperlich geeignet oder nicht mehr fachlich befähigt ist, ein Kraftfahrzeug zu lenken, und anzunehmen ist, daß nach Ablauf von nicht mehr als 18 Monaten die Gründe für die Entziehung nicht mehr gegeben sind. Hiebei finden die Bestimmungen des § 73 sinngemäß Anwendung." 1.2.2. Dabei bestimmten die Absätze 2 und 3 des § 73 KFG:

"(2) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welche Zeit keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf. Diese Zeit ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen und darf bei Personen, die nicht verkehrszuverlässig sind, unbeschadet des Abs. 3 nicht kürzer als drei Monate sein. Bei der Entziehung nach § 75 Abs. 2b ist die Zeit mit drei Monaten festzusetzen.

.....

(3) Im Falle der erstmaligen Begehung einer Übertretung im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. e, sofern die Person bei Begehung dieser Übertretung nicht einen Verkehrsunfall verschuldet hat, ist die in Abs. 2 angeführte Zeit mit vier Wochen festzusetzen. Dies gilt auch hinsichtlich einer neuerlichen Begehung einer Übertretung im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. e, jedoch nur, wenn die Strafe einer früheren derartigen Übertretung im Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens in erster Instanz getilgt ist. Bei der erstmaligen Begehung einer Übertretung im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. i, sofern die Übertretung nicht unter besonders gefährlichen Verhältnissen oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern begangen worden ist, ist die im Abs. 2 angeführte Zeit mit zwei Wochen, bei der zweiten Begehung einer solchen Übertretung mit sechs Wochen festzusetzen; eine Entziehung der Lenkerberechtigung auf Grund des § 66 Abs. 2 lit. i darf erst ausgesprochen werden, wenn das Strafverfahren wegen der Geschwindigkeitsübertretung in erster Instanz durch Strafbescheid abgeschlossen ist." 1.2.3. Und § 66 Abs. 1 lit. a einerseits und Abs. 2 e KFG andererseits lauteten:

"(1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 2) und ihrer Wertung (Abs. 3) angenommen werden muß, daß sie auf Grund ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen der in Betracht kommenden Gruppe a) die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder b) .....

(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand a) ..... ..... e) ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen hat, auch wenn die Tat nach § 83 SPG zu beurteilen ist, ....." 1.3. Gegen diesen ihm am 8. Jänner 1997 zugestellten Mandatsbescheid hat der Beschwerdeführer am 22. Jänner 1997 - und sohin rechtzeitig - Vorstellung erhoben.

1.4. Da über diese in der Folge von der Erstbehörde entgegen § 75 Abs. 5 KFG nicht innerhalb von drei Monaten entschieden wurde, hat der Rechtsmittelwerber (erst) am 25. Juli 1997 beim Landeshauptmann von Oberösterreich einen Devolutionsantrag eingebracht.

Dieser wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 21. August 1997, Zl. VerkR-392776/2-1997/Si, abgewiesen. Der dagegen erhobenen Berufung wurde vom Oö. Verwaltungssenat mit Erkenntnis vom 1. Oktober 1997, Zl. VwSen-600007/4/Gf/Km, stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

1.5. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Braunau a.I. vom 9. September 1997, Zl. VerkR21-8-1997/BR, wurde der Vorstellung insofern stattgegeben, als die Entzugsdauer von zwölf auf neun Monate, nämlich bis zum 8. Oktober 1997, herabgesetzt wurde.

Dagegen hat der Beschwerdeführer rechtzeitig Berufung erhoben.

1.6. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 17. Oktober 1997, Zl. VerkR-392776/5-1997/Si, wurde der Berufung stattgegeben und der angefochtene Bescheid wegen Unzuständigkeit der Erstbehörde aufgehoben.

1.7. Mit weiterem Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 20. Oktober 1997, Zl. VerkR-392776/6-1997/Si, wurde sodann der Vorstellung des Rechtsmittelwerbers vom 22. Jänner 1997 insofern teilweise stattgegeben, als die Entzugsdauer und das Verbot des Lenkens von Motorfahrrädern jeweils von zwölf auf neun Monate, das war bis zum 8. Oktober 1997, herabgesetzt wurde.

Dagegen hat der Beschwerdeführer rechtzeitig Berufung erhoben.

