Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-520753/7/Kof/He

Linz, 06.12.2004

 

 

 VwSen-520753/7/Kof/He Linz, am 6. Dezember 2004

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Josef Kofler über die Berufung des Herrn Dr. HL vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. EH gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 14.10.2004, FE-1336/2004, wegen Entziehung der Lenkberechtigung nach Durchführung der mündlichen Verhandlung vom 2.12.2004 einschließlich Verkündung des Erkenntnisses, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird insofern stattgegeben, als die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung auf drei Monate - gerechnet ab 20. Oktober 2004
(= Datum der Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides), somit bis einschließlich 20. Jänner 2005 - herab- bzw. festgesetzt wird.

Im Übrigen wird der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 24 Abs.1 Z1, 25 Abs.1 und Abs.3 iVm §§ 7 Abs.1, 7 Abs.3 Z1 und 7 Abs.4 FSG, BGBl. I/120/1997 zuletzt geändert durch BGBl. I/129/2002.

§ 29 Abs.3 FSG.

§ 64 Abs.2 AVG.

 

 

Entscheidungsgründe:

Die belangte Behörde hat mit dem in der Präambel zitierten Bescheid dem/den nunmehrigen Berufungswerber (Bw) gemäß §§7, 24, 25 und 29 FSG

Einer Berufung wurde gem. § 64 Abs.2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Der Bw hat gegen diesen Bescheid innerhalb offener Frist die begründete Berufung vom 27.10.2004 eingebracht.

In der Berufung wird vom Bw die Begehung dieses Alkoholdeliktes nicht bestritten.

Der Bw erläutert jedoch die Vorgeschichte, welche zu dieser "Alkoholfahrt" geführt hat und argumentiert, dass eine "notstandsähnliche Situation" vorgelegen sei.

Beantragt wird, die Entzugsdauer auf das gesetzliche Mindestmaß von drei Monaten

herab- bzw. festzusetzen.

Hierüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (UVS) durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Mitglied (§ 67a Abs.1 AVG) erwogen:

Am 2.12.2004 wurde beim UVS eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, an welcher der Bw, dessen Rechtsvertreter und die Zeugin,
Frau Dr. T.L. (= Ehegattin des Bw) teilgenommen haben.

Aus dem Verfahrensakt sowie der mündlichen UVS-Verhandlung ergibt sich nachstehender entscheidungsrelevanter Sachverhalt:

Der Bw hat auch bei der mündlichen UVS-Verhandlung die Begehung dieses

Alkoholdeliktes nicht bestritten.

Der Bw bringt jedoch vor, dass er am Vortag (2.10.2004) am Standesamt B.G., Niederösterreich, geheiratet hat - siehe auch die im Verfahrensakte enthaltene Kopie der Heiratsurkunde. Anschließend habe er gemeinsam mit seiner Ehegattin, seiner Schwiegermutter sowie Freunden bis 3.10.2004, ca. 02.00/03.00 Uhr privat gefeiert.
Am Vormittag des 3.10.2004 habe er lediglich noch ein Glas Sekt konsumiert.
 
Frau Dr. T.L. (= Ehegattin des Bw) hat bei der UVS-Verhandlung zeugenschaftlich ausgesagt:

"Am Sonntag, 3.10.2004 bin ich am späten Nachmittag (ca. 17.30 Uhr) von B.G. mit dem Pkw meines Ehegatten (mein Ehegatte sowie meine Mutter sind mitgefahren) nach Linz gefahren. Im Bereich ca. Neumarkt bzw. Unterweitersdorf bekam ich zunehmend starke Unterleibsschmerzen und Blutungen. Ich fühlte mich nicht mehr in der Lage, mit dem Pkw weiterzufahren.

 

 

 

Ich befürchtete, mein Kind zu verlieren (damals war ich in der ca. 6. bis 7. Schwangerschaftswoche), außerdem habe ich früher schon zweimal ein Kind während der Schwangerschaft verloren (1999 und 2001). Ich ersuchte daher meinen Ehegatten, mich schnell zum Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Herrn Dr. S. - bei welchem ich seit ca. 4 Jahren in Behandlung bin - zu bringen.

Einzig und allein aus diesem Grund haben wir den Fahrerwechsel vorgenommen.

Meine Mutter hat keinen Führerschein und kam daher als Lenkerin nicht in Betracht (obendrein lebt meine Mutter in Russland und kam nur anlässlich unserer Hochzeit nach Österreich). Mein Ehegatte hätte den Pkw zum damaligen Zeitpunkt niemals gelenkt, wenn nicht bei mir die starken Unterleibsschmerzen bzw. die Blutungen aufgetreten wären. Diese meine Befürchtungen, das Kind zu verlieren sind leider einige Tage später tatsächlich eingetreten."

