Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-520904/2/Ki/Da

Linz, 29.03.2005

 

 

 VwSen-520904/2/Ki/Da Linz, am 29. März 2005

DVR.0690392
 

 

 

 

B E S C H E I D

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des E S, J, O, vertreten durch R E Rechtsanwälte GmbH, S, I, vom 9.3.2005 gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 15.2.2005, VerkR21-575-2004/BR, wegen Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

 

In Stattgebung der Berufung wird der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass der Vorstellung gegen den Mandatsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 4.10.2004, VerkR21-575-2004/BR, Folge gegeben und der Mandatsbescheid ersatzlos behoben wird.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG iVm §§ 24 Abs.1, 7 Abs.1 und 7 Abs.3 Z3 FSG.

 

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit Mandatsbescheid vom 4.10.2004, VerkR21-575-2004/BR, hat die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn dem Berufungswerber die Lenkberechtigung für die Klassen A und B für die Dauer von drei Monaten, gerechnet ab Zustellung des Bescheides entzogen. Gleichzeitig wurde ihm das Lenken von vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen und Invalidenkraftfahrzeugen für den selben Zeitraum verboten und er wurde aufgefordert, den über die entzogene Lenkberechtigung ausgestellten Führerschein, sofern er nicht bereits vorläufig abgenommen wurde, unverzüglich der Behörde bzw. beim für ihn zuständigen Gendarmerieposten abzuliefern.

 

Begründend wurde ausgeführt, der Berufungswerber habe zu einem bestimmten Zeitpunkt auf der Tauernautobahn (A10) einen Pkw gelenkt und keinen solchen Abstand vom nächsten vorausfahrenden Fahrzeug eingehalten, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich gewesen wäre und er habe diese Übertretung mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern begangen, indem er in einem Abstand von 8 m, das entspreche einem Zeitabstand von 0,23 Sekunden, hinter einem in gleicher Richtung fahrenden Kraftfahrzeug mit einer Geschwindigkeit von 130 km/h nachgefahren sei.

 

Auf Grund dieses Sachverhaltes und dessen Wertung gelange die Behörde zur Auffassung, dass er nicht mehr verkehrszuverlässig sei und es sei ihm daher aus Gründen der Verkehrssicherheit als vorbeugende Maßnahme die Lenkberechtigung zu entziehen.

 

Dagegen wurde mit Schriftsatz vom 27.10.2004 Vorstellung erhoben, mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 15.2.2005, VerkR21-575-2004/BR, wurde der Mandatsbescheid bestätigt und es wurde einer allenfalls gegen diesen Bescheid einzubringenden Berufung im Interesse des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzuge die aufschiebende Wirkung ausgeschlossen.

 

2. Gegen diesen Bescheid hat der Rechtsmittelwerber mit Schriftsatz vom 9.3.2005 Berufung erhoben und darin u.a. auf die Materialien zur 7. Führerscheingesetz-Novelle verwiesen, wonach in die beispielshafte Aufzählung der besonders gefährlichen Verhältnisse das Nichteinhalten des zeitlichen Sicherheitsabstandes beim Hintereinanderfahren aufgenommen wurde, sofern der Abstand eine Zeitdauer von 0,2 Sekunden unterschritten habe. Den Materialien zur 7. Führerscheingesetz-Novelle könne somit klar und deutlich der Wille des Gesetzgebers entnommen werden, dass der Entzug der Lenkberechtigung einem Delikt der im § 7 Abs.3 Z3 FSG demonstrativ aufgezählten Übertretungen gleichzuhalten wäre, wenn der Sicherheitsabstand beim Hintereinanderfahren eine Zeitdauer von 0,2 Sekunden unterschritten habe. Dieser Sekundenabstand sei im vorliegenden Falle in keiner Weise unterschritten worden, der Entzug der Lenkberechtigung sei entgegen den ausdrücklichen Wertungen des Gesetzgebers und der Judikatur in unberechtigter Weise erfolgt.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oö. vorgelegt, der hatte durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt.

Eine mündliche Berufungsverhandlung wurde nicht beantragt und es wird im vorliegenden Falle die Durchführung einer Verhandlung nicht für erforderlich gehalten (§ 67d Abs.1 AVG).

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat wie folgt erwogen:

 

Gemäß § 24 Abs.1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.

 

Gemäß § 3 Abs.1 Z2 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die verkehrszuverlässig sind (§ 7).

 

Gemäß § 7 Abs.1 Z1 FSG gilt als verkehrszuverlässig eine Person, wenn nicht aufgrund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird.

 

Gemäß § 7 Abs.3 Z3 FSG hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs.1 insbesondere zu gelten, wenn jemand als Lenker eines Kraftfahrzeuges durch Übertretung von Verkehrsvorschriften ein Verhalten setzt, dass an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Verkehrsvorschriften verstoßen hat; als Verhalten, das geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, gelten insbesondere erhebliche Überschreitungen der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit vor Schulen, Kindergärten oder vergleichbaren Einrichtungen sowie auf Schutzwegen oder Radfahrerüberfahrten, das Übertreten von Überholverboten bei besonders schlechten und bei weitem nicht ausreichenden Sichtverhältnissen oder das Fahren gegen die Fahrtrichtung auf Autobahnen.