1.8. Mit Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates vom 22. Dezember 1997, Zl. VwSen-520008/4/Gf/Km, wurde dieser Berufung stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

1.8.1. Während die übrigen gegenständlich relevanten Bestimmungen der StVO und des KFG unverändert blieben, wurde dessen § 66 mit der 19. KFG-Novelle, BGBl.Nr. I 103/1997, insofern abgeändert, als Abs. 2 lit. e folgenden - gemäß § 41 Abs. 1 des am 31. Oktober 1997 in Kraft getretenen Führerscheingesetzes, BGBl.Nr. I 120/1997, im vorliegenden Fall noch immer maßgeblichen - Wortlaut erhielt:

"e) ein Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei entweder eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1, Abs. 1a oder Abs. 1b StVO, auch wenn die Tat nach § 83 SPG zu beurteilen ist, oder eine strafbare Handlung gemäß den §§ 80, 81 und 88 StGB begangen hat," Damit wurde nicht nur dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 5. Dezember 1996, G 9/96 ua, Rechnung getragen (vgl. die E zur RV, 712 BlgStenProtNR, 20. GP), sondern - wie der damals noch völlig ins Leere gehende Verweis auf "Abs. 1a oder Abs. 1b" belegt - auch auf ein damals bereits als "20. StVO-Novelle" intendiertes (vgl. 713 [RV] und 823 [AB] BlgStenProtNR, 20. GP), in der Folge allerdings tatsächlich erst mit BGBl.Nr. I 92/1998 als "20. Straßenverkehrsordnungs-Novelle" (1225 [AB] BlgStenProtNR, 20. GP) beschlossenes Gesetzesvorhaben Bezug genommen.

1.8.2. In der Begründung seiner Entscheidung ging der Oö. Verwaltungssenat davon aus, daß einerseits der bloße Verdacht des Vorliegens einer Übertretung des § 5 Abs. 2 StVO eine auf § 66 Abs. 2 lit. e KFG gestützte Entziehung der Lenkerberechtigung nicht zu tragen vermag, sondern diese vielmehr bereits im Wege eines erstinstanzlichen Strafbescheides erwiesen sein muß; andererseits lag auch die in § 57 Abs. 1 AVG geforderte "Gefahr im Verzug" nicht - jedenfalls nicht während der gesamten Entzugsdauer - vor.

1.8.3. Dagegen hat der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben.

1.9. Der Verwaltungsgerichtshof hat dieser mit Erkenntnis vom 19. Mai 1998, Zl. 98/11/0057, stattgegeben und den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

1.9.1. Begründend wird darin im wesentlichen ausgeführt, daß die Administrativbehörden sowohl im Mandatsbescheid als auch in dem über die Vorstellung ergangenen Bescheid ohnehin jeweils das Vorliegen einer Übertretung des § 5 Abs. 2 StVO als erwiesen angenommen haben, während es hingegen nicht darauf ankommt, daß auch bereits eine entsprechende Entscheidung der Strafbehörde vorliegen muß. An diese - wenngleich ho. nicht geteilte - Rechtsansicht ist der Oö. Verwaltungssenat bei der Erlassung des nunmehrigen Ersatzbescheides gemäß § 63 Abs. 1 VwGG gebunden.

1.9.2. Im übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß auch dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - die mit Mandatsbescheid festgesetzte Entziehungszeit bereits abgelaufen ist, die Berufungsbehörde in Ausübung der ihr zukommenden Kontrollfunktion die Rechtmäßigkeit der von der Erstbehörde verfügten Entziehungsmaßnahme zu beurteilen hat.

