Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-103478/8/Br

Linz, 01.03.1996

VwSen-103478/8/Br Linz, am 1. März 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr.Bleier über die Berufung des Herrn A P, S, L, vertreten durch die Rechtsanwälte Dres. E, W und P, alle M, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau, Zl.: VerkR96-2333-1994-Ga, vom 4. Jänner 1996, nach der am 1. März 1996 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird mit der Maßgabe Folge gegeben, daß der Schuldspruch auf § 99 Abs.3 lit.a iVm § 20 Abs.2 StVO 1960 zu stützen ist und dieser demzufolge zu lauten hat:

"Sie haben als Lenker des PKW mit dem Kennzeichen am 30.3.1994 um 15.52 Uhr auf der K von F kommend in Richtung S im Ortsgebiet M bei Strkm. 1,38 die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 41 km/h überschritten." Der Tatvorwurf im Hinblick auf § 99 Abs.2 lit.c StVO 1960 hat demnach zu entfallen.

Der Strafausspruch wird mit der Maßgabe bestätigt, daß er auf § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 gestützt wird.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl.Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 471/1995 - AVG iVm § 19 Abs.1 und 2, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 620/1995 - VStG.

II. Für das Berufungsverfahren entfällt ein Verfahrenskostenbeitrag.

Rechtsgrundlage:

§ 64 Abs.1 u. 2, § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau hat mit Straferkenntnis vom 4. Jänner 1996, Zl.

VerkR96-2333-1994-Ga, über den Berufungswerber wegen der eingangs zitierten Übertretungen der Straßenverkehrsordnung von 1.500 S und für den Nichteinbringungsfall 36 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe und gemäß § 64 VStG 150 S Verfahrenskosten verhängt, weil er als Lenker des PKW mit dem Kennzeichen am 30.3.1994 um 15.52 Uhr auf der K, von F kommend in Richtung S, im Ortsgebiet M bei Strkm. 1,38, die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 41 km/h überschritten habe (Fahrgeschwindigkeit 91 km/h), da sich weiters im Ortsgebiet M (d.h. im Bereich der festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitung) zwei Kreuzungen und fünf Haus- bzw. Grundstückseinfahrten befunden hätten, die aufgrund der bestehenden Bebauung bzw.

Bepflanzung zum Teil unübersichtlich waren, hätte er durch die genannte Geschwindigkeitsüberschreitung unter besonders gefährlichen Verhältnissen gegen die Vorschriften der StVO verstoßen.

1.1. Die Erstbehörde hielt die Übertretung, insbesondere auch hinsichtlich der Begehung der Übertretung unter besonders gefährlichen Verhältnissen auf Grund der Anzeige der Gendarmerie als erwiesen. Diesbezüglich wurde vermeint, daß diese Qualifikation insbesondere angesichts der Einmündungen von Hausausfahrten und zweier Kreuzungen in die in Verbindung mit einer Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit um 80% zu erblicken sei. Zusätzlich führte die Erstbehörde eine mit dieser Geschwindigkeitsüberschreitung einhergehende Bremswegverlängerung um 162 % ins Treffen und hielt dem Berufungswerber auch vor, daß er den auf Grund dieses Tatverhaltens ausgesprochenen Entzug der Lenkerberechtigung unbekämpft gelassen habe.

Hinsichtlich der Strafzumessung ist die vorsätzliche Tatbegehungsweise als straferschwerend und die bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit als strafmildernd gewertet worden.

2. Dagegen wendet sich die fristgerecht erhobene Berufung.

Im Ergebnis bekämpft der Berufungswerber darin die getroffene Qualifikation nach § 99 Abs.2 lit.c StVO 1960. Er legt dar, daß auch bei dieser Fahrgeschwindigkeit ein Reagieren auf allfällige Gefahren infolge eines möglichen Querverkehrs möglich gewesen wäre. Es sei unzulässig, daß diese Fahrgeschwindigkeit präsumtiv auf das gesamte Ortsgebiet bezogen wurde. Er habe Lichtbilder zum Bweis dafür vorgelegt, daß die von der Erstbehörde getroffenen Annahmen bezüglich der Qualifikation nach § 99 Abs.2 lit.c StVO 1960 zu Unrecht erfolgte. Die vom Sachverständigen getätigten Annahmen seien nicht auf Feststellungen vor Ort gestützt worden. Aus dem Akteninhalt ließe sich eine Sichtweite von 110 Meter feststellen, weil der Gendarmeriebeamte bei Strkm 1,49 gestanden und die Messung bei Strkm 1,38 erfolgt sei. Der Berufungswerber legt seiner Berufung eine "Bremswegtabelle" bei, aus welcher entnommen werden könne, daß innerhalb von 110 Meter das Fahrzeug selbst bei einer leichten Betriebsbremsung (3 m/sek/2) spielend zum Stillstand gebracht werden hätte können.

