Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-104154/2/Br

Linz, 20.11.1996

VwSen-104154/2/Br Linz, am 20. November 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn K, vertreten durch Dr. P, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz, vom 21. Oktober 1996, Zl. III-S 21030/96 V1S, wegen der Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, zu Recht:

Der Berufung wird Folge gegeben; der angefochtene Bescheid vom 21. Oktober 1996 wird aufgehoben und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4, § 71 Abs.1 Z1 und Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr.51, zuletzt geändert durch BGBl.Nr.471/1995 iVm § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl.Nr.620/1995.

Entscheidungsgründe:

1. Über den Berufungswerber wurde von der Bundespolizeidirektion Linz mit der Strafverfügung vom 11. Juli 1996, Zl.: III/S 21030/96 V1S wegen zweier Übertretungen nach der StVO zwei Geldstrafen in der Höhe von 1.) 2.000 S u. 2.) 1.000 S im Nichteinbringungsfall 1.) 92 u. 2.) 24 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt.

1.1. Diese Strafverfügung wurde für den Berufungswerber mit 13. August 1996 eigenhändig zugestellt.

2. Mit Schriftsatz vom 22. August 1996, der Post zur Beförderung übergeben am 16. September 1996 stellen die ag.

Rechtsvertreter des Berufungswerbers einen Wiedereinsetzungsantrag in den vorigen Stand und erheben gleichzeitig gegen diese Strafverfügung Einspruch.

In Sache der Wiedereinsetzung führen die Rechtsvertreter des Berufungswerbers im wesentlichen aus, daß der Einspruch sogleich am 22. August 1996 diktiert worden sei, jedoch gelangte dieser Einspruch auf Grund eines Versehens der Kanzleikraft und auch des Rechtsvertreters, welcher keine Eintragung ins Terminbuch veranlaßt habe, in einen anderen, auch bei der Anwaltskanzlei betreffend den Wiedereinsetzungswerber anhängigen Akt. Dadurch kam es zur nicht rechtzeitigen Einspruchserhebung. Dem Wiedereinsetzungsantrag wird auch eine eidesstattliche Erklärung von Rechtsanwalt Dr. K beigeschlossen. Darin wird im wesentlichen dargetan, daß an diesem Tag eine starke Betriebsamkeit in der Kanzlei herrschte und dadurch nicht aufgefallen sei, daß der eben diktierte Einspruch nicht zur Unterschrift gelangte. Weil der Einspruch noch für den gleichen Tag zur Postbeförderung vorgesehen war, wurde er auch nicht in das Fristenbuch eingetragen, sodaß eben vorerst nicht auffiel, daß der Einspruch in den falschen Akt gelangt war. Ein solches Versehen sei noch nie passiert und sei auf die momentane Arbeitsüberlastung zurückzuführen gewesen.

2.1. Die Erstbehörde wies den Wiedereinsetzungsantrag im wesentlichen mit der Begründung ab, daß bei ordnungsgemäßer Organisation einer Anwaltskanzlei derartiges eben nicht passieren dürfe. Sie erblickte im fehlerhaften Zusammenwirken von gleich zwei Personen, nämlich dem Rechtsanwalt und der Kanzleikraft keinen minderen Grad des Versehens.

3. Die Erstbehörde hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates ist somit gegeben. Dieser hat, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu erkennen.

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war nicht erforderlich, weil sich bereits aus der Aktenlage der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt ergibt (§ 51e Abs.1 VStG).

3.1. Der Berufungswerber führt in seiner fristgerecht erhobenen Berufung im wesentlichen aus wie bereits im Wiedereinsetzungsantrag. Er hebt hervor, daß es eben Tatsache sei, daß dort wo gearbeitet werde auch Fehler vorkämen und davon auch Rechtsanwälte nicht ausgenommen seien. Zweck eines Wiedereinsetzungsantrages sei es, Fehler welche auf minderen Grades eines Versehens beruhten, zu beheben. Ferner wird im Ergebnis noch hervorgehoben, daß hier durch Verkettung von unglücklichen Umständen der (geringfügige) Fehler der Kanzleikraft zusätzlich noch durch einen solchen des Rechtsanwaltes verstärkt worden sei. Wobei die betroffenen Personen stets zuverlässig arbeiteten. Der Einspruch sei unmittelbar nach Auftragserteilung durch die Mandantschaft diktiert und geschrieben worden.

Abschließend vermeint der Berufungswerber, daß diese Fehler nur als minderer Grad des Versehens zu werten wären und stellt den Antrag auf Stattgebung des Wiedereinsetzungsantrages.

4. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat hiezu erwogen:

4.1. Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn (§ 71 Abs.1 AVG):

1. die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, ....

Der Antrag auf Wiedereinsetzung muß binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden (§ 71 Abs.2 AVG).

Im Fall der Versäumung einer Frist hat die Partei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen (§ 71 Abs.3 AVG).

Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat (§ 71 Abs.4 AVG).

4.1.1. In dem hier plausibel dargelegten Fehler einer Kanzleikraft und auch des Rechtsanwaltes selbst, welcher in einem an sich anzunehmen "eingespielten System" auf rein manipulatorischer Ebene unterlief, ist bei praktischer und lebensnaher Sicht der alltäglichen Berufs- und Lebenspraxis als Phänomen zu erachten, welches jedem Menschen und in jedem bewährten Team einmal vorkommen kann. Dies indiziert aus h. Sicht in typischer Weise lediglich ein auf einem minderen Grad des Versehens beruhendes Verschulden des Rechtsvertreters (vgl. unter vielen VwGH 29.9.1993, Zl.

93/03/0206, 29.9.1994, Zl.94/18/0526). Aus dem Umstand, daß hier dem Anwalt und der Kanzleikraft ein Fehler unterlaufen ist, kommt hier vielmehr die in jeder Routine gelegene Fehlerneigung als Form der menschlichen Unzulänglichkeit zum Ausdruck.

Bei bloß automatischer und ohne wirkliche Würdigung des entsprechenden Vorbringens getätigter Verneinung der Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung würde dieses Rechtsinstitut im Ergebnis bloß als "leere Hülse" existieren und dem primären Zweck eines inhaltlichen Rechtsschutzes nicht gerecht werden können.

Dem Vorbringen des Rechtsvertreters des Berufungswerbers kommt daher Recht zu.

4.1.2. Der Bescheid war daher ersatzlos aufzuheben, wobei hinzuweisen ist, daß gemäß des vorliegenden - als rechtzeitig zu wertenden - Einspruches, im Rahmen eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens das Verwaltungsstrafverfahren in erster Instanz durchzuführen sein wird.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. B l e i e r

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