Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-520119/7/Br/Pe

Linz, 04.03.2003

 

 

 VwSen-520119/7/Br/Pe Linz, am 4. März 2003

DVR.0690392

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn JR, geb.30.9.1936, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 16. Jänner 2003, VerkR21-883-2002/LL, nach der am 4. März 2003 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird Folge gegeben; der Entzug der dem Berufungswerber von der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land am 21.11.2000 unter Zahl VR20-5259-2000/LL für die Klassen Av, A, B, C1, C, E, F und G erteilte Lenkberechtigung, sowie das gleichzeitig ausgesprochene Verbot betreffend das Lenken von Motorfahrrädern, vierrädriger Leichtkraftfahrzeugen und Invalidenkraftfahrzeugen, aufgehoben.

Dem Berufungswerber wird die Auflage erteilt, beim Lenken von KFZ der Gruppe 2 eine Brille zu tragen mit der die erforderliche Sehschärfe erreicht wird.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4, BGBl.I Nr. 117/2002 iVm § 3 Abs.1 FSG, § 8 FSG idF BGBl.I Nr.81/2002;
 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem in der Präambel bezeichneten Bescheid wurde dem Berufungswerber das Lenken von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen sowie Invalidenkraftfahrzeugen sowie die ihm erteilten Lenkberechtigungen der im Spruch angeführten Klassen für die Dauer der gesundheitlichen Nichteignung, gerechnet ab Zustellung des Bescheides mit 16. Jänner 2003, verboten.

Rechtlich wurde diese Entscheidung auf § 24 Abs.1 u. 4 sowie § 25 Abs.2 und § 32 Abs.1 FSG gestützt.

 

2. Inhaltlich wurde die Entscheidung auf das Ergebnis des amtsärztlichen Gutachtens vom 9.12.2002 gestützt, welches von einer nicht ausreichenden kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit und daher einer Nichteignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 und 2 ausging. Insbesondere seien beim Berufungswerber zu diesem Kalkül führende Schwächen im Bereich der Überblicksgewinnung, der visuellen Auffassung, der Belastbarkeit, der Konzentrationsfähigkeit und der Sensomotorik festgestellt worden. Ebenso sei bei der klinischen Untersuchung eine Verlangsamung im Antrieb und eine fehlende Problemsicht in Bezug auf die festgestellten Leistungs- und kognitive Defizite aufgefallen.
 

2.1. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit seiner am 28. Jänner verfassten und am 30. Jänner 2003 bei der Behörde erster Instanz eingebrachten und fälschlich als Einspruch bezeichneten Berufung. Darin verweist er auf Gutachten von Dr. S und Prof. Dr. D, die seine gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen bescheinigten. Gleichzeitig bat er um eine Terminvereinbarung.

 

3. Der Verfahrensakt wurde dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt. Dieser hat demnach durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 67a Abs.1 Z2 AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung war hier in Wahrung der durch Art. 6 Abs.1 EMRK zu garantierenden Rechte geboten (§ 67d Abs.1 AVG).

Dem Verfahrensakt angeschlossen finden sich neben dem hier entscheidungswesentlichen amtsärztlichen Gutachten die verkehrspsychologische Stellungnahme des Kuratoriums für Verkehrssicherheit - Landesgeschäftsstelle Linz vom 16.10.2002, ein Blutbefund des Krankenhauses der Barmherzigen Schwestern vom 24.10.2002 und ein "Neurologisches und psychiatrisches Gutachten" des WHR Univ.Prof. Dr. D.

3.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme und Verlesung des erstinstanzlichen Verfahrensaktes. Im Rahmen des Berufungsverfahrens wurde vom Berufungswerber noch eine weitere verkehrspsychologische Untersuchung des "Allgemeinen Arbeitskreises Autonomer Verkehrspsychologen, Dr. HS vom 21.2.2003 sowie ein augenfachärztlicher Befund vom 24.2.2003, erhoben von Medizinalrat Dr. GH, Facharzt für Augenheilkunde, vorgelegt und zum h. Akt genommen (Beilagen 1 u. 2).

