Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-103648/10/Br

Linz, 03.05.1996

VwSen-103648/10/Br Linz, am 3. Mai 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch seine 2. Kammer (Vorsitzender: Dr. Langeder, Beisitzer: Dr. Guschlbauer und Berichter: Dr. Bleier) über die Berufung des Herrn A O, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. L und Dr. W G, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 12. März 1996, Zl.

VerkR96-13218-1995/Mr, wegen Übertretung der StVO 1960, zu Recht:

I. Der Berufung wird F o l g e gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr.

471/1995 - AVG iVm § 19, § 24, § 45 Abs.1 Z2, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr.

52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 620/1995 - VStG; II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Über den Berufungswerber wurde mit dem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 12. März 1996, Zl.

VerkR96-13218-1995/Mr, wegen der Übertretung nach § 99 Abs.1 lit.c iVm § 5 Abs.6 StVO 1960 eine Geldstrafe von 12.000 S und im Nichteinbringungsfall zehn Tage Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er am 27.06.1995 gegen 22.10 Uhr im Gemeindegebiet von S auf der N, Richtung N, den PKw Kz. in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt und sich geweigert habe, eine Blutabnahme bei einem Arzt am 28.06.1995 um ca. 00.45 Uhr im Unfallkrankenhaus vornehmen zu lassen, obwohl er verdächtig war, sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden zu haben und eine Alkomatuntersuchung aus in seiner Person gelegenen Gründen (infolge der beim Unfall erlittenen Verletzungen) nicht möglich gewesen wäre.

1.1. Die Erstbehörde stützte ihre Entscheidung im wesentlichen auf die Angaben des Arztes Dr. M, welchem gegenüber der Berufungswerber Angaben zu seiner Person machen habe können. Einem erfahrenen Arzt vermeinte die Erstbehörde zumuten zu können, daß dieser in der Lage ist zu entscheiden ob an einem Patienten die Aufforderung zur Blutabnahme herangetragen werden könne. Alleine, daß dieser Arzt diese Aufforderung ausgesprochen hat, erachtete die Erstbehörde als Beweis, daß die Blutabnahme aus medizinischen Gründen keinesfalls unzulässig gewesen sei.

Aus diesem Grunde hätte der Berufungswerber die Verwaltungsübertretung (gemeint die Verweigerung der Blutabnahme) zu verantworten.

2. In der fristgerecht durch seine ag. Rechtsvertreter erhobenen Berufung legt der Berufungswerber das Vorliegen einer Bewußtseinsstörung im Sinne des § 3 VStG zum Zeitpunkt seiner angeblichen Verweigerung der Blutabnahme dar.

Insbesondere wird gerügt, daß die Erstbehörde sich nicht mit der Frage seiner Zurechnungsfähigkeit auseinandergesetzt habe. Dies hätte nur durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens festgestellt werden können (VwGH 23.11.1972, 1317 u. 1318/72).

Der Berufungswerber schließt seiner Berufung noch ein anonymisiertes Gutachten des Facharztes für Unfallchirurgie u. allgemein beeideten gerichtl. Sachverständigen, Dr. med.

Peter C S, bei. Dieses Gutachten besagt im Ergebnis, daß bei Gehirnerschütterungen Bewußtseinstrübungen und Aufhellungsphasen kurzfristig wechseln. Erst nach vollständiger Wiederaufhellung des Bewußtseins ist die regelrechte Funktion des Gehirns wiederhergestellt. Dieser Zeitraum könne sich über einige Stunden bis maximal einen Tag erstrecken. Eine Ablehnung der Blutabnahme nach 1 1/2 Stunden nach dem Unfall sei in diesem Fall nicht im Vollbesitz der geistigen Fähigkeit geschehen.

Der Berufungswerber beantragt abschließend die Aufhebung des Straferkenntnisses und die Verfahrenseinstellung.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den erstbehördlichen Verfahrensakt. Ferner wurde eine gutachterliche Stellungnahme der medizinischen Amtssachverständigen, Frau Dr. H, Zl. San - 228.725/1 - 1996/Has, zu dem mit der Berufung vorgelegten Gutachten eingeholt. Dieses wurde den Parteien im Rahmen des zu gewährenden rechtlichen Gehörs mit der Eröffnung einer Frist zur Stellungnahme übermittelt.

