Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-520883/2/Br/Wü

Linz, 01.03.2005

VwSen-520883/2/Br/Wü Linz, am 1. März 2005

DVR.0690392

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn M P K, L, F, vertreten durch R D. W R und M. M R, H, F, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Freistadt, vom 1. Februar 2005, Zl. VerkR21-418-2004-Gg, zu Recht:

Der Berufung wird keine Folge gegeben; der angefochtene Bescheid wird bestätigt.

Rechtsgrundlagen:

§ 7 Abs.1Z1, § 24 Abs.1 Z1, § 25 Abs.3 Führerscheingesetz - FSG zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 129/2002.

Entscheidungsgründe:

1. Die Behörde erster Instanz entzog mit dem hier angefochtenen Bescheid dem Berufungswerberin Bestätigung ihres Mandatsbescheides vom 26.11.2004, gleicher Zahl, die Lenkberechtigung der Klasse AV, A, B, C1, C, EB, EC1 EC und F für den Zeitraum von 3 Monaten, gerechnet ab Zustellung des Bescheides per 1.12.2004, unter Hinweis auf § 7, 24 Abs.1 Z1, § 25 und 29 Abs.3 Führerscheingesetz - FSG und § 64 Abs.2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG;

Einer Berufung gegen diesen Bescheid wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt.

1.1. Inhaltlich gestützt wurde der Entzug auf die rechtskräftige Feststellung (Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Hallein, vom 1.9.2004, Zl. 30206/396-23717-2004. Dem in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch lag eine Übertretung nach § 18 Abs.1 iVm § 99 Abs.2 lit.c StVO (Begehung unter besonders gefährlichen Verhältnissen) zu Grunde.

Die Behörde erster Instanz verweist in der Beurteilung dieser zu wertenden Tatsache auf die h. Rechtsprechung, konkret auf das h. Erkenntnis vom 18.1.2005, VwSen-520795 bei einer gesetzlichen Mindestentzugsdauer von drei Monaten. Dieses Zitat erweist sich wohl als nicht voll zutreffend, weil damit der Behörde erster Instanz ein derartiger Entzug wegen zu langen Zurückliegens eines identen Sachverhaltes aufgehoben wurde.

Im Übrigen werden unter Hinweis auf die einschlägigen Rechtsvorschriften jene Umstände näher dargelegt, welche die Verkehrszuverlässigkeit vorübergehend als nicht gegeben erscheinen lassen.

2. Der Berufungswerber tritt diesem Bescheid eingangs mit seiner fristgerecht durch seine ausgewiesenen Rechtsvertreter erhobenen Berufung mit allgemein theoretischen Ausführungen zu § 60 AVG entgegen. Ebenfalls wird ausgeführt, warum in der Einhaltung des Sicherheitsabstandes im Zeitausmaß von 0,28 Sekunden ein Tatbestand des FSG nicht zwingend erblickt werden müsse. Unter Hinweis auf den Schuldspruch der Bezirkshauptmannschaft Hallein vermeint er im Ergebnis vor dem hier der Messung zu Grunde liegenden Zeitpunktes keinen so knappen Abstand eingehalten zu haben. Laut Erkenntnis des VwGH v. 24.9.1997 könne bei einem geübten Fahrer die Reaktionszeit maximal 0,3 Sekunden betragen.

Abschließend beantragt er die Durchführung eines Ortsaugenscheins und die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass persönliche Umstände vorlagen die zur Verkürzung seiner Reaktionszeit geführt hätten.

3. Der Bezirkshauptmann von Freistadt hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Berufungsentscheidung am 22.2.2005 vorgelegt. Dieser hat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied (§ 67a Abs.1 AVG) zu entscheiden.

Eine Berufungsverhandlung konnte hier mangels gesonderten Antrages unterbleiben (§ 67d Abs.1 AVG).

