Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-520302/31/Fra/Sta

Linz, 28.07.2004

 

 

 VwSen-520302/31/Fra/Sta Linz, am 28. Juli 2004

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S
 
 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung der Frau P B, A, N, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. R A, M, L, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 21.5.2003, VerkR22-16-225-2003, betreffend Befristung einer Lenkberechtigung sowie Erteilung einer Auflage, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben. Der angefochtene Bescheid wird behoben. Die Lenkberechtigung der Berufungswerberin für die Klasse B wird unbefristet erteilt. Die im Führerschein eingetragene Befristung ist zu streichen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm § 67a Abs.1 AVG.

 
 

Entscheidungsgründe:
 

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 21.5.2003 wurde die Lenkberechtigung der Berufungswerberin (Bw) für die Klasse B bis 21.5.2008 befristet erteilt und folgende Auflage ausgesprochen:

"Nachuntersuchung in 5 Jahren mit Vorlage internistischem und augenfachärztlichem Befund".

 

Der dagegen erhobenen Berufung hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Erkenntnis vom 28.10.2003, VwSen-520302/17/Fra/Ka, keine Folge gegeben und den angefochtenen Bescheid bestätigt. Der Oö. Verwaltungssenat hat sich in seiner Entscheidung auf das amtsärztliche Sachverständigengutachten vom 3.10.2003, AZ. San-233542/1-2003-Has/Ang, gestützt.

 

Gegen diesen Bescheid hat die Bw eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 20.4.2004, Zl. 2003/1/0315-6, das oa Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof führt in diesem Erkenntnis begründend aus, dass der
Oö. Verwaltungssenat - welcher der Auffassung der Amtssachverständigen Dris. H gefolgt ist - der Sache nach die bei der Bw bestehende Erkrankung als "fortschreitende Erkrankung" gewertet habe. Fortschreitende Erkrankungen werden in § 3 Abs.5 FSG-GV allgemein, hinsichtlich der Augenerkrankungen im § 8 Abs.2 FSG-GV geregelt. In § 11 FSG-GV finden sich Bestimmungen zur Zuckerkrankheit. Hinsichtlich fortschreitender Erkrankungen enthalten weder § 8 FSG-GV noch § 11 FSG-GV von § 3 Abs.5 zweiter Satz FSG-GV abweichende Spezialbestimmungen.
§ 3 Abs.5 zweiter Satz FSG-GV regelt, dass eine Stabilisierung der Erkrankung oder Behinderung die Grundlage für die Aufhebung der bei der befristeten Erteilung oder Belassung der Lenkberechtigung zu verfügenden Auflagen bildet. Damit sei im gegebenen Zusammenhang nicht schon eine vorübergehende, sondern eine dauerhafte Stabilisierung einer ihrer Art nach als fortschreitende Erkrankung anzusehenden Krankheit gemeint. Diese müsse also derart zum Stillstand gekommen sein, dass nach dem medizinischen Wissensstand keine weitere Verschlechterung zu befürchten ist. Nur dann kann von einer Befristung Abstand genommen werden, ohne eine vorhersehbare Gefährdung der Verkehrssicherheit in Kauf zu nehmen. Es sei daher Sache des medizinischen Sachverständigen darzutun, ob bei der betreffenden Erkrankung nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft eine Stabilisierung im besagten Sinn überhaupt in Betracht kommt und unter welchen Voraussetzungen eine solche Stabilisierung angenommen werden könne. Bei Eintritt einer Stabilisierung im besagten Sinne liege keine fortschreitende Erkrankung gemäß § 3 Abs.5 FSG-GV (mehr) vor. In einem solchen Falle sei bei der Erteilung der Lenkberechtigung deren gleichzeitige Befristung (das ist die Versagung einer Lenkberechtigung für die Zeit nach dem angenommenen Fristende hinaus) unter Auflage von Kontrolluntersuchungen und Nachuntersuchungen unzulässig.

 

Das dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegende amtsärztliche Gutachten beantwortet die hier entscheidende Frage einer Stabilisierung im Sinne des § 3 Abs.5 FSG-GV der bei der Bw festgestellten Erkrankung nicht ausreichend. Die ärztliche Sachverständige konzediere zwar, dass die für den insulinpflichtigen Diabetes typischen Gefäßschädigungen an Niere und Augen "derzeit stabil und ohne Progredienz" sind. In der ärztlichen Stellungnahme des AKH Linz heiße es, es könne "auf Grund der Stabilität der diabetischen Mikroangiopathie an Niere und Augen angenommen werden, dass in absehbarer Zeit eine Progredienz der Retinopathie und Nephropathie nicht zu erwarten ist." Im augenfachärztlichen Befund vom 22.9.2003 wird darüber hinaus angeführt, es sei "auf Grund der stabilen Verhältnisse in den letzten 6 Jahren unwahrscheinlich, dass es zu einer Verschlechterung der diabetischen Retinopathie kommt. Man kann davon ausgehen, dass der derzeitige Zustand stabil bleibt." (Insbesondere eine mögliche Verschlechterung dieser Folgekrankheit des insulinpflichtigen Diabetes hat die ärztliche Amtssachverständige als Grund für die Notwendigkeit einer Nachuntersuchung angeführt). Angesichts dieser Hinweise in den fachärztlichen Stellungnahmen auf eine nicht bloß vorübergehende Stabilisierung des Zustandes der Bw genüge zur Begründung der von der ärztlichen Amtssachverständigen als notwendig erachteten Befristung samt Kontrolluntersuchung und Nachuntersuchung der pauschale Hinweis auf den "gegenwärtigen fachlichen Wissensstand" und die "gängige verkehrsmedizinische Praxis" nicht. Letztere könne im gegebenen Zusammenhang von vornherein keine taugliche Begründung darstellen. Der - offenbar von der vorstehend wiedergegebenen Beurteilung der Fachärzte abweichende - "gegenwärtige fachliche Wissensstand" werde nicht näher dargelegt; es werde lediglich behauptet, dass die geäußerte Auffassung diesem Wissenstand entspreche. Die belangte Behörde habe sohin die bekämpfte Entscheidung auf eine mangelhafte Grundlage gestützt.

