Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-521128/2/Bi/Be

Linz, 17.10.2005

 

 

 

VwSen-521128/2/Bi/Be Linz, am 17. Oktober 2005

DVR.0690392

 

 

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung der Frau E R, vom 17. September 2005 gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 8. September 2005, F-2107/2005, wegen Befristung der Lenkberechtigung unter Auflagen, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 und 67a AVG

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde der Berufungswerberin (Bw) am 6. September 2005 von der Erstinstanz eine Lenkberechtigung für die Klasse B befristet bis 13. Juni 2010 und unter der Auflage erteilt, sich bis spätestens bis 13. Juni 2010 einer amtsärztlichen Nachuntersuchung unter der Vorlage eines Gutachtens eines Facharztes für Innere Medizin wegen IDDM, Hypertonie, PNP lt. amtsärztlichem Gutachten vom 13. Juni 2005 zu unterziehen.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte mit 8. September 2005

2. Dagegen wendet sich die von der Bw fristgerecht eingebrachte Berufung, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde, der durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 67d Abs.1 AVG).

3. Die Bw macht im Wesentlichen geltend, aufgrund der guten Einstellung ihres Zuckers sei keine relevante Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes im Hinblick auf das Lenken eines Kraftfahrzeuges zu befürchten. Sie habe seit September 2000 eine Insulinpumpe, kontrolliere mehrmals täglich ihre Zuckerwerte, die sie auch genauestens protokolliere, und könne damit Hypoglykämien verlässlich vorbeugen. Zu ihrer eigenen Sicherheit kontrolliere sie vor jeder Autofahrt ihren Blutzucker und werde ihr Gesundheitszustand regelmäßig ärztlich überprüft. Ihre HbA1c-Werte seien normal und ihre Netzhaut weise keine diabetischen Veränderungen auf. Laut medizinischen Erfahrungen seien Spätschäden durch eine ausgezeichnete Stoffwechseleinstellung zu verhindern. Ihr seien einige Fälle von Diabetikern bekannt, deren Befristungen der Lenkberechtigung aufgehoben worden seien; sie ersuche, die Befristung aufzuheben.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus geht hervor, dass sich die Bw, die am 6. September 2005 die Lenkerprüfung für die Klasse B bestanden hat, am 9. Mai 2005 einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 8 FSG durch Frau Dr. S A, Ärztin für Allgemeinmedizin in Linz, unterzogen hat. Laut FA-Stellungnahme Dris H W, FA für Augenheilkunde und Optometrie in Linz, vom 4. Mai 2005 ist bei der Bw Binokularsehen gegeben, besteht ein stabiler ophthalmologischer Status und ist keine fortschreitende Augenerkrankung erkennbar. Laut internistischem Befund Dris J F, FA für Innere Medizin in Linz, vom 7. Juni 2005 besteht bei der Bw insulinpflichtiger Diabetes Mellitus Typ I seit 1975 mit Pumpentherapie seit 2000. Die Stoffwechsellage war immer ausgezeichnet mit einem aktuellen HbA1c von 6,1. Von internistischer Seite bestehen keine diabetischen Sekundärveränderungen, auch bei der Augenkontrolle fand sich keine diabetische Retinopathie. Unter der aktuellen Pumpentherapie kommt es zu keinen relevanten Hypoglykämien, auch zu keinen hyperglykämischen Stoffwechselentgleisungen, sodass insgesamt von internistischer Seite keine Kontraindikation für FS-Tauglichkeit besteht. Die Compliance der Bw ist ausgezeichnet.

Der Polizeiarzt Dr. Geier hat in seinem Gutachten gemäß § 8 FSG vom 13. Juni 2005 die Bw als "bedingt geeignet" zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B befunden, und die Befristung sowie die Auflage damit begründet, eine weitere Verlaufskontrolle der Krankheitssymptomatik sei unabdingbar, um Verschlechterungen und da Auftreten von Spätkomplikationen, die die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen einschränken oder ausschließen können, rasch zu erfassen. Daher sei eine amtsärztliche Untersuchung nach Beibringung einer internistischen Stellungnahme erforderlich.

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 3 Abs.1 Z3 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken.

Gemäß § 5 Abs.5 FSG ist die Lenkberechtigung, soweit dies aufgrund des ärztlichen Gutachtens oder wegen der Art der Lenkberechtigung nach den Erfordernissen der Verkehrssicherheit nötig ist, unter den entsprechenden Befristungen, Auflagen oder zeitlichen, örtlichen oder sachlichen Beschränkungen der Gültigkeit zu erteilen...

