Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-521216/7/Bi/Be

Linz, 13.03.2006

 

 

 

VwSen-521216/7/Bi/Be Linz, am 13. März 2006

DVR.0690392

 

 

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn R R, H, B, vom 24. Jänner 2006 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Kirchdorf/Krems vom 17. Jänner 2006, VerkR21-411-2005, wegen Entziehung der Lenkberechtigung mangels gesundheitlicher Eignung, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 und 67a AVG

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde dem Berufungswerber (Bw) die von der BH Wels-Land am 22. Juli 1080, VerkR-0502/140/1980, für die Klassen A, B und F erteilte Lenkberechtigung gemäß §§ 24 Abs.1 und 4, 25 Abs.2 und 3 Abs.1 Z3 FSG ab 29. November 2005 (Datum der Zustellung des Mandatsbescheides) entzogen und ausgesprochen, dass ihm bis zur behördlichen Feststellung seiner gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen keine neue Lenkberechtigung erteilt werden dürfe. Weiters wurde gemäß § 64 Abs.2 AVG einer allfälligen Berufung gegen den Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte mit 19. Jänner 2006.

2. Dagegen wendet sich die vom Bw fristgerecht eingebrachte Berufung, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde, der durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 67d Abs.1 AVG).

3. Der Bw macht unter Vorlage des AKH-Augenbefundes vom 13. Jänner 2006 im Wesentlichen geltend, er habe mehrere Augenfachärzte kontaktiert und sich beraten lassen. Im vorgelegten Befund der Universitätsklinik für Augenheilkunde und Optometrie in Krankenhaus der Stadt Wien sei man zur Entscheidung gelangt, dass ihm eine Lenkberechtigung für den Bereich von ihm gut bekannten Strecken tagsüber, vor allem Einkaufs- und Arztwege zugemutet bzw verantwortet werden könnte, wobei der zuständigen Amtsärztin ein Ermessensspielraum zugebilligt werde. Er habe seit mehreren Jahren, korrekt seit 1999, mit gleichbleibendem Augenbefund völlig unfallfrei und sogar mehrmals seinen Pkw nach Wien gelenkt und keine Probleme hinsichtlich Verkehrssicherheit gehabt. Es sei eine unbillige Härte, wenn er sofort und dauerhaft von jeder Verkehrsteilnahme abgeschnitten werde, obwohl er seit 7 Jahren völlig anstandslos am Verkehrsgeschehen teilgenommen habe. Er ersuche zumindest um, zeitlich und örtlich begrenzte Zuerkennung einer Lenkberechtigung auf ihm vertrauten Strecken in den Gemeinden K, B, P und R. Sei Wohnsitz liege 7 km außerhalb von K und es sei sehr schwierig, notwendige Arztbesuche und Einkaufsfahrten nicht mehr durchführen zu können und auf fremde Hilfe angewiesen zu sein.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus geht hervor, dass der Bw nach einer Unterschenkelamputation wegen einer schweren Durchblutungsstörung, am 22. April 2005 eine amtsärztliche Untersuchung wegen Verwendung einer Automatik bei Frau Dr. I P, Amtsärztin der Erstinstanz, durchführte, die eine gesundheitliche Nichteignung zum Lenken von Kraftfahrzeuges der Gruppe 1 (Klassen A, B und F) insofern ergab, als die Sehleistung des Bw für nicht ausreichend befunden wurde. Der Bw ist laut Begründung des aä Gutachtens auf dem linken Auge blind und hat rechts zwar einen Visus von 1,2 mit Brille, jedoch eine konzentrische Gesichtsfeldeinschränkung. Weiters besteht ein Zustand nach Herztransplantation und Schrittmacherimplantation, Diabetes mellitus - der Bw habe weder eine befürwortende Stellungnahme eines Facharztes für Innere Medizin noch eines Neurologen beigebracht.

Vorgelegt wurde der Befund Dris E S, Augenfacharzt in B, vom
9. Juni 2005, wonach eine Gesichtsfelduntersuchung am einzigen (rechten) Auge eine neuerliche konzentrische Einschränkung ergeben habe, sodass trotz der hervorragenden Sehleistung von 1,2 das Lenken eines Kraftfahrzeuges untersagt werden sollte. Beigelegt war der Befund vom 7. Juni 2005, in dem eine intakte Sehleistung rechts, Augendruck im Normbereich und ein unauffälliger Befund bei Dämmerungssehen und Farbsinntest bestätigt wurde.

Daraufhin erging nach Wahrung des Parteiengehörs der Mandatsbescheid vom
22. November 2005, zugestellt laut Rückschein am 29. November 2005. Der Führerschein wurde abgenommen.

