Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-520102/13/Br/Gam

Linz, 21.05.2003

 

 

 
VwSen-520102/13/Br/Gam
Linz, am 21. Mai 2003

DVR.0690392

 

 

E R K E N N T N I S
 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn Oe, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn, vom 11. Dezember 2002, Zl. VerkR20-689-2001/BR, nach der am 21. Februar und 9. Mai 2003 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlungen, zu Recht:

 

Der Berufung wird Folge gegeben; dem Berufungswerber ist im Sinne seines Antrages vom 10.1.2001 - nach nunmehr vorliegender gesundheitlicher Voraussetzungen und bei Vorliegen auch der fachlichen Voraussetzungen (Ablegung der Fahrprüfung) - eine Lenkberechtigung für die Klassen B, C u. E zu erteilen.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 3 Abs.1 Z3, § 5 Abs.1 u. 2, § 8 Abs.1 und 2 Führerscheingesetz - FSG zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 65/2002 iVm § 5 Abs.1 Z4 lit.a u. § 17 Abs.1 Z2 Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung - FSG-GV zuletzt geändert durch BGBl. II Nr. 138/1998.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Behörde erster Instanz hat mit dem o.a. Bescheid und gestützt auf die obgenannten Rechtsvorschriften den Antrag des Berufungswerbers auf Erteilung der Lenkberechtigung für die Klassen B, C u. E mangels gesundheitlicher Eignung abgewiesen.

 

1.1. Gestützt wurde diese Entscheidung auf das amtsärztliche Gutachten vom 21.11.2002, welches unter Einbeziehung des Ergebnisses der verkehrspsychologischen Stellungnahme vom 5.10.2002, dzt. eine fehlende gesundheitliche Eignung feststellte. Vor einer Erteilung einer Lenkberechtigung bedürfe es lt. Bescheidbegründung der Vorlage eines positiven ärztlichen Gutachtens und wohl auch der Ablegung einer positiven Fahrprüfung.

 

2. Der Berufungswerber wendet mit seiner fristgerecht durch seinen Rechtsvertreter erhobenen Berufung ein:

Inhaltlich rügt der Berufungswerber das sich "in einer dreizeiligen handschriftlichen Feststellung" die abgeleitete hohe psychische Alkoholgefährdung mit normabweichenden Ergebnissen in der Persönlichkeitsdiagnostik und einer daraus gefolgerten fehlenden gesundheitlichen Eignung.

Dieses sehr knapp gehaltene Gutachten stütze sich lediglich auf die verkehrspsychologische Stellungnahme mit den genannten Annahmen der Nichteignung.

Der Berufungswerber verweist auf die Gesetzeslage, nach welcher es einer positiven verkehrspsychologischen Stellungnahme nicht bedürfe, sondern für die Erteilung einer Lenkberechtigung lediglich ein positives amtsärztliches Gutachten erforderlich sei.

Dieses Gutachten erfülle die erforderlichen Kriterien der Schlüssigkeit deshalb nicht, weil darin nicht begründet werde, aus welchen Gründen bei ihm von einer hohen psychischen Alkoholgefährdung ausgegangen werde. Der Berufungswerber verweist auf eine einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach nachvollziehbar sein müsse woraus sich das gutachterliche Kalkül ableite. Diesem Gutachten fehle der Befund zur Gänze und in Wahrheit würde dieses auch nicht begründet.

Abschließend vermeint der Berufungswerber dem Tenor nach, dass der seinerzeitige Vorfall keine Grundlage (mehr) indiziere ihm die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen aus gesundheitlichen Gründen abzusprechen.

 

3. Der Berufungsakt wurde von der Behörde erster Instanz dem Oö. Verwaltungssenat vorgelegt. Demnach ist dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen (§ 67a Abs.1 2.Satz AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung schien hier mit Blick auf § 67d Abs.1 AVG in Wahrung der durch Art. 6 Abs. 1 EMRK intendierten Rechte geboten.

3.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat ergänzend Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verfahrensakt.