Abschließend vermeint der Berufungswerber noch Begründungsmängel hinsichtlich der Nichtanwendung des § 20 VStG und Überprüfungen hinsichtlich der gesetzmäßigen Verordnung des Hinweiszeichens nach § 53 Abs.1 Z17 a und b (Ortsgebiet) zu erblicken.

3. Die Erstbehörde hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt, somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser ist, da keine 10.000 S übersteigende Strafe verhängt worden ist, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Da mit der Berufung auch Sachverhaltselemente bestritten wurden und darüber hinaus ein konkreter diesbezüglicher Antrag gestellt wurde, war eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung durchzuführen (§ 51e Z1 VStG).

3.1. Festgestellt wird, daß mit dem im Akt erliegenden, in diesem Zusammenhang erlassenen Lenkerberechtigungsentzugsbescheid, Zl. VerkR21-250-1994/Br, eine Entzugsdauer der Lenkerberechtigung im Ausmaß von fünf Monaten (lt.

Berufungsvorbringen drei Monate) ausgesprochen wurden.

Entgegen des hier vorliegenden Akteninhaltes und der diesbezüglich zutreffenden Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses ist im Entzugsbescheid vom Vorliegen einer Verwaltungsvormerkung wegen einer exzessiven Geschwindigkeitsüberschreitung seitens des Berufungswerbers die Rede. Die Erstbehörde hatte hier nach Einlangen der Lenkerauskunft - der Berufungswerber wurde lediglich nach dem Kennzeichen zur Anzeige gebracht - ursprünglich eine Strafverfügung erlassen und darin zusätzlich noch eine mit der Geschwindigkeitsüberschreitung besondere Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern vorgeworfen gehabt. Nach deren Beeinspruchung durch den Berufungswerber über seinen Rechtsvertreter mit Schriftsatz vom 24. Juni 1994 und der weiteren Erstattung einer ausführlichen Stellungnahme mit Schriftsatz vom 28. Juli 1994, welche folglich mit tatortbezogenen Fotomaterial untermauert werden sollte, beschränkte sich das Ermittlungsverfahren der Erstbehörde im Ergebnis bloß auf die Beauftragung eines Amtssachverständigen mit der Errechnung des Anhalteweges bei einer Fahrgeschwindigkeit von 91 km/h und der Errechnung der Differenz desselben bezogen auf die erlaubte Fahrgeschwindigkeit von 50 km/h. Dieses "Gutachten" wurde schließlich am 18. Mai 1995 erstattet und der Erstbehörde zugeleitet. Nach neuerlichem Parteiengehör und der Erstattung einer weiteren ausführlichen Stellungnahme wurde schließlich am 4. Jänner 1996 das angefochtene Straferkenntnis erlassen.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt der Bezirkshauptmannschaft Braunau, Zl.:

VerkR96-2333-1994-Ga und die Darlegung des bisherigen Ganges des Verfahrens zu Beginn der zum Teil vor Ort durchgeführten Berufungsverhandlung, wobei einerseits die Fahrtstrecke befahren und auf Video dokumentiert und die jeweiligen "Anfahr- bzw. Gefahrensichtweiten" mittels Meßrad vermessen wurden. Vor Ort zeugenschaftlich einvernommen wurde der Meldungsleger, RevInsp. M.

