Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-103842/7/Br

Linz, 26.07.1996

VwSen-103842/7/Br Linz, am 26. Juli 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr.Bleier über die Berufung des Herrn F, vertreten durch Herrn RA Dr. H gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems, Zl. VerkR96-344-1996, vom 13. Juni 1996, wegen Übertretung der StVO 1960, nach der am 26. Juli 1996 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird F o l g e gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 AVG, BGBl.Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 471/1995 iVm § 19, § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 und § 51i Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 620/1995; II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems hat mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Übertretung nach § 38 Abs.1 lit.a iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 700 S und für den Nichteinbringungsfall einen Tag Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er am 7. Dezember 1995 um 09.34 Uhr den PKW mit dem Kennzeichen in W von der V kommend bei der Kreuzung mit der T nach rechts abbiegend gelenkt habe und dabei das gelbe, nicht blinkende Licht der Verkehrslichtsignalanlage nicht beachtete habe, indem er nicht vor der Haltelinie anhielt.

2. Begründend führte die Erstbehörde im wesentlichen aus, daß die Übertretung durch ein Organ der Straßenaufsicht wahrgenommen wurde. Im Ergebnis folgte die Erstbehörde den Angaben des Meldungslegers und nicht der bestreitenden Verantwortung des Berufungswerbers.

3. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht durch seinen ag. Rechtsvertreter erhobenen Berufung, worin er nachfolgendes ausführt:

"In umseits näher bezeichneter Verwaltungsstrafsache habe ich mit meiner Vertretung Rechtsanwalt Dr. H, L beauftragt.

Ich erstatte nunmehr gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems durch meinen ausgewiesenen Vertreter, mir zugestellt mit 13.06.1996, binnen offener Frist nachstehende BERUFUNG an den Unabhängigen Verwaltungssenat.

Ich fechte das Straferkenntnis seinem gesamten Inhalte nach an:

Berufungsgrund der unrichtigen Tatsachenfeststellung:

Die Erstbehörde legt ihrem Straferkenntnis offensichtlich den Umstand zugrunde, daß ich das gelbe nicht blinkende Licht der Verkehrslichtsignalanlage nach dem Grünlicht für alle Fahrtrichtungen auf der V nicht beachtet habe.

Diese Darstellung entbehrt jedweder Grundlage, vermag auch die Erstbehörde diese Behauptung nicht schlüssig nachvollziehbar zu machen, sondern hat sich der gegenständliche Vorfall wie folgt ereignet:

Ich näherte mich auf der V dem gegenständlichen Kreuzungsbereich mit der T und reihte mich am rechten Fahrstreifen ein, da ich in weiterer Folge die Weiterfahrt Richtung Süden (T) beabsichtigte.

Die Kreuzung V ist ampelgeregelt, wobei eine Verkehrslichtsignalanlage für sämtliche Fahrtrichtungen angebracht ist, dazu jedoch eine Zusatzampelanlage, nämlich ein grüner Pfeil, für den rechts, in Richtung T abbiegenden Verkehr.

Als ich mich dem Kreuzungsbereich näherte, zeigte die Verkehrslichtsignalanlage für sämtliche Verkehrsteilnehmer Rotlicht; zu diesem Zeitpunkt waren am mittleren und für den Linksabbiegeverkehr vorgesehenen Fahrstreifen in der V bereits Fahrzeuge in Halteposition; der für den Rechtsabbiegeverkehr vorgesehene Fahrstreifen war frei; ich näherte mich dem Kreuzungsbereich auf diesem rechten Fahrstreifen, wobei der Rechtsabbiegepfeil, der ursprünglich nicht eingeschaltet war, auf Grünlicht umschaltete; zu diesem Zeitpunkt war die Ampelanlage für sämtliche Verkehrsteilnehmer auf Rot gestellt, lediglich für mich war durch den grünen Pfeil ein Rechtsabbiegen möglich. Das Umschalten auf den Grünabbiegepfeil erfolgte zu einem Zeitpunkt, als ich ca. 20 m vor der Haltelinie gewesen bin; zu diesem Zeitpunkt befand sich die Zeugin noch vor der Kreuzung außerhalb des rechten Fahrbahnrandes der V direkt hinter dem rechts befindlichen Teil der Verkehrsampelanlage und war ihr bei der von ihr behaupteten Beobachtung meines Einfahrens weder eine Sichtmöglichkeit auf die rechts der Fahrbahn befindliche Verkehrslichtanlage, noch auf die im Kreuzungsmittelpunkt in Form einer Oberkopfampel befindlichen Verkehrslichtanlage möglich.