Im Rahmen der Berufungsverhandlung am 21. Februar 2003 wurde der Berufungswerber als Verfahrenspartei und der Amtsarzt DDr. B sowie die Psychologin Mag. H zeugenschaftlich gehört, wobei sie als sachverständige Zeugen das erstattete Gutachten bzw. die verkehrspsychologische Stellungnahme erörterten. Im Anschluss an die fortgesetzte Berufungsverhandlung am 9. Mai 2003 erstattete DDr. B unter Einbeziehung der vom Berufungswerber absolvierten Therapiemaßnahme bzw. die bezugnehmende psychologische Stellungnahme. Der Berufungswerber wurde anlässlich beider Berufungsverhandlungen als Verfahrenspartei persönlich gehört. Ebenfalls nahmen an den Berufungsverhandlungen Vertreter der Behörde erster Instanz teil.

4. Im Akt der Behörde erster Instanz findet sich ein Antrag (im Original und Kopie) auf Erteilung der LB vom 10.1.2001. Diesem angeschlossen ist ein Aktenvermerk an die Abteilung "San" mit dem Ersuchen um Erstellung eines amtsärztlichen Gutachtens hinsichtlich der gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kfz für die Gruppe 2. Dieser AV ist mit dem Hinweis auf ein sechsmonatiges Mopedfahrverbot vom 14.12.2001 versehen. Schließlich liegt dem Akt die Stellungnahme der verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle vom 5.11.2002 und das darauf gestützte negative amtsärztliche Gutachten nach § 8 Abs.2 FSG - mit dem Hinweis auf die Alkofahrt mit VU mit Sachschaden bei einer BAK 1,2 Promille vom 21.11.2002 bei.

5. Folgender Sachverhalt steht hier zur Beurteilung:

 

Die verkehrspsychologische Stellungnahme:

 

" Zusammenfassung der Befunde
 

Im Bereich der Persönlichkeitsdiagnostik zeigte sich, dass Einstellungen, die eine Neigung zu verkehrsauffälligem Verhalten anzeigen (KFP-30), im oberen Durchschnittsbereich liegen. Einstellungen, die häufig mit einer psychischen Alkoholdisposition in Zusammenhang stehen (ATV), sind überdurchschnittlich ausgeprägt. Die psychometrisch erhobene Risikobereitschaft (FRF) ist nicht erhöht. Die Werte der Aggressivitätsfaktoren (FAF) zeigen eine unterdurchschnittliche Aggressionsneigung an. Die Aggressionshemmung ist stark erhöht. Bei der Beantwortung der Fragebogen ist eine Simulationstendenz zu erkennen. Die mit dem 16PF erhobenen Persönlichkeitsfaktoren weisen auf geringes Pflichtbewußtsein, niedriges Selbstvertrauen und eine erhöhte Bereitschaft zur sozialen Anpassung hin. Aus den explorativ gewonnenen Daten geht hervor, dass der Untersuchte, ohne im Besitz eines Führerscheines zu sein, in alkoholbeeinträchtigtem Zustand einen PKW gelenkt und dabei einen Verkehrsunfall mit Personenschaden verschuldet hat. Der Untersuchte hat bereits in den Jahren vor seinem Delikt immer wieder stark erhöhte Mengen Alkohol konsumiert. Die persönliche Stellungnahme enthält kaum Hinweise auf eine Auseinandersetzung mit seinem Fehlverhalten. Der Alkoholkonsum wurde zwar reduziert aber nicht ganz aufgegeben. Der Untersuchte verbringt seine Freizeit weiterhin in einem sozialen Umfeld, in dem der Konsum von Alkohol eine erhebliche Rolle spielt.
 

Verfahren und Ergebnisse Beurteilung anhand statistischer Normen

PERSÖNLICHKEIT
 

16-Persönlichkeitsfaktorentest (Cattell)
C Emotionale Störbarkei/Widerstandsfähigkeit PR=40 Die Werte der Persönlichkeitsfaktoren enthalten
E Soziale Anpassung/Selbstbehauptung PR=16 Hinweise auf niedrig ausgeprägtes Pflichtbewußtsein
F Besonnenheit/Begeisterungsfähigkeit PR=48 und erhöhte Bereitschaft zur sozialen Anpassung.
G Flexibilität/Pflichtbewusstsein PR=13 Geringe Selbstsicherheit.
H Zurückhaltung/Selbstsicherheit PR=13
O Selbstvertrauen/Besorgtheit PR=68
Q3 Spontaneität/Selbstkontrolle PR=29
04 Innere Ruhe/ Gespanntheit PR=69
 
