Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-520580/2/Ki/Da

Linz, 29.04.2004

 

 

 VwSen-520580/2/Ki/Da Linz, am 29. April 2004

DVR.0690392
 

 

 

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung von Frau Mag. U S, vertreten durch Rechtsanwältin Mag. E C M, vom 19.4.2004 gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 24.3.2004, VerkR21-16-2004, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird behoben.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG iVm §§ 7 und 24 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat mit dem in der Präambel angeführten Bescheid der Berufungswerberin die Lenkberechtigung für die Klassen A, B für die Dauer von drei Monaten gerechnet ab Zustellung des Bescheides entzogen und überdies angeordnet, dass sie sich auf ihre Kosten bis zum Ablauf der Entziehungsdauer einer Nachschulung bei einer ermächtigten Stelle zu unterziehen habe.

 

2. Dagegen hat die Rechtsmittelwerberin mit Schriftsatz vom 19.4.2004 Berufung erhoben und beantragt, der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oö. wolle den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass dieser behoben werde, sowie eine Berufungsverhandlung anberaumen.

 

Bemängelt wird, dass im vorliegenden Fall die objektive Tatseite nicht ausreichend ermittelt worden sei. Es sei zwar richtig, dass die Berufungswerberin den entsprechenden Sicherheitsabstand im Sinne des § 18 Abs.1 StVO nicht eingehalten habe und diesbezüglich ein rechtskräftiges Straferkenntnis vorliege, an das die Behörde hinsichtlich des nun vorliegenden und bekämpften Bescheides gebunden sei. Daraus ergäbe sich jedoch keinesfalls eine Beurteilung hinsichtlich der Verkehrsunzuverlässigkeit. Die Berufungswerberin habe durch den nicht eingehaltenen Sicherheitsabstand keine besonders gefährlichen Verhältnisse herbeigeführt.

 

Die Autobahn A 7 sei bei Strkm 18,100 Richtung Süd stark abschüssig, weshalb die Berufungswerberin die Verkehrslage vor dem vor ihr fahrenden Kfz habe weit überblicken können. Da vor dem vor ihr fahrenden Fahrzeug absolut frei gewesen sei, habe sie auch nicht mit einem plötzlichen Abbremsen ihres Vordermannes zu rechnen gehabt und zwar weder aus der Verkehrslage an sich noch auf Grund der Straßenverhältnisse. Hätte die Behörde erster Instanz diesen Sachverhalt entsprechend ermittelt, wäre sie nicht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Berufungswerberin ein Verhalten gesetzt hätte, das geeignet wäre, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Vorschriften verstoßen hätte.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat die Berufung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oö. vorgelegt, dieser hatte durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oö. hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt.

Eine mündliche Berufungsverhandlung wurde durch die Berufungswerberin zwar beantragt, da jedoch bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte die Verhandlung entfallen (§ 67d Abs.2 Z1 AVG).

 

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 13.2.2004, VerkR96-4248-2003-BB/HL wurde der Berufungswerberin zur Last gelegt, sie habe am 9.9.2003 um 08.53 Uhr in Engerwitzdorf, Autobahn A7 bei Strkm 18.100, Fahrtrichtung Linz, den Kombi, Kennzeichen gelenkt und dabei mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern gegen die Vorschriften der Straßenverkehrsordnung 1960 verstoßen, da sie beim Fahren hinter dem nächsten, vor ihr fahrenden Fahrzeug keinen solchen Abstand eingehalten habe, dass ihr jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich gewesen wäre, zumal sie bei einer Fahrgeschwindigkeit von 139 km/h einen Sicherheitsabstand von lediglich 0,29 Sekunden zum Vorderfahrzeug eingehalten habe. Sie habe dadurch §§ 99 Abs.2 lit.c iVm 18 Abs.1 StV0 1960 verletzt. Dieses Straferkenntnis wurde rechtskräftig.

 

5. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oö. wie folgt erwogen:

 

Gemäß § 24 Abs.1 Z1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.

 

Gemäß § 25 Abs.1 FSG ist bei der Entziehung auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund des Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.

 

Gemäß § 25 Abs.3 FSG ist bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen.

 

Gemäß § 7 Abs.1 Z1 FSG gilt als verkehrszuverlässig eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird.

 

Gemäß § 7 Abs.3 Z3 FSG hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs.1 zu gelten, wenn jemand als Lenker eines Kraftfahrzeuges durch Übertretung von Verkehrsvorschriften ein Verhalten setzt, dass an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Verkehrsvorschriften vorstoßen hat; als Verhalten, das geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, gelten insbesondere erhebliche Überschreitungen der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit vor Schulen, Kindergärten und vergleichbaren Einrichtungen sowie auf Schutzwegen oder Radfahrerüberfahrten, das Übertreten von Überholverboten bei besonders schlechten oder bei weitem nicht ausreichenden Sichtverhältnissen oder das Fahren gegen die Fahrtrichtung auf Autobahnen.