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt. Den Verfahrensakten angeschlossen findet sich die bereits im Schuldspruch in Rechtskraft erwachsene Strafverfügung und im Strafausspruch letztlich auch das die diesbezügliche Rechtskraft bedingende Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Hallein.

4.1. Zur Sache:

In Bindung an den mit der o.a. Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Hallein rechtskräftigen Schuldspruch hat der Berufungswerber am 9.8.2004 um 10.47 Uhr auf der A10 im Gemeindegebiet Oberalm, Fahrtrichtung Salzburg, bei Strkm 13,800, den Pkw mit dem Kennzeichen, mit 129 km/h gelenkt und dabei zu einem Vorderfahrzeug einen Abstand von nur 10 m eingehalten. Die Bestrafung wurde auf § 99 Abs.2 lit.c iVm § 18 Abs.1 StVO gestützt. Dieses Verhalten wurde als unter besonders gefährlichen Verhältnissen begangen qualifiziert. Auch diese Qualifikation ist Inhalt des rechtskräftigen Ausspruches. Die Geldstrafe wurde mit 300 Euro festgesetzt.

Mit Blick auf diese rechtskräftige Feststellungen muss der Antrag des Berufungswerbers auf Neuaufrollung dieses Sachverhaltes im Rahmen dieses Administrativverfahrens abgewiesen werden bzw. erweist dieser sich daher als unzulässig.

Es wäre dem Berufungswerber wohl unbenommen gewesen im Rahmen des Strafverfahrens und allenfalls dabei in Beantragung eines Ortsaugenscheins den Tatvorwurf und die spezifische Qualifikation zu bekämpfen.

Obwohl dies hier auf sich bewenden bleiben muss, wird auf Grund des sich aus der Aktenlage gut nachvollziehbar darstellenden Messergebnisses, welches offenkundig auf einer ausgewerteten Videosequenz fusst, bemerkt, dass keine Anhaltspunkte auf einen inhaltlich verfehlter Schuldspruch vorliegen. Selbst die beiden Videobilder zeigen, dass sich während des Messvorganges offenbar kein Fahrzeug vor dem Berufungswerber gesetzt hat, welches ihm gleichsam die Abstandsverkürzung für eine kurze Zeitdauer "unverschuldet beschert haben könnte".

Nicht gefolgt kann dem Berufungswerber in seiner Darstellung mit einer vermeintlich präsumtiven Unfallvermeidung im Falle eines unerwarteten plötzlichen Abbremsens des Vorderfahrzeuges werden. Selbst eine im Durchschnittsfall gerade nicht erreichbare Reaktionszeit von 0,3 Sekunden, hätte bei diesem Nachfahrabstand eine Kollision vermeiden lassen. Selbst in dieser Zeit wurden bei 129 km/h 10,75 m zurückgelegt.

Unzutreffend zitiert der Berufungswerber den Inhalt des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes. Darin wird zur Reaktionszeit ausgeführt, dass bei sehr geübten Fahrern diese 0,3 bis 0,7 Sekunden betragen könne (Hinweis auf Grundtner-Hellar-Schachter, Die österreichische StVO nach der 19ten Novelle 196; der Berufungswerber zitierte diese mit "bis zu 0,3 Sekunden".

5. Rechtlich hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

5.1. Eingangs wird auf die ausführliche Begründung des Bescheides durch die Behörde erster Instanz und die dort zitierte Judikatur verwiesen (siehe Punkt 1.1.).

Gemäß § 7 Abs.1 FSG gilt als verkehrszuverlässig eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

  1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr ............... gefährden wird, oder
  2. sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer Handlungen schuldig machen wird;

nach § 7 Abs.3 Z3 leg.cit. gilt als solche bestimmte Tatsache, wenn jemand

"als Lenker eines Kraftfahrzeuges durch Übertretung von Verkehrsvorschriften ein Verhalten setzt, dass an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Verkehrsvorschriften verstoßen hat;........."