KFP 30 (Kurzfragebogen für Problemfälle) Einstellungen, die eine Neigung zu verkehrsauffälligem
Verkehrsauffälligkeit: 48 % PR=74 Verhalten anzeigen, liegen im oberen Durchschnittsbereich.
ATV (Skala für psychische Alkoholdisposition) Einstellungen, die häufig mit einer psychischen Alkohol-
Alkoholgefährdung: 12 PR=89 disposition in Zusammenhang stehen, liegen überdurch-Lügenwert: 3 PR= 5 schnittlich ausgeprägt vor. Erhöhte Simulationstendenz.
 
Risikofragebogen (nach Jackson und
Schwenkmezger)
Physische Risikobereitschaft PR=50 Die psychometrisch erhobene Risikobereitschaft
Soziale Risikobereitschaft PR=50 liegt im Durchschnittsbereich.
Finanzielle Risikobereitschaft PR=50
FAF (Fragebogen zur Erfassung von
Aggressivitätsfaktoren)
Spontane Aggressivität PR=18
Reaktive Aggressivität PR= 5 Die psychometrisch erhobene Aggressionsneigung
Erregbarkeit PR=34 liegt unter dem Durchschnittsbereich.
Depressivität PR=58 Stark erhöhte Aggressionshemmung.
Aggressionshemmung PR=97
Summe Aggressivität PR=10
 

Exploration:
 
Eingesehene Unterlagen: Zuweisung zur VPU
 

Vorgeschichte (laut Angaben des Untersuchten):
 

Herr Oe gibt an, dass er mit der 4. Klasse der Hauptschule in L seine Schulpflicht beendet habe. Danach habe er 2 Jahre lang bei der Karniesenfabrik S in St gearbeitet. Vor dem Bundesheer habe er noch ein Jahr lang bei der Firma KTM-K-B in M gearbeitet. Zwischen dem 01.01. und dem 06.09.2002 habe er in R i.l. den Präsenzdienst abgeleistet. Seit dem Ende des Wehrdienstes arbeite er bei der Firma L in P im Lager. Den 7 km langen Weg zur Arbeit lege er mit dem Fahrrad zurück. Er sei ledig und wohne bei seiner Mutter. Er habe einen Bruder im Alter von 20 Jahren und eine Schwester im Alter von 6 Jahren.
 

Am 11.10.2001 habe er in alkoholbeeinträchtigtem Zustand einen PKW gelenkt und dabei einen Verkehrsunfall mit Personenschaden verschuldet. Zur Vorgeschichte berichtet der Untersuchte, dass er am Vortag von einem Freund mit dem Auto abgeholt worden sei. Er habe dann mit ihm in St ein Pub besucht und sei bis 2 Uhr geblieben. Er habe 2 - 3 Bier und 1 - 2 Bargetränke (Cola-Rum) getrunken. Sein Freund, der mit dem Auto seiner Eltern hingefahren war, sei stark betrunken gewesen. So sei es dazu gekommen, dass der Untersuchte mit dem fremden PKW gefahren sei. Der Freund habe während der Fahrt auf dem Beifahrersitz geschlafen. Nach ca. 7 km Fahrt habe er im Nebel eine Kurve übersehen und sei gegen eine Hausmauer gefahren. Er habe sich bei dem Unfall einen Nasenbeinbruch zugezogen. Sein Freund habe schwere Kopfverletzungen erlitten und sei 4 Tage in ein künstliches Koma versetzt worden. Er leidet noch heute an den Unfallfolgen. Der Untersuchte sei vom Gericht zu einer Strafe von 3 Monaten bedingt auf 3 Jahre verurteilt worden. Der Untersuchte hat sich an der Unfallstelle einem Alkomattest unterzogen. Dabei ist ein Wert gemessen worden, der einem Blutalkoholgehalt von 1,22 Promille entspricht.
 

Zu seinem schweren Fehlverhalten befragt meint der Untersuchte, dass er den Vorfall total bereut und sowas" nicht mehr tun werde. Er gibt an, dass er in der Zeit vor dem Unfall dabei gewesen war, eine Fahrschule zu besuchen und bereits 4 Fahrstunden absolviert hatte. Jetzt habe er sich neuerlich bei der Fahrschule angemeldet, weil er den Führerschein erwerben wolle. Ein Auto habe er schon.
 