 

Gemäß § 7 Abs.4 FSG sind für die Wertung der in Abs.3 beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

 

Wenn auch das Nichteinhalten eines entsprechenden Sicherheitsabstandes in § 7 Abs.3 Z3 FSG nicht ausdrücklich angeführt ist, es handelt sich dort um eine bloß demonstrative Aufzählung von Verhalten, so ist doch davon auszugehen, dass das Nichteinhalten des erforderlichen Sicherheitsabstandes im festgestellten Ausmaß als ein besonders rücksichtsloses Verhalten in Zusammenhang mit den für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Verkehrsvorschriften zu beurteilen ist.

 

Zu Recht hat die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausgeführt, dass ein derart geringer Abstand immer wieder Ursache für schwerste Verkehrsunfälle darstellt, da ein rechtzeitiges Abbremsen bei einem derart geringen Abstand unmöglich ist bzw. dass beim geringsten Fahrfehler des vor ihr befindlichen Lenkers oder wenn das vor ihr fahrende Fahrzeug plötzlich abgebremst hätte, sie unweigerlich mit diesem kollidiert wäre.

 

Der Berufungswerberin wäre es bei dem festgestellten so geringen Sicherheitsabstand selbst bei optimalen Reaktionsbedingungen unter keinen Umständen mehr möglich gewesen, auf irgendwelche Fahrmanöver des voranfahrenden Fahrzeuges dahingehend zu reagieren, dass ein Auffahrunfall mit möglicherweise gravierenden Folgen vermieden hätte werden können. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass die Berufungswerberin tatsächlich mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebliche Vorschrift des § 18 Abs.1 StVO 1960 verstoßen hat.

 

Dass, wie in der Berufung vorgebracht wurde, die Berufungswerberin die Verkehrslage vor dem vor ihr fahrenden Kfz weit hatte überblicken können, ist im vorliegenden Falle nicht relevant, zumal wie oben dargelegt wurde, auf ein allfälliges Fehlverhalten des Vorderfahrzeuges nicht mehr reagiert hätte werden können. Die Argumentation, ein nicht indiziertes abruptes Abbremsen des Vordermannes sei verboten und führe ganz allgemein zu einem Mitverschulden, vermag das Fehlverhalten der Berufungswerberin in diesem Punkt nicht aufzuwiegen. Wohl darf der Lenker eines Kraftfahrzeuges grundsätzlich davon ausgehen, dass sich die anderen Verkehrsteilnehmer gesetzeskonform verhalten, dieser Umstand indiziert jedoch nicht, dass ein Fehlverhalten, wie im vorliegenden Falle das Einhalten eines äußerst geringen Sicherheitsabstandes, anders zu beurteilen wäre.

 

Ausgehend davon vermag der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oö. in der Annahme der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung, dass das auf Grund der rechtskräftigen Bestrafung der Berufungswerberin festgestellte Verhalten als besonders rücksichtslos gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Vorschriften zu beurteilen ist, eine Rechtswidrigkeit nicht zu erblicken.

 

Dennoch ist im vorliegenden Falle der Berufung Folge zu geben. Zumal neben dem Vorliegen der bestimmten Tatsache noch eine Wertung im Grunde des § 7 Abs.4 FSG vorgenommen werden muss. Dabei ist insbesondere auch die seit der Tat am 9.9.2003 verstrichene Zeit und das Verhalten der Berufungswerberin während dieser Zeit von Bedeutung. Die Entziehung der Lenkberechtigung wäre sohin nur gerechtfertigt, wenn man auf Grund der vorzunehmenden Wertung im Sinne des § 7 Abs.4 FSG davon ausgehen kann, die Berufungswerberin wäre zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (die Zustellung erfolgte am 4.4.2004) verkehrsunzuverlässig gewesen und es werde die Verkehrszuverlässigkeit nicht vor Ablauf von drei Monaten eintreten (vergleiche u.a. VwGH vom 23.4.2002, 2001/11/0149). Ausgehend vom Zeitpunkt der dem Entzug der Lenkberechtigung zu Grunde liegenden Verwaltungsübertretung am 9.9.2003 ergäbe sich im vorliegenden Falle, dass die Verkehrszuverlässigkeit der Berufungswerberin erst drei Monate nach der erfolgten Zustellung des angefochtenen Bescheides, somit erst mehr als 9 1/2 Monate nach Begehung der verwaltungsstrafrechtlichen Übertretung am 9.9.2003 wieder erlangt werden würde. Aus dem angefochtenen Bescheid geht auch nicht hervor, dass sich aus dem Verhalten der Berufungswerberin eine mehr als 9 1/2 Monate andauernde Verkehrsunzuverlässigkeit ableiten ließe.

 

Diese Annahme wäre aber im vorliegenden konkreten Falle schon deshalb nicht gerechtfertigt, weil sich die Berufungswerberin von der Verwirklichung der Tatsache bis zur Erlassung des nunmehr angefochtenen Bescheides (mehr als sechs Monate) wohl verhalten hat.

 

Aus diesem Grunde war in Stattgebung der Berufung der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in der Höhe von 13 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

Mag. K i s c h

 

Beschlagwortung:

Entzug der Lenkerberechtigung wegen besonderer Rücksichtslosigkeit (geringer Abstand gem. § 18 (1) StVO nach mehr als 6 Monaten bei sonstigem Wohlverhalten grundsätzlich nicht zulässig).

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