Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-520360/14/Zo/Pe

Linz, 15.04.2004

 

 

 VwSen-520360/14/Zo/Pe Linz, am 15. April 2004

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S
 
 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung der Frau Dr. E G, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. O W, vom 12.8.2003 gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 30.7.2003, Zl. FE-618/2003, wegen Entziehung der Lenkberechtigung mangels gesundheitlicher Eignung, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird teilweise stattgegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass festgestellt wird, dass die Berufungswerberin gesundheitlich geeignet ist, Kraftfahrzeuge der Klasse B unter folgenden Einschränkungen zu lenken:

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4 und 67a Abs.1 AVG iVm §§ 8 Abs.3 und 24 FSG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Der Polizeidirektor von Linz hat mit dem angefochtenen Bescheid der Berufungswerberin die Lenkberechtigung für die Klassen A, B und F ab Verkündung des Bescheides mangels gesundheitlicher Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen bis zur behördlichen Feststellung, dass die Berufungswerberin wiederum geeignet ist, entzogen. Weiters wurde die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung aberkannt und die Berufungswerberin verpflichtet, den Führerschein unverzüglich der Behörde abzuliefern.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung, in welcher die Berufungswerberin vorbringt, dass sich der Bescheid und das diesem zugrundeliegende amtsärztliche Gutachten ausschließlich auf die verkehrspsychologische Stellungnahme des Kuratoriums für Verkehrssicherheit vom 7.7.2003 stützt. Bei der Untersuchung sei die Berufungswerberin nervös gewesen und unter ungewohntem Zeitdruck gestanden. Es habe sich um den ersten Kontakt der Berufungswerberin mit einem Computer gehandelt. Die Ausführungen in der VPU, wonach die festgestellten Leistungsminderungen nicht mehr kompensierbar seien, seien nicht schlüssig. Insbesondere sei zuwenig berücksichtigt worden, dass die Berufungswerberin nur eine geringe Risikobereitschaft sowie eine hohe soziale Anpassungsbereitschaft aufweise. Die VPU würde zahlreiche Vermutungen aufstellen und es wäre notwendig gewesen, eine Beobachtungsfahrt mit der Berufungswerberin durchzuführen, um eben festzustellen, ob diese Vermutungen zu Recht bestehen oder nicht.

 

3. Der Polizeidirektor von Linz hat den Verwaltungsakt dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt, eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Dieser hat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied (§ 67a Abs.1 AVG) zu entscheiden.

 

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt, Durchführung von zwei Beobachtungsfahrten am 20.11. und 10.12.2003 durch einen dazu befugten Sachverständigen, Einholung einer weiteren verkehrspsychologischen Stellungnahme vom 4.2.2004 und eines amtsärztlichen Gutachtens der Landessanitätsdirektion vom 11.3.2004. Zu diesen Ermittlungsergebnissen wurde das Parteiengehör gewahrt, wobei der Rechtsvertreter der Berufungswerberin mitteilte, mit den vorgeschlagenen Einschränkungen einverstanden zu sein, während die Erstinstanz innerhalb der eingeräumten Frist keine Stellungnahme abgegeben hat. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung wurde nicht beantragt und erschien aufgrund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens auch nicht erforderlich (§ 67d Abs.1 AVG).

 

4.1. Daraus ergibt sich folgender entscheidungswesentliche Sachverhalt:

 