5. Auf Grund des durchgeführten Beweisverfahrens gilt folgender Sachverhalt als erwiesen:

5.1. Außer Streit gestellt wurde seitens des Rechtsvertreters des Berufungswerbers schließlich im Rahmen der Berufungsverhandlung das Faktum der angelasteten Geschwindigkeitsüberschreitung. Diesbezüglich hat sich im Rahmen des Berufungsverfahrens ergeben, daß die Messung mittels Laser unter Einhaltung sämtlicher Vorschriften der Verwendungsrichtlinien erfolgte und auch die Messung an sich keine Zweifel an der Richtigkeit offen ließ. Nicht nachvollziehbar ist jedoch, daß aus Gründen der Präventivwirkung einer Anhaltung und der Verfahrensökonomie nicht sogleich eine Anhaltung vor Ort erfolgt ist. Dies müßte wohl möglich gewesen sein, zumal der Berufungswerber unmittelbar am Meldungsleger vorbeifahren mußte und die Messung 112 Meter (siehe 5.2.) vor dem Passieren des Standortes des Meldungslegers erfolgte.

5.2. In Fahrtrichtung des Berufungswerbers verläuft die im Bereich des Strkm 1,38 in einer für ein Ortsgebiet eher leichten Linkskurve. Die Straße ist ca. sechs Meter breit.

Die zwei Fahrstreifen sind durch eine Leitlinie gekennzeichnet. Das Verkehrszeichen "Ortsbeginn von M" liegt ca. 105 Meter vor dem Strkm 1,38. Die Messung wiederum erfolgte von der Position "Strkm 1,38" 112 Meter östlich (gegen Ortsende) von dieser Kilometrierung. Der Meldungsleger befand sich ca. 5 Meter vom rechten Fahrbahnrand in Fahrtrichtung des Berufungswerbers. Er führte die Messung vom Fahrersitz des Dienstfahrzeuges aus durch, wobei er das Meßgerät auf der heruntergekurbelten Seitenscheibe aufgestützt hielt. Die geringste "Anfahrsichtweite" in Fahrtrichtung des Berufungswerbers beträgt von der Einmündung östlich des Hauses Nr. 7 in die (liegt etwa gegenüber der Kilometrierungspunkt "1,38" und in Fahrtrichtung des Berufungswerbers links) exakt 102 Meter.

Der Gefahrensichtpunkt liegt aus dieser Position exakt bei der westlichen Ortstafel "M", wobei dies nur für einen in Fahrtrichtung des Berufungswerbers nach links in die einbiegenden Verkehrsteilnehmers zum Tragen kommt. Nur ein Linkseinbieger tangiert die Fahrlinie des Berufungswerbers.

Das Beweisverfahren hat auch keine Anhaltspunkte für das Vorhandensein von Streusplitt ergeben. Ansonsten ist schon aus der Anzeige zu entnehmen, daß der Straßenzustand trocken war, keinerlei Sichtbeeinträchtigung bestand und außer eines in Gegenrichtung des Berufungswerbers fahrenden Radfahrers zum Zeitpunkt dieser Messung in diesem Bereich kein weiteres Verkehrsgeschehen herrschte. Über den Zustand des Fahrzeuges des Berufungswerbers sind keine die Verkehrssicherheit beeinträchtigenden Umstände bekannt. Auch dem angeblichen kurzfristigen Verlenken des Fahrzeuges kann in diesem Zusammenhang keine Bedeutung zugedacht werden.

5.2.1. Diese Feststellungen konnten anläßlich des durchgeführten Ortsaugenscheines einwandfrei getroffen werden.

5.3. Bei dieser Fahrgeschwindigkeit beträgt der Anhalteweg eines Pkw's unter der Annahme einer von jedem Fahrzeug erreichbaren Bremsverzögerung von 6,5 m/sek/2 und einer durchschnittlichen Reaktionszeit von einer Sekunde und einer zusätzlichen Bremsschwellzeit von 0,2 Sekunden 76,95 Meter.

Ausgehend von einer Annahme einer ebenfalls technisch noch durchaus erreichbaren möglichen Bremsverzögerung von 7,5 m/sek/2 würde der Anhalteweg bei 70,4 Meter liegen. Unter der Annahme einer Reaktionszeit von nur 0,5 Sekunden, weil der Berufungswerber bei der Einfahrt in das Ortsgebiet bremsbereit gewesen sei, so ergibt dies schließlich einen Anhalteweg bei 6,5 m/sek/2 Bremsverzögerung von 64,31 Meter und bei 7,5 m/sek/2 einen Anhalteweg von 57,75 Meter. Dies bedeutet, daß hier der Berufungswerber innerhalb der Gefahrensichtweiten sein Fahrzeug jeweils zum Stillstand bringen hätte können.