Der gemäß Art. 129a Abs. 1 B-VG außerhalb des administrativen Instanzenzuges stehende Oö. Verwaltungssenat hat daher seiner Entscheidung grundsätzlich jene Sach- und Rechtslage zugrunde zu legen, wie sie im Zeitpunkt der Entscheidung der Administrativbehörden - hier: der Erlassung des angefochtenen Bescheides (20. Oktober 1997) - gegeben waren; weil er aber - anders als der Verwaltungsgerichtshof - nicht bloß eine kassatorische, sondern gemäß Art. 129 B-VG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG eine reformatorische Entscheidung zu treffen hat, sind diesbezügliche, in der Folge eintretende Änderungen - hier: die 19. KFG-Novelle, BGBl.Nr. I 103/1997 (die - weil die in Art. I Z. 57 enthaltene inhaltsleere Anordnung "xx.xxxxxxxx" tatsächlich "nicht ausdrücklich anderes bestimmt", gemäß Art. 49 Abs. 1 B-VG wohl am 22. Juli 1998 in Kraft getretene - 20. StVO-Novelle, BGBl.Nr. I 92/1998, brachte für den vorliegenden Fall nur insoweit relevante Änderungen, als einerseits der Strafrahmen in § 99 Abs. 1 StVO von 8.000 S bis 50.000 S auf 16.000 S bis 80.000 S hinaufgesetzt wurde und andererseits nunmehr der in § 66 Abs. 2 lit. e KFG enthaltene Verweis auf § 99 Abs. 1a und 1b erst seinen Sinn erhält) - entsprechend zu berücksichtigen.

1.9.3. Und schließlich hat der Verwaltungsgerichtshof festgestellt, daß zu der Frage, ob die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 AVG - "Gefahr im Verzug" - vorlagen, keine Ermittlungen durchgeführt wurden.

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat daher zu dieser Frage am 24. Juli 1998 eine öffentliche Verhandlung durchgeführt, zu der als Parteien der Berufungswerber und Mag. U S (für den Landeshauptmann von Oberösterreich als belangte Behörde) sowie als Zeugen die Gattin des Berufungswerbers, E K, und der den verfahrensgegenständlichen Mandatsbescheid erlassen habende Bedienstete des Bezirkshauptmannes von Braunau a.I., OAR J S, erschienen sind.

3. Im Zuge dieser Beweisaufnahme wurde folgender entscheidungswesentliche Sachverhalt festgestellt:

3.1. Beide Ehegatten ließen unbestritten, daß sie seit dem Jahr 1994 in Scheidung leben und sich seither zwischen ihnen ein wechselseitiges Ablehnungsverhältnis ("Rosenkrieg", "Scheidungskrieg") entwickelt hat. Dementsprechend emotionell waren auch ihre Zeugenaussagen, wobei die Tendenz, jeweils gleichsam "dem anderen die Schuld zuzuschieben" und "wennmöglich etwas anhängen zu können" nicht zu verkennen war.

3.2. Davon ausgehend und auf das Entscheidungswesentliche reduziert kommt der Oö. Verwaltungssenat zu der Auffassung, daß die Lenkereigenschaft des Beschwerdeführers nicht mit Gewißheit erwiesen werden konnte. Im diesbezüglichen Teil ihrer Aussage konnte nämlich die Gattin des Rechtsmittelwerbers - von der von vornherein eingeschränkten Glaubwürdigkeit abgesehen - nicht dezidiert bestätigen, daß sie ihn beim Lenken des PKW tatsächlich gesehen hat, erwiesen sich doch ihre eingangs dahin gehenden Äußerungen (vgl. S. 2 des Tonbandprotokolls zur Verhandlungsschrift: "Ich konnte auch beobachten, wie er in das Auto einstieg und sich mit dem Auto entfernte. Daran, daß sich mein Mann auf dem Lenkersitz befunden hatte, habe ich keinen Zweifel") nach entsprechender Befragung und Vorhalt durch ihren Gatten letzlich als bloße Vermutungen, weil sie durch das Pressglas der Haustür zunächst bloß Umrisse erkennen konnte und sie dann einige Zeit zum Wechseln ihres Standortes ins WC sowie zum Öffnen des dortigen Fensters benötigte, sodaß sie erst beobachten konnte, wie sich der PKW "im Rückwärtsgang Richtung Grundstückseinfahrt bewegte", wobei ihrer eigenen Aussage nach der Bewegungsmelder auf die "kürzestmögliche Frequenz eingestellt" war, es also "nur wenige Sekunden dauerte, bis sich das Licht ausschaltete" (vgl. S. 4 des Tonbandprotokolls zur Verhandlungsschrift).

3.3. Gleiches gilt auch für den Meldungsleger RI B, hinsichtlich dessen Aussage schon aus der Anzeige des GPK Grein vom 28. November 1996, Zl. P 1134/96/Har, dezidiert hervorgeht, daß er die im PKW befindliche Person "nicht als Kammerer erkennen" konnte.