Im Rahmen der Berufungsverhandlung wurde der Berufungswerber als Verfahrenspartei gehört. Die Amtsärztin Dr. Ü und der Psychologe Mag. O wurden als sachverständige Zeugen zwecks Erörterung der von ihnen erstatteten Gutachten bzw. gutachterlichen Stellungnahmen befragt. Auch ein Vertreter der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land nahm an der Berufungsverhandlung teil.

 

4. Ausgehend von einer rechtskräftigen Bestrafung wegen einer Weigerung des Berufungswerbers, sich nach einem angeblichen Schwächeanfall mit dem Verdacht auf Beeinträchtigung durch Alkohol, am 3.9.2002 um 00.25 Uhr, einem sogenannten Alkotest zu unterziehen, wurde der Berufungswerber neben einem sogenannten "Driver Improvement Kurs" auch einer "Verkehrspsychologischen Untersuchung" zugewiesen.

Aus dem Ergebnis der verkehrspsychologischen Untersuchung vom 16.10.2002 wurden beim Berufungswerber schwerwiegende verkehrsleistungsspezifische Defizite vermutet. Der Gutachter vermeinte darin auszugsweise, dass diese beim Berufungswerber über den altersspezifischen Abbau hinausreichten und auf eine gesundheitliche oder toxische Schädigung hindeuteten. Der Psychologe brachte darin ferner zum Ausdruck, der Berufungswerber habe ein Fahrzeug in einem durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gelenkt, wobei er die Wirkung dieser Medikamente im Hinblick auf die Fahrtauglichkeitsbeeinträchtigung nicht einschätzen hätte können. Im weiteren wurde in diesem Gutachten schlussgefolgert, dass der Berufungswerber zur Selbstüberschätzung, Ungeduld und Impulsivität neige. Seine soziale Anpassung sei vermindert und seine willentliche Verhaltenskontrolle und Selbstdisziplin sei schwach ausgeprägt. Der Berufungswerber nehme sich nur unkritisch als Verkehrsteilnehmer wahr, habe einen starken emotionalen Bezug zum Autofahren und neige zu dominantem und unnachgiebigen Fahrverhalten. Ebenfalls seien deutliche Wissensdefizite bezüglich der Wirkungsweise von Alkohol im Körper erfassbar und demnach die Akzeptanz der Alkoholbestimmung nur gering. Dem Alkoholkonsum komme eine starke funktionale Bedeutung zu und die Alkoholaffinität des sozialen Umfeldes sei erhöht.

Unter Würdigung der bisher unauffälligen Verkehrsbewährung könne zwar die nötige Bereitschaft zur Verkehrsanpassung noch in ausreichendem Maße angenommen werden, jedoch reichten die erhobenen kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen derzeit für eine aktive Verkehrsteilnahme nicht aus.

Aus diesem Gutachten geht nicht hervor, dass sich der Berufungswerber offenbar dem Verfahren nicht aufgeschlossen zeigte und weitgehend die Mitwirkung verweigerte. Für dieses negative Kalkül ergaben sich im Rahmen des Berufungsverfahrens keine nachvollziehbaren Anhaltspunkte.

Auf Grund der sehr prägnanten negativen Darstellung des oben angeführten Kalküls in der verkehrspsychologischen Stellungnahme fand diese beim Berufungswerber keine Akzeptanz.

Darauf gestützt wurde etwa am 9.12.2002 das abschließend negative amtsärztliche Gutachten erstellt.

 

4.1. Diesem tritt der Berufungswerber in der Folge auf fachlicher Ebene mit dem neurologischen und psychiatrischen Gutachten vom 8. Jänner 2003 entgegen, welches auf einer Untersuchung vom 13.12.2002 basiert.

Darin wird beim Berufungswerber ein geringfügig ausgeprägter sogenannter gutartiger essentieller rechtsseitiger Tremor diagnostiziert, welcher zu keiner Einschränkung beim Lenken von Kraftfahrzeugen führt.

