Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-520020/2/Fra/Pe

Linz, 08.10.2002

VwSen-520020/2/Fra/Pe Linz, am 8. Oktober 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die Berufung der Frau DL, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. M, Mag. TM und Mag. KL gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 23.8.2002, FE-1036/2002, mit dem Frau L gemäß §§ 7, 24, 25 und 29 FSG die Lenkberechtigung für die Klasse B wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit für die Dauer von 24 Monaten, gerechnet ab Zustellung des erstinstanzlichen Mandatsbescheides (9.8.2002), entzogen, und einer Berufung gegen diesen Bescheid gemäß § 64 Abs.2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung auf 12 Monate, gerechnet ab Zustellung des erstinstanzlichen Mandatsbescheides (9.8.2002), festgesetzt wird.

Haftzeiten sind in diese Entzugsdauer nicht einzurechnen.

Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung wird bestätigt.

Rechtsgrundlagen:

§§ 24 Abs.1 Z1, 25 Abs.1 und 25 Abs.3 iVm §§ 7 Abs.1 Z2, 7 Abs.3 Z12 und 7 Abs.4 FSG, BGBl. I/120/1997 zuletzt geändert durch BGBl. I/65/2002 und BGBl. I/81/2002 (=FSG); § 64 Abs.2 AVG

Entscheidungsgründe:

1. Zur sachlichen Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates:

Gemäß § 35 Abs.1 zweiter Satz FSG i.d.F. des Verwaltungsreformgesetzes, BGBl.I/65/2002, entscheiden die Unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern über Berufungen gegen Bescheide der Bezirksverwaltungsbehörde oder Bundespolizeibehörde.

Gemäß § 43 Abs.11 FSG i.d.F. des Verwaltungsreformgesetzes besteht die Zuständigkeit der Unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern dann, wenn das Verfahren am 1. August 2002 oder danach anhängig wurde.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird ein Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung mit dem ersten Verfahrensschritt, den die Kraftfahrbehörde setzt, um die Voraussetzungen für die Entziehung zu prüfen, anhängig (VwGH vom 28.6.2001, 2000/11/0084 unter Verweis auf die Vorjudikatur - Erkenntnisse vom 25.8.1998, 98/11/0132; vom 9.2.1999, 98/11/0096; vom 24.8.1999, 98/11/0192; vgl. auch VwGH vom 30.5.2001, 2000/11/0018).

Im vorliegenden Fall wurde der erste Verfahrensschritt zur Entziehung der Lenkberechtigung mit Erlassung des Mandatsbescheides der Bundespolizeidirektion Linz vom 5.8.2002, Fe-1036/2002, gesetzt.

Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich zur Entscheidung über die Berufung gegen den in der Präambel zitierten Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz ist daher gegeben.

2. Zur Anwendung der 5. Führerscheingesetz-Novelle, BGBl. I/81/2002:

Die 5. Führerscheingesetz-Novelle, BGBl. I/81/2002, ist (§ 43 Abs.12 leg.cit.) am 1. Oktober 2002 in Kraft getreten.

Diese Gesetzesnovelle enthält keine Übergangsbestimmungen.

Der gegenständliche Fall ist daher gemäß FSG idF des Verwaltungsreformgesetzes sowie der 5. FSG-Novelle zu beurteilen.

3. In der Sache:

3.1. Die Berufungswerberin (Bw) wurde mit Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 18.12.2001, 33 Vr 290/01, 33 Hv 1010/01b ua. wegen des teils versuchten, teils vollendeten Verbrechens nach den §§ 28 Abs.2 vierter Fall, Abs.3 erster Fall Suchtmittelgesetz und § 15 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt.

Grund für diese Verurteilung war, dass die Bw im Zeitraum von Juli 1996 bis März 1997 in insgesamt sieben Angriffen unbekannte Mengen Marihuana (mindestens 600 g) sowie 1 g Kokain, mehrere Gramm Haschisch und eine unbekannte Menge Heroin an (zum Teil unbekannte) Abnehmer weitergegeben hat.

Weiters hat die Bw Anfang Februar 2001 dadurch, dass sie Herrn M.P. S 87.000,-- zum Ankauf von Marihuana übergab, dieser das Suchtgift besorgte und ihr am 4.2.2001 1.260 g brutto vom Verkauf übergab, wobei es beim Versuch blieb, sie in sechs Fakten gewerbsmäßig gehandelt hat.

Die Bw hat dadurch Suchtgifte in einer großen Menge gewerbsmäßig in Verkehr gesetzt.

Dieses Urteil des Landesgerichtes Linz ist - wie die Bw in der Vorstellung vom 21.8.2002 (Begründung Seite 2) selbst ausführt - in Rechtskraft erwachsen.