 

Laut Anzeige des Landesgendarmeriekommandos für Salzburg (Verkehrsabteilung) hat der Berufungswerber zu einer bestimmten Tatzeit an einem bestimmten Tatort zu einem vor ihm am gleichen Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug nicht einen solchen Abstand eingehalten, dass ein rechtzeitiges Anhalten möglich gewesen wäre. Mittels Videomessung wurde ein zeitlicher Abstand von 0,23 Sekunden festgestellt.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn wertete dieses Umstand als bestimmte Tatsache iSd § 7 Abs.3 Z3 FSG, diese Bestimmung sei bei einem Zeitabstand von weniger als 0,3 Sekunden bei derart hohen Geschwindigkeiten anzuwenden.

 

Jene Tatbestände, welche eine allfällige Verkehrsunzuverlässigkeit einer Person indizieren, sind im § 7 Abs.3 FSG als bestimmte Tatsachen angeführt. Neben den ausdrücklich angeführten Tatbeständen hat der Gesetzgeber durch die Einfügung des Wortes "insbesondere" in der Einleitung des Abs.3 die Vollzugsbehörden ermächtigt, auch andere Verhaltensweisen, die geeignet sind, die Verkehrszuverlässigkeit einer Person in Zweifel zu ziehen, heranzuziehen, diese Tatsachen müssen jedoch im Einzelfall durch ihre Verwerflichkeit den angeführten Handlungen an Unrechtsgehalt und Bedeutung im Zusammenhang mit dem Lenken von Kraftfahrzeugen gleichkommen.

 

Diese Ermächtigung kann jedoch nicht dazu führen, dass die Vollzugsbehörden willkürlich eine Beurteilung vornehmen können, in verfassungskonformer Auslegung der Norm wird diese Ermächtigung wohl so zu verstehen sein, dass jedenfalls der Wille des Gesetzgebers als maßgebliches Kriterium zu berücksichtigen ist.

 

Was die Unterschreitung des Sicherheitsabstandes zum vorausfahrenden Fahrzeug anbelangt, so hat der Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Verkehrszuverlässigkeit zum Lenken von Kraftfahrzeugen bisher keine ausdrückliche Regelung festgelegt gehabt, sodass die Vollzugsbehörden in den jeweiligen Einzelfällen zu beurteilen hatten, ob eine bestimmte Unterschreitung dieses Sicherheitsabstandes den gesetzlich festgelegten bestimmten Tatsachen gleichzuhalten ist.

 

Nunmehr hat sich jedoch der Gesetzgeber in dieser Frage ausdrücklich artikuliert, indem festgehalten wurde, dass ein Verhalten nur dann geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, wenn beim Nichteinhalten des zeitlichen Sicherheitsabstandes beim Hintereinanderfahren eine Zeitdauer von 0,2 Sekunden unterschritten wird (7. Führerscheingesetz-Novelle). Diese Führerscheingesetz-Novelle ist zwar noch nicht in Kraft getreten, wurde jedoch bereits vom Nationalrat in der Sitzung am 2.3.2005 beschlossen und es hat auch der Bundesrat in seiner Sitzung am 17.3.2005 beschlossen, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 

Im gegenständlichen Falle wurde mittels Videomessung festgestellt, dass der Berufungswerber beim Hintereinanderfahren zum vorausfahrenden Fahrzeug einen Abstand von 0,23 Sekunden eingehalten hat. Dieser Abstand ist nach dem Willen des Gesetzgebers sohin nicht als bestimmte Tatsache zu betrachten, welche per se die Verkehrsunzuverlässigkeit eines Lenkers indizieren würde.

 

Mangels Vorliegen einer bestimmten Tatsache kann daher im vorliegenden Falle die Verkehrsunzuverlässigkeit des Berufungswerbers nicht festgestellt werden, weshalb er durch den Entzug der Lenkberechtigung in seinen Rechten verletzt wurde. Der Berufung war daher Folge zu geben.

 

Zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung (§ 64 Abs.2 AVG) wird festgestellt, dass die Behörde diese dann ausschließen kann, wenn die vorzeitige Vollstreckung im Interesse einer Partei oder eines öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung gemäß dieser Bestimmung im Fall des Entzuges der Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit auf Grund des Interesses des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzug immer geboten (VwGH 89/11/0252 vom 20.2.1990 u.a.). Da die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn bei der Erlassung des Bescheides von der Verkehrsunzuverlässigkeit des Berufungswerbers ausging, wurde er durch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nicht in seinen Rechten verletzt.

 

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in der Höhe von 13 Euro angefallen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. K i s c h

 

 

Beschlagwortung:

Bestimmte Tatsache iSd § 7 FSG nur bei Unterschreiten eines Sicherheitsabstandes von weniger als 0,2 sec.

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