Die Erstbehörde führte in ihrer Stellungnahme vom 2. Mai 1996 dazu aus, daß sich in ihrem Verfahren kein Hinweis auf eine wesentliche Einschränkung der Dispositionsfähigkeit beim Beschuldigten ergeben hätte.

Der Berufungswerber nahm dieses Verfahrensergebnis mit der Bemerkung zur Kenntnis, daß dieses seine Ausführungen stütze.

4. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

4.1. Der Berufungswerber war am 27.6.1995 um ca. 22.10 Uhr in S als Lenker eines Pkw an einem Verkehrsunfall mit Personenschaden beteiligt. Er wurde folglich in das UKH L eingeliefert, wobei er laut Aufnahmebefund (Seite 37 des Aktes) zur Person orientiert, zeitlich und örtlich jedoch nicht orientiert gewesen ist. Um 23.40 Uhr (im Straferkenntnis fälschlich um 00.45 Uhr angeführt) lehnte er gegenüber dem Assistenzarzt Dr. M die von der Gendarmerie geforderte Blutabnahme ab. Vom Bezirksgericht N wurde er am 27.11.1995 wegen des Vergehens nach § 88 Abs.1 StGB zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen a' 200 S (12.000 S) verurteilt. Im Hinblick auf § 81 Z2 StGB (Begehung der Körperverletzung unter Alkoholeinfluß) erfolgte ein Freispruch.

4.2. Die medizinische Sachverständige führte in ihrer gutachterlichen Stellungnahme im Ergebnis aus, daß der Berufungswerber sich nicht nur eine Commotio ceribri sondern auch noch eine Brustkorbprellung zugezogen hatte. Er sei bei der Einlieferung primär somnolent, sei wohl zur Person, aber nicht zeitlich und örtlich orientiert gewesen. Daraus folgert die Sachverständige, daß zumindest der Verdacht besteht, daß der Berufungswerber womöglich nicht in der Lage gewesen sein könnte die Aufforderung zur Blutabnahme zur Gänze realisiert bzw. die Amtshandlung eingesehen zu haben.

Zusammenfassend ging die Sachverständige unter der Annahme für die für den Berufungswerber günstigsten Voraussetzungen von einer Beeinträchtigung der Zurechnungsfähigkeit zum Aufforderungszeitpunkt aus.

Der unabhängige Verwaltungssenat schließt sich dieser Ansicht an und geht hier auf Grund des vom Berufungswerber dargelegten Vorbringens, welches im Ergebnis von der medizinischen Amtssachverständigen bestätigt wurde, aus.

Schon im Sinne der Zweifelsregel muß von dieser Annahme ausgegangen werden. Es ist jedenfalls nicht unschlüssig, sich auf diese sachverständigen Äußerungen zu stützen.

Immerhin ist es auch aus laienhafter Sicht nachvollziehbar, daß selbst bei einem geringergradigen Schädel-Hirntrauma ein solcher Zustand gegeben sein kann.

5. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat wie folgt erwogen:

5.1. § 5 Abs.6 StVO 1960 (Verfassungsbestimmung): An Personen, die gemäß Abs. 5 Z2 (leg.cit.) zu einem Arzt gebracht werden und die verdächtig sind, sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand zu befinden, ist eine Blutabnahme zum Zweck der Bestimmung des Blutalkoholgehaltes vorzunehmen; die Betroffenen haben diese Blutabnahme vornehmen zu lassen.

Nach § 99 Abs.1 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 8.000 S bis 50.000 S, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von einer bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer....

c) (Verfassungsbestimmung) sich bei Vorliegen der im § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, sich Blut abnehmen zu lassen.

5.2. Nach § 3 Abs.1 VStG ist nicht strafbar, wer zur Zeit der Tat wegen Bewußtseinsstörung, wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit oder wegen Geistesschwäche unfähig war, das Unerlaubte der Tat einzusehen oder dieser Einsicht gemäß zu handeln.

Wenn bloße Zweifel an der Tatbegehung, hier im Sinne (auch) der subjektiven Tatebene, bestehen, ist von der Fortführung eines Verwaltungsstrafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen (vgl. VwGH 12.3.1986, 84/03/0251; ZfVB 1991/3/1122).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. L a n g e d e r

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