Deshalb konnte auch der entsprechende Beweisantrag des Rechtsmittelwerbers und der belangten Behörde - der es im übrigen unbenommen geblieben wäre, schon in ihrem Verfahren zur Erlassung des angefochtenen Bescheides eine entsprechende Einvernahme durchzuführen - in der öffentlichen Verhandlung ebenso abgewiesen werden wie der Antrag des Beschwerdeführers auf Durchführung eines Lokalaugenscheins, weil ohnedies allseits unbestritten blieb, daß durch das Pressglas der Haustür bloß schemenhafte Umrisse zu erkennen sind.

3.4. Als erwiesen nimmt der Oö. Verwaltungssenat auch an, daß wegen Verkehrsunzuverlässigkeit verhängte Führerscheinentzüge jedenfalls im örtlichen Wirkungsbereich des Bezirkshauptmannes von Braunau a.I. infolge der darauf gestützten Gefahr in Verzug stets im Wege eines Mandatsbescheides ausgesprochen werden, auch im Bewußtsein, daß einer dagegen eingebrachten Vorstellung keine aufschiebende Wirkung zukommt.

Diese generelle Vorgangsweise gilt insbesondere auch in jenen Fallkonstellationen, wo der Betroffene unter Bestreitung seiner Lenkereigenschaft die Ablegung einer Atemalkoholuntersuchung verweigert und keine Zeugen zum Beweis der Lenkereigenschaft vorhanden sind.

Davon ausgehend wurde auch der gegenständliche Fall als eine "übliche Routineangelegenheit" behandelt, sodaß auch eine Einvernahme entsprechender Zeugen (hier: der Ehegattin des Beschwerdeführers) - insbesondere vor Erlassung des Mandatsbescheides - unterblieb (vgl. die S. 4 bis 6 des Tonbandprotokolles zur Verhandlungsschrift).

Mit der Erledigung der Vorstellung sollte hingegen - auch nachdem die dreimonatige Entscheidungsfrist des § 75 Abs. 5 KFG bereits verstrichen war - bis zur Erlassung des Straferkenntnisses des hiefür (vermeintlich) zuständigen Bezirkshauptmannes von Perg zugewartet werden (vgl. S. 6 des Tonbandprotokolles zur Verhandlungsschrift).

4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß § 123 Abs. 1 des Kraftfahrgesetzes, BGBl.Nr. 267/1967, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 121/1997 (im folgenden: KFG), entscheidet - nur - dann, wenn eine Lenkerberechtigung für die Dauer von mindestens fünf Jahren entzogen wurde; das Recht, von einem ausländischen Führerschein Gebrauch zu machen, aberkannt wurde; oder der Landeshauptmann in erster Instanz tätig geworden ist, über eine gegen einen derartigen Bescheid eingebrachte Berufung der unabhängige Verwaltungssenat. Diese Bestimmung wurde durch das Führerscheingesetz, BGBl. I Nr. 120/1997 (im folgenden: FSG), insbesondere durch dessen §§ 35, 36 und 43, nicht berührt.

Im gegenständlichen Fall wurde dem Rechtsmittelwerber die Lenkerberechtigung mit dem - im Devolutionsweg ergangenen und sohin erstinstanzlichen - Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 20. Oktober 1997, Zl. VerkR-392776/6-1997/Si, - wie sich aus Spruch, Begründung und Bezugnahme auf die Rechtsgrundlagen (§ 74 Abs. 1 und nicht § 73 Abs. 1 KFG) insgesamt unzweifelhaft ergibt - nicht auf (unbestimmte) Dauer, sondern bloß für einen Zeitraum von neun Monaten entzogen und das Verbot des Lenkens von Motorfahrrädern ebenfalls für diesen Zeitraum festgesetzt.

Der Oö. Verwaltungssenat ist daher zuständig, über die vorliegende Berufung zu entscheiden und hat hiebei gemäß § 41 Abs. 1 FSG noch die Bestimmungen des VII. Abschnittes des KFG anzuwenden.

4.2.1. Nach § 74 Abs. 1 KFG ist die Lenkerberechtigung (in sinngemäßer Anwendung des § 73 KFG) u.a. dann vorübergehend zu entziehen, wenn ihr Besitzer nicht mehr i.S.d. § 66 KFG verkehrszuverlässig ist und anzunehmen ist, daß nach Ablauf von nicht mehr als 18 Monaten die Gründe für die Entziehung nicht mehr gegeben sind.

