Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-520633/2/Kof/Ww/Sta

Linz, 03.08.2004

 

 

 VwSen-520633/2/Kof/Ww/Sta Linz, am 3. August 2004

DVR.0690392
 

 
 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Josef Kofler über die Berufung der Frau E L vertreten durch Rechtsanwälte G K P L, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 3.6.2004, FE-538/2003, betreffend die Entziehung der Lenkberechtigung,
zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird insofern stattgegeben, als die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung auf 18 Monate, gerechnet ab 6. April 2004 - somit bis einschließlich 6. Oktober 2005 - herab bzw. festgesetzt wird.

 

Im Übrigen wird der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 24 Abs.1 Z1, 25 Abs.1 u. 3 iVm §§ 7 Abs.1 Z2, Abs. 3 u. 4 FSG, BGBl I/120/1997 zuletzt geändert durch BGBl I/129/2002;

§ 29 Abs.3 FSG;

§ 64 Abs.2 AVG;

 

Entscheidungsgründe:

 

Die nunmehrige Berufungswerberin (Bw) wurde vom Landesgericht Linz unter der
Z. 34 Hv 67/03 m am 6. November 2003 in mehreren Fällen wegen des Verbrechens der schweren Nötigung (§§ 105 Abs.1, 106 Abs.1 StGB), wobei es teilweise beim Versuch blieb, wegen des Verbrechens der schweren Erpressung nach den §§ 144 Abs.1, 145 Abs.1 Z1, Abs.2 Z1 und 2 StGB, wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach den §§ 146, 147 Abs.3, 148 erster Fall StGB, wegen des Vergehens der teils versuchten, teils vollendeten Zuhälterei (§ 216 StGB), und wegen des Vergehens der Vermittlung von Scheinehen nach § 106 Abs.1 Fremdengesetz zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten rechtskräftig verurteilt.

Gemäß § 38 Abs.1 Z1 StGB wurde die Zeit der erlittenen Vorhaft vom 27. Dezember 2002, 17.00 Uhr bis 6. November 2003, 14.45 Uhr auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet.

 

Dem Urteilsspruch liegt unter anderem zu Grunde, dass die Bw

Dies geschah in den Jahren 1997 bis 2002, die Schadenssumme beträgt mehr als 40.000 EURO.

durch die Vorgabe, sie würde Geld benötigen, um aus der Prostitution aussteigen
zu können und sowie

durch Vortäuschung ihrer Rückzahlungsfähigkeit und Rückzahlungswilligkeit zum
Ankauf eines BMW-Cabrio

(im Jahr 1999, Schadenssumme umgerechnet insgesamt ca. 25.000 EURO).

 

Die belangte Behörde hat daraufhin der Bw mit Mandatsbescheid vom 1. April 2004 gemäß §§ 7, 24, 25 und 29 FSG die für die Klasse B erteilte Lenkberechtigung für die Dauer von 24 Monaten ab Zustellung des Bescheides (=6. April 2004) entzogen und die Bw verpflichtet, den Führerschein unverzüglich abzuliefern.

Gegen den Mandatsbescheid vom 1. April 2004 brachte die Berufungswerberin fristgerecht das Rechtsmittel der Vorstellung ein.

Mit dem in der Präambel zitierten Bescheid der belangten Behörde vom 3. Juni 2004 wurde der Mandatsbescheid vom 1. April 2004 vollinhaltlich bestätigt.

Einer Berufung wurde gemäß § 64 Abs.2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

 

Die Bw hat gegen diesen Bescheid innerhalb offener Frist eine begründete Berufung (eingelangt bei der belangten Behörde: 14.6.2004) erhoben.

 

Beantragt wird, den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben bzw. die Entzugsdauer angemessen auf 12 Monate herabzusetzen, in eventu den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Erledigung und Entscheidung an die Unterinstanz zurückzuverweisen.

Hierüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Mitglied (§ 67a Abs. 1 AVG) erwogen:

 

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde als nicht erforderlich erachtet, da die durch einen Rechtsanwalt vertretene Bw diese nicht beantragt hat (§ 67d Abs.3 erster Satz AVG).

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich als Behörde
II. Instanz in Angelegenheiten der Entziehung der Lenkberechtigung ist - nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - an das rechtskräftige Urteil des Landesgerichtes Linz gebunden; VwGH v. 20.2.2001, 98/11/0317 uva.

Gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.

Gemäß § 25 Abs. 1 FSG ist bei der Entziehung auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist aufgrund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.

Gemäß § 25 Abs. 3 FSG ist bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen.