Die Zeugin, Frau Dr. T.L. hat bei der mündlichen Verhandlung einen absolut glaubwürdigen Eindruck hinterlassen.

Zum Beweis für die Richtigkeit ihrer Zeugenaussage wurden die Bestätigung des Facharztes für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Herrn Dr. W.S. vom 15.10.2004 sowie die vom gleichen Arzt vorgenommene Einweisung zur Anstaltspflege vom 3.10.2004 vorgelegt.

Gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.

Gemäß § 25 Abs. 1 FSG ist bei der Entziehung auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist aufgrund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.

Gemäß § 25 Abs. 3 FSG ist bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen.
 
Gemäß § 7 Abs.1 Z1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht aufgrund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von KFZ die Verkehrssicherheit insbesondere durch Trunkenheit gefährden wird.

Gemäß § 7 Abs. 3 Z1 FSG hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 leg.cit. zu gelten, wenn jemand ein KFZ gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß (§ 5 i.V.m.) § 99 Abs. 1 bis 1b StVO 1960 begangen hat, auch wenn die Tat nach § 83 Sicherheitspolizeigesetz zu beurteilen ist.

Auf Grund des oben angeführten Sachverhaltes steht fest, dass der Bw am 3.10.2004 um ca. 19.05 Uhr ein sogenanntes "Alkoholdelikt im Straßenverkehr" begangen hat und eine "bestimmte Tatsache" iSd § 7 Abs.3 Z1 FSG verwirklicht hat.

Gemäß § 7 Abs. 4 FSG sind für die Wertung der in Abs. 3 leg.cit. beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

Nach der Rechtsprechung des VwGH zur Begehung von "Alkoholdelikten im Straßenverkehr" ist die von der belangten Behörde festgesetzte Entzugsdauer grundsätzlich nicht als überhöht zu bezeichnen.

 

Im vorliegenden Fall ist jedoch - auf Grund der Vorgeschichte, welche zur "Alkoholfahrt" des Bw geführt hat - die "Verwerflichkeit" iSd § 7 Abs.4 FSG besonders zu prüfen.

 

Die Ehegattin des Bw hatte kurz vor dem Fahrerwechsel - auf Grund der Schwangerschaft (6. bis 7.Schwangerschaftswoche) - starke Unterleibsschmerzen und Blutungen. Sie befürchtete - wie bereits zweimal zuvor (1999 und 2001) - ihr Kind zu verlieren, was einige Tage nach dem Vorfall tatsächlich eingetreten ist.

Die Befürchtungen der Ehegattin des Bw waren somit tatsächlich vorhanden und haben sich auch noch auf traurige Weise bestätigt.

 

Dem Bw ist daher zuzubilligen, dass er den Pkw einzig und allein deshalb gelenkt bzw. den Fahrerwechsel vorgenommen hat, um seine Ehegattin so schnell wie möglich zum Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Herrn Dr. W.S. -
bei welchem seine Ehegattin seit vier Jahren in Behandlung war - zu bringen.

 

Das Vorbringen des Bw, es habe sich zwar nicht um einen Notstand (vgl. VwGH vom 11.5.2004, GZ 2004/02/0144), jedoch um eine "notstandsähnliche Situation" gehandelt, ist daher völlig zutreffend.

 

Die "Verwerflichkeit" des vom Bw begangenen Alkoholdeliktes iSd § 7 Abs.4 FSG ist somit deutlich geringer als dies üblicherweise bei Alkoholdelikten (zB. Fahrt eines Alkoholisierten vom Gasthaus nach Hause) der Fall ist.

 

Für den UVS ist es daher - einzig und allein auf Grund der Besonderheiten dieses Einzelfalles - gerechtfertigt und vertretbar, die gesetzliche Mindestentzugsdauer (drei Monate gemäß § 25 Abs.3 FSG) festzusetzen.

 

Die Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheines ist in der zitierten Rechtsgrundlage (§ 29 Abs.3 FSG) begründet.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Behörde im Sinne des § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung einer Berufung immer dann ausschließen, wenn die Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit entzogen wird;

siehe die in Walter-Thienel, Verwaltungsverfahren, 2. Auflage, E24 zu § 64 AVG (Seite 1222f) zitierten zahlreichen VwGH- Entscheidungen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
 
 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

  1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.
  2. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

  3. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in der Höhe von
    13 Euro angefallen.

 

 

Mag. Kofler
Beschlagwortung:
Alkoholdelikt - notstandsähnliche Situation, Wertung gem. § 7 Abs.4 FSG

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