Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-520315/3/Fra/Vie/An

Linz, 03.09.2003

 

 

 VwSen-520315/3/Fra/Vie/An Linz, am 3. September 2003

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die rechtzeitig eingebrachte Berufung des Herrn FB, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Mag. TB, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 6. Juni 2003, Zl. Fe-515/2003, Nsch 58/2003, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens zur Entziehung der Lenkberechtigung und Anordnung der Nachschulung für alkoholauffällige Lenker sowie Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung, zu Recht erkannt.

 

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

 
Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG sowie § 69 AVG
 
 

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem oa Bescheid hat die Bundespolizeidirektion Linz (belangte Behörde) unter Wiederaufnahme des Verfahrens zur Entziehung der Lenkberechtigung und Anordnung einer Nachschulung (zu Zl. Fe-515/2003, Nsch 58/2003) Herrn FB die von der Bundespolizeidirektion Linz am 17.4.2003 unter der Zl. F 7086/2002 für die Klasse B erteilte Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit für die Dauer von 12 Monaten (ab 26.4.2003) entzogen und gleichzeitig eine Nachschulung für alkoholauffällige Kraftfahrer angeordnet. Einer Berufung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Als Rechtsgrundlagen hat die belangte Behörde die §§ 7, 24, 25, 29, 32 FSG sowie die §§ 64 Abs.2 sowie 69 Abs.1 AVG angeführt.

2. Gegen diesen Bescheid hat der Berufungswerber (Bw) rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Rechtsinstitut der Berufungsvorentscheidung hat die belangte Behörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates in Form eines Einzelmitgliedes (§ 67a Abs.1 zweiter Satz AVG) gegeben. Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung war nicht erforderlich (§ 67d Abs.1 AVG).

3. Der Inhalt des umfangreichen Rechtsmittels lässt sich im Wesentlichen dahingehend zusammenfassen, dass der Bw die von der belangten Behörde verfügte Wiederaufnahme des Verfahrens zur Entziehung der Lenkberechtigung als nicht gesetzmäßig erachtet. Der Vorfall vom 27.4.2003 sei der Behörde grundsätzlich bereits an diesem Tage bekannt gewesen, weshalb nicht nachvollziehbar sei, dass der Tatbestand der Behörde erst am 15.5.2003 bekannt geworden sein sollte. Dass der Tatbestand dem zuständigen Referenten nicht vor dem von ihm angegebenen Zeitpunkt erkennbar war, sei auf ein Verschulden der Mitarbeiter der Behörde zurückzuführen. Dieses Verschulden müsse sich die Behörde zurechnen lassen. Die übrigen Ausführungen betreffen den Vorfall vom 27.4.2003 selbst.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt und in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

Das gegen die von der belangten Behörde verfügte Wiederaufnahme des Verfahrens zur Entziehung der Lenkberechtigung gerichtete Berufungsvorbringen verhilft der Berufung im Ergebnis zum Erfolg.

4.1. Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung den Sachverhalt zugrunde, der Bw (welcher Probeführerscheinbesitzer ist) habe am 26.4.2003 um 20.30 Uhr im Stadtgebiet von Linz einen dem Kennzeichen nach näher bezeichneten PKW in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (eine Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt habe einen Wert von 0,40 mg/l ergeben) gelenkt und dabei die im Ortsgebiet erlaubte Höchstgeschwindigkeit um mindestens 25 km/h überschritten. Gemäß § 39 Abs.1 FSG sei der Führerschein vorläufig abgenommen worden. Am 27.4.2003 habe er um 00.05 Uhr abermals den angeführten PKW im Stadtgebiet von Linz gelenkt, hiebei einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht und anschließend Fahrerflucht begangen. Um 00.30 Uhr habe der Alkoholisierungsgrad immer noch 0,32 mg/l Atemluftalkoholgehalt betragen. Aufgrund des erstgenannten Vorfalls habe die Behörde am 8.5.2003 einen Mandatsbescheid erlassen und damit die Lenkberechtigung für die Dauer von einem Monat entzogen sowie eine Nachschulung angeordnet. Der zweitgenannte Vorfall sei der Behörde erst am 15.5.2003 bekannt geworden und habe somit im Erstbescheid (gemeint: der Mandatsbescheid vom 8.5.2003) nicht berücksichtigt werden können. Es sei deshalb das Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung von Amts wegen wieder aufzunehmen und sei auf Grund der beim Bw zutage getretenen Uneinsichtigkeit bzw. mangelnden Verkehrszuverlässigkeit eine Entziehungsdauer von mindestens 12 Monaten erforderlich gewesen.