Aufgrund der fristgerecht erhobenen Vorstellung, in der der Bw feststellt, dass der das linke Auge nach einer Thrombose im Jahr 2000 praktisch verloren habe, sein rechtes Auge aber eine hervorragende Sehleistung aufweise, sodass er seit dem Jahr 2000 unbeanstandet und unfallfrei ca 20.000 bis 25.000 km jährlich gefahren sei. Wäre seine Einschränkung de Sehvermögens tatsächlich si gefährlich, wie die Behörde vermeine, hätte er nicht praktisch mit dem gleichen Sehzustand wie heute mehr als 100.000 km einen Pkw lenken können. Beantragt wurde die Einholung eines weiteren Gutachtens durch einen anderen Augenfacharzt. Seine bisherigen Fahrten hätten sich nicht nur auf den ländlichen Bereich bezogen, sondern er sei mehrmals auch in Wien gewesen

Nach Mitteilung der Polizeiinspektion Kremsmünster vom 13. Dezember 2005 bestehen beim Bw keine Gründe, die auf einen Mangel an Verkehrszuverlässigkeit schließen lassen.

Der Bw legte einen Befund Dris H G, FA für Augenheilkunde und Optometrie in K vom 12. Dezember 2005 vor, wonach "das Gesichtsfeld rechts noch intakt" sei.

Nach dem vom Bw vorgelegten AKH-Befund vom 13.Jänner 2006 weist das verbliebene rechte Auge eine Sehschärfe ,ot Korektur von 1,0 auf, allerdings ist das Gesichtsfeld in seiner horizontalen Ausdehnung deutlich unter dem vom Gesetz vorgesehenen Betrag von 120 Grad, nämlich nur bei ca 85 Grad; ebenso wenig wird die vertikale Ausdehnung von +/- 20 Grad fehlerfrei erreicht. Mit diesem Befund sei eine reguläre Verlängerung der Lenkberechtigung nicht möglich, allerdings könnte diese unter besonderen Voraussetzungen (zB eine kurze dem Patienten bekannte Strecke tagsüber, Einkaufs- oder Arztweg) nach dem Ermessen des Amtsarztes zeitlich begrenzt werden.

Daraufhin erging der nunmehr angefochtene Bescheid.

Seitens des Unabhängigen Verwaltungssenates wurde der vom Bw vorgelegte AKH-Befund samt den Befunden Dres. S und G der Amtärztin Dr. E W, Landessanitätsdirektion, zur Gutachtenserstellung gemäß § 8 FSG übermittelt, wobei die Frage der Vorlage einer Stellungnahme eines Facharztes für Innere Medizin bis zur Klärung, ob und in welchem Umfang eine Lenkberechtigung trotz der Gesichtsfeldeinschränkung möglich ist, zurückgestellt wurde.

Die Amtsärztin bezog den als Konsiliararzt tätigen Augenfacharzt Dr. R H in das Verfahren mit ein, der in seiner Stellungnahme vom 15. Februar 2006 zum Ergebnis gelangt, der Bw erfülle die geforderten 120 Grad bei der horizontalen Ausdehnung bei Weitem nicht, da er nur ca 85 Grad horizontal und weniger als 20 Grad vertikal erreiche. Es sei daher nicht auszuschließen, dass der Bw deshalb eine herannahende Gefahr von links oder rechts zu spät oder gar nicht erkenne, daher verlängere sich die Reaktionszeit und damit werde die Unfallgefahr gesteigert, weshalb die Erteilung einer Lenkberechtigung für die Gruppe 1 aus augenärztlicher Sicht ausgeschlossen sei.

Dem schloss sich die Amtsärztin in ihrem Gutachten gemäß § 8 FSG insofern an, als die Gesichtsfeldeinschränkung um ein Drittel auch die Einschränkung der Lenkberechtigung auf eine bekannte Strecke ausschließe, weil auch dort ein plötzliches und unvorhersehbares Hindernis auftreten könne, das verzögert oder gar nicht wahrgenommen werden könne. Die Voraussetzungen für ein sicheres Lenken eines Kraftfahrzeuges seien damit nicht mehr gegeben.

Der Bw hat in seinem Schreiben vom 2. März 2006 erneut auf seine problemlos in Wien und anderen Städten unfallfrei gefahrenen Kilometer verwiesen. Da er angesichts seines Wohnsitzes auf ein Fahrzeug angewiesen sei, beantragt er unter Hinweis auf die Verantwortbarkeit des Erhalts der Lenkberechtigung auf Einkaufsfahrten und Arztbesuche eine "menschliche Entscheidung".

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 24 Abs.1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit Z1 die Lenkberechtigung zu entziehen oder Z2 die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diese Einschränkungen sind gemäß § 13 Abs.2 in den Führerschein einzutragen.

Gemäß § 3 Abs.1 Z3 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die gesundheitlich geeignet sind.

Gemäß § 3 Abs.1 Z3 FSG-GV gilt als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse im Sinne des § 8 FSG ua gesundheitlich geeignet, wer ausreichend frei von Behinderungen ist.

