Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-104062/8/Br

Linz, 15.11.1996

VwSen-104062/8/Br Linz, am 15. November 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr.Bleier über die Berufung des Herrn Dr. E, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 16. September 1996, AZ.

VerkR96-347-1996-Pi/Ri, wegen Übertretungen der StVO 1960, nach der am 15. November 1996 im Rahmen eines Ortsaugenscheines durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird mit der Maßgabe bestätigt, daß dem Spruch anzufügen ist .... "indem Sie den Schutzweg mit einer Fahrgeschwindigkeit von mindestens 35 km/h vor den am Schutzweg befindlichen Fußgängern übersetzten und die Fußgänger bereits 40 Meter vor Ihrem Erreichen des Schutzweges dort verweilten".

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr.

471/1995 - AVG, iVm § 19 Abs.1 u.2, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 und § 51i Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr.

52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 620/1995 - VStG; II. Zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten werden für das Berufungsverfahren 200 S (20% der verhängten Strafe) auferlegt.

Rechtsgrundlage:

§ 64 Abs. 1 und 2 VStG Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Eferding hat mit dem Straferkenntnis vom 16. September 1996, AZ. VerkR96-347-1996-Pi/Ri, über den Berufungswerber wegen der Übertretung nach § 9 Abs.2 StVO 1960 eine Geldstrafe von 1.000 S und für den Nichteinbringungsfall zwölf Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er am 12.2.1996 um 07.40 Uhr das KFZ mit dem Kennzeichen im Stadtgebiet E, auf der S in Richtung F gelenkt habe und bei Strkm. 16,365 zwei Fußgängern (Schulkindern) die einen Schutzweg erkennbar benützen wollten, das ungehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn nicht ermöglicht hätte.

1.1. Die Erstbehörde führte in ihrer sehr ausführlichen Begründung im wesentlichen aus, daß nach der 19.

StVO-Novelle einem Fußgänger schon bei bloßer Erkennbarkeit der Absicht, daß ein Fußgänger den Schutzweg überqueren will, dieses vom Fahrzeuglenker ungehindert zu ermöglichen sei. Sie folgte der Verantwortung des Berufungswerbers in inhaltlicher und rechtlicher Hinsicht nicht.

2. In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung macht der Berufungswerber Verfahrensmängel und falsche Beweiswürdigung geltend. Inhaltlich führt er im wesentlichen aus, daß er im Verlaufe der Annäherung an den Schutzweg seine Fahrgeschwindigkeit bis auf 20 km/h reduziert hätte und dabei zur Ansicht gelangt sei, daß eine Überquerungsabsicht der Fußgänger erkennbar nicht vorglegen habe, weil diese in ein Gespräch vertieft gewesen seien. Dies sei vor allem deshalb auch glaubwürdig, weil der Vorgang sich zwanzig Minuten vor Schulbeginn abgespielt hätte. Eine nicht bestehende Überquerungsabsicht vermutete der Berufungswerber auch darin, daß eben überlicherweise die Schüler auf das Einschreiten des gegenüberstehenden Gendarmeriebeamten gewartet haben werden.

Ebenfalls hätte sich die Erstbehörde nicht mit der Glaubwürdigkeit des Meldungslegers auseinandergesetzt, welcher nicht einmal die Namen der betreffenden Kinder festgehalten habe.

Er beantragt die Aufhebung des Straferkenntnisses und die Verfahrenseinstellung. In eventu die neuerliche Zurückverweisung an die erste Instanz.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch die Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 22. Oktober 1996, AZ. VerkR96-347-1996-Pi/Ri und Erörterung des Akteninhaltes im Rahmen der unter Abhaltung eines Ortsaugenscheines durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung. Ferner durch die Vernehmung des Zeugen RevInsp. A und des Berufungswerbers als Beschuldigten anläßlich der Berufungsverhandlung.

4. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

4.1. Der Berufungswerber lenkte zur fraglichen Zeit an der oa. Örtlichkeit sein Fahrzeug in Richtung stadtauswärts.

Seine Fahrgeschwindigkeit betrug während der Annährung der letzten 40 Meter vor dem Schutzweg mindestens 35 km/h. In dieser Phase erreichten die Fußgänger gerade den Gehsteig in Höhe der Schutzwegmitte und blickten in die beabsichtigte Überquerungsrichtung. Bei dieser Fahrgeschwindigkeit beträgt der Anhalteweg unter Zugrundelegung einer Reaktionszeit von bloß 0,5 Sek. einer Bremsschwellzeit von 0,2 Sek. und einer Bremsverzögerung von 6,5 m/sek/2 knapp über 13 Meter bei einer Gesamtzeit von 2,10 Sekunden [davon Bremszeit 1,4 Sek.