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist an dieses rechtskräftige Strafurteil gebunden (Ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, zuletzt Erkenntnis vom 23.4.2002, 2001/11/0389).

3.2. Gemäß § 24 Abs.1 Z1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzung für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit, die Lenkberechtigung zu entziehen.

Gemäß § 25 Abs.1 FSG ist bei der Entziehung auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist aufgrund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.

Gemäß § 25 Abs.3 FSG ist bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen.

Gemäß § 7 Abs.1 Z2 FSG gilt als verkehrszuverlässig eine Person, wenn nicht aufgrund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

Gemäß § 7 Abs.3 Z12 FSG hat als bestimmte Tatsache iSd Abs.1 insbesondere zu gelten, wenn jemand eine strafbare Handlung gemäß den §§ 28 Abs.2 bis 5 oder 31 Abs.2 Suchtmittelgesetz - SMG, BGBl. I Nr.112/1997, begangen hat.

Gemäß § 7 Abs.4 FSG sind für die Wertung der in Abs.3 beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

3.3. Die Bw hat - wie in der Begründung eingangs dargelegt - im Zeitraum Juli 1996 bis März 1997 unbekannte (zumindest 600 g) Mengen Marihuana, 1 g Kokain, mehrere Gramm Haschisch und eine unbekannte Menge Heroin in insgesamt sieben Angriffen an mehrere (meist unbekannte) Abnehmer weitergegeben.

Gemäß § 7 Abs.4 FSG ist bei der Wertung der im Abs.3 angeführten bestimmten Tatsachen ua. "die seither verstrichene Zeit" maßgebend.

Die Bw bringt ua. vor, dass die belangte Behörde, wenn sie ausführe, dass das Wertungskriterium der Verwerflichkeit des strafbaren Verhaltens gemäß § 7 Abs.5 FSG entscheidend ins Gewicht falle, dabei verkenne, dass es nicht ausschließlich darauf ankomme, weil es sich bei der Aufzählung der Wertungskriterien im § 7 Abs.5 leg.cit. um eine demonstrative, und nicht um eine taxative Aufzählung handle, weshalb auch andere Kriterien für die Wertung der strafbaren Handlungen in Betracht kommen. Gemäß § 7 Abs.5 leg.cit. ist für die Wertung einer bestimmten Tatsache auch die seit der strafbaren Handlung verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend. Seit Beendigung der strafbaren Handlungen und Einleitung des Strafverfahren gegen sie im Februar 2001 bis zur Erlassung des gegenständlichen Mandatsbescheides, ist ein Zeitraum von 18 Monaten verstrichen. In diesem Zeitraum habe sie keinerlei strafbare Handlungen begangen. Sie lebe seit diesem Zeitpunkt in geordneten Lebensverhältnissen und gehe einer ordentlichen Beschäftigung nach. Sie sei nicht mehr drogenabhängig und habe auch keinen Kontakt mehr zur Drogenszene. Obwohl das Gesetz eindeutig bestimme, dass die Periode des Wohlverhaltens seit Beendigung der strafbaren Handlungen für die Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit zu berücksichtigen ist, messe die belangte Behörde ihrem Wohlverhalten so gut wie keine Bedeutung bei und beurteile den seit den strafbaren Handlungen verstrichenen Zeitraum als zu kurz. Hinsichtlich der Beurteilung der Verwerflichkeit ihrer strafbaren Handlungen sei unberücksichtigt geblieben, dass sie das Verbrechen nach §§ 27, 28 SMG weder als Mitglied einer Bande begangen habe noch dass sie die Grenzmenge um das 25-fache überschritten habe. Sie sei nicht gemäß § 27 Abs.2 SMG und auch nicht gemäß § 28 Abs.4 oder Abs.5 SMG bestraft worden, was Auswirkungen auf die Beurteilung des Grades der Verwerflichkeit ihrer strafbaren Handlungen haben hätte müssen, weshalb ihrer Ansicht nach die Festsetzung einer Entzugsdauer von 24 Monaten zu hoch ist. Hiezu komme, dass sie bei der Begehung der strafbaren Handlungen selbst an ein Suchtmittel gewöhnt war und dies im Strafverfahren als Milderungsgrund berücksichtigt wurde. Ihre eigene Drogenabhängigkeit sei von der belangten Behörde bei der Beurteilung der Frage der Verwerflichkeit ihrer strafbaren Handlungen völlig außer Acht geblieben, obwohl der Gesetzgeber selbst die eigene Drogenabhängigkeit als strafmildernde Tatsache normiert und daher strafbare Handlungen nach dem SMG unter eigener Drogenabhängigkeit weniger verwerflich seien. Bei richtiger Beurteilung des Grades der Verwerflichkeit ihres Fehlverhaltens und bei Rücksichtnahme auf ihr Wohlverhalten über einen Zeitraum von 18 Monaten seit Beendigung ihrer strafbaren Handlungen sei davon auszugehen, dass sie ihre Verkehrszuverlässigkeit früher als in 24 Monaten, gerechnet ab Bescheidzustellung, wiedererlange, weshalb die Dauer des Entzuges der Lenkberechtigung herabzusetzen gewesen wäre. Insofern liege Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides vor.