5.3.1. Diese Berechnung erfolgte mittels EVU-Unfallsrekonstruktionsprogramm (von Prof. Dr. Gratzer, KFZ-Sachverständiger).

5.3.2. Der Rechtsvertreter stellte das Faktum der Geschwindigkeitsüberschreitung anläßlich der Berufungsverhandlung nicht mehr in Frage. Ebenfalls wurden seinerseits auch keine Bedenken im Hinblick auf eine mangelhafte Verordnung oder Kundmachung des Ortsgebietes mehr geäußert.

Angesichts des Ergebnisses des Ortsaugenscheines bzw. der Berufungsverhandlung erübrigten sich Erhebungen in diese Richtung.

5.3.2.1. Die Quelle des Widerspruches betreffend einer angeblichen Vormerkung von welcher im Entzugsverfahren ausgegangen worden sein dürfte, könnte in der abschließenden Bemerkung in der Meldung liegen. Dort wird hingewiesen, daß im Ortsgebiet von M in den letzten Jahren durch den GP F bereits zahlreiche schwere Unfälle im Zusammenhang mit extremen Geschwindigkeitsüberschreitungen infolge der dortigen Unübersichtlichkeit aufgenommen werden haben müssen. Bei oberflächlichem Lesen dieser Textpassage könnte diese Vorfälle auf den Angezeigten bezogen werden (worden sein). Anders ist nämlich der offenbar unzutreffende Hinweis auf eine angeblich exzessive Geschwindigkeitsüberschreitung in diesem Bescheid nicht erklärbar.

6. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

6.1. Sofern die Behörde nicht eine geringere Höchstgeschwindigkeit erläßt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, darf der Lenker eines Fahrzeuges im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h fahren (§ 20 Abs.2 StVO).

Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 10.000 S, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Woche, zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 2, 2a, 2b oder 4 zu bestrafen ist (§ 99 Abs.3 lit.a StVO 1960).......

Nach § 99 Abs.2 StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 500 S bis 30.000 S, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 24 Stunden bis sechs Wochen, u.a. zu bestrafen,......

wer als Lenker eines Fahrzeuges, zB beim Überholen, als Wartepflichtiger oder im Hinblick auf eine allgemeine oder durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte Geschwindigkeitsbeschränkung, unter besonders gefährlichen Verhältnissen oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt, insbesondere Fußgänger, die Schutzwege vorschriftsmäßig benützen, gefährdet oder behindert (lit.c leg.cit.idF vor der 19. Novelle).

6.1.1. Besonders gefährliche Verhältnisse liegen etwa dann vor, wenn zur Verletzung einer bestimmten Verkehrsvorschrift - hier die gravierende Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet - noch zumindest ein weiteres, die besondere Gefährlichkeit der Verhältnisse begründendes Sachverhaltselement hinzutritt. Als solches kommen bei Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit ua. ungünstige Fahrbahnbeschaffenheit, starkes Verkehrsaufkommen sowie der Verlauf und die Breite der Straße hinzu. Diese Sachverhaltselemente sind aber nicht losgelöst vom konkreten Fahrverhalten, insbesondere der Fahrgeschwindigkeit, zu beurteilen. Die Fahrgeschwindigkeit ist zu den genannten zusätzlichen Sachverhaltselementen in Beziehung zu setzen. Es kann somit nicht ohne weiters gesagt werden, daß ein bestimmtes Ausmaß der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit - prozentuell oder absolut - allein schon den Tatbestand der besonders gefährlichen Verhältnisse erfüllt; es ist jedoch in der geschilderten Gesamtbewertung der Begleitumstände einer Geschwindigkeitsüberschreitung von großer Bedeutung (VwGH 23.1.1990, Zl. 89/11/0210 und 13.6.1989, Zl. 89/11/0061).

Nicht gefolgt vermag der Erstbehörde darin werden, wenn diese ein derart "zusätzliches Element" alleine in der Tatsache der hier im Ortsgebiet liegenden (zwei) Kreuzungen und mehrerer "unübersichtlicher" Hausausfahrten zu erblicken vermeinte. So sind diese Elemente einerseits typisches Wesensmerkmale eines Ortsgebietes und sind diese ohnedies vom Schutzzweck des § 20 Abs.2 StVO 1960 erfaßt. Auch ist es "Wesen" eines Ortsgebietes, daß diesem an sich eine bestimmte "Unübersichtlichkeit" inhärent ist. Dies besagt aber für sich noch nichts über eine "besondere Gefährlichkeit" der Verhältnisse als ZUSÄTZLICHES SACHVERHALTSELEMENT. Ein solches läge jedoch etwa dann vor, wenn eine Anfahrsichtweite geringer wäre als der bei einer bestimmten Fahrgeschwindigkeit sich ergebende Anhalteweg.