Für die Wertung einer solchen in Abs.3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

Als eine solche geeignete Tatsache ist die rechtskräftig festgestellte Tat der Bezirkshauptmannschaft Hallein zu werten, wonach zu einem vorausfahrenden Fahrzeug bei 129 km/h nur zehn Meter "Sicherheitsabstand" eingehalten wurden. Diese Tatsache lag zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Entzuges nur etwas mehr als dreieinhalb Monate zurück.

5.2. Unter Hinweis auf den vorliegenden rechtskräftigen Schuldspruch ist es dem Unabhängigen Verwaltungssenat grundsätzlich verwehrt diese Tatsache als Vorfrage allenfalls anders zu beurteilen. Vielmehr besteht lt. gesicherter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Bindung an ein rechtskräftiges Straferkenntnis oder eine - hier im Schuldspruch - in Rechtskraft erwachsene Strafverfügung (vgl. VwGH 20.2.2001, 98/11/0306 mwN).

Eine Neuaufrollung der Frage, ob der Lenker die in Rede stehende Verwaltungsübertretung begangen hat, kommt im Entziehungsverfahren nach dem FSG 1997 somit nicht mehr in Betracht (VwGH 30.6.1998, 98/11/0134 VwGH 11.7.2000, 2000/11/0126 mit Hinweis auf VwGH 21.2.1990, 90/03/0013, 18.12.1997, 96/11/0038).

5.2.1. Für die Festsetzung der konkreten Entziehungsdauer ist nun die - unter Berücksichtigung der Wertungskriterien des § 7 Abs.4 FSG zu erstellende - Prognose maßgebend, wann der Betreffende die Verkehrszuverlässigkeit wieder erlangen werde (vgl. VwGH vom 20.9.2001, 2001/11/0190) bzw. wann er die Sinnesart gemäß § 7 Abs.1 Z1 FSG, deretwegen die Verkehrsunzuverlässigkeit anzunehmen ist überwunden haben wird. Als Wertungskriterium der Verwerflichkeit fällt hier besonders der extrem kurze Abstand ins Gewicht, welcher auf besonders mangelhaft ausgeprägtes Gefahrenbewusstsein und zusätzlich auf ein nicht unbeachtliches verkehrsschädliches Ausmaß an aggressiver Einstellung im Straßenverkehr schließen lässt. Die Mindestentzugsdauer hat wegen fehlender Verkehrszuverlässigkeit mindestens drei Monate zu betragen (§ 25 Abs.3 FSG).

Wie der Oö. Verwaltungssenat schon mehrfach ausgeführt hat, ist im Rahmen der Wertung solcher Sachverhalte einerseits deren Gefährlichkeit und andererseits die seither verstrichene Zeit und das Verhalten des Berufungswerbers in dieser Zeit zu berücksichtigen.

Zur Gefährlichkeit des Verhaltens an sich ist festzustellen, dass angesichts der hohen Fahrgeschwindigkeit - wie oben ausgeführt - im Falle eines Auffahrens schwerste Folgen für Leben, die Gesundheit und Sicherheit, sowie die Herbeiführung schwerer Sachschäden höchstwahrscheinlich zu erwarten wären (vgl. unter vielen Erk. v. 26.7.2004, VwSen-520663/3/Br/Pe, 17.8.2004, VwSen-520643/6/Zo/P).

Es ist insbesondere bei der Qualifizierung eines derart knappen Auffahrens und eines daraus resultierenden Unfalles zu bedenken, dass nachkommende Fahrzeuglenker oder solche auf der Gegenfahrbahn selbst bei einem fahrtechnisch richtigen Verhalten eine Verwicklung einen solcherart ausgelösten Verkehrsunfall realistisch kaum vermeiden könnten. Es ist allgemein bekannt, dass ein derartiger Geschehnisablauf für viele Massenkarambolagen geradezu typisch ist. Die hohen Fahrgeschwindigkeiten, die auf Autobahnen allgemein eingehalten werden und das hohe Gefahrenpotenzial, welches durch Unfälle auf der Überholspur stehende bzw. liegende Fahrzeuge auf einer Autobahn bilden, sind dem Berufungswerber bei der Wertung seines Verhaltens als außerordentlich gefährlich anzurechnen.