Zu bemerken ist in diesem Zusammenhang, dass der erstgenannte Vorfall von Sicherheitswachebeamten des Wachzimmers Kleinmünchen/C2 Bundespolizeidirektion Linz, wahrgenommen und zur Anzeige gebracht wurde. Der zweigenannte Vorfall wurde von Beamten der Verkehrsabteilung, Verkehrsunfallkommando, Bundespolizeidirektion Linz, wahrgenommen und zur Anzeige gebracht.

4.2. Gemäß § 69 Abs.1 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:

  1. der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist oder
  2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder
  3. der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde.

 

Unter den genannten Voraussetzungen kann nach Abs.3 leg.cit. die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs.1 Z1 stattfinden.

Gemäß § 24 Abs.1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

  1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder
  2. die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diese Einschränkungen sind gemäß § 13 Abs.2 in den Führerschein einzutragen.

 

Gemäß § 3 Abs.1 Z2 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die verkehrszuverlässig sind (§ 7).

Gemäß § 7 Abs.1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht aufgrund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder

2. sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

Gemäß § 7 Abs.3 Z1 FSG hat als bestimmte Tatsache iSd Abs.1 leg.cit. insbesondere (auch) zu gelten, wenn jemand ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs.1 bis 1b StVO 1960 begangen hat, auch wenn die Tat nach § 83 Sicherheitspolizeigesetz - SPG, BGBl. Nr. 566/1991, zu beurteilen ist; ferner gemäß § 7 Abs.3 Z7 lit. a FSG, wenn jemand ein Kraftfahrzeug lenkt trotz entzogener Lenkberechtigung oder bestehenden Lenkverbotes oder trotz vorläufig abgenommenen Führerscheines.

 

4.3. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu § 75 Abs.1 KFG 1967 in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass Gegenstand eines nach dieser Gesetzesstelle eingeleiteten Ermittlungsverfahrens der seit der Erteilung der Lenkberechtigung eingetretene Wegfall jeder einzelnen der maßgebenden Eignungsvoraussetzungen (§ 64 Abs.2 KFG 1967) ist. Daraus folgt, dass bis zur Erlassung des Entziehungsbescheides verwirklichte Tatsachen, die eine der Eignungsvoraussetzungen betreffen, im Bescheid bereits zu berücksichtigen sind. Die wiederholte Ergreifung von Maßnahmen nach § 73 Abs.1 KFG 1967 jeweils nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens hinsichtlich einzelner Erteilungsvoraussetzungen ist daher ebenso wenig zulässig wie die wiederholte Entziehung der Lenkberechtigung wegen Verkehrsunzuverlässigkeit auf Grund mehrerer nacheinander (aber vor Bescheiderlassung) begangener strafbarer Handlungen. Erlangt die Behörde erst nach der Rechtskraft eines Entziehungsbescheides von Tatsachen Kenntnis, die sie ohne ihr Verschulden im rechtskräftig abgeschlossenen Entziehungsverfahren nicht verwenden konnte, so stellt dies gemäß § 69 Abs.1 Z. 2 i.V.m. Abs.3 AVG einen Grund für die amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens dar (siehe dazu u.a. die Erkenntnisse vom 3. Juli 1990, Zl.89/11/0224, und vom 10. Oktober 1995, Zl. 94/11/0178). Ausnahmen von diesem Grundsatz wurden wegen der Besonderheit der im Gesetz gesondert geregelten Entziehungsmaßnahmen nur in jenen Fällen gemacht, in denen schon vom Gesetzgeber zwingend die Entziehung mit einer bestimmten Entziehungszeit festgesetzt wurde. Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Rechtsprechung auch im Geltungsbereich des FSG fortgeführt. Auch das Entziehungsverfahren nach dem FSG ist ein einheitliches im oben beschriebenen Sinne. Ausgenommen davon sind nur jene Fälle, in denen schon vom Gesetz eine bestimmte Entziehungszeit festgesetzt wurde (siehe hiezu die VwGH-Erkenntnisse vom 17. November 1992, Zl. 91/11/0140, 19. April 1994, Zl. 92/11/0272, vom 22. März 2002, Zl. 2001/11/0342, 28. Mai 2002, Zl. 2001/11/0284).