Zu seinen Erfahrungen mit Alkohol gibt der Untersuchte an, dass er mit 15 Jahren begonnen habe, Bier zu trinken. In der Anfangszeit habe er beim Fortgehen bis zu 3 Bier getrunken. Dann habe er andere Leute kennengelernt. Er habe in seinem neuen Bekanntenkreis seinen Alkoholkonsum gesteigert und habe dann pro Anlaß 5 - 6 Bier und zusätzlich noch mehrere Bargetränke konsumiert. Seit dem Unfall habe er seinen Alkoholkonsum reduziert. Er gehe jetzt zweimal pro Woche fort und trinke dabei ca. 2 Bier. Zu seinen Konsumgewohnheiten gibt er weiter an, dass er pro Tag 10 Zigaretten rauche. Erfahrungen mit Drogen werden verneint.

 

Verkehrspsychologische Stellungnahme

Herr Oe , geb. am 26.02.1983, unterzog sich am 31.10.2002 einer verkehrspsychologischen Untersuchung zur Überprüfung seiner Bereitschaft zur Verkehrsanpassung. Die Ergebnisse der Persönlichkeitsdiagnostik zeigen starke Auffälligkeiten. Beim Untersuchten besteht eine hohe psychische Alkoholgefährdung. Seine mangelnde Normgebundenheit stellt eine Gefährdung für impulsives, verantwortungsloses Handeln dar. Der Untersuchte ist gehemmt, schüchtern und sozial ist beeinflussbar. Er ist wechselhaft in seinen Absichten und hat Schwierigkeiten, Ziele nachhaltig zu verfolgen. Die Vorgeschichte enthält Hinweise auf ein stark normabweichendes Verhalten, das zu einem schwerem Verkehrsunfall geführt hat. Die zugrunde liegende Problematik konnte bisher offenbar nicht ausreichend bewältigt werden. Bei der vorliegenden Befundlage kann eine weiterhin bestehende Gefährdung in sozialen Trinksituationen nicht ausgeschlossen werden.
 

Wegen der normabweichenden Ergebnisse der Persönlichkeitsdiagnostik kann derzeit eine ausreichende Bereitschaft zur Verkehrsanpassung nicht angenommen werden. Herr Oe ist daher aus verkehrspsycholonischer Sicht zum Lenken von KFZ der FS-Gruppe 1, Klasse B und der FS-Gruppe 2, Klassen C und E, derzeit
 

"nicht geeignet".

Bemerkung: Zur Verbesserung der persönlichen Voraussetzungen zum Lenken von KFZ wird vorgeschlagen, dass sich der Untersuchte einer Therapie unterzieht und die erfolgreiche Teilnahme an dieser Maßnahme nachweist. In diesen Zeitraum wird die Überwachung seines Alkoholkonsums mittels alkoholassozierter Laborparameter empfohlen:

Gezeichnet von Mag. H (Verkehrspsychologin gemäß § 20 FSG-GV, M, am 5. November 2002"

5.1. Das amtsärztliche Gutachten vom 21.11.2002 wird unter Hinweis auf die o.a. Stellungnahme mit dem Hinweis auf den Verkehrsunfall mit zwei Verletzten und einem BAW von 1,2 Promillen mit einem negativen Kalkül abgeschlossen. Ferner wird in der Persönlichkeit des Berufungswerbers eine hohe psychische Alkoholgefährdung mit normabweichenden Ergebnissen diagnostiziert, womit die derzeitige Nichteignung aus ärztlicher Sicht angenommen wurde.

