Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-520666/6/Fra/He

Linz, 07.10.2004

 

 

 VwSen-520666/6/Fra/He Linz, am 7. Oktober 2004

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S
 
 
 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung des Herrn DA vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. ML gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 7.7.2004, VerkR21-165-2004-Pr, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird behoben.

 

 

Rechtsgrundlagen:
§ 66 Abs.4 AVG iVm § 67a Abs.1 AVG.
 
 
 

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis dem Berufungswerber (Bw) die Lenkberechtigung für die Klassen
A, B, C und E und F für die Dauer von drei Monaten, gerechnet ab Rechtskraft des Bescheides entzogen (Führerschein ausgestellt von der Bezirkshauptmannschaft Freistadt am 20.5.2003, Zl. VerkR20-2170-2002). Weiters wurde der Bw aufgefordert, seinen Führerschein ab Vollstreckbarkeit des Bescheides unverzüglich der Bezirkshauptmannschaft Freistadt abzuliefern.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig durch den ausgewiesenen Vertreter eingebrachte Berufung. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt - als nunmehr belangte Behörde - legte das Rechtsmittel samt bezughabendem Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied entscheidet (§ 67a Abs.1 AVG).

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

3.1. Für den Berufungsfall sind folgende Bestimmungen des Führerscheingesetzes - FSG, maßgebend:

Gemäß § 24 Abs.1 Z1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.

 

Gemäß § 25 Abs.1 FSG ist bei der Entziehung der Lenkberechtigung auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist aufgrund des Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.

 

Gemäß § 25 Abs.3 FSG ist bei einer Entziehung der Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen.

 

Gemäß § 7 Abs.1 FSG gilt als verkehrszuverlässig eine Person, wenn nicht aufgrund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird.

 

Gemäß § 7 Abs.3 Z3 FSG hat als bestimmte Tatsache iSd Abs.1 zu gelten, wenn jemand als Lenker eines Kraftfahrzeuges durch Übertretung von Verkehrsvorschriften ein Verhalten setzt, das an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Verkehrsvorschriften verstoßen hat; als Verhalten, das geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, gelten insbesondere erhebliche Überschreitungen der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit vor Schulen, Kindergärten und vergleichbaren Einrichtungen sowie auf Schutzwegen oder Radfahrüberfahrten, das Übertreten von Überholverboten bei besonders schlechten oder bei weitem nicht ausreichenden Sichtverhältnissen oder das Fahren gegen die Fahrtrichtung auf Autobahnen.

 

Gemäß § 7 Abs.4 FSG sind für die Wertung der in Absatz 3 beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

 

3.2 Die belangte Behörde ging sachverhaltsmäßig davon aus, dass der Bw am 22.4.2004 um 17.14 Uhr als Lenker des Pkw´s in Linz auf der A 7, Richtungsfahrbahn Nord, bei Autobahn-km 15,7 zu einem vor ihm fahrenden Fahrzeug nicht einen solchen Abstand eingehalten habe, dass ein rechtzeitiges Anhalten möglich gewesen wäre und dadurch mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Verkehrsvorschriften verstoßen habe, weil er bei einer Fahrgeschwindigkeit von 121 km/h laut Videomessung nur einen Abstand von 9 m eingehalten habe, was einem zeitlichen Abstand von 0,28 Sekunden entspricht. Durch das geschilderte Verhalten habe der Bw eine Übertretung gemäß § 18 Abs.1 und § 99 Abs.2 lit.c StVO 1960 begangen, die er in einem Verwaltungsstrafverfahren zu verantworten hatte.

 

Wenn sich der Bw im eingebrachten Rechtsmittel der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung für nicht schuldig bekennt, ist diesem Vorbringen zu entgegnen, dass er mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 7.7.2004, VerkR96-1429-2004-Br, wegen der oben angeführten Verwaltungsübertretung rechtskräftig bestraft wurde. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist an dieses rechtskräftige Straferkenntnis gebunden. Auf die diesbezügliche einschlägige Rechtsprechung des VwGH wird verwiesen, weshalb auf das detaillierte Berufungsvorbringen, mit dem die inkriminierte Verwaltungsübertretung in Abrede gestellt wird, nicht mehr einzugehen war.

 

Auch das Vorbringen des Bw, sein Verhalten sei nicht besonders rücksichtslos gewesen, ist nicht zielführend. Diesbezüglich ist auf en oa Wortlaut des § 7 Abs.3 Z3 FSG zu verweisen, wonach es nicht darauf ankommt, ob das Verhältnis des Lenkers tatsächlich zu einer gefährlichen Situation geführt hat oder tatsächlich besonders rücksichtslos war, sonder darauf, ob dieses an sich geeignet war, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Verkehrsvorschriften zu verstoßen.

 

Der Bw hat sohin mit der von ihm begangenen Übertretung eine seine Verkehrsunzuverlässigkeit indizierende Tatsache iSd § 7 Abs.3 Z3 FSG verwirklicht.