Der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes folgend hatte sohin der
Oö. Verwaltungssenat im fortgesetzten Verfahren zu beurteilen, ob bei der Bw keine fortschreitende Erkrankung im Sinne des § 3 Abs.5 FSG-GV mehr vorliegt.

Der Oö. Verwaltungssenat ersuchte daher die amtsärztliche Sachverständige ihr bereits erstattetes Gutachten durch Ausführungen im dargelegten Sinne zu ergänzen und, falls eine Befristung samt Kontrolluntersuchung und Nachuntersuchung neuerlich als notwendig erachtet wird, den gegenwärtigen fachlichen Wissensstand näher darzulegen.

Zu diesem Ersuchen hielt die amtsärztliche Sachverständige Frau Dris. H in ihrer Stellungnahme vom 23.6.2004, AZ. San-233542/2-2004-Has/Klm, folgendes fest:

"Aus amtsärztlicher Sicht können wir keine genaueren Aussagen treffen, als es bereits im genauen Aktengutachten vom 3. Oktober 2003 dargelegt wurde. Aus unserer Sicht kann beim angeborenen insulinpflichtigen Diabetes mellitus, wie er bei Frau P B vorliegt, trotz Einhaltung der regelmäßigen Blutzuckerkontrollen und Einhaltung der erforderlichen therapeutischen Maßnahmen nicht ausgeschlossen werden, dass sich zu einem späteren Zeitpunkt (kann auch plötzlich eintreten!) die Stoffwechselsituation bzw. die Gefäßschädigungen so gravierend verschlechtern, dass die Fahreignung nicht mehr gegeben ist. Auf die genauen Ausführungen in unserem Gutachten vom 3. Oktober 2003 weisen wir nochmals hin. Ob überhaupt bzw. zu welchem konkreten Zeitpunkt eine derartige Verschlechterung eintreten wird, kann naturgemäß nicht prognostiziert werden . Allerdings kann auch das Fortschreiten der chronischen Erkrankung nicht ausgeschlossen werden.

Wie wir bereits im Letztgutachten im Schlussabsatz bemerkt haben, ist aus fachlicher Sicht jedenfalls beim insulinpflichtigen Diabetes mellitus wegen der möglichen Komplikationen nur eine eingeschränkte Lenkerberechtigung denkbar und sollte diese fachlich sinnvolle und für notwendig erachtete Einschränkung der Lenkerberechtigung rechtlich nicht umsetzbar sein, möge das im Zuge der Beweiswürdigung bewertet werden."

 

Zu diesem Ergänzungsgutachten ist vorerst festzuhalten, dass bereits im Eingangssatz Dris H festhält, keine genaueren Aussagen treffen zu können, als sie bereits in ihrem Aktengutachten vom 3.10.2003 dargelegt hat. Der mehrmals angeführte "derzeitige fachliche Wissenstand" wird nicht näher erläutert. Wann allenfalls eine Verschlechterung der Krankheit eintreten wird, kann ausdrücklich nicht prognostiziert werden. Die von der Bw vorgelegten Gutachten belegen eine Stabilität ihres derzeitigen Zustandes. Dr. S hält eine Verschlechterung für unwahrscheinlich. Dr. B erwartet in absehbarer Zeit keine Verschlechterung. Diesen Aussagen tritt Dris. H in ihrem Ergänzungsgutachten nicht entgegen. Im Ergänzungsgutachten fehlen Ausführungen, die eine konkrete Gefahr einer negativen Veränderung des Gesundheitszustandes der Bw darlegen würden. Das Gutachten Dris. H ist in diesem Punkt allgemein. Die Bw bringt zu Recht vor, dass, wenn eine Verschlechterung nicht ausgeschlossen werden könne, dies nicht bedeute, dass derzeit kein stabiler Zustand bestehe. Konkrete Anzeichen für eine Änderung des derzeitigen Zustandes werden von Dris. H nicht angeführt.

 

Zusammenfassend hält daher der Oö. Verwaltungssenat fest, dass auch im Ergänzungsgutachten Dris. H der "gegenwärtige fachliche Wissenstand" nicht näher dargelegt wird. Die Sachverständigenausführungen haben daher als Begründung für die als notwendig erachtete Befristung samt Kontroll- und Nachuntersuchung zu wenig Aussagekraft. Die von der Bw vorgelegten fachärztlichen Stellungnahmen sprechen demgegenüber für eine unbefristete Erteilung einer Lenkberechtigung ohne Auflage, weshalb aus den angeführten Gründen spruchgemäß zu entscheiden war.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 
 

Dr. F r a g n e r

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