Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-521169/29/Ki/Jo

Linz, 02.06.2006

 

 

 

VwSen-521169/29/Ki/Jo Linz, am 2. Juni 2006

DVR.0690392

 

 

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung von Frau H S, L, V, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. W D und Dr. H M, L, K, vom 24.11.2005, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 07.11.2005, AZ: 1289/2005, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 31.01.2006 zu Recht erkannt:

 

 

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen, der angefochtene Bescheid wird bestätigt.

 

 

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG iVm § 24 Abs.1 FSG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem in der Präambel angeführten Bescheid hat die Bundespolizeidirektion Linz der Berufungswerberin gemäß § 24 Abs.1 FSG die mit Führerschein der BPD Linz vom 30.03.2000 zu F 1565/2000 für die Klasse B erteilte Lenkberechtigung ab Zustellung des Bescheides mangels gesundheitlicher Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen bis zur behördlichen Feststellung, dass sie wieder geeignet sei, entzogen. Weiters wurde einer Berufung gemäß § 64 Abs.2 AVG die aufschiebende Wirkung versagt.

 

Die Bundespolizeidirektion Linz stützt diese Entscheidung auf ein amtsärztliches Gutachten vom 20.09.2005, wonach die Berufungswerberin derzeit gesundheitlich nicht geeignet sei, Kraftfahrzeuge der Klasse B zu lenken. Im Rahmen der verkehrspsychologischen Untersuchung hätten sich im Bereich der kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen gravierende Einschränkungen im Bereich der Reaktionsfähigkeit, der reaktiven und konzentrativen Belastbarkeit, der visuellen Wahrnehmungsfähigkeit, die über den alterstypischen Abbau hinaus gehenden Leistungsabbau entsprechen, gezeigt. Ebenso habe die sensomotorische Koordinationsfähigkeit eine deutliche Schwäche ausgewiesen. Die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit sei aufgrund dieser gravierenden umfassenden Leistungsdefizite nicht ausreichend gegeben. Ein ausreichend rasches Reagieren insbesondere in belastenden Verkehrssituationen sei nicht mehr gewährleistet.

 

Aus Gründen der Verkehrssicherheit handle es sich um eine unaufschiebbare Maßnahme zur Verhinderung von Schäden für Personen oder Sachen und es sei bei Gefahr in Verzug einer Berufung die aufschiebende Wirkung zu versagen.

 

2. Dagegen hat Frau S mit Schriftsatz vom 24.11.2005 Berufung erhoben, mit dem Antrag den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben und der Einschreiterin den Führerschein wieder auszufolgen. Im Wesentlichen wird dem der Entscheidung zu Grunde liegenden amtsärztlichen Gutachten widersprochen.

 

3. Die Bundespolizeidirektion Linz hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt, er hatte durch das laut Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 31.01.2006.

 

Der Rechtsvertreter der Berufungswerberin hat mit Eingabe vom 27.01.2006 ein verkehrspsychologisches Privatgutachten des beeideten gerichtlichen Sachverständigen für Verkehrspsychologie Dr. G K vorgelegt.

 

Am 03.05.2006 wurde im Beisein einer Amtsärztin des Amtes der
Oö. Landesregierung bzw. des zuständigen Mitgliedes des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich eine Beobachtungsfahrt durchgeführt.

 

5. Laut amtsärztlichen Gutachten eines Amtsarztes der Bundespolizeidirektion Linz vom 20.09.2005 ist Frau S derzeit zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B gesundheitlich nicht geeignet.

 

Nach Durchführung einer Befundaufnahme begründete der Amtsarzt seine Beurteilung:

 

"Die amtsärztliche Untersuchung von Frau H S erfolgte aufgrund des ersten Entzuges der Lenkerberechtigung für 8 Monate wegen einer § 5 Stvo-Übertretung, Verkehrsunfall mit Sachschaden und Fahrerflucht vom 4.5.2005 mit 1,92 Promille Blutalkohol.

Es zeigt sich ein altersentsprechender AEZ. Die Patientin ist kardiorespiratorisch kompensiert, grobneurologisch sowie kognitiv unauffällig, nimmt keinerlei Medikamente ein.

Sie spricht permanent, ist kaum zu bremsen, nicht auf den Punkt zu bringen.

Blutdruck ho. 130/80. Alkoholgewohnheiten: laut eignen Angaben gar keine.

Zum Delikt:

Sie haben eine Dame zum Bahnhof gebracht, es sei zu einem Parkschaden gekommen. Sie wollte den Schaden später anzeigen, hat zu Hause Gurgelwasser getrunken.

Beigebrachte laborrelevante Alkoholparameter normwertig.

