Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-521120/2/Fra/Hu

Linz, 15.12.2005

 

 

 

VwSen-521120/2/Fra/Hu Linz, am 15. Dezember 2005

DVR.0690392

 

 

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung des Herrn GU vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Mag. CK gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 16. September 2005, VerkR20-1056-2002-Hof, betreffend Aufforderung zur Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens gemäß § 8 FSG, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird behoben.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm § 67a Abs.1 AVG.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach hat mit dem in der Präambel angeführten Bescheid den Berufungswerber (Bw) gemäß § 24 Abs.4 FSG aufgefordert, innerhalb von einem Monat ein gemäß § 8 FSG von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten beizubringen.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig durch den ausgewiesenen Vertreter eingebrachte Berufung. Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach - als nunmehr belangte Behörde - legte das Rechtsmittel samt bezughabendem Verfahrensakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied (§ 67a Abs.1 AVG) zu entscheiden hat.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt und in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

3.1. Gemäß § 24 Abs.1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder

2. die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diese Einschränkungen sind gemäß § 13 Abs.2 in den Führerschein einzutragen.

 

Gemäß § 3 Abs.1 Z3 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9).

 

Gemäß § 3 Abs.1 FSG-GV gilt als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse im Sinne des § 8 FSG gesundheitlich geeignet, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften ua die nötige körperliche und psychische Gesundheit besitzt (Z1).

 

Gemäß § 24 Abs.4 erster Satz FSG ist, wenn Bedenken bestehen, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen.

 

Ungeachtet des Umstandes, dass das FSG eine dem § 75 Abs.1 KFG 1967 entsprechende Bestimmung nicht enthält, ist auch im Geltungsbereich des FSG Voraussetzung für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens betreffend Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung und damit für einen Aufforderungsbescheid gemäß § 24 Abs.4 FSG, dass begründete Bedenken bestehen, ob die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4 leg.cit) noch gegeben sind. Dies folgt schon aus dem allgemeinem Grundsatz, dass die Verwaltungsbehörden nicht grundlos Ermittlungsverfahren einzuleiten und Aufforderungsbescheide mit der Folge eines Rechtsverlustes bei Nichtbefolgung zu erlassen haben (vgl. hiezu die Erkenntnisse des VwGH vom 10.11.1998, Zl.98/11/0120, vom 14.3.2000, Zl. 99/11/0185, vom 23.1.2001, Zl. 2000/11/0240 und vom 30.5.2001, Zl. 2001/11/0013). Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides setzt demnach begründete Bedenken voraus, dass der Bw eine der im § 3 Abs.1 FSG-GV genannten Voraussetzungen für das Vorliegen der gesundheitlichen Eignung nicht erfüllt. In diesem Stadium des Verfahrens zur Entziehung der Lenkberechtigung geht es noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer der Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann. Es müssen aber genügend begründete Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen.

 

3.2. Die belangte Behörde stützt den angefochtenen Bescheid auf die Anzeige der Polizeiinspektion U vom 27.7.2005, wonach zu klären sei, ob der Bw derzeit die erforderliche gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppen 1 und 2 noch besitze. In der oa. Anzeige wird als Erhebungsergebnis dokumentiert, der Bw habe in mehreren Zeitungen inseriert, dass er für Bastelarbeiten an seiner Modelleisenbahn jemanden suchen würde. Weiters habe er laut seinen Angaben auch die Stellengesuche in der "Korrekt" und in der "Jobzeitung" gelesen. Dabei sei er Mitte oder Ende Mai auf A und S B aus A bei L gekommen. Der Bw habe A B mehrmals zu ihm nach Hause geholt und dort Fußabdrücke von ihr angefertigt. Zu Obszönitäten sei es bei ihr anscheinend nicht gekommen. Der Bw habe am 28. Mai 2005 gegen 13.00 Uhr S B am Urfahrmarkt-Gelände abgeholt und sie nach S Nr. .... gefahren. Dort habe er von ihr Fußabdrücke machen wollen, die er angeblich für Dekorationszwecke benötigte. Dabei habe er ihre Fußsohlen und Zehen abgeschleckt. SB habe den Bw darauf angesprochen und ihm gesagt, dass sie das nicht wolle. Daraufhin habe er sie mit seinem Pkw nach Linz zurückgefahren. Am 4. Juni 2005 habe sich der Bw - der sich als G R ausgegeben habe - bei der jobsuchenden D S aus L unter dem Vorwand gemeldet, dass sie für ihn in seinen Geschäften Modelleisenbahnen verkaufen solle. Es sei ein Termin für 6. Juni 2005 vereinbart worden. Am 6. Juni 2005 sei D S von L bis R mit dem Zug gefahren und von dort habe sie der Bw abgeholt und zu seinem Wohnhaus in S Nr. .... gefahren. Dort habe sie ihm bei Arbeiten an der Modelleisenbahnlandschaft geholfen. Dabei habe er sie aufgefordert, ihre Socken auszuziehen, weil er Fußabdrücke von ihr brauche. Weiters habe er angeblich zu ihr gesagt, dass sie sich auch ganz ausziehen könnte, weil er die Abdrücke vom Arsch und vom Busen auch machen müsse. Plötzlich habe sie etwas verspürt, als ob er an ihren Füßen und Zehen lecken würde.

 

Mit D S sowie mit dem Bw wurden Niederschriften aufgenommen. Der Bw gab an, dass er lediglich die Fußsohlen der Mädchen mit einem Bleistift nachgezeichnet habe. Weiters gab er an, sich wegen seinem Problem in ärztliche Behandlung geben zu wollen, weil er in keinen Teufelskreis kommen wolle. Die Staatsanwaltschaft Linz benachrichtigte mit Schreiben vom 17. August 2005 den Bw, dass die gegen ihn erstattete Anzeige wegen § 208 StGB gemäß § 90 Abs.1 StPO wegen der oa. Vorfälle zurückgelegt wurden und ein weiteres Strafverfahren aus diesem Anlass unterbleibt.

