Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-103926/7/Br

Linz, 11.09.1996

VwSen-103926/7/Br Linz, am 11. September 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr.Bleier über die Berufung des Herrn J E; derzeit J gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding, AZ. VerkR96-5963-1995, vom 16. Juli 1996, wegen Übertretungen der StVO 1960, nach der am 11. September 1996 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird in Punkt 1. mit der Maßgabe Folge gegeben, daß die Geldstrafe auf 1.500 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf zwei Tage ermäßigt wird; In Punkt 2. wird der Berufung keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr.

471/1995 - AVG, iVm § 19, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 620/1995 - VStG; II. In Punkt 1. ermäßigen sich demnach die erstinstanzlichen Verfahrenskosten auf 150 S. Ein Kostenbeitrag für das Berufungsverfahren entfällt.

In Punkt 2. werden dem Berufungswerber als Kosten für das Berufungsverfahren 300 S (20 % der verhängten Strafe) zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten auferlegt.

Rechtsgrundlage:

§ 64 Abs.1 und 2, § 66 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding hat mit dem Straferkenntnis vom 16. Juli 1996 über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 1.) 4.000 S und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von vier Tagen und in Punkt 2.) eine Geldstrafe von 1.500 S und für den Nichteinbringungsfall 36 Stunden verhängt und in dessen Spruch folgenden Tatvorwurf erhoben:

"Sie lenkten am 18.8.1995 um 17.23 Uhr den PKW Audi 90, Fahrgestellnummer W, mit dem Probefahrtkennzeichen auf der B Straße im Gemeindegebiet von A von S kommend in Richtung W, wobei Sie bei Strkm 51,687, 1) die auf Freilandstraßen erlaubte Höchstgeschwindgikeit von 100 km/h erheblich überschritten und laut Messung mit einem Lasergerät mit einer Geschwindigkeit von 150 km/h fuhren, wobei die Verkehrsfehlergrenze abgezogen wurde, und 2) in diesem Bereich einer vor Ihnen fahrenden PKW trotz Gegenverkehr überholten und dadurch den Lenker des in Richtung S fahrenden PKWs zum Abbremsen nötigten, um einen Verkehrsunfall zu vermeiden, was durch das Aufleuchten der Bremsleuchten dieses PKWs zu erkennen war, obwohl nicht überholt werden darf, wenn andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, gefährdet oder behindert werden könnten oder wenn nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden ist".

1.1. Hiezu führte die Erstbehörde begründend nachfolgendes aus:

"Die strafbaren Tatbestände sind durch die dienstliche Wahrnehmung eines Organs des Gendarmeriepostens A sowie im Grunde Ihren Angaben gegenüber einem weiteren Gendamerieorgan und des Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens als erwiesen anzunehmen.

Sie lenkten am 18.8.1995 um 17.23 Uhr den PKW Audi 90, Fahrgestellnununer W, mit dem Probefahrtkennzeichen auf der Straße im Gemeindegebiet A von S kommend in Richtung W, wobei Sie bei Strkm 51,687 die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h überschritten. Die Geschwindigkeitsüberschreitung wurde mit einem Laser-Meßgerät festgestellt und hatte der Beamte seinen Standort bei Strkm 51,350. Mit dem Gerät wurde eine Geschwindigkeit von 154 km/h gemessen, wobei abzüglich der Verkehrsfehlergrenze eine Geschwindigkeit von 150 km/h der Anzeige und dem Verwaltungsstrafverfahren zugrunde zu legen war. Das Meßgerät zeigte eine Entfernung zum gemessenen Fahrzeug von 337 m an, wodurch sich der genaue Übertretungsort Strkm 51,687 ergibt.

Kurz zuvor überholten Sie einen vor Ihnen fahrenden PKW mit der gemessenen Geschwindigkeit, obwohl Ihnen ein PKW entgegenkam. Der entgegenkommende PKW-Lenker mußte seinen PKW abbremsen, um einen Frontalzusammenstoß zu verhindern.

Das Abbremsen des PKWs war dem Beamten, der das Lasermeßgerät bediente, zweifelsfrei möglich, da die Bremsleuchten aufleuchteten.

Sie wurden in der Folge von einem weiteren Beamten des Gendarmeriepostens A bei Strkm 50,650 der angehalten und kontrolliert. Im Zuge der Kontrolle gaben Sie an, daß Sie es eilig hätten und deswegen schneller gefahren seien. Sie hätten zwar den Gegenverkehr wahrgenommen, aber trotzdem noch überholt, da der PKW immerhin 170 PS habe.