 

Der gegenständliche Vorfall hat sich am 22.4.2004 ereignet und die belangte Behörde hat dem Bw die Lenkberechtigung am 7.7.2004 - sohin am gleichen Tag, mit dem das Straferkenntnis, mit welcher ihm die Übertretung gemäß § 18 Abs.1 iVm § 99 Abs.2 lit.c StVO 1960 verkündet wurde, - entzogen. Wenn der Bw vorbringt, dass, wenn die belangte Behörde schon von seiner Verkehrsunzuverlässigkeit ausgehe, sie ihm den Führerschein sofort entziehen hätte müssen, ist dem zu entgegnen, dass der Bw als Lenker des in Rede stehenden Kraftfahrzeuges nicht angehalten wurde, weshalb eine sofortige Entziehung der Lenkberechtigung nicht in Betracht kam, wiewohl dies im Interesse des Schutzes der übrigen Verkehrsteilnehmer die zweckmäßigere Lösung gewesen wäre.

 

Zum Wertungskriterium der Verwerflichkeit und der Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen die Tatsache iSd § 7 Abs.3 Z3 leg.cit. verwirklicht wurde, wird ergänzend auf das hg. Erkenntnis vom 26.7.2004, VwSen-520663/3-Br, wegen der Ähnlichkeit des Sachverhaltes und er gleichen Rechtslage, verwiesen. In diesem Erkenntnis führt Dr. Bleier aus, dass nach der Rechtsprechung zu § 18 Abs.1
StVO 1960 der Sicherheitsabstand beim Hintereinanderfahren immer so gewählt werden muss, dass ein rechtzeitiges Anhalten auch dann möglich ist, wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird: Wer selbst den erforderlichen Sicherheitsabstand unterschreitet, darf iSd § 3 StVO 1960 auch nicht darauf vertrauen, dass das vordere Fahrzeug nicht plötzlich abgebremst wird. Das vordere Fahrzeug könne auch aus Gründen plötzlich abgebremst werden, die nur für den Lenker dieses Fahrzeuges erkennbar sind und mit der sonstigen Verkehrssituation nichts zu tun haben (beispielsweise könne der Fahrzeuglenker erschrecken oder aus sonstigen rein subjektiven Gründen eine aus der Verkehrssituation objektiv nicht notwendige Vollbremsung durchführen).

 

Der Bw hat sohin durch das erhebliche Unterschreiten des notwendigen Sicherheitsabstandes jedenfalls im hohen Grad die abstrakte Gefahr eines Auffahrunfalls auf der Überholspur hervorgerufen. Dieser Auffahrunfall wäre im Falle einer bloß geringfügigen Abbremsung des Vorderfahrzeuges für den Bw nicht mehr vermeidbar und sohin geeignet gewesen, in dieser Situation einen schweren Verkehrsunfall mit daraus resultierenden schwerwiegenden Folgen auszulösen. Es ist eine Erfahrungstatsache, dass ein derartiger Geschehensablauf für viele Massenkarambolagen geradezu typisch ist. Das daraus resultierende hohe Gefahrenspotential ist erheblich, woraus ersichtlich ist, dass das Verhalten des Bw an sich geeignet war, in abstracto besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen.

 

Gemäß § 7 Abs.3 iVm Abs.1 FSG wird nicht jemand durch eine Bestrafung verkehrsunzuverlässig, sondern durch das Begehen des Deliktes, also durch die Tathandlung. Der Bw war sohin durch die Verwirklichung einer Tatsache gemäß § 7 Abs.3 Z3 FSG am 22.4.2004 mit Sicherheit drei Monate verkehrsunzuverlässig (siehe § 25 Abs.3 FSG). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes muss im Zeitpunkt der Bescheiderlassung die Annahme gerechtfertigt sein, dass die Verkehrsunzuverlässigkeit zumindest noch eine Zeitspanne von drei Monaten (weiter) bestehen muss. Mit anderen Worten: Eine Entziehung der Lenkberechtigung mangels Verkehrszuverlässigkeit (§ 7 FSG) ist zu Folge § 25 Abs.3 FSG nur dann rechtmäßig, wenn die Behörde aufgrund der Sach- oder Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides annehmen darf, es liege Verkehrsunzuverlässigkeit vor und es werde die Verkehrszuverlässigkeit nicht vor Ablauf von drei Monaten eintreten (vgl. VwGH vom 23.4.2002, 2001/11/0149 mit weiteren Nennungen). Im gegenständlichen Verfahren war unklar, ob das Straferkenntnis der belangten Behörde vom 7. Juli 2004, VerkR96-1429-2004-Br, sofort nach Verkündung in Rechtskraft erwachsen ist. Weiters war unklar, ob sich das Rechtsmittel des Bw auch gegen die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung richtete. Der
Oö. Verwaltungssenat hatte daher ein ergänzendes Ermittlungsverfahren durchzuführen. Als Ergebnis dieses Verfahrens ist festzustellen, dass das oa. Straferkenntnis nicht am 7.7.2004, sondern erst am 22.7.2004 rechtskräftig wurde. Weiters ist festzustellen, dass sich die Berufung des Bw ausschließlich nur gegen den Bescheid betreffend die Entziehung der Lenkberechtigung richtete. Zum Zeitpunkt dieser Berufungsentscheidung, die aus den oa. Gründen nicht früher getroffen werden konnte, ist jedoch die Annahme, dass die Verkehrszuverlässigkeit des Bw nicht vor Ablauf von drei Monaten eintreten wird, nicht mehr gerechtfertigt, denn dies käme einer Verkehrsunzuverlässigkeit von beinahe neun Monaten gleich.

 

Aus den angeführten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden
 
 

Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.
 

Dr. F r a g n e r

 

 
 

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