5.2. Neben dem im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens erstellten amtsärztlichen Endgutachten wurde insbesondere die darin entscheidungswesentlich eingeflossene verkehrspsychologische Stellungnahme im Rahmen der Berufungsverhandlung am 21.2.2003 einer ausführlichen Erörterung unterzogen. Eingangs legte der Berufungswerber sogenannte Leberwerte vom 5.2.2003 vor, welche der als Sachverständige Zeuge befragte Amtsarzt dahingehend interpretierte, dass der Berufungswerber zumindest in den letzten drei Monaten kaum Alkohol konsumiert haben konnte (Beil 1). Über Frage, ob diese mit dem Kalkül in der verkehrspsychologischen Stellungnahme "einer bestehenden akuten Alkoholgefährdung" in Übereinstimmung zu bringen sei, wurde dies von den sachverständigen Zeugen dahingehend beantwortet, dass dies nicht ausschließe, dass der Berufungswerber in einer entsprechenden sozialen Umgebung nicht doch wieder zum Alkohol greifen und anschließend ein Fahrzeug in Betrieb nehmen werde.

Der Berufungswerber legte bereits im Rahmen der Berufungsverhandlung glaubhaft dar, dass er pflichtbewusst seiner Arbeit als Lagerarbeiter nachgehe. Er fühle sich an seinem Arbeitsplatz integriert und angenommen. Anlässlich der Berufungsverhandlung machte er einen durchaus soliden und eher introvertierten Eindruck. Seine Darstellung aus dem damaligen Vorfall gelernt zu haben, verbunden mit dem Hinweis, im Falle dieser Tat bei einem Inhaber einer Lenkberechtigung diese bereits wieder erteilt wäre, ist zwar verständlich, entkräftet jedoch nicht das Kalkül der VPU bzw. des amtsärztlichen Gutachtens. Dem Berufungswerber wurde vom Verhandlungsleiter der entscheidende Aspekt der sogenannten Risikoeignung für die Teilnahme am Straßenverkehr ausführlich dargelegt, wobei diese jedoch ausschließlich von den Sachverständigen und nicht als Rechtsfrage zu beantworten ist.

Die als Zeugin umfassend dazu befragte Psychologin erklärte die zum Teil unterdurchschnittlichen Werte dahingehend, dass beim Berufungswerber eine hohe Anpassungsneigung bzw. seine Antworten auf ein sozial erwünschtes Verhalten ausgerichtet waren. Die Psychologin legte unter Hinweis auf die ministerielle Anerkennung der hier verwendeten Testbatterien anschaulich dar, dass hier eine Fülle von an sich leicht verständlichen Fragen mittels Fragebögen zur Beantwortung gestellt waren. Der Berufungswerber räumt dazu ein, diese auch tatsächlich verstanden zu haben. Auf das etwa 30 Minuten dauernde Explorationsgespräch wurde verwiesen. Die Psychologin machte etwa die Bedeutung der "stark erhöhten Aggressionshemmung" plausibel wenn sie diese sinngemäß dahingehend erklärte, dass dieses unterdrückte Potential im Straßenverkehr gegebenenfalls durch ein verkehrsauffälliges (gefährdendes) Verhalten zur Wirkung kommen könnte.

Zusammenfassend wurde dem Berufungswerber zum Verhandlungszeitpunkt von den Gutachtern wohl eine erkennbare Besserung seiner Einstellung zum Alkohol attestiert. Dennoch müsse der Berufungswerber auf Grund der schlechten Werte bei der VPU (niedrig ausgeprägtes Pflichtbewusstsein, geringe Selbstsicherheit und vor allem seine Einstellung zur psychischen Alkoholdisposition) in geeigneter Weise als überwunden dartun. Dem Berufungswerber wurde im Rahmen der Berufungsverhandlung auf breitem Konsens mit einer hohen Erfolgserwartung anempfohlen sich einer einschlägigen Gesprächstherapie zur Stärkung seiner Risikoeignung für die Teilnahme im Straßenverkehr zu unterziehen. Dem stimmte der Berufungswerber gemeinsam mit seinem Rechtsfreund zu, sodass bis zur Beibringung dieses Ergebnisses und der darauf zu erfolgenden Ergänzung des amtsärztlichen Gutachtens, das Berufungsverfahren unterbrochen wurde.

5.2.1. Im Anschluss an die am 9. Mai 2003 fortgesetzte Berufungsverhandlung legt der Berufungswerber einen klinisch psychologischen Befund vom 13. Mai 2003, von Mag. Dr. G, Klinische- und Gesundheitspsychologin, Psychotherapeutin, der von einer Behandlung von 26.3.2003 bis 13.5.2003 begleitet war, vor.