Berechnung mittels EVU-Unfallsrekonstruktionsprogramm von Prof. Dr. Gratzer, KFZ-Sachverständiger]. Die Wegstrecke von 40 Meter wird ungebremst in 3,6 Sekunden durchfahren. Die Fußgänger hätten hier unter zwei Sekunden in die präsumtive Fahrlinie des Pkw gelangen können.

Der Gehsteig ist an dieser Stelle 1,3 Meter breit. Die Gesamtbreite der vor und nach dem Schutzweg durch eine Leitlinie getrennte Fahrbahn beträgt beim Schutzweg 6,4 Meter. Gegenüber stand ca. zwei Meter seitlich des Schutzweges der Meldungsleger. Die Sicht auf den aus Richtung Zentrum heranfahrenden Verkehr ist bis zur ca. 100 Meter entfernt gelegenen Kurve einwandfrei gewährleistet.

Der Berufungswerber setzte seine Fahrt mit dieser Geschwindigkeit fort und überquerte den Schutzweg vor den Fußgängern.

5. Das entscheidungsrelevante Beweisergebnis stützt sich auf die im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor Ort durchgeführte Beweisaufnahme. Aus den zeugenschaftlichen Angaben des Meldungslegers wurde deutlich, daß der Berufungswerber im Zuge der Annäherung an den Schutzweg die letzten 40 Meter seine Fahrgeschwindigkeit mit mindestens 35 km/h beibehielt. Die Angaben des Meldungslegers waren durchaus glaubwürdig und zum Teil auch mit den Ausführungen des Berufungswerbers - was die Distanz betrifft, wo die Kinder die Höhe des Schutzweges erreichten (40 Meter) - in Einklang. Der Zeuge gab vorerst befragt die Entfernung mit 40 Meter an und schilderte folglich ergänzend die Position mit dem Hinweis, daß diese zwischen den beiden in Richtung stadteinwärts gelegenen Lichtmasten gewesen sei. Die Vermessung dieser Position ergab exakt 40 Meter. Damit kommt den Angaben des Zeugen zusätzlich objektive Glaubwürdigkeit und Schlüssigkeit zu. Der Zeuge blieb trotz intensiven Befragens dabei, sich sicher zu sein, daß der Berufungswerber die letzten 40 Meter mit augenscheinlich unverminderter und zumindest 35 km/h betragender Geschwindigkeit unterwegs war und mit dieser Geschwindigkeit den Schutzweg vor den Kindern übersetzte. An diesen Angaben vermochte der unabhängige Verwaltungssenat keinen Grund für Zweifel erblicken. Der Zeuge machte bei seiner Vernehmung einen durchaus sachlichen und auch sonst überzeugenden Eindruck.

Einem in diesen Sachen geschulten und erfahrenen Straßenaufsichtsorgan ist schließlich auch die Fähigkeit zuzumuten die Fahrgeschwindigkeit eines herannahenden und vorbeifahrenden Fahrzeuges in diesem Geschwindigkeitsspektrum zu schätzen. Er gibt dabei diese Geschwindigkeit mit "mindestens" 35 km/h an. Von dieser war daher auch auszugehen.

6. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

6.1. Der § 9 Abs.2 StVO lautet:

Der Lenker eines Fahrzeuges, das kein Schienenfahrzeug ist, hat einem Fußgänger, der sich auf einem Schutzweg befindet oder diesen erkennbar benützen will, das unbehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen. Zu diesem Zweck darf sich der Lenker eines solchen Fahrzeuges einem Schutzweg nur mit einer solchen Geschwindigkeit nähern, daß er das Fahrzeug vor dem Schutzweg anhalten kann, und er hat, falls erforderlich, vor dem Schutzweg anzuhalten. In gleicher Weise hat sich der Lenker eines Fahrzeuges, das kein Schienenfahrzeug ist, vor einer Radfahrerüberfahrt zu verhalten, um einem Radfahrer, der sich auf einer solchen Radfahrerüberfahrt befindet oder diese erkennbar benützen will, das ungefährdete Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen.

6.1.1. Die zit. Bestimmung in der Fassung der 19. Novelle hat eine Verschärfung zum Schutz der Fußgänger dadurch erfahren, als bereits bei der bloßen Erkennbarkeit der Überquerungsabsicht dies vom Fahrzeuglenker ungehindert zu ermöglichen ist.

Die Rechtslage würde wohl verkannt und darin ist dem Berufungswerber in seiner Verantwortung zuzustimmen, wenn in Auslegung dieser Bestimmung kein wie immer gearteter objektiv zu beurteilender - Maßstab, welcher der Disposition und Entscheidung des Fahrzeuglenkers obliegt, offen bliebe.