Aufgrund des festgestellten Alkoholisierungsgrades erfolgte die Zuweisung zu einer verkehrspsychologischen Untersuchung.

Der VPU von INFAR vom 15.6.05 sowie 31.8.05 ist zu entnehmen, daß Frau H S den Befund einer kognitiven Schwäche bot.

Es muß von einer derzeit eingeschränkten Intelligenz-Verfügbarkeit oder einem cerebralen Leistungsabbau ausgegangen werden.

Kurzzeitmerkfähigkeit ist derzeit befriedigend vorhanden.

Bei der kraftfahrspezifischen Leistungsprüfung bot sich des weiteren folgendes Bild:

Im Bereich der Reaktionsfähigkeit reaktiver und konzentrativer Belastbarkeit, ebenso gezielter visueller Wahrnehmungsfähigkeit sind derzeit über einen alterstypischen Abbau hinaus Leistungsdefizite feststellbar.

Die rasche detailgetreue optische Überblicksgewinnung ist weitgehend alterstypisch eingeschränkt. In der sensomotorischen Koordinationsfähigkeit wird eine deutliche Schwäche ausgewiesen.

Die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit ist aufgrund der gravierenden und umfassenden Leistungsdefizite nicht ausreichend gegeben. Die Defizite werden außerdem durch eine Fahrprobe deutlich unterstrichen.

Hinsichtlich der Persönlichkeit zeigen sich deutliche Hinweise auf eine Neigung der Untersuchten, auf Reize stark und anhaltend zu reagieren. Die Untersuchte läßt des weiteren eine sehr misstrauische Grundhaltung und eine dazupassende unkorrigierbare Meinung erkennen.

Die Kontrollskala des empirisch statistisch genormten Persönlichkeitsfragebogen FPI-R weist auf eine Normabweichung hin, welche auf eine Orientierung der Antworten in sozialer Erwünschtheit hindeuten. Dies spricht für eine unkritische Selbstwahrnehmung der Untersuchten.

Deshalb kann mit Sicherheit eine gewisse latente Gefahr für einen psychisch motivierten Trinkstil nicht ausgeschlossen werden.

Ebenso ist eine unkritische Wahrnehmung des Wirkungstrinkens nicht ausgeschlossen. Eine körperliche Alkoholabhängigkeit oder eine pathologische Toleranzsteigerung sind derzeit aber nicht abzuleiten.

Bei psychischen Spannungen und Konflikten besteht aber wegen ihrer Emotionalität latent eine gewisse Gefahr einer Selbstmedikation mit Alkohol.

Befundwürdigung:

Im Rahmen der verkehrspsychologischen Untersuchung zeigten sich im Bereich der kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen gravierende Einschränkungen im Bereich der Reaktionsfähigkeit der reaktiven und konzentrativen Belastbarkeit, der visuellen Wahrnehmungsfähigkeit, die über den alterstypischen Abbau hinaus gehenden Leistungsabbau entsprechen.

Ebenso weist die sensomotorische Koordinationsfähigkeit eine deutliche Schwäche aus.

Die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit ist auf Grund dieser gravierenden umfassenden Leistungsdefizite nicht ausreichend gegeben.

Ein ausreichend rasches Reagieren insbesondere in belastenden Verkehrssituationen ist nicht mehr gewährleistet.

Demzufolge ist aus amtsärztlicher Sicht von einer derzeitigen Nichteignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 Klasse B auszugehen. In enger Anlehnung an das verkehrspsychologische Testurteil ist eine abermalige Untersuchung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit erst im Falle einer deutlichen gesundheitlichen Besserung sinnvoll."

 

Die der amtsärztlichen Beurteilung zu Grunde liegende verkehrspsychologische Untersuchung von Frau S fand am 15.6.2005 und am 31.8.2005 durch die verkehrspsychologische Untersuchungsstelle I statt. Nach Anamnese und Exploration sowie Aufnahme verkehrspsychologischer Testbefunde und Durchführung einer Beobachtungsfahrt kam der Verkehrspsychologe zum Ergebnis, dass aus verkehrspsychologischer Sicht Frau H S derzeit nicht geeignet sei Kraftfahrzeuge zu lenken. Eine Eignung setze eine Besserung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit voraus.