 

3.3. Die belangte Behörde lässt im Dunkeln, woraus sie begründete Bedenken an der gesundheitlichen Eignung des Bw im Sinne des § 24 Abs.4 FSG ableitet.

 

Gemäß § 5 Abs.1 Z4 FSG-GV gilt als zum Lenken von Kraftfahrzeugen hinreichend gesund eine Person, bei der keine schwere psychische Erkrankung gemäß § 13 festgestellt wurde.

 

Gemäß § 13 Abs.1 FSG-GV gilt als ausreichend frei von einer psychischen Krankheit im Sinne des § 3 Abs.1 Z1 eine Person, bei der keine Erscheinungsformen von solchen Krankheiten vorliegen, die eine Beeinträchtigung des Fahrverhaltens erwarten lassen.

 

Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass der Bw den genannten Damen tatsächlich Füße und Zehen geleckt hat - dies ist aufgrund des durchgeführten Verfahrens keineswegs erwiesen - stellt sich die Frage, inwiefern ein solches Verhalten geeignet ist, straßenverkehrsrechtlich oder kraftfahrrechtlich relevant zu sein (vgl. S 13 Abs.1 FSG-GV).

 

Die oa Vorfälle könnten ein Indiz für eine Störung des Sexualverhaltens sein. In der Online-Enzyklopädie "WIKIPEDIA" (http://de.wikipedia.org) sind Formen des Fußfetischismus umschrieben. Danach gibt es keine einheitliche Ausprägung dieser Form des Fetischismus. Häufig lieben es jedoch Fußfetischisten, Füße zu betrachten und zu liebkosen.

 

Ob Fetischismus eine Krankheit ist, ist wissenschaftlich umstritten. Sozialversicherungsrechtlich ist unter Krankheit ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand zu verstehen, der ärztlicher Behandlung bedarf. Fetischismus kann auch eine "krankhafte Ausprägung" haben und ist dann nach ICD-10 (International Classification of Diseases and Related Health Problems - [eine von der WHO herausgegebene internationale Klassifikation der Krankheiten]) eine "Störung der Sexualpräferenz" (Schlüssel F65.0), die wie folgt beschrieben wird: Gebrauch toter Objekte als Stimuli für die sexuelle Erregung und Befriedigung. Viele Fetische stellen eine Erweiterung des menschlichen Körpers dar, zB Kleidungsstücke oder Schuhwerk. Die Fetischobjekte haben individuell wechselnde Bedeutung (Quelle: ICD-10-GM Version 2005). Nach dieser Definition wäre eine besondere Vorliebe für Körperteile (zB Füße) kein Fetisch und somit keine "Krankheit", da diese Körperteile keine "toten Objekte" sind.

Nach der 4. Ausgabe des "Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders" (Diagnostisches und Statistisches Handbuch Psychischer Störungen) liegt eine "krankhafte sexuelle Abweichung" erst dann vor, wenn sexuelle Phantasien länger als 6 Monate immer wieder auftauchen und der Betroffene dadurch so behindert wird, dass sein soziales Leben gestört wird (Diagnostic criteria for 302.81 Fetisism).

 

3.4. Mit dem angefochtenen Bescheid wir dem Bw aufgetragen, ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten beizubringen. Dies ist aus folgenden Gründen rechtswidrig: Im Unterschied zur bereits mit Inkrafttreten der 5. FSG-Novelle, BGBl.I/Nr. 81/2002, außer Kraft getretenen Fassung des § 26 Abs.5 FSG hat sich - im gegebenen Zusammenhang - die bescheidmäßige Aufforderung nach der nunmehr maßgeblichen Rechtslage darauf zu richten, der Betreffende habe "sich ärztlich untersuchen zu lassen" bzw. "die zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen". Für eine Aufforderung zur Beibringung eines von einem Amtsarzt erstellten Gutachtens, wie dies nach der Fassung des § 26 Abs.5 FSG vorgesehen war, besteht nunmehr keine gesetzliche Grundlage (vgl. hiezu das Erkenntnis des VwGH vom 17. März 2005, Zl. 2004/11/0014, mit weiteren Hinweisen).

 

Im gegenständlichen Fall wurde jedoch der Bw - wie er zutreffend in seinem Rechtsmittel darauf hinweist - bereits am 23.8.2005 gemäß § 8 FSG untersucht. Schon aufgrund dieser Tatsache geht der bescheidmäßige Auftrag aus rechtlichen Gründen ins Leere. Dem Bw hätte allenfalls aufgetragen werden können, zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens einen Befund beizubringen, dies alles unter der Prämisse, dass der oa. Sachverhalt tatsächlich als erwiesen anzusehen ist, weiters unter der Voraussetzung, dass aus diesem Sachverhalt der Verdacht einer psychischen Krankheit abzuleiten wäre, welche auch geeignet ist, die Fähigkeit zum Lenken von Kraftfahrzeugen zu beeinträchtigen. Da die hier relevanten Fakten und Umstände nicht ausreichend objektiviert sind, liegen sohin die Tatbestandsvoraussetzungen des § 24 Abs.4 FSG nicht vor, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

 

Abschließend sei festgestellt, dass es entgegen der Rechtsansicht des Bw nicht darum geht, die Verkehrszuverlässigkeit als eine der Erteilungsvoraussetzungen für die Lenkberechtigung zu überprüfen.

 

Dem Bw wird ungeachtet dieser Entscheidung dennoch empfohlen, sich in ärztliche Behandlung zu begeben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Dr. F r a g n e r

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