Dem Gesetzgeber kann nicht eine Regelungsabsicht zugesonnen werden, welche im Ergebnis dem Lenker eines Fahrzeuges immer zu einem Anhalten zwingt, wenn sich Personen im Bereich des Schutzweges befinden, welche diesen wahrscheinlich benützen werden.

Dem Berufungswerber wäre etwa zu folgen gewesen, hätte er tatsächlich seine Fahrgeschwindigkeit auf 20 km/h reduziert gehabt und damit den präsumtiven Anhalteweg auf knapp unter sechs Meter gekürzt. Bei dieser geringen Fahrgeschwindigkeit und der geringen Entfernung der Fußgänger vom Schutzweg hätte er auch abzuschätzen vermocht, daß die Fußgänger in der gegebenen Situation eben nicht (mehr) oder noch nicht überqueren wollten. Im Falle einer tatsächlichen Erkennbarkeit einer aktuellen Überquerungsabsicht dieser Fußgänger hätte er dies den Fußgängern noch immer ungefährdet und ungehindert ermöglichen können. Auch diese Gesetzesbestimmung darf daher nicht jeder Mitberücksichtigung (der jedem Verkehrsverhalten Bezug habenden) "Weg-Zeit-Komponente" entbehren. Eine andere Sicht würde jeglichen Beurteilungsspielraum des Fahrzeuglenkers aus praktischer Sicht ausschließen und im Ergebnis dazu führen, daß ein Fahrzeuglenker immer zum Anhalten gezwungen wäre und einen Fußgänger vor diesem Schutzweg zum Überqueren "einladen" müßte. Dadurch würde letztlich auch ein aus der Sicht der Vollziehung untragbares Defezit an Rechtssicherheit gegeben sein, weil eben ein Dispositions- und Beurteilunsspielraum vor einem Schutzweg (auch) aus der Sicht des Fahrzeuglenkers unentbehrlich ist.

6.1.2. Hier jedoch, befanden sich die zwei Schulkinder bereits in Front des Schutzweges als der Berufungswerber noch 40 Meter von diesem entfernt gewesen ist. Schon dadurch mußte der Berufungswerber im Sinne der Gesetzesbestimmung und deren Schutzzweck die Überquerungsabsicht in seine Disposition einbeziehen. Demnach hätte er vorerst einmal seine Fahrgeschwindigkeit zu reduzieren und in der Folge die Überquerungsabsicht zu beurteilen gehabt. Insbesondere bei Kindern muß diesbezüglich ein strenger Maßstab an dieses Beurteilungskriterium gesetzt werden. Dies dergestalt, daß zumindest (vorerst) im Zweifel wohl immer von einer Überquerungsabsicht ausgegangen werden muß. Diese Schutzbestimmung würde ihres Sinnes entlehrt, würde man zugestehen, daß immer dann, wenn sich auch ein Fußgänger letztlich wegen der in gleichbleibender Geschwindigkeit erfolgenden Annährung eines Fahrzeuges nicht mehr zu überqueren wagt und so dieser letztlich (als Faktum) erkennen läßt nicht mehr überqueren zu "wollen" (zur Gefahrvermeidung), einem Fahrzeuglenker Recht zukommen zu lassen.

Für den Fahrzeuglenker, insb. KFZ-Lenker, bedeutet diese Vorschrift zunächst die Pflicht zu Beobachtung des Geschehens nicht nur auf, sondern auch seitlich neben dem Schutzweg, dann die Pflicht zur Temporeduktion, allenfalls zum Anhalten, um den Fußgänger, die den Schutzweg erkennbar benützen wollen, die Querung zu ermöglichen. Dabei müssen Lenker auch auf die äußeren Umstände (wie Fahrbahnbeschaffenheit, Sicht u.dgl.) Bedacht nehmen (Stolzlechner, in ZVR, Heft 12, Dez.1994, S 357).

Weil hier eine Geschwindigkeitsreduzierung in der unmittelbaren Annährungsphase und angesichts der schon vor dem Schutzweg befindlichen Personen nicht erfolgte, wurde diese Schutznorm verletzt.

6.2. Die Spruchpräzisierung diente der genaueren Tatumschreibung nach § 44a Abs.1 VStG.

7. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

7.1. Der Berufungswerber verfügt über ein überdurchschnittliches Einkommen. Daher kann der verhängten Strafe in keiner Weise entgegengetreten werden. Festzuhalten ist, daß diese Strafe als sehr milde bemessen zu erachten ist, wobei hier durchaus mitberücksichtigt sein mag, daß es zu keiner konkreten Gefährdung der Fußgänger gekommen ist. Ein Ermessensfehler in der Strafzumessung liegt daher nicht vor.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. B l e i e r

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