Die Wiederaufnahme des Verfahrens öffnet den Weg, eine durch Bescheid erledigte Rechtssache in einem neuerlichen Verfahren sachlich zu prüfen. Bei den in § 69 Abs.1 Z2 AVG bezeichneten "neuen Tatsachen und Beweismittel" muss es sich um neu hervorgekommene, d.h. um solche handeln, die bereits zur Zeit des Verfahrens bestanden haben, aber erst später nach Abschluss des Verfahrens bekannt wurden. Es kann sich hiebei immer nur um den Sachverhalt betreffende Tatsachen und Beweismittel handeln, die im durchgeführten Verfahren, wenn sie schon damals hätten berücksichtigt werden können, zu einer anderen Feststellung des Sachverhaltes und voraussichtlich zu einem anders lautenden Bescheid geführt hätten.

Sowohl der Sachverhalt vom 26.4.2003 als auch jener vom 27.4.2003 wurden - wie oben schon angeführt - jeweils von Beamten der belangten Behörde festgestellt. Beide Sachverhalte waren somit bei der belangten Behörde vor Erlassung des Mandatsbescheides vom 8.5.2003 bekannt. Dass hinsichtlich des zweitgenannten Sachverhaltes vom 27.4.2003 bis zu diesem Zeitpunkt (der Aktenlage nach) das Verkehrsamt der belangten Behörde von dem in Rede stehenden Sachverhalt offenkundig keine Kenntnis erlangt hat, ist, was immer die Gründe, welche einer raschen, zumindest rechtzeitigen Übermittlung der Anzeige des Verkehrsunfallkommandos der belangten Behörde an das Verkehrsamt entgegenstanden, waren, von keinerlei Relevanz.

Es stellt der Umstand, dass das Verkehrsamt der belangten Behörde laut der Begründung des angefochtenen Bescheides offenkundig erst am 15.5.2003 von diesem Vorfall Kenntnis erlangt hat, keine neu hervorgekommene Tatsache im Sinne des § 69 Abs.1 Z2 AVG dar (vgl. hiezu auch VwGH vom 26.4.1994. Zl. 91/14/0192 bzw. vom 8.6.1994, Zl. 94/12/0138). Die Voraussetzung für eine Wiederaufnahme des Verfahrens aus den in § 69 Abs.1 Z2 AVG genannten Gründen lag somit nicht vor. Die hinsichtlich des Vorfalles vom 27.4.2003 erstattete Anzeige stellt keinen Grund für die amtswegige Wiederaufnahme des Entziehungsverfahrens gemäß § 69 Abs.1 Z 2 iVm. Abs.3 AVG dar.

Die Vorgangsweise der belangten Behörde, dennoch im Wege einer Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß den angeführten gesetzlichen Bestimmungen eine neuerliche Entziehung der Lenkberechtigung bzw. eine neuerliche Nachschulung zu verfügen, erweist sich im Licht der obigen Ausführungen somit als rechtswidrig.

5. Aus den angeführten Gründen war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

 

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro angefallen.

 

Dr. F r a g n e r

 
 

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