Dem Vorbringen der Bw kommt insofern Berücksichtigung zu, als die oben angeführten Verbrechen mehr als fünf, zum Teil mehr als sechs Jahre zurückliegen. Diese sind bei der Festsetzung der Entzugsdauer nicht zu berücksichtigen!

Für die Festsetzung der Entziehungsdauer ist somit einzig und allein maßgebend, dass die Bw Anfang Februar 2001 sich insgesamt 1260 g Marihuana übergeben ließ und dabei gewerbsmäßig handelte.

Der OGH hat mit Erkenntnis vom 30.1.1996, 14 Os 8, 12/96, ausgeführt, dass der Höchstwert an Wirkstoff (THC) in Marihuana 8 % beträgt, woraus eine Grenzmenge von 250 g resultiert.

Eine Menge von 1.260 g Marihuana entspricht daher (fast exakt) der fünffachen "großen Menge" im Sinne des § 28 Abs. 1 SMG.

Die Bw hat sich seit Begehung der letzten Tat (Anfang Februar 2001) wohlverhalten.

Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass sie sich drei Monate in Untersuchungshaft (4.2.2001 bis 4.5.2001) befunden hat und ein gerichtliches Strafverfahren anhängig war.

Einem Wohlverhalten während eines anhängigen Straf- oder Entziehungsverfahrens kommt grundsätzlich geringeres Gewicht zu als einem Wohlverhalten in Zeiten außerhalb solcher Verfahren (VwGH vom 12.4.1999, 98/11/0252 mit Vorjudikatur).

Die Bw hat - wie dargelegt - die fünffache große Menge THC (somit ziemlich genau 100 g Reinsubstanz) in Verkehr gesetzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 20.9.2001, 2000/11/0235, ausgeführt, dass Verbrechen nach dem SMG 1997 zwar wegen der damit verbundenen Gefahr für die Gesundheit von Menschen verwerflich ist, dies jedoch nicht dazu führt, dass jedenfalls eine Entziehungsdauer von mehreren Jahren festzusetzen ist.

Im Hinblick auf das Vorbringen der Bw sowie die hg. Erwägungen wird die Entzugsdauer auf 12 Monate, gerechnet ab Zustellung des erstinstanzlichen Mandatsbescheides (= 9. August 2002) herab- bzw. festgesetzt, weil erwartet werden kann, dass die Verkehrszuverlässigkeit der Bw nach Ablauf dieser Entziehungsfrist wiederhergestellt ist.

3.4. Haftzeiten sind in die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung nicht einzurechnen (VwGH vom 10.11.1998, 97/11/0107 = ZfVB 1999/6/2147 mit zahlreichen Judikaturhinweisen sowie vom 4.10.2000, 2000/11/0203 uva.; VwGH vom 23.4.2002, 2001/11/0195 - Rechtssatz Nr. 3 mit Vorjudikatur).

Die Erstbehörde hat eine Entzugsdauer von 24 Monaten festgesetzt. Die Nichteinrechnung der Haftzeiten ist im erstinstanzlichen Bescheid nicht vorgesehen.

Demgegenüber wurde nunmehr eine Entzugsdauer von 12 Monaten - ohne Einrechnung von Haftzeiten - festgesetzt.

Dies bedeutet, dass die vom Unabhängigen Verwaltungssenat festgesetzte Entzugsdauer möglicherweise höher ausfällt, als die von der Erstbehörde festgesetzte Entzugsdauer.

In Verfahren betreffend die Entziehung der Lenkberechtigung besteht jedoch nicht das Verbot der "reformatio in peius".

3.5. Nach ständiger Judikatur des VwGH kann die Behörde iSd § 64 Abs.2 AVG die aufschiebende Wirkung einer Berufung immer dann ausschließen, wenn die Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit entzogen wird; siehe die in Walter-Thienel, Verwaltungsverfahren, 2. Auflage, E 24 zu § 64 AVG (Seite 12.229) zitierten zahlreichen Entscheidungen.

3.6. Aus den angeführten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. F r a g n e r

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