Dann wäre es nämlich rein dem Zufall überlassen, wenn etwa ein Fahrzeug einen Einbiegevorgang ohne eine Gefahrenerkennungsmöglichkeit vollführte und es folglich zu einer unvermeidbaren Kollision käme. Hier lagen aber derartige Umstände eben gerade nicht vor. Auch ein bloßer Gegenverkehr vermag für sich kein solch zusätzliches Element zu begründen.

Mit der bloßen Aufzählung von ohnedies für einen bestimmten Verkehrsbereich typischen Strukturen vermag eben die vom Gesetz geforderte und mit der Judikatur präzisierte "ZUSÄTZLICHE BEZIEHUNGSHAFTIGKEIT" nicht hergestellt zu werden (vgl.h. Erk. VwSen-101083 v. 5.4.1993, VwGH 20.2.1985, 84/11/0156, ZfV 1985/1765 u.v.a.). Unerfindlich scheint worin hier die Erstbehörde sogar ein Gebot für eine Fahrgeschwindigkeit von unter 50 km/h konkret erblicken zu können glaubte. Der Schutzzweck der Geschwindigkeitsbeschränkung im Ortsgebiet auf 50 km/h dient eben einer Vermeidung von Gefahren, welche mit einer höheren Fahrgeschwindigkeit typisch einhergehen.

Damit ist der Berufungswerber grundsätzlich auch mit seinem Hinweis auf das sogenannte Doppelverwertungsverbot im Recht.

Auf das Vorliegen von besonders gefährliche Verhältnissen iSd § 81 Z1 StGB ist ferner etwa auch dann zu erkennen, wenn vom Täter eine qualitativ verschärfte Gefahrenlage iS einer außergewöhnlichen Unfallwahrscheinlichkeit geschaffen wird, wobei die so geartete Gefährdung schon einer einzigen Person ausreicht; diese gegenüber normalen Fällen gesteigerte Gefährlichkeit, welche eine schwere Schädigung an Leib und Leben eines anderen in hohem Maß wahrscheinlich machen muß, kann entweder in der Person des Kfz-Lenkers oder in einer Verschärfung der Verkehrssituation gelegen sein; ob ein solcher gesteigerter Gefährlichkeitsgrad im Einzelfall anzunehmen ist, kann nur aufgrund einer umfassenden konkreten Wertung aller risikoerhöhenden und risikovermindernden Umstände beurteilt werden (OGH 2.10.1984, 9 Os 127/84, ZVR 1985/147).

Das h. durchgeführte Verfahren vor Ort konnte auf solches keinen sachlichen begründbaren Rückschluß zulassen.

7. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

7.1. Bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 91 km/h im Ortsgebiet handelt es sich wohl zweifelsfrei um eine gravierende Geschwindigkeitsüberschreitung mit einem bereits an sich hohen Unwertgehalt. Im Hinblick darauf wäre grundsätzlich sowohl aus Gründen der Spezial- als auch der Generalprävention mit einer empfindlichen Bestrafung vorzugehen.

Im gegenständlichen Fall scheint jedoch auch ein nur mehr auf § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 gestützer Strafausspruch mit einer Geldstrafe von 1.500 S noch unangemessen gering. Hier kann ein Verhältnis zur ausgesprochenen Führerscheinentzugsdauer wohl kaum nachvollzogen werden. Der Berufungsbehörde ist es jedoch verwehrt eine Strafe nach oben zu korrigieren. Sohin konnte diesem Strafausmaß auch angesichts eines unterdurchschnittlichen Einkommens von nur 9.000 S und des Strafmilderungsgrundes der bisherigen verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit objektiv nicht entgegengetreten werden.

Ausführungen zur gerügten Nichtanwendung des § 20 VStG können angesichts dieser Sachentscheidung unterbleiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.Ö. Verwaltungssenat:

Dr. B l e i e r

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