Als Ergebnis der Testung wird darin ausgeführt:

 
" Ergebnisse der Testung:
 


• Im BSI wird die allgemeine psychische Belastung eines Pb gemessen.
Im vorliegenden Profil liegen die ermittelten T-Werte zwischen 41 und 56 und
sind daher als durchschnittlich zu interpretieren.
 
• Im FPI-R zeigen sich Unsicherheit und Kontaktscheu, wodurch es zu Hemmungen im sozialen Umgang kommen kann, weiters zeigt sich eine geringe spontane und reaktive Aggressivität.
 
• Im GT-S zeichnet der Pb ein unauffälliges Selbstbild, einzig die Ausprägung auf der Skala "Soziale Resonanz" ist als statistisch auffällig zu interpretieren. Der Pb fühlt sich als unbeliebt und missachtet und hält sich für wenig durchsetzungsfähig.
 

• Die Ergebnisse des RV lassen auf eine im unteren Durchschnittsbereich
liegende Intelligenz schließen (wenig differenzierte Ganzantworten, F+%

herabgesetzt, geringe Antwortzahl, T% im oberen Durchschnittsbereich). Der
Pb. zeigt eine geringe geistige Beweglichkeit, er denkt stereotyp und hält sich
meistens an das Nächstliegende. Die eher schlechten Inhalte der Antworten
weisen auf eingeengte Interessen.
Der Pb. zeigt eine geringe affektive Resonanz, seine Affektivität ist als labil zu
bezeichnen. Angst- oder Aggressionsindikatoren finden sich im vorliegenden
Protokoll keine.
Die Sozialanpassung kann als ausreichend interpretiert werden, er gibt sich
nicht weltfremd (T% nicht zu niedrig), er zeigt Interesse an anderen Menschen
(M > Md), keine auffälligen Angst- oder Aggressionszeichen.
Eine ausreichende Realitätskontrolle scheint gegeben zu sein.
• Im PF-Test zeigt sich, dass der Pb in sozialen Belastungssituationen eher
unüblich reagiert. Bei Anschuldigungen gibt er eher die eigene Schuld zu,
versucht aber diese auf unvermeidbare Umstände zurückzuführen. Aggressive
Verhaltensweisen gegen die Umwelt kommen kaum vor, ebenso beschuldigt
er andere kaum aggressiv.
Der Pb. zeigt die Tendenz, Aggressionen grundsätzlich zu umgehen.
 
Zusätzlich wurde dem Pb noch der AUDIT - Selbsttest (Hrsg. WHO) vorgegeben. In diesem soll der Pb seine Trinkgewohnheiten an Hand verschiedener Fragen einschätzen. Als Beobachtungszeitraum im vorliegenden Fall wurde die Zeit seit dem Unfall definiert. Die Ergebnisse sind als unauffällig zu werten.
Schließlich wurde mit dem Pb noch eine Übung zur Handhabung von unterschiedlichen Meinungen durchgeführt. Es werden dem Pb gegensätzliche Satzpaare, die zwei mögliche Reaktionsweisen beinhalten, vorgegeben. Die Auszählung der Antworten ergab folgende vom Pb bevorzugte Verhaltensweisen: Kompromissbereitschaft gefolgt von zusammenarbeit, Vermeidung und Anpassung. Aktiver Wettbewerb als Reaktionsmöglichkeit wurde vom Pb am wenigsten ausgewählt (bei 3 von 30 Satzpaaren).
 
Verhalten in der Testsituation:

 
Das Verhalten in der Testsituation und während der psychotherapeutischen Gespräche ist als kooperativ zu bezeichnen. Der Pb. antwortete offen auf alle Fragen, zeigte sich einsichtig und ließ sich nicht provozieren. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Pb. zeitweise im Sinne der sozialen Erwünschtheit antwortete (er ist sich darüber im Klaren, was für ihn auf dem Spiel steht) ist jedoch nicht ganz auszuschließen.
 