Nach § 20 Abs. 2 darf der Lenker eines Fahrzeuges, sofern die Behörde gemäß § 43 keine geringere Höchstgeschwindigkeit erläßt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h, auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h und auf den übrigen Freilandstraßen nicht schneller als 100 km/h fahren.

Nach § 16 Abs. 1 lit. a StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen, wenn andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, gefährdet oder behindert werden könnten oder wenn nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden ist.

Nach § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu S 10.000,--, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu 2 Wochen, zu bestrafen, wer unter anderem als Lenker eines Fahrzeuges gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach dem Abs. 1,2,2a,2b oder 4 zu bestrafen ist.

Mit Ladung zur mündlichen Verhandlung im Verwaltungsstrafverfahren vom 25.1.1996 wurde Ihnen die Verwaltungsübertretung zur Last gelegt. Die Ladung wurde Ihnen am 29.1.1996 nachweislich zugestellt. Sie erschienen weder bei uns (dies wäre Ihnen innerhalb der in der Ladung gesetzten Frist nach deren Zustellung möglich gewesen; in letzter Zeit aufgrund Ihrer Inhaftierung nicht) noch gaben Sie gaben bis dato eine schriftliche Rechtfertigung ab (was Ihnen auch während der Inhaftierung möglich gewesen wäre), weshalb das Straferkenntnis ohne Ihre Anhörung erlassen werden mußte.

Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, daß ein Laser-Verkehrsgeschwindigkeitsmesser der angeführten Bauart grundsätzlich ein taugliches Mittel zur Feststellung einer von einem Fahrzeug eingehaltenen Geschwindigkeit darstellt (siehe Erkenntnis vom 2.31994, 93/03/0238). Ebenso wie bei der Radarmessung ist auch einem mit der Geschwindigkeitsmessung mittels eines Laser-Verkehrsgeschwindigkeitsmessers betrauten Beamten aufgrund seiner Schulung die ordnungsgemäße Verwendung des Gerätes zuzumuten (VwGH 16.3.1994, 93/03/0317). Abgesehen von der Tatsache, daß Sie bei der Kontrolle die Geschwindigkeitsüberschreitung zugegeben haben, haben Sie auch im behördlichen Verfahren gegen die ordnungsgemäße Messung keine Einwände erhoben.

Nach der Judikatur ist das Überholen schon dann zu unterlassen, wenn die Möglichkeit einer Gefährdung oder Behinderung eines anderen Verkehrsteilnehmers gegeben ist (siehe zum Beispiel OGH 5.2.1970, ZVR 1970/243). In der gleichen Richtung geht auch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach der nach § 16 Abs. 1 lit. a StVO strafbare Tatbestand darin besteht, daß der Lenker eines Fahrzeuges einen Überholvorgang ungeachtet dessen, daß andere Straßenbenützer gefährdet oder behindert werden könnten, durchführt, das heißt mit dem Überholen beginnt oder dieses nicht abbricht, solange dies noch möglich ist.

Der Inhalt dieser Bestimmung bezieht sich tatbestandsmäßig nicht auf eine am Ende eines Überholvorganges eingetretene Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer wenngleich dies die Folge eines unerlaubten Überholmanövers sein kann -, sondern auf ein, dem überholenden Fahrzeuglenker erkennbares Gefährden- oder Behindern-Können bzw. einen Platzmangel. Es genügt eine abstrakte Gefährdung oder Behinderung, also die bloße Möglichkeit einer solchen (VwGH 17.4.1991, ZFVB 1992/3/1069). Der entgegenkommende PKW-Lenker mußte seinen PKW abbremsen und wurde dies von einem Gendarmerieorgan insofern eindeutig erkannt, indem die Bremsleuchten dieses PKWs aufleuchteten. Durch Ihren Überholvorgang sah sich dieser PKW-Lenker veranlaßt, seinen PKW abzubremsen, woraus zumindest eine abstrakte Gefährdung oder Behinderung durch Ihren Überholvorgang gegeben war.

Auch diesbezüglich ist auf Ihre Äußerung gegenüber dem Meldungsleger zu verweisen, indem Sie "den Gegenverkehr wahrgenommen aber trotzdem überholt haben, weil der PKW immerhin 170 PS habe". Sie haben somit die Möglichkeit einer Behinderung des Gegenverkehrs in Kauf genommen.