Die Berufungswerberin war im Besitz einer Lenkberechtigung für die Klassen A, B und F, welche ihr am 21.1.1974 zur Zl. F 139/74 erteilt worden war. Am 29.4.2003 verursachte sie einen Verkehrsunfall mit Sachschaden, dieser wurde von der Erstinstanz zum Anlass genommen, die gesundheitliche Eignung der Berufungswerberin zu überprüfen. Die verkehrspsychologische Untersuchung am 3.7.2003 ergab zusammengefasst, dass bei der Berufungswerberin die kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen im Bereich der Beobachtungsfähigkeit, der sensomotorischen Fähigkeiten, der Reaktionsgeschwindigkeit und der reaktiven Dauerbelastbarkeit deutlich herabgesetzt sind. Eine ausreichend bewusste Aufnahme der Umgebungsvorgänge erschien nicht mehr gewährleistet. Ebenfalls erschien ein ausreichend rasches Reagieren nicht mehr gegeben. Einschränkungen im Bereich der sensomotorischen Fähigkeiten ließen auch Probleme im konkreten Handling vermuten. Insgesamt sei das Ausmaß der Leistungsminderungen aus verkehrspsychologischer Sicht als nicht mehr kompensierbar und damit als eignungsausschließend zu werten gewesen. Weiters wurde eine augenfachärztliche Stellungnahme eingeholt, welche ein eingeschränktes Dämmerungssehen ergab, jedoch keinen Einwand für das Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse 1. Auch die fachärztliche internistische Stellungnahme ergab keine Contraindikation gegen das Lenken eines Kraftfahrzeuges. Unter Berücksichtigung dieser Untersuchungsergebnisse ergab das erstinstanzliche amtsärztliche Gutachten, dass die Berufungswerberin nicht geeignet zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppen A, B und F sei.

 

Mit der Berufungswerberin wurden am 20.11.2003 sowie am 10.12.2003 im Beisein eines gemäß § 125 KFG 1967 bestellten technischen Sachverständigen Beobachtungsfahrten durchgeführt. Die erste Beobachtungsfahrt erfolgte mit einem Pkw mit einem 5-Gangschaltgetriebe. Es wurden zahlreiche Fahrfehler festgestellt, welche aber nach den Ausführungen des Sachverständigen in erster Linie auf Probleme beim Schalten zurückzuführen waren. Es wurde deshalb eine weitere Beobachtungsfahrt unter Verwendung eines Kraftfahrzeuges mit Automatikgetriebe am 10.12.2003 durchgeführt. Bedingt durch das Automatikgetriebe hatte die Berufungswerberin mehr Zeit und Aufmerksamkeit zur Verfügung, sich auf den Verkehrsablauf zu konzentrieren. Insbesondere war zu beobachten, dass sich ihre Blicktechnik bei den Kreuzungen und beim Einbiegen dadurch gebessert hatte und auch bezüglich der Spurhaltung kein Grund für Beanstandungen vorlag. Die Berufungswerberin hatte für das richtige Blick- und Blinkverhalten bei den Kreisverkehren mehr Aufmerksamkeit für ein umsichtiges Fahren zur Verfügung und konnte insgesamt vorausschauender fahren. Sie konnte bei Autobahnausfahrten und auch im übrigen Verkehrsgeschehen sich leichter den nötigen Überblick verschaffen und führte auch mehr Spiegelblicke durch als bei der ersten Beobachtungsfahrt. Aus Sicht des technischen Amtssachverständigen ist die Berufungswerberin zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B bedingt geeignet, wobei als Auflagen vorgeschlagen wurde, dass die Berufungswerberin nur Fahrzeuge mit Automatikgetriebe und Standard-Servolenkung verwenden dürfe. Durch diese Ausgleichseinrichtungen können die körperlichen Mängel der Antragsstellerin ausgeglichen werden.

 

Die neuerliche verkehrspsychologische Untersuchung am 4.2.2004 ergab zusammengefasst, dass die Berufungswerberin eine normgerechte Intelligenzleistung bot. Hinsichtlich ihres verkehrspsychologisch relevanten mnestischen Potentials wies sie eine überdurchschnittlich gute Gedächtnis- und Merkfähigkeitsleistung auf. Bei der kraftfahrspezifischen Leistungsprüfung zeigte sie insgesamt eine ausreichende Leistungsfähigkeit. Mängel konnten nur im Bereich der visuomotorischen Koordination festgestellt werden, die Aufmerksamkeitsleistung verschlechterte sich mit zunehmender Dauer der Untersuchung leicht. Die anderen Teilbereiche befanden sich im Normbereich. Die Persönlichkeitsuntersuchung ergab einen ruhigen, leistungsorientierten Persönlichkeitstypus, wobei die Berufungswerberin sozial sehr angepasst ist. Es ließen sich keine Anzeichen einer erhöhten Risikobereitschaft objektivieren. Aus verkehrspsychologischer Sicht ist die Berufungswerberin derzeit geeignet, Kraftfahrzeuge der Klasse B zu lenken, wobei aufgrund der Ermüdungserscheinungen eine Beschränkung auf einen Umkreis von 30 km empfohlen wurde. Weiters eine Kontrolle in einem Jahr in Form einer Beobachtungsfahrt.