Diagnose nach ICD 10:

F60.8 (unreife Persönlichkeit) + Z72.1 (Alkoholgenuss)
 
Zusammenfassung:

Die klinisch-psychologische Untersuchung des Pb ergab im BSI eine durchschnittliche allgemeine psychische Belastung. Die Persönlichkeitsdiagnostik ergab ein deutliches Maß an Unsicherheit und Gehemmtheit, in der Selbsteinschätzung beschreibt der Pb. das Erleben negativer sozialer Resonanz. Die beiden projektiven Verfahren (RV und PF-T) weisen auf eine geringe Tendenz aggressiv zu reagieren, Realitätssinn und Sozialanpassung sind gegeben. Der Pb. verfügt über eine ausreichende Kooperations- und Reflexionsfähigkeit und zeigt die Bereitschaft zur Änderung des Trinkstils."

5.2.2. Der Amtsarzt der Behörde erster Instanz, DDr. B führt dieses Gutachten berücksichtigend in seinem Endgutachten aus:

"Zwischenzeitlich hat Herr Oe hieramts den Befund einer Psychotherapeutin vom 13. Mai 2003 vorgelegt. Die im Zeitraum vom 26. 03. bis 13. 05 2003 durchgeführte Behandlung wurde demnach erfolgreich abgeschlossen und hat damit das negative Ergebnis der VPU vom 05. November 2002 aus amtsärztlicher Sicht korrigiert.

 

Die gesundheitliche Eignung zur Ablegung der Führerscheine für die Gruppe 1 und 2 ist daher bei Herrn Oe ohne Auflagen oder Befristungen gegeben. Herr Oe kann jederzeit die entsprechenden Anträge beim Bürgerservicebüro der BH B einreichen."

6. Diese sachverständigen Darstellungen in Verbindung mit dem vom Berufungswerber gewonnenen Eindruck, insbesondere jedoch der von der psychologischen SV getätigten Relativierungen der verkehrspsychologischen Stellungnahme iVm mit der vom Berufungswerber noch absolvierten Therapie würdigt der Oö. Verwaltungssenat abschließend dahingehend, dass beim Berufungswerber nunmehr aus charakterlicher Sicht eine Risikoeignung für die Teilnahme am Straßenverkehr angenommen werden kann. Beim Berufungswerber ist weder von einer noch bestehenden Alkoholabhängigkeit noch von einer Alkoholaffinität auszugehen. Ebenfalls ist durch die Gutachten iVm dem Eindruck des Berufungswerbers in der Berufungsverhandlung ausreichend belegt, dass auch die erforderliche Bereitschaft zur Verkehrsanpassung gegeben ist, wobei insbesondere der Berufungswerber noch die gesamte Ausbildung zu absolvieren haben wird, wobei er in dieser Phase weiterhin die positive Erwartungshaltung zumindest präsumtiv unter Beweis zu stellen haben wird. Es mag ihm unter Würdigung seiner Gesamtpersönlichkeit (sein soziales Umfeld miteingeschlossen) dahingehend Vertrauen geschenkt werden, dass einerseits seine Bereitschaft zu Verkehrsanpassung gegeben und damit keine sachliche Begründung zur Annahme besteht, dass er alkoholisiert als Fahrzeuglenker am Verkehr teilnehmen wird.

7. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die: .........

3. gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9),..........

Die Voraussetzungen iSd § 8 Abs.1 u.2 FSG sind mit den hier vorliegenden Gutachten belegt. Auch die Voraussetzungen im Sinne des § 5 und § 17 FSG-GV lassen sich rechtlich aus den Inhalten der vorliegenden Gutachten schlussfolgern.

Die in § 8 des FSG normierten Voraussetzungen liegen demnach nunmehr vor (zur Würdigung von Fakten und Risikoeignung, vgl. HIMMELREICH/JANKER, MPU-Begutachtung, 2. Auflage, insb. Rn 284 u. Rn 512 ff).

7.1. Abschließend wird festgestellt, dass sich die zu dieser Berufungsentscheidung führende Sachlage erst im Rahmen des Berufungsverfahrens im Wesentlichen durch die Absolvierung der therapeutischen Maßnahme bei Dr. G und deren detaillierte gutachterliche Stellungnahme ergab. Der zum Entscheidungszeitpunkt der Behörde erster Instanz vorliegenden Sachverhaltslage war deren Bescheidausspruch durchaus der Sach- und Rechtslage entsprechend.

Es war demnach spruchgemäß zu entscheiden. Auf die zu entrichtenden Gebühren in der Höhe von 13 Euro wird an dieser Stelle noch hingewiesen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. B l e i e r
 
 

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