Bei der Bemessung des Strafausmaßes konnten keine mildernden Umstände gewertet werden, als erschwerend mußten zur Übertretung nach § 20 Abs.2 StVO 1960 die drei einschlägigen Vorstrafen gewertet werden. Für die Strafhöhe wirkte sich auch die hohe Geschwindigkeitsüberschreitung negativ aus und mußten letztendlich auch die zahlreichen Verwaltungsvorstrafen wegen Übertretungen kraftfahrrechtlicher oder straßenpolizeichlicher Vorschriften negativ gewertet werden, welche insgesamt den Schluß zulassen, daß Ihnen an der Einhaltung der für einen Teilnehmer im Straßenverkehr erforderlichen Rechtsnormen wenig gelegen ist.

Der verhängte Strafsatz ist dem Verschulden angemessen.

Angesichts der seit mehreren Monaten bestehenden Untersuchungshaft mit der Annahme, daß Sie kein Einkommen haben sowie darüberhinaus über kaum ein Vermögen verfügen, konnten trotz der massiven Erschwerungsgründe besonders zur Geschwindigkeitsüberschreitung Strafen im untersten Bereich (40 % bzw. 15 %) des gesetzlichen Strafrahmens verhängt werden. Sie haben keine Sorgepflicht.

Die vorgeschriebenen Kosten und Barauslagen sind in der zitierten Gesetzesstelle begründet." 2. In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung führt der Berufungswerber folgendes aus:

" Berufung und Einspruch gegen Verk. R-96-5963-95 Sehr geehrte Herrn! Ich berufe in offener Frist gegen die mir vorgeworfenen Verwaltungsubertretung und Höhe der Strafe, sowie bestreite Punkt 1 und 2.

1,) Sachverhalt: Es ist richtig, das ich am 18.08.1995 auf der gefahren bin. Vor mir fuhr ein PKW ca. 70-80km/h. Es war eine lange übersichtliche Gerade mit einer Talmulde; ich überholte den vor mir fahrenden PKW mit ca. 100km/h; ich bin nicht wie mir vorgeworfen bin 150 km/h gefahren. Ich wußte ja, das eine Radarmessung vorgenommen wird, da ich kurz zuvor auf der Gegenfahrbahn die selbe Strecke befuhr.

Deswegen achtete ich sogar ganz besonders auf meine Geschwindikeit, damit ich die höchst zulässige Geschwindigkeit nicht überschreite. Daher muß es sich um eine Fehlmessung handeln.

2,) Ein entgegenkommendes Fahrzeug, ein Opel Ascona grün, war weit genug entfernt und mußte wegen mir nicht abbremsen.

Ich hatte einige 100m bevor der Gegenverkehr mit mir wechselte, meinen Uberholvorgang bereits vorschriftsmäßig beendet und war auch vorschriftsmäßig engeordnet. Die Behauptung des Gendameriebeamten, er habe die Bremslichter gesehen, ist somit falsch. Bei einem entgegenkommenden Fahrzeug kann er die Scheinwerfer sehen, aber nicht die Bremslichter. Nach ca. lkm bei der Abfahrt A, wurde ich vom Gendameriebeamten "F" angehalten (ich hatte mit Ihm schon öffters Auseinandersetzungen) und einer sehr genauen Fahrzeugkontrlle unterzogen. Er konnte nichts beanstanden und war gegenüber mir auch sehr unfreundlich. Ich hatte eine Kundschaft mit mir mit im Auto, einen gewissen Herrn K aus L, diesen Herrn hat er sofort nach seinen Personalien und dem Warum und Weshalb er mit mir fährt befragt. Er sagte dann, ich habe die Geswindikeit überschritten und er werde mich bei der Bezirkshauptmannschaft anzeigen, da es mit seinen Worten dort sehr teuer werden würde und lachte dazu auch noch. Er erwähnte noch, daß so ein Auto mit 170 PS eben gleich sehr schnell werde. Darauf hin wendete ich und fuhr zurück, um mit dem Beamten der die Messung vorgenommen hatte zu sprechen, um die Angelegenheit zu klären. Ich wußte das der Beamte am Waldrand gestanden ist, aber ich konnte Ihn nicht mehr sehen. Ich fuhr nun wieder zu Beamten F zurück blieb stehen und wollte wissen wo ich den anderen Beamten finden könnte. Er hatte das Funkgerät in der Hand und gab mir zu verstehen, das er schlauer ist. Den ganzen Sachverhalt, kann mein mitfahrender Kunde bestätigen.

Ich ersuche nun um die Überprüfung dieses Vorfalles sowie um die Einstellung des Verfahrens:

Mit freundlichen Grüßen J (e.h. Unterschrift)." 3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch die Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Schärding, AZ.

VerkR96-5963-1995 und Erörterung des Akteninhaltes im Rahmen der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung. Ferner durch die Vernehmung des Berufungswerbers als Beschuldigten und des RevInsp. M. Z als Zeugen unter Bezugnahme auf die von der Vorfallsörtlichkeit vom unabhängigen Verwaltungssenat angefertigten Videoaufzeichnung.

4. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

4.1. Der Berufungswerber lenkte zur oben genannten Zeit und Örtlichkeit seinen Pkw in Richtung auf der von S kommend in Richtung der Ausfahrt A. Die verläuft in der Fahrtrichtung des Berufungswerbers in diesem Bereich in einer flachen Rechtskurve und bis zum Strkm 51,687 (Meßpunkt) in eine Talsenke mit einem Gefälle von geschätzten drei Prozent. Bis zur Position der durchgeführten Lasermessung bei Strkm 51.350 geht der Straßenzug in eine Steigung über. Die ist in diesem Bereich gut ausgebaut, weist zwei durch eine Leitlinie gekennzeichnete, etwa 4,5 Meter breite Fahrstreifen auf. Von der Meßposition beträgt die Sichtweite in Richtung S ca. 800 Meter. Bei Strkm 51.739 ist ein Gefahrenzeichen "Wildwechsel" aufgestellt.

Der vom Berufungswerber gelenkte Pkw hat eine Leistung von 170 PS und erreicht eine mittlere Beschleunigung von knapp 3,5 m/sek/2 (in 8 Sek. auf 100 km/h). Auf der im Gefälle liegenden Überholstrecke kann daher auch noch im Bereich von 120 bis 150 km/h mit diesem Beschleunigungswert gerechnet werden (Fahrdaten v. ÖAMTC).

Der Berufungswerber leitete im Bereich des Gefahrenzeichens "Wildwechsel" einen Überholvorgang ein, wobei in dieser Phase ein in Richtung S fahrender Pkw bereits die Position des Meldungslegers passiert hatte. Zu diesem Zeitpunkt lag die Entfernung vom Pkw des Berufungswerbers im Bereich von 300 Meter. Nach dem Passieren der Position des Meldungslegers wurde dieser Pkw infolge des Überholvorganges des Berufungswerbers stark abgebremst. In dieser Phase erfolgte auch die Geschwindigkeitsmessung des Berufungswerbers mit einem Ergebnis von 150 km/h.

Ausgehend von technischen Maximalbedingungen (Beschleunigung und Querbeschleunigung 3,5 m/sek/2 und aus technischer Sicht die kürzesten Tiefenabstände beim Aus- u. Einscheren sowie der rechnerischen Grundlegung eines geraden Straßenverlaufes) beträgt der Überholweg 157 Meter. Zeitlich ergibt sich hiefür eine Dauer von vier Sekunden. Während dieses Vorganges wird von einem mit 100 km/h fahrenden Gegenverkehr ein Weg von 107 Metern zurückgelegt.

Daraus folgt, daß sich die beiden Fahrzeuge während des Überholvorganges um 270 Meter genähert hätten. Dies läßt aber auch erkennen, daß hier aus der Betrachtung im nachhinein und hier wiederum theoretisch besehen, lediglich ein Raum bis zum Freiwerden der Gegenfahrbahn des Berufungswerbers von ca. 30 Meter zur Verfügung blieb. Dies entspricht einer zeitlichen Dimension von unter einer halben Sekunde. Es kann dahingestellt bleiben, ob es im Falle einer unterbliebenen Bremsung zu einem Fahrzeugkontakt mit dem Gegenverkehr gekommen wäre.

4.2. Dieses Beweisergebnis sützt sich auf die zeugenschaftlichen Angaben des Meldungslegers und die von diesem durchgeführte Geschwindigkeitsmessung mittels Lasermeßgerät. Dieses Gerät wurde - wie vom Meldungsleger glaubhaft dargetan - den Verwendungsrichtlinien entsprechend eingesetzt und war geeicht. Es ist ferner amtsbekannt, daß diese Geschwindigkeitsmeßmethode allgemein anerkannt ist und grundsätzlich einen vollen Beweis darzustellen geeignet ist.

Es ist hier nichts hervorgekommen, daß dieses Ergebnis hier nicht zutreffend sein könnte. Ausgehend von den obigen Weg-Zeit-Überlegungen, ist es daher nur logisch, daß in einer solchen Situation ein Lenker im Gegenverkehr als einzig richtige - weil aus der ex-ante-Sicht eines betroffenen Fahrzeuglenkers lebensrettend - mit einer (wirksamen und daher starken) Bremsung reagiert [Berechnung mit EVU-Unfallsrekonstruktionsprogramm von Prof. Dr.