 

Aufgrund dieser Untersuchungsergebnisse wurde ein amtsärztliches Gutachten von der Landessanitätsdirektion erstellt, welches zusammenfassend ergab, dass bei der Berufungswerberin derzeit die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B unter folgenden Auflagen besteht:

 

5. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

 

5.1. Gemäß § 24 Abs.1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

  1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder
  2. die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken.

Diese Einschränkungen sind gemäß § 13 Abs.2 in den Führerschein einzutragen.

 

Gemäß § 8 Abs.3 FSG hat das ärztliche Gutachten abschließend auszusprechen:

"geeignet", "bedingt geeignet", "beschränkt geeignet" oder "nicht geeignet". Ist der Begutachtete nach ärztlichem Befund

  1. gesundheitlich zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer oder mehrerer Klassen ohne Einschränkung geeignet, so hat das Gutachten "geeignet" für diese Klassen zu lauten;
  2. zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer oder mehrerer Klassen nur unter der Voraussetzung geeignet, dass er Körperersatzstücke oder Behelfe oder dass er nur Fahrzeuge mit bestimmten Merkmalen verwendet oder dass er sich ärztlichen Kontrolluntersuchungen unterzieht, so hat das Gutachten "bedingt geeignet" für die entsprechenden Klassen zu lauten und Befristungen, Auflagen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen der Gültigkeit anzuführen, unter denen eine Lenkberechtigung ohne Gefährdung der Verkehrsicherheit erteilt werden kann; dies gilt auch für Personen, deren Eignung nur für eine bestimmte Zeit angenommen werden kann und bei denen amtsärztliche Nachuntersuchungen erforderlich sind;
  3. zum Lenken nur eines bestimmten Fahrzeuges nach § 2 Z24 KFG 1967 geeignet, so hat das Gutachten "beschränkt geeignet" zu lauten und anzugeben, durch welche körperlichen Mängel die Eignung beschränkt ist und in welcher Form diese körperlichen Mängel ausgeglichen werden können;
  4. zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer oder mehrerer Klassen nicht geeignet, so hat das Gutachten "nicht geeignet" für die entsprechende Klasse zu lauten.

 

5.2. Das durchgeführte Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass die Berufungswerberin derzeit unter den im Spruch angeführten Einschränkungen geeignet ist, Kraftfahrzeuge der Klasse B zu lenken. Die Durchführung einer Beobachtungsfahrt erschien iSd § 3 Abs.4 FSG-GV zweckmäßig, weil die Berufungswerberin in den letzten zwei Jahren tatsächlich Kraftfahrzeuge gelenkt hat und die Annahme gerechtfertigt erschien, dass ein Ausgleich der bestehenden Mängel durch erlangte Geübtheit eingetreten ist.

 

Das amtsärztliche Gutachten berücksichtigt sämtliche eingeholten fachärztlichen Stellungnahmen, die durchgeführten Beobachtungsfahrten und die verkehrspsychologischen Untersuchungen. Das Gutachten ist schlüssig und nachvollziehbar, die Parteien des Berufungsverfahrens haben diesem auch nicht widersprochen. Es war daher der Entscheidung zugrunde zu legen, weshalb der angefochtene Bescheid teilweise aufzuheben und der Berufung mit den angeführten Einschränkungen Folge zu geben war.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro angefallen.

 

 

Mag. Z ö b l

 
 
Beschlagwortung:
Beobachtungsfahrt bei negativer VPU

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