Der damalige Zustand sei durch die Einnahme einer Kombination von Medikamenten und den Konsum von Alkohol bedingt gewesen. Es lägen beim Berufungswerber jedoch keine Hinweise auf Alkholabhängigkeit vor. Dieses Gutachten - welches offenbar mit Blick auf das schlechte Abschneiden bei der VPU in Auftrag gegeben wurde - bestätigt abschließend, dass sich das schlechte Abschneiden durch die Einnahme von einem Tranquilizer erklären lässt.

Davon ging, wie nachfolgend noch auszuführen sein wird, nunmehr auch die Amtsärztin in ihrem Endgutachten aus.

Der Berufungswerber unterzog sich schließlich am 21.2.2003 abermals einer verkehrspsychologischen Untersuchung bei einem Institut in Niederösterreich. Diese führte im Gegensatz zur erstgenannten diesbezüglichen Stellungnahme zur begründeten Annahme der Fahrtauglichkeit aus verkehrspsychologischer Sicht.

Darin wurde eingangs als grundsätzlich festgestellt, dass im Leistungsbereich hohe Prozentränge und im Verhaltensbereich niedriges Prozentränge anzustreben sind.

Schlussfolgernd führt der Gutachter aus, dass beim Berufungswerber Zweifel an der Kraftfahreignung wegen Minderung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit aus verkehrspsychologischer Sicht als ausgeräumt gelten können. Dies unter Hinweis, weil in 78,9% der eingesetzten Verfahren ein Prozentrang von 16 und in 57,9% der eingesetzten Verfahren sogar der Prozentrang von 33 erreicht wurde. Dieses Ergebnis weiche nicht stärker vom Mittelwert der Population ab, als es der Standardabweichung, beziehungsweise der halben Standardabweichung, einem statistischem Wert für die Normstreubreite einer Leistung in einer Population entspricht.

Einzelne unterdurchschnittliche Werte - etwa im Bereich der selektiven Aufmerksamkeit, der Auffassungsgeschwindigkeit, Beobachtungsfähigkeit und Überblicksgewinnung - würden durch "die stabilen Leistungen in allen anderen Prüfbereichen" ausgeglichen. Die bezüglich der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung durchgeführte Verhaltensuntersuchungen haben in den relevanten Skalen größtenteils normgerechte ausgeprägte Verhaltensmuster ergeben. Das soziale Verantwortungsbewusstsein, d. h. die Anpassung und das Pflichtbewusstsein, die Selbstkontrolle, d.h. die Besonnenheit, das Selbstvertrauen, die psychische Stabilität, d.h. die emotionale Widerstandsfähigkeit und die innere Ruhe, die Risikobereitschaft, d.h. das physische soziale und finanzielle Probeagieren und die Tendenz zu aggressiven Interaktionen, d.h. Erregbarkeit, reaktiver und spontaner Aggression, aber auch das Ausmaß an Aggressionshemmung (Gewissensstrenge) des Berufungswerbers, entsprachen dem Normverhalten.

Zusammenfassend führte der zweite VPU-Gutachter aus, dass im Bereich der Verhaltensdiagnostik keine Verhaltensmuster erkennbar waren, welche mit verkehrsauffälligem Verhalten, konkret mit mangelnder Bereitschaft zur Verkehrsanpassung in Verbindung gebracht werden könnten.

4.2. Dieses im Gegensatz zur ersten verkehrspsychologischen Stellungnahme - welche gemäß der Darstellung des diese Untersuchung durchführenden Psychologen - auf Grund des damaligen physischen und psychischen Zustandsbildes des Berufungswerbers negativ ausfiel, bescheinigt die nunmehr vorgelegte verkehrspsychologische Stellungnahme ein gegensätzliches Bild. In gut nachvollziehbar gestalteten Ausführungen gelangt der Zweitgutachter zum Kalkül einer Fahreignung. In freier Würdigung dieser beiden Gutachten ist davon auszugehen, dass für den Berufungswerber anlässlich der Erstellung des Erstgutachtens viele negative Faktoren den negativen Ausgang bedingten. Durch die aus der Fachsprache entnommenen Formulierungen mag sich der Berufungswerber in seiner Würde verletzt gefühlt haben. Inhaltlich vermochte der als sachverständige Zeuge befragte Psychologe die diesbezüglich beim Berufungswerber entstandenen Irritationen in Darlegung der schematisch vorgegebenen Wortwendungen eines entsprechenden Kalküls aufzuklären. Es wurde dabei glaubhaft dargelegt, dass die in sprachlicher Beschreibung des Kalküls getätigten Ausführungen als nicht verletzend, sondern rein das fachliche Kalkül dargetan hätten, wenngleich der sachverständige Zeuge einräumte, dies künftighin etwas umsichtiger und weniger eine subjektive Wertung indizierend tun zu wollen.