Gratzer, KFZ-Sachverständiger]. Die Angaben des Meldungslegers sind sohin auch aus rechnerischer Sicht nachvollziehbar und schlüssig belegt. Unterstrichen wird diese Beweiswürdigung schließlich auch von den Angaben des Berufungswerbers nach seiner Anhaltung. Offenbar hat er das Überholmanöver zu knapp angelegt, was eben auf einer Fehleinschätzung der Situation beruht haben dürfte.

5.1. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

5.1.1. Nach § 20 Abs.2 StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges auf Freilandstraßen - wenn nicht eine geringere Fahrgeschwindigkeit verordnet ist - nicht schneller als 100 km/h fahren. Eine Geschwindigkeitsüberschreitung wird auch durch ein allfälliges Erfordernis einer höheren Geschwindigkeit für die Durchführung eines Überholvorganges weder entschuldigt noch gerechtfertigt. Auf die diesbezüglichen umfangreichen Ausführungen der Erstbehörde wird im weiteren verwiesen.

5.1.2. Nach § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960 darf ein Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen, wenn andere Straßenbenützer, insbesondere Entgegenkommende, gefährdet oder behindert werden könnten oder wenn nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden ist,.........

5.1.3. Ein Lenker kann ferner durch einen Überholvorgang sowohl gegen § 16 Abs.1 lit. a als auch gegen § 16 Abs.2 lit.b (Idealkonkurrenz) verstoßen, wenn er vor einer unübersichtlichen Kurve und trotz erkennbaren Gegenverkehrs, der gefährdet werden könnte, zu überholen begonnen hat oder wenn er - nachdem er ohne erkennbaren Gegenverkehr, aber vor einer unübersichtlichen Kurve zu überholen begonnen hat trotz während des Überholvorganges erkennbar werdenden Gegenverkehrs den Überholversuch nicht abbricht, obwohl dies noch möglich wäre. Ergibt sich jedoch die Gefährdung des entgegenkommenden Lenkers allein aus dem Überholen an einer unübersichtlichen Straßenstelle - was hier nicht der Fall ist, weil eine Erkennbarkeit des Gegenverkehrs für den Berufungswerber von zumindest 400 Meter anzunehmen ist hätte der Lenker nur gegen § 16 Abs.2 lit.b verstoßen (VwGH 29. 8. 1990, 90/02/0044, ZVR 1991/79). Die durch dieses Überholmanöver beim entgegenkommenden Pkw ausgelöste Bremsung ist in diesem Zusammenhang als eine jedenfalls adäquate Abwehrhandlung zu erachten, wobei dieses Fahrzeug damit jedenfalls als behindert und nur unschwer nachvollziehbar hiedurch auch als gefährdet worden zu erachten ist. Auch diesbezüglich sind die rechtlichen Ausführungen der Erstbehörde zutreffend.

6. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

6.1. Hier war bei der Strafzumessung im Hinblick auf den Punkt 1. jedenfalls auf die Verhältnismäßigkeit der verhängten Strafen zum jeweiligen, mit den Tathandlungen verbundenen, Tatunwert herzustellen.

Wenn die Erstbehörde hier wegen der Geschwindigkeitsüberschreitung eine wesentlich höhere Strafe als für das Überholen trotz Gegenverkehrs verhängt hat, so ist ihr damit ein Ermessensfehler unterlaufen. Das Geschwindigkeitselement muß hier vom Unwertgehalt des - empirisch besehen, wesentlich gefährlicheren - vorschriftswidrigen Überholens überlagert gesehen werden. Schließlich war hier zur tatsächlich möglichen Beendigung dieses Überholvorganges diese Geschwindigkeit geradezu zwingend erforderlich. Wegen des im Verwaltungsstrafverfahren zwingend anzuwendenden Kumulationsprinzips sind aber trotzdem beide Tatbestände gesondert zu bestrafen.

Letztlich war als im Rahmen der Berufungsverhandlung hervorgekommener Milderungsgrund die gezeigte Einsichtigkeit noch entsprechend zu berücksichtigen, sodaß in Punkt 1) die nunmehr verhängte Strafe gerechtfertigt schien.

Betreffend der Strafzumessung wegen des vorschriftswidrigen Überholens hätte es angesichts der Gefährlichkeit und der damit verbundenen negativen Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit, sowohl aus Gründen der Spezial- als auch der Generalprävention einer durchaus höheren Strafe bedurft.

Sind es doch gerade diese auf Ungeduld, mangelnde(s) Disziplin und Verantwortungsgefühl basierende Fehlverhalten die zu schwersten Verkehrsunfällen führen.

Eine "gegenseitige Kompensation" dieser Strafbeträge ist jedoch rechtlich nicht zulässig.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. B l e i e r

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