Gemäß § 3 Abs.1 Z1 FSG-GV gilt als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse iSd § 8 FSG gesundheitlich geeignet, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften die nötige körperliche und psychische Gesundheit besitzt. Gemäß Abs.5 dieser Bestimmung kann Personen mit einer fortschreitenden Erkrankung eine Lenkberechtigung befristet erteilt oder belassen werden unter der Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen und amtsärztlicher Nachuntersuchungen. Die Auflage kann behoben werden, sobald sich die Erkrankung oder Behinderung stabilisiert hat.

Gemäß § 11 Abs.1 FSG-GV darf Zuckerkranken eine Lenkberechtigung nur nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme erteilt oder belassen werden.

Gemäß § 8 Abs.2 FSG-GV kann, wenn eine fortschreitende Augenerkrankung festgestellt oder angegeben wird, die Lenkberechtigung der Gruppe 1 unter der Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen erteilt oder belassen werden.

In einem ähnlich gelagerten Fall hat der VwGH (20.4.2004, 2003/11/0315) ausgeführt, dass fortschreitende Erkrankungen im § 3 Abs.5 FSG-GV allgemein, hinsichtlich Augenerkrankungen in § 8 Abs.2 FSG-GV geregelt werden; in § 11 FSG-GV finden sich Bestimmungen zur Zuckerkrankheit. Hinsichtlich fortschreitender Erkrankungen enthalten weder § 8 FSG-GV noch § 11 FSG-GV von § 3 Abs.5 FSG-GV abweichende Spezialbestimmungen. § 3 Abs.5 2.Satz FSG-GV regelt, dass eine Stabilisierung der Erkrankung oder Behinderung die Grundlage für die Aufhebung der bei der befristeten Erteilung oder Belassung der Lenkberechtigung zu verfügenden Auflagen bildet.

Damit ist im gegebenen Zusammenhang nicht schon eine vorübergehende, sondern eine dauerhafte Stabilisierung einer ihrer Art nach als fortschreitende Erkrankung anzusehenden Krankheit gemeint. Diese muss also derart zum Stillstand gekommen sein, dass nach dem medizinischen Wissenstand keine weitere Verschlechterung zu befürchten ist. Nur dann kann von einer Befristung Abstand genommen werden, ohne eine vorhersehbare Gefährdung der Verkehrssicherheit in Kauf zu nehmen. Es ist somit Sache des medizinischen Sachverständigen darzutun, ob bei der betreffenden Erkrankung nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft eine Stabilisierung im besagten Sinn überhaupt in Betracht kommt und unter welchen Voraussetzungen eine solche Stabilisierung angenommen werden kann. Bei Eintritt einer Stabilisierung im besagten Sinn liegt keine fortschreitende Erkrankung gemäß § 3 Abs.5 FSG-GV (mehr) vor. In einem solchen Fall ist bei Erteilung der Lenkberechtigung deren gleichzeitige Befristung (iSd Versagung für die Zeit nach dem angenommenen Fristende hinaus) unter Auflage von Kontrolluntersuchungen und Nachuntersuchungen unzulässig.

Das bedeutet für den gegenständlichen Fall, in dem Dr. F in seiner internistischen Stellungnahme bei der Bw das Fehlen diabetischer Sekundärveränderungen und diabetischer Retinopathie hinsichtlich Augen (basierend auf der augenfachärztlichen Stellungnahme Dris W), weiters von relevanten Hypoglycämien wie auch hyperglycämischen Stofwechselentgleisungen bestätigt und der Bw eine ausgezeichnete Compliance bei der seit dem Jahr 2000 erfolgten Pumpentheraphie attestiert hat, dass davon ausgegangen werden kann, dass bei der Bw tatsächlich eine Stabilisierung hinsichtlich ihrer insulinpflichtigen Diabetes eingetreten und daher keine Gefährdung der Verkehrssicherheit zu erwarten ist.

Dass die Bw schon im eigenen Interesse, wie bisher, ihre Zuckerkrankheit unter ärztlicher Betreuung entsprechend medikamentös behandelt, darf angenommen werden, sodass eine Verschlechterung der Erkrankung nicht von vornherein zu befürchten ist. Für die Annahme einer fortschreitenden Erkrankung iSd § 3 Abs.5 FSG-GV und damit eine Befristung unter der Auflage von Kontroll- und Nachuntersuchungen fehlt daher die Grundlage, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bissenberger

Beschlagwortung:

Keine fortschreitende Erkrankung bei entspr. Stabilisierung

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