 

Dr. K führte in dem im Berufungsverfahren vorgelegten Gutachten vom 25.1.2006 zusammenfassend aus, dass in den relevanten Leistungsdimensionen, die für die Führung von Fahrzeugen (Gruppe B) erforderlich sind (Wahrnehmungsfähigkeit, Reaktionsgeschwindigkeit, Konzentrationsfähigkeit, Aufmerksamkeitsleistung unter multipler Belastung) eine gravierende Verminderung, die den Entzug der Lenkberechtigung rechtfertigt, nicht beobachtbar sei. Die Untersuchung sei am 25.1.2006 durchgeführt worden und es sei möglicherweise davon auszugehen, dass sich die Leistungsfähigkeit von Frau S gegenüber dem Zeitpunkt der verkehrspsychologischen Untersuchung in 09/2005 gebessert habe. Die Testergebnisse seien im Normbereich liegend; die Konzentrationsfähigkeit betreffend, teilweise geringgradig unterdurchschnittlich ausgeprägt. Unter Berücksichtigung des aktuellen Leistungszustandes könnten die in der amtsärztlichen Begründung angeführten Leistungsdefizite nicht mehr bestätigt werden.

 

Die vorliegenden verkehrspsychologischen Gutachten wurden im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung ausführlich erörtert, wobei festgestellt werden konnte, dass tatsächlich jedenfalls im Bereich der Konzentrationsfähigkeit von Frau S sich unterdurchschnittliche Werte ergeben haben.

 

In Anbetracht der festgestellten negativen Leistungen anlässlich der Beobachtungsfahrt, welche im Zusammenhang mit der verkehrspsychologischen Untersuchung durch die I vorgenommen wurde, erachtete der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich, dass im Hinblick auf die in beiden Gutachten festgestellte unterdurchschnittliche Konzentrationsfähigkeit eine weitere Beobachtungsfahrt durchgeführt werden sollte. Seitens der Berufungswerberin wurde dieser Maßnahme zugestimmt.

 

Die Beobachtungsfahrt wurde am 3.5.2006 im Beisein einer Amtsärztin des Amtes der Oö. Landesregierung und des zuständigen Mitgliedes des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich durchgeführt und es kam die Amtsärztin letztlich zum Ergebnis, dass derzeit nicht der Eindruck bestehe, dass die bekannten verkehrspsychologisch festgestellten Mängel durch nunmehrige mehrstündige Praxis mit Fahrschullehrer (auch nicht auf einen örtlich eingeschränkten Bereich) ausreichend kompensiert werden konnten. Dieses Ergebnis deckt sich voll und ganz mit den vom zuständigen Mitglied im Rahmen der Beobachtungsfahrt gewonnenen Erkenntnissen.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vertritt in freier Beweiswürdigung die Auffassung, dass die der Entziehung der Lenkberechtigung zu Grunde liegenden Gutachten schlüssig sind und nicht den Erfahrungen des Lebens und den Denkgesetzen widersprechen. Wenn auch im Gutachten von Dr. K festgestellt wird, dass eine gravierende Verminderung, die den Entzug der Lenkberechtigung rechtfertigt, nicht beobachtbar sei, so geht doch auch aus diesem Gutachten hervor, dass eben Mängel im Bereich der Konzentrationsfähigkeit vorhanden sind. Bei der Beobachtungsfahrt am 3.5.2006 zeigten sich bei der Berufungswerberin eine Reihe von fahrtechnischen Mängeln, welche nicht Grund zur Annahme geben können, Frau S könne die festgestellten Defizite durch entsprechende Fahrpraxis kompensieren, sodass auch der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich im Ergebnis zur Auffassung gelangt, dass derzeit die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht gegeben ist.

 

6.1. Gemäß § 24 Abs.1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

  1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder
  2. die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken.

Diese Einschränkungen sind gemäß § 13 Abs.2 in den Führerschein einzutragen.

 

Gemäß § 3 Abs.1 FSG-GV gilt als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse iSd § 8 FSG gesundheitlich geeignet, wer für das sichere Beherrschen dieser Fahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften

  1. die nötige körperliche und psychische Gesundheit besitzt,
  2. die nötige Körpergröße besitzt,
  3. ausreichend frei von Behinderungen ist und
  4. aus ärztlicher Sicht über die nötige kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit verfügt.

 

Das oben dargelegte Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass Frau S derzeit jedenfalls im Bereich der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit Defizite aufweist, welche ihre Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B ausschließen. Der Entzug der Lenkberechtigung durch die Bundespolizeidirektion Linz ist daher zu Recht erfolgt, Frau S wurde hiedurch nicht in ihren Rechten verletzt.

6.2. Gemäß § 64 Abs.2 AVG kann die Behörde die aufschiebende Wirkung (einer Berufung) ausschließen, wenn die vorzeitige Vollstreckung im Interesse einer Partei oder des öffentliches Wohles wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.

 

Im gegenständlichen Falle war der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung aus Gründen der Verkehrssicherheit geboten, zumal Lenker von Kraftfahrzeugen, welche die erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllen, jedenfalls eine Gefährdung der Verkehrssicherheit bewirken könnten.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

 

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180  Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro angefallen.

 

 

Mag. K i s c h

 

 

 

 

 

 

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