Da hier seit dem Vorfall noch nicht sechs Monate verstrichen sind und die Entzugsdauer heute bereits endete, erweist sich der Entzug auch aus der zeitlichen Komponente als rechtskonform, wobei ein Wohlverhalten während dieser Zeit an der Mindestentzugdauer nichts zu ändern vermag.

5.2.2. Bereits aus dem Wortlaut des § 7 Abs.3 Z3 FSG ist ersichtlich, dass es nicht darauf ankommt, ob das Verhalten des Berufungswerbers tatsächlich zu einer gefährlichen Situation geführt hat, sondern eben darauf, ob dieses an sich geeignet war, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen. Die darin mit der Wortwendung "insbesondere" erfolgende demonstrative Aufzählung, schließt gerade nicht aus, dass auch andere gefährliche Verhaltensweisen die Verkehrszuverlässigkeit vorübergehend ausschließen können.

Es ist also nicht entscheidend, ob eine Notbremsung des vorausfahrenden Fahrzeuges wahrscheinlich war oder nicht oder ein Unfall unter bestimmten Konstellationen vielleicht doch vermeidbar wäre. Gemäß der Rechtsprechung zu
§ 18 Abs.1 StVO 1960 muss der Sicherheitsabstand beim Hintereinanderfahren immer so gewählt werden, dass ein rechtzeitiges Anhalten auch dann möglich ist, wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird (vgl. unter vielen VwGH 22.3.1991, 86/18/0135).

Wer selbst den erforderlichen Sicherheitsabstand deutlich unterschreitet, darf iSd § 3 StVO 1960 auch nicht darauf vertrauen, dass das vor ihm fahrende Fahrzeug nicht plötzlich und unerwartet abgebremst wird. Ein sich bedrängt fühlender Lenker kann allenfalls durchaus in einer verfehlten Abwehrreaktion oder aus Gründen, die nur für den Lenker des nachfahrenden Fahrzeuges nicht erkennbar sind und mit der sonstigen Verkehrssituation nichts zu tun haben, plötzlich abgebremst werden.

Es erübrigt sich daher auf die theoretischen Betrachtungen des Berufungswerbers über individuell verschiedene Reaktionszeiten einzugehen. Die Bestimmung des § 18 Abs.1 StVO stellt eine Schutznorm dar, welche auf präventive Sicherheit ausgerichtet ist. Da letztlich Fahrzeuge je verschiedene Bremsverzögerungswerte aufweisen, könnte es auf sich bewenden ob vom Berufungswerber theoretisch eine unterdurchschnittliche Reaktionszeit erreichbar gewesen wäre. Faktum ist, dass im Falle einer Vollbremsung des Vorderfahrzeuges - wie oben rechnerisch dargestellt - bei einem Nachfahrabstand von 0,3 Sekunden eine unfallvermeidende Abwehrhandlung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht möglich wäre. Aber bei der Beurteilung eines gefährlichen Fahrverhaltens geht es um eine ex ante und nicht um theoretische ex post-Beurteilungen.

5.3. Nach ständiger Judikatur des VwGH kann (hat!) die Behörde iSd § 64 Abs.2 AVG die aufschiebende Wirkung einer Berufung immer dann auszuschließen, wenn die Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit entzogen wird; siehe die in Walter-Thienel, Verwaltungsstrafverfahren, 2. Auflage, E24 zu § 64 AVG.

6. Es war demnach spruchgemäß zu entscheiden. Auf die zu entrichtenden Gebühren in der Höhe von 13 Euro wird an dieser Stelle noch hingewiesen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. B l e i e r

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VwGH vom 24.05.2005, Zl.: 2005/11/0092-3

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