Als verkehrsunzuverlässig gilt eine Person gemäß des zuvor unter Pkt. 1.8.1. zitierten § 66 Abs. 1 und 2 lit. e KFG insbesondere dann, wenn sie ein Kraftfahrzeug gelenkt und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 i.V.m. § 5 Abs. 2 StVO begangen, also die Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt verweigert hat.

4.2.2. Gemäß § 57 Abs. 1 AVG ist die Behörde u.a. dann, wenn es sich um unaufschiebbare Maßnahmen bei Gefahr im Verzug handelt, berechtigt, einen Bescheid auch ohne vorausgehendes Ermittlungsverfahren zu erlassen; eine dagegen erhobene Vorstellung hat nach § 57 Abs. 2 AVG keine aufschiebende Wirkung.

4.2.3.1. Wie bereits zuvor unter 3.1. dargelegt, geht der Oö. Verwaltungssenat unter Zugrundelegung des Ergebnisses der am 24. Juli 1998 durchgeführten öffentlichen Verhandlung - anders als der Bezirkshauptmann von Braunau a.I. - davon aus, daß das von § 66 Abs. 2 lit. e KFG dezidiert geforderte Vorliegen der Lenkereigenschaft des Beschwerdeführers (im Gegensatz zu § 5 Abs. 2 StVO [s.o., 1.1.1.] reicht hiefür die bloße Vermutung der Lenkereigenschaft nicht aus !) nicht erweislich ist, weil es hiefür weder entsprechende (glaubwürdige) Zeugen noch sonstige Beweismittel gibt.

Daher hat(te) für den Rechtsmittelwerber gemäß Art. 6 Abs. 2 MRK nicht nur zu gelten, daß er keine strafbare Handlung begangen hat, sondern insbesondere auch - und für den vorliegenden Fall wesentlich -, daß der Entzugstatbestand des § 66 Abs. 2 lit. e KFG nicht erfüllt ist.

Da auch sonst keine Voraussetzungen für einen Führerscheinentzug vorliegen, war der gegenständlichen Berufung schon aus diesem Grunde stattzugeben.

4.2.3.2. Im übrigen lag nach der Überzeugung des Oö. Verwaltungssenates zum Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Mandatsbescheides aber auch das von § 57 Abs. 1 AVG geforderte Merkmal der "Gefahr im Verzug" im konkreten Fall aus folgenden Gründen nicht vor:

Wird mit der Erlassung eines Mandatsbescheides absehbar gravierend in bestehende Rechtspositionen des Verpflichteten eingegriffen, so bedarf es im Sinne des verfassungsmäßigen Verhältnismäßigkeitsprinzips zuvor einer entsprechenden Güterabwägung zwischen dem mit den beabsichtigten Maßnahmen verfolgten Zweck des Schutzes öffentlicher Interessen einerseits und der dadurch voraussichtlich bewirkten Beeinträchtigung der Rechtsposition des Bescheidadressaten andererseits. Daß der im gegenständlichen Fall in Aussicht genommene Führerscheinentzug für die Dauer eines Jahres in der heutigen Zeit, die von den im Arbeitsprozeß tätigen Personen höchstmögliche Mobilität und Flexibilität erfordert, einen massiven Eingriff in die berufliche und private Sphäre des Rechtsmittelwerbers nach sich ziehen würde, war von vornherein klar und bedarf keiner weiteren Erörterung.

Schon deshalb, aber auch aufgrund der konkreten Umstände des vorliegenden Falles war es nicht zulässig, diesen bloß als eine Routineangelegenheit zu behandeln und damit in Wahrheit die verfassungsmäßig geforderte Güterabwägung von vornherein zu unterlassen. Angelastet wurde dem Beschwerdeführer nämlich nicht etwa die von ihrem Unrechtsgehalt her betrachtet besonders verwerfliche Teilnahme am Straßenverkehr in alkoholisiertem Zustand, sondern - wie auch schon hinsichtlich jenes Vorfalles, der hier die besondere Länge des letztlich ausgesprochenen Entzugszeitraumes rechtfertigen sollte (vgl. VwSen-100866/16/Fra/Ka vom 23. Februar 1993) - lediglich die Begehung einer Ordnungswidrigkeit, nämlich die Verweigerung der Atemalkoholuntersuchung (mag diese auch von der Strafdrohung her besehen dem alkoholisierten Lenken gleichgestellt sein). Und neben bloßen Indizien lag als einziger tauglicher Beweis hiefür die - weil bereits zum Zeitpunkt der Erlassung des Mandatsbescheides bekannt war, daß es zwischen diesen beiden Personen ständig zu in gegenseitigen Strafanzeigen mündenden Streitigkeiten kam (vgl. das Tonbandprotokoll zur Verhandlungsschrift, S. 5) - von vornherein zumindest zweifelhafte Aussage seiner in Scheidung lebenden Gattin vor.