Im Gegensatz dazu gestaltete sich die vom Berufungswerber vorgelegte verkehrspsychologische Stellungnahme jüngsten Datums positiv und es lässt sich daraus in überzeugend nachvollziehbarer Weise ein positives Kalkül einer Fahreignung aus verkehrspsychologischer Sicht ableiten. Es deckt sich auch mit dem Gutachten des Prof. Dr. D, welcher bezugnehmend auf den beim Berufungswerber festgestellten Tremor ebenfalls von einer Fahreignung auszugehen scheint.

Dadurch gelangte nunmehr auch die Amtsärztin der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land, Dr. Überwimmer, anlässlich der umfangreichen Erörterungen der Gutachten im Rahmen der Berufungsverhandlung in ihrem abschließenden Gutachten zum Ergebnis der bedingten Fahrtauglichkeit des Berufungswerbers zum Lenken der KFZ, d.h. der Gruppe 1 und 2 geeignet. Die Amtsärztin führte in ihrem im Rahmen der Berufungsverhandlung erstatteten Gutachten abschließend aus, dass der Visus ohne Korrektur für die Gruppe 1 gerade noch ausreichend sei, während für die Gruppe 2 das Tragen einer Brille mit der der erforderliche Visus erreicht wird, notwendig ist. Nur dieses Faktum indizierte mit Blick auf die Gruppe der Lastkraftfahrzeuge die Einschränkung der Lenkberechtigung auf "bedingt geeignet".

Im Übrigen wird zusammenfassend von der Amtsärztin ausgeführt, dass weder bei der klinischen Untersuchung noch laborchemisch sich Hinweise auf einen chronischen Alkoholmissbrauch fanden. Durch das zweite vom Berufungswerber beigebrachte verkehrspsychologische Gutachten konnte nachgewiesen werden, dass Leistungsdefizite die beim ersten VPU-Test vorlagen, durch die Einnahme des Tranquilizers Lexotanil und nicht durch einen vorzeitigen Alterungsprozess verursacht wurden. Die auch bei der zweiten "VPU" in Teilbereichen vorliegenden Mängel können aber ausreichend kompensiert werden.

Diesem Kalkül schließt sich die Berufungsbehörde im Einklang mit dem an der Berufungsverhandlung teilnehmenden Vertreter der Behörde erster Instanz an.

 

5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Nach § 3 Abs.1 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt und demnach auch nur belassen werden, die iSd Z3 "gesundheitlich geeignet sind ein Kraftfahrzeug zu lenken" (§§ 8 und 9 leg.cit). Im Falle des Vorliegens der gesetzlich normierten Voraussetzungen besteht ein Rechtsanspruch auf Erteilung (Wiedererteilung) einer (der) Lenkberechtigung.

Nach § 8 FSG hat vor der Erteilung einer Lenkberechtigung der Antragsteller der Behörde ein ärztliches Gutachten vorzulegen, dass er zum Lenken von Kraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet ist. Der Umfang der Eignung ist iSd § 8 Abs.3 FSG auszusprechen.

Gleiches gilt demnach für die nach einem wegen gesundheitlicher Nichteignung erfolgten Entzug der Lenkberechtigung bei deren Wiedererlangung.

Auf Grund der im Rahmen des Berufungsverfahrens ergänzend erhobenen Beweisergebnisse kam der Berufung Berechtigung zu, sodass in dieser Sache spruchgemäß zu entscheiden war.

 

Es wird darauf hingewiesen, dass im gegenständlichen Fall Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro angefallen sind.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. B l e i e r

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