Alleine aus dieser Darstellung läßt sich auch erkennen, daß die Behauptung der Zeugin an den Haaren herbeigeholt ist, ich sei bei einem gelben Licht, das unmittelbar nach dem Grünlicht für alle Fahrtrichtungen aufgeschienen ist, eingefahren; ich halte nochmals fest, daß Rotlicht geherrscht hat und sämtliche links von mir befindlichen Fahrzeuge in Anhalteposition waren.

Zum besseren Verständnis lege ich ein Photo bei, welches die Ampelanlage zum Zeitpunkt meines Einfahrens wiedergibt.

Jedenfalls ist mir ein diesbezüglicher Vorwurf nicht zu machen und ist der vom Erstgericht festgestellte Sachverhalt aufgrund einer unrichtigen Beweiswürdigung erfolgt.

Unrichtige rechtliche Beurteilung:

Im Hinblick darauf ist natürlich auch die rechtliche Folge unrichtig festgestellt.

Ich stelle daher den A N T R A G das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen; in eventu die Verwaltungsstrafsache zur weiteren Verhandlung an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen.

M, 21. Juni 1996/I F" 3.1. Die Erstbehörde hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt, somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hat, da keine 10.000 S übersteigende Strafe verhängt worden ist, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu erkennen.

Da sich das Berufungsvorbringen auch gegen Tatsachenfragen richtet, war eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen und durchzuführen gewesen (§ 51e Abs.1 VStG).

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems, Zl. VerkR96-344-1996; in der mit einem Ortsaugenschein verbundenen öffentlichen mündlichen Verhandlung wurden die Meldungslegerin, Insp. Ch. K, und die Ehefrau des Berufungswerbers, F, als Zeuginnen und der Berufungswerber als Beschuldigter einvernommen.

5. In der Sache selbst wurde nachfolgender Sachverhalt als erwiesen angenommen:

5.1. Unbestritten ist, daß der Berufungswerber das bezeichnete Kfz zur fraglichen Zeit an der angeführten Örtlichkeit lenkte. Laut seinen Angaben befährt er diesen Straßenzug zumindest zweimal wöchentlich. Er verantwortet sich auch anläßlich der Berufungsverhandlung dahingehend, daß er nicht in der Gelbphase, sondern in der Phase als das Spurensignal (grüner Pfeil) für Rechtsabbieger auf "GRÜN" geschaltet gewesen ist, diese Kreuzung rechtsabbiegend durchfahren habe. Dabei habe er auch die Meldungslegerin im Bereich der Säule des Elektrogeschäftes (südwestliche Ecke des Kreuzungsbereiches V) stehen gesehen, welche ihn während seiner Annäherung an die Kreuzung fortwährend angeblickt hätte. Von dieser Position wäre eine Sicht auf die Verkehrslichtsignalanlage nicht gegeben gewesen.

Dieser Schilderung vermochte jedoch nicht gefolgt werden, wobei diese Angaben auch nicht durch die zeugenschaftliche Aussage der im Fahrzeug mitfahrenden Ehegattin des Berufungswerbers hinreichend objektiviert erachtet werden konnten. Die Zeugin konnte sich nämlich nicht mehr an den Vorfallstag konkret erinnern; ebenfalls vermochte sie nicht darzutun, ob auf den anderen Fahrstreifen Fahrzeuge gestanden sind. Die Zeugin stützte ihre Angaben offenbar bloß auf verfahrensspezifische Schilderungen durch ihren Gatten. Nachdem der Berufungswerber diese Strecke regelmäßig befährt und auch die Meldungslegerin an dieser Stelle öfter Verkehrsüberwachung versieht, ist es sehr wahrscheinlich, daß sich seine Verantwortung auf die Erinnerung an einem anderen Tag als den hier verfahrensgegenständlichen bezieht.

Die Meldungslegerin gab hingegen an und diesbezüglich vermochte ihr durchaus gefolgt werden, daß sie etwa fünf Meter westlich der besagten Säule gestanden sei. Von dieser Position ist eine Sicht auf die auch über der Kreuzungsmitte angebrachte Verkehrslichtsignalanlage gegeben. Sie hat noch am gleichen Tag die Anzeige verfaßt, sodaß kein Anhaltspunkt dafür erkennbar war, daß ihr ein Irrtum oder die Verwechslung von Daten mit einer anderen Anzeige unterlaufen wären.

Die Meldungslegerin beobachtete die Annäherung des Fahrzeuges des Berufungswerbers an die Kreuzung auf der Rechtsabbiegespur mit einer Fahrgeschwindigkeit von höchstens 30 km/h. Laut Anzeige habe die Ampel auf "GELB" geschaltet, als der Berufungswerber noch zwölf Meter von der Haltelinie entfernt war.