Die hier wahrzunehmenden öffentlichen Interessen gingen also nicht dahin, eine Person, die wiederholt in alkoholisiertem Zustand am Straßenverkehr teilnimmt, davon abzuhalten und damit das Leben und die Gesundheit der anderen Straßenbenützer entsprechend zu schützen, sondern lediglich dahin, diese gleichsam durch das Beugemittel des Führerscheinentzuges dazu zu verhalten, auch die Ordnungsvorschriften zu beachten. Die "Wahrscheinlichkeit eines unmittelbaren Schadens bei Unterlassung der behördlichen Maßnahme" (vgl. W. Hauer - O. Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Wien 1996, 427) lag somit nicht vor.

Bei dieser Ausgangslage und unter gleichzeitiger Einbeziehung der Länge des in Aussicht genommenen Entzugszeitraumes sowie der - von der Erstbehörde geradezu ins Gegenteil verkehrten (vgl. das Tonbandprotokoll zur Verhandlungsschrift, S. 4: "Im Falle der Verkehrsunzuverlässigkeit wird dann stets ein Mandatsbescheid erlassen. Etwa mindestens 80% der Führerscheinentzugsverfahren, - darunter alle wegen fehlender Verkehrszuverlässigkeit - werden daher mit Mandatsbescheid erledigt") - ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Erlassung eines Mandatsbescheides gegenüber der Erlassung eines Bescheides nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens immer nur die Ausnahme darstellen kann (vgl. die Nachweise bei W. Hauer - O. Leukauf, a.a.O., 427 f), wäre es nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenates zumindest geboten gewesen, die Gattin des Rechtsmittelwerbers zeugenschaftlich einzuvernehmen und damit aber das ordentliche Ermittlungsverfahren einzuleiten. Daß so unter Umständen ein im Hinblick auf das parallel laufende Strafverfahren "doppelter Ermittlungsschritt" gesetzt worden und auf diese Weise ein "zweifacher Aufwand erforderlich" geworden wäre, vermag die Unterlassung dieser Verfahrenshandlung jedenfalls nicht zu rechtfertigen. Anzeichen dafür, daß diese Einvernahme nicht unverzüglich möglich gewesen wäre, haben sich im Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat nicht ergeben, im Gegenteil: Der bescheiderlassende Beamte hat dezidiert ausgesagt, daß er die Gattin des Rechtsmittelwerbers ohnehin unverzüglich - wenngleich erst nach Erlassung des Mandatsbescheides - einvernommen hätte, wenn das Strafverfahren im örtlichen Wirkungsbereich seiner und nicht - wie hier - (vermeintlich) in dem einer anderen Behörde anhängig gewesen wäre (vgl. S. 6 des Tonbandprotokolles zur Verhandlungsschrift). Abgesehen davon, daß der Oö. Verwaltungssenat gerade aufgrund der mündlichen Verhandlung zu der Auffassung gelangt ist, daß die Lenkereigenschaft des Beschwerdeführers nicht erweislich ist, hätte die Erstbehörde dann, wenn nach erfolgter Zeugeneinvernahme ihrer Auffassung nach noch immer Gefahr im Verzug vorgelegen wäre, ohnedies umgehend den Bescheid erlassen und dabei gemäß § 64 Abs. 2 AVG den Ausschluß der aufschiebenden Wirkung einer allfälligen Berufung verfügen können.

4.3. Lag somit im Ergebnis weder ein Entziehungsgrund - insbesondere nicht jener des § 66 Abs. 2 lit. e KFG - noch die Voraussetzung für die Erlassung eines Mandatsbescheides vor, war daher der gegenständlichen Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben und der angfochtene Bescheid aufzuheben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr in Höhe von 2.500 S zu entrichten.

Mag. G a l l n b r u n n e r

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