Gemäß § 8 Abs.4 FSG-GV sind, wenn die fachärztliche Untersuchung ein horizontales Gesichtsfeld von weniger als 120 Grad auf einem Auge ergibt, die Bestimmungen des Abs.5 über die funktionelle Einäugigkeit anzuwenden; betrifft der Gesichtsfeldausfall beide Augen, darf eine Lenkberechtigung weder erteilt noch belassen werden. Gemäß Abs.5 kann bei funktioneller Einäugigkeit eine Lenkberechtigung der Gruppe 1 belassen werden, wenn durch eine fachärztliche Stellungnahme bestätigt wird, dass beim normal sehenden Auge ein normales Gesichtsfeld und eine Sehschärfe von mindestens 0,8 ohne oder mit Korrektur vorhanden ist.

Auf den Bw bezogen ist aufgrund des praktischen Ausfalls des linken Auges (Amaurose bei Zustand nach massiver Glaskörperblutung und Hornhauttrübung laut Befund Dris S) bereits von funktioneller Einäugigkeit auszugehen, wobei jedoch beim rechten Auge der massive Gesichtsfeldausfall - der Bw erreicht rechts nur ca zwei Drittel der geforderten 120 Grad horizontal - auf der Grundlage des amtsärztlichen Gutachtens die Belassung der Lenkberechtigung unmöglich macht.

Tatsächlich besteht die Gefahr, dass der Bw zwar die gefahrene Strecke kennt, jedoch plötzlich auftretende Hindernisse oder Verkehrsteilnehmer oder wechselnde Verkehrssituationen nicht rechtzeitig, nicht ausreichend oder gar nicht sieht und daher zu spät, nicht ausreichend oder gar nicht reagiert und daher erhöhte Unfallgefahr besteht.

Selbst eine räumliche Einschränkung der Lenkberechtigung auf die vom Bw genannten Gemeindegebiete ist deshalb nicht zu verantworten, weil zwar möglicherweise auf den Verbindungen zwischen den Ortsgebieten wenig Verkehr herrscht und daher dem Bw kein Problem beim Lenken bereiten würde, jedoch in den Ortszentren mit ständig wechselnden Verkehrssituationen zu rechnen ist, die der Bw durch seine Gesichtsfeldeinschränkung zu spät, nicht vollständig oder gar nicht erfasst und dadurch verspätet oder gar nicht zu reagieren in der Lage wäre. Dabei handelt es sich nicht um eine vernachlässigbare Behinderung, die durch Erfahrung oder Übung, die der Bw aufgrund seiner langen Fahrpraxis besitzen könnte, auszugleichen wäre, sondern um einen schwerwiegenden Sehmangel, der eine Teilnahme am Straßenverkehr als Lenker eines Kraftfahrzeuges gänzlich ausschließt. Wie bereits im amtsärztlichen Gutachten angeführt, wäre im gegenständlichen Fall auch eine Beobachtungsfahrt ("Probefahrt") nicht zielführend, weil der Gesichtsfeldausfall nicht kompensierbar ist (vgl VwGH 28.5.2002, 2000/11/0242). Es war daher davon auszugehen, dass der Bw aus gesundheitlichen Gründen zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen A, B und F nicht geeignet und daher die Lenkberechtigung zu entziehen war.

Dass der Verlust der Lenkberechtigung für den Bw eine Einschränkung seiner Lebensqualität bedeutet, ist keine Frage, aber als Konsequenz der Entziehung unumgänglich. Eine "menschliche" Entscheidung im vom Bw offensichtlich gemeinten Sinn, nämlich die örtliche Einschränkung auf Nachbargemeinden, ist auf der Grundlage des beim Bw unzweifelhaft festgestellten gesundheitlichen Mangels im Hinblick auf die Verkehrssicherheit nicht zu verantworten - auch im AKH-Befund wird auf die Möglichkeit einer eingeschränkten Bewilligung nach dem Ermessen des Amtsarztes, aber unter gleichzeitigem Hinweis, dass eine reguläre Belassung der Lenkberechtigung nicht möglich ist, verwiesen. Ein "Ermessen" im Sinne des Berufungsvorbringens ist bei einer Gesichtsfeldeinschränkung um ein Drittel am einzig verbleibenden Auge ausgeschlossen, wobei die Argumente des Bw, bei bereits seit dem Jahr 2000 unverändertem Augenbefund sei trotz der genannten Kilometerleistung nichts passiert, wohl ins Leere gehen (vgl VwGH 24.1.2006, 2004/11/0149).

Gemäß § 64 Abs.2 AVG kann die Behörde die aufschiebende Wirkung ausschließen, wenn die vorzeitige Vollstreckung im Interesse einer Partei oder des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.

Der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung ist gemäß dieser Bestimmung im Fall des Entzuges der Lenkberechtigung wegen eines derartigen gesundheitlichen Mangels auf Grund des Interesses des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzug unzweifelhaft geboten.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro angefallen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

 

Beschlagwortung:

1 Auge blind, auf 2. Gesichtsfeld Einschränkung um 1/3 - Gefahr zu spät oder gar nicht - Erkennung einer Verkehrssituation - Entziehung - keine örtliche Einschränkung der LB möglich

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