Gemäß § 7 Abs.1 Z2 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht aufgrund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

 

Die Verbrechen der (versuchten) schweren Nötigung, das Verbrechen der schweren Erpressung sowie das Verbrechen des schweren gewerbsmäßigen Betruges sind nun in § 7 Abs.3 FSG nicht aufgezählt. Dies schließt aber nicht aus, auch solche strafbaren Handlungen als bestimmte Tatsachen heranzuziehen, weil die Aufzählung in § 7 Abs.3 FSG nur demonstrativ ist. Auch nicht in dieser Aufzählung enthaltene strafbare Handlungen können als bestimmte Tatsachen zur Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit gemäß § 7 Abs.1 Z2 FSG führen, wenn sie den Aufgezählten am Unrechtsgehalt und Bedeutung im Zusammenhang mit dem Lenken von Kraftfahrzeugen gleichkommen; VwGH 10.11.1998, 98/11/0191

 

Diese Gleichwertigkeit hat die belangte Behörde mit Recht bejaht. Die Schwere der von der Berufungswerberin begangenen Straftaten wird durch die abstrakten gesetzlichen Strafdrohungen des § 106 Abs.1 StGB (Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 5 Jahren), des § 145 Abs.1 StGB (Freiheitsstrafe von 1 bis zu 10 Jahren) und des § 148 StGB (Freiheitsstrafe von 1 bis zu 10 Jahren) gekennzeichnet.

 

Zum Nachteil der Berufungswerberin fällt dabei ins Gewicht, dass sie während einer verhältnismäßig langen Zeit - nämlich im Zeitraum 1997 bis 2002 -- zahlreiche Tathandlungen begangen hat, wobei das ihr zu Last liegende strafbare Verhalten in mehrfacher Weise qualifiziert (§§ 106, 145, 147, 148 StGB) ist und die Verbrechen an mehreren Opfern begangen wurden.

 

Dieses strafbare Verhalten kommt iSd zuvor Gesagten den in § 7 Abs.3 FSG bezeichneten Straftaten an Unrechtsgehalt und Bedeutung gleich, weshalb darin eine die Verkehrsunzuverlässigkeit im Sinne des § 7 Abs. 1 Z 2 FSG indizierende bestimmte Tatsache gelegen ist. Der Umstand, dass aus dem angeführten Urteil des Landesgerichtes Linz nicht ausdrücklich hervorgeht, dass die Berufungswerberin bei der Tatbegehung ein Kraftfahrzeug verwendet hat, vermag dies nicht zu relativieren. Auch ohne dem konkreten Nachweis ist zweifelsohne davon auszugehen, dass die Begehung der im Urteil genannten Taten bzw. die Errichtung und Aufrechterhaltung des "kriminellen Systems" der Berufungswerberin typischerweise durch die Verwendung eines KFZ erleichtert wird.

 

Gemäß § 7 Abs. 4 FSG sind für die Wertung der in Abs. 3 leg.cit. beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bilden bei der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit (allfällige) berufliche, wirtschaftliche, persönliche und familiäre Nachteile, welche mit der (Dauer der) Entziehung der Lenkberechtigung verbunden sind, kein wie immer geartetes Beweisthema;

Erkenntnis v. 30.5.2001, 2001/11/0081 mit Vorjudikatur uva.

Bei der Entziehung der Lenkberechtigung handelt es sich um keine Strafe, sondern eine administrative Maßnahme zum Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer oder sonstiger Rechtsgüter vor verkehrsunzuverlässigen KFZ-Lenkern; VfGH vom 14.3.2003, G203/02-8 ua.; VwGH vom 18.3.2003, 2002/11/0062; vom 22.11.2002, 2001/11/0108, uva

 

Im Hinblick darauf, dass die Bw die letzte als Verbrechen nach den
§§ 105 Abs.1, 106 Abs.1 Z1 StGB zu qualifizierende Tathandlung im Zeitraum Ende Oktober bis Ende November 2002 begangen und sich seit 27. Dezember 2002 in Haft befunden hat, konnte nicht davon ausgegangen werden, sie habe bereits im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides die in § 7 Abs.1 Z 2 FSG umschriebene Sinnesart überwunden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Wohlverhalten einer Person in Haft wegen der durch die Haft eingeschränkten Möglichkeit, ihren eigenen Entschlüssen gemäß zu handeln, allein nicht geeignet, die Wiedererlangung der Verkehrszuverlässigkeit zu bewirken (vgl. dazu u.a. die Erkenntnisse vom 29. Oktober 1996, Zl. 96/11/0257, und vom 10. November 1998, Zl. 97/11/0107, mwN). Es ist daher in Fällen wie dem vorliegenden auch ein Wohlverhalten in Freiheit über einen längeren Zeitraum, dessen Ausmaß u.a. von der Verwerflichkeit der Straftaten bestimmt wird, Voraussetzung dafür, um annehmen zu können, die Betreffende habe ihre Sinnesart gemäß § 7 Abs.1 Z 2 FSG überwunden und die Verkehrszuverlässigkeit wieder erlangt.