Anläßlich der bei der Berufungsverhandlung gezeigten Position hätte diese Entfernung jedoch achtzehn Meter betragen. Die Meldungslegerin räumte jedoch ein, daß einerseits die Entfernung geschätzt wurde und sich der Berufungswerber beim Aufleuchten des Gelblichtes auch zwischen dem ersten und zweiten Rechtsabbiegepfeil befunden haben könnte. Anläßlich der Berufungsverhandlung konnte festgestellt werden, daß sich die Fahrbahn etwa 25 Meter vor der Haltelinie in eine Rechtsabbiegespur erweitert. Im Zweifel mußte jedoch jedenfalls von einer für den Berufungswerber günstigeren Annahme (von zwölf Metern beim Aufleuchten des Gelblichtes) ausgegangen werden.

Daraus ergibt sich, daß bei einer Fahrgeschwindigkeit von 30 km/h und bei einer Position von zwölf Meter vor der Haltelinie beim Aufleuchten des Gelblichtes, eine Bremsung mit einer Verzögerungskomponente von 4,95 m/sek/2 erforderlich gewesen wäre, um das Fahrzeug noch an (vor) der Haltelinie zum Stillstand zu bringen (Berechnung durch den Verhandlungsleiter mittels EVU-Unfallsrekonstruktionsprogramm von Prof. Dr. Gratzer, KFZ-Sachverständiger). Die sich hier ergebende Verzögerungskomponente liegt beträchtlich über jener einer normalen Betriebsbremsung. Die Durchfahrzeit bis zum Erreichen der Haltelinie betrug dabei 1,44 Sekunden. Die Dauer der Gelbphase beträgt drei Sekunden. Dieser Berechnung ist eine Reaktionszeit von 0,5 Sekunden und eine Bremsschwellzeit von 0,2 Sekunden grundgelegt.

5.2. Rechtlich ist daher folgendes zu erwägen:

5.2.1. Gelbes blinkendes Licht gilt unbeschadet der Vorschriften des § 53 Z10a StVO 1960 über das Einbiegen der Straßenbahn bei gelbem Licht als Zeichen für "Halt". Bei diesem Zeichen haben die Lenker herannahender Fahrzeuge unbeschadet der Bestimmungen des Abs.7 (Anm.: Spurensignale) anzuhalten:

a) wenn eine Haltelinie vorhanden ist, vor der Haltelinie; b) wenn ein Schutzweg ohne Haltelinie vorhanden ist, vor dem Schutzweg; c) wenn eine Kreuzung ohne Schutzweg und ohne Haltelinie vorhanden ist, vor der Kreuzung; d) ansonsten vor dem Lichtzeichen....... (aus § 38 Abs.1 StVO 1960).

5.2.2. Hiezu ist zu bemerken, daß bei Aufleuchten des gelben Lichtes nicht unter allen Umständen die Pflicht zum Anhalten des Fahrzeuges besteht; vielmehr darf in jenen Fällen, in denen ein Anhalten nicht mehr (sicher) möglich ist, die Kreuzung noch durchfahren werden. Es ist also von ausschlaggebender Bedeutung, in welchem Punkt vor der Kreuzung sich das Fahrzeug befand, als der Wechsel des Lichtes von Grün auf Gelb erfolgte. So ist ein verkehrssicheres Anhalten dann nicht mehr möglich, wenn bei Beginn der Gelbphase die Entfernung des Fahrzeuges von der Kreuzung (Abs.1 lit.a bis lit.d) geringer ist als die Länge des Bremsweges zuzüglich etwa des halben Reaktionswertes (verkürzt wegen der Grünblinkphase); das entspricht bei einer Geschwindigkeit von 30 km/h über 14 m (8 m + ~ 6 m) [Benes-Messiner, Kommentar zur StVO, 8. Auflage, Seite 510 ff., Anm. 2, sowie E 1, 4 und 5]. Eine Bremsung wo - so wie hier - die Bremsverzögerung beträchtlich über dem Wert einer Betriebsbremsung gelegen wäre, ist demnach für einen Fahrzeuglenker in einer solchen Situation insofern nicht zumutbar und kann auch nicht mit dem Erfordernis eines "sicheren Anhalten(s)[-könnens]" in Einklang gebracht werden.

Dem Berufungswerber konnte daher unter diesen Gesichtspunkten selbst bei vollinhaltlichem Ausgehen von den Anzeigedaten keine Verletzung des § 38 Abs.1 lit.a StVO 1960 rechtens vorgeworfen werden. Das angefochtene Straferkenntnis war daher aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

5.3. Eine vom Rechtsvertreter des Berufungswerbers beantragte Zurückverweisung zwecks ergänzender Beweisaufnahme an die Erstbehörde entbehrt mangels Geltung des § 66 Abs.2 AVG im Verwaltungsstrafverfahren (§ 24 VStG) einer gesetzlichen Grundlage.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß jeweils - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. B l e i e r

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