 

Für die Festsetzung der Entziehungsdauer ist die - unter Berücksichtigung der Wertungskriterien gemäß § 7 Abs.4 FSG zu erstellende - Prognose maßgebend, wann die Betreffende die Verkehrszuverlässigkeit wieder erlangen werde (vgl. VwGH 20.9.2001, 2001/11/0119) bzw. wann sie die Sinnesart gemäß § 7 Abs.1 Z 2 FSG, deretwegen die Verkehrsunzuverlässigkeit anzunehmen ist, überwunden haben wird. Im vorliegenden Fall war zu berücksichtigen, dass die Bw nach der Aktenlage die über sie verhängte Freiheitsstrafe verbüßt und die Entlassung aus der Strafhaft voraussichtlich am 27. Juni 2005 erfolgen wird.

Diese Haftzeiten sind in die Prognose mit einzubeziehen, insbesondere weil die Strafe spezialpräventiven Bedürfnissen dient (vgl. VwGH 23.4.2002, 2001/11/0195). Die Entscheidung, ob und wann eine vorzeitige bzw. bedingte Entlassung ausgesprochen werden wird, bleibt aber den zuständigen Gerichten vorbehalten und ist nicht Gegenstand des Führerscheinentzugsverfahrens.

Hier ist allein maßgeblich, dass die Bw zu einer 30 monatigen Freiheitsstrafe unbedingt verurteilt wurde und die Entlassung nach der Aktenlage am 27. Juni 2005 erfolgen wird.

Der von der belangten Behörde festgesetzten Entziehungsdauer liegt nun - wie diese auch ausführt - die Auffassung zu Grunde, die Bw werde erst nach dem voraussichtlichen Ende der gerichtlichen Strafhaft wieder die Verkehrszuverlässigkeit erlangen, da ein Wohlverhalten während der Verbüßung einer Strafhaft zu wenig über eine geänderte Einstellung betreffend die Verkehrzuverlässigkeit aussage. Angesichts der zahlreichen Verbrechen, die die Berufungswerberin begangen hat, sind diese Bedenken - wie bereits erwähnt wurde - gerechtfertigt.

 

Dass dabei auf Grund besonderer Umstände die Annahme von Verkehrsunzuverlässigkeit gemäß § 7 Abs.1 Z 2 FSG für eine Dauer von 24 Monaten (gerechnet ab 6. April 2004; dh bis 6. April 2006) gerechtfertigt wäre, ist aber nicht zu erkennen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 14.12.1999, Zl. 99/11/0124 in einem ähnlich gelagerten Fall eine Entzugsdauer von 18 Monaten als rechtmäßig bestätigt bzw. die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

 

Nach Ansicht des UVS ist es daher ausreichend, die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung bzw. die Zeit, für welche keine neue Lenkberechtigung erteilt werden darf, auf 18 Monate, gerechnet ab dem 6. April 2004 - somit bis einschließlich 6. Oktober 2005 - herab- bzw. festzusetzen.

Auf diese Weise wird die Berufungswerberin verhalten, nach ihrer Entlassung ein Wohlverhalten in Freiheit jedenfalls noch über einen Zeitraum von etwa drei Monaten unter Beweis zu stellen. Diesfalls kann dann ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Berufungswerberin (am 6. Oktober 2005) die die Verkehrsunzuverlässigkeit begründende Gesinnung überwunden hat.

Eine Führerscheinentzugsdauer von 1 Jahr - wie von der Berufungswerberin angeregt - ist dagegen angesichts der von ihr zu verantwortenden Häufung von Verbrechen, welche sich über einen langen Zeitraum hinweg erstreckten, jedenfalls zu kurz. Dies vermag auch die bisherige (strafrechtliche) Unbescholtenheit der Berufungswerberin nicht zu relativieren.

 

Die Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheines ist in der zitierten Rechtsgrundlage ( 29 Abs.3 FSG) begründet

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Behörde im Sinne des § 64 Abs.2 AVG die aufschiebende Wirkung einer Berufung immer dann ausschließen, wenn die Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit entzogen wird;

siehe die in Walter-Thienel, Verwaltungsverfahren, 2. Auflage, E23 zu § 64 AVG (Seite 1222f) zitierten zahlreichen VwGH-Entscheidungen.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
 
 
 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

  1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.
  2. Im gegenständlichen Berufungsverfahren sind Gebühren in der Höhe von 13 Euro angefallen.

 

 

 

Mag. Kofler

 

 

Beschlagwortung:

FS-Entzug wegen schwerer Erpressung und schweren gewerbsmäßigen Betrug

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