Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-104236/2/Br

Linz, 31.12.1996

VwSen-104236/2/Br Linz, am 31. Dezember 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr.Bleier über die Berufung des Herrn D, vertreten durch Herrn Dr. G, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 28. November 1996, Zl. VerkR96-481-1996, wegen Übertretung der StVO 1960, zu Recht:

I. Der Berufung wird keine F o l g e gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird vollinhaltlich bestätigt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl.Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl.Nr.

471/1995 - AVG, iVm § 19, 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.2, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 620/1995 - VStG.

II. Zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten werden für das Berufungsverfahren 100 S (20% der verhängten Strafe) auferlegt.

Rechtsgrundlage:

§ 64 Abs.1 u. 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land hat mit dem Straferkenntnis vom 28. November 1996, Zl.

VerkR96-481-1996 über den Berufungswerber wegen der Übertretung nach § 99 Abs.3 lit.a iVm § 10 Abs.2 StVO 1960 eine Geldstrafe von 500 S und für den Nichteinbringungsfall zwölf Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er am 28.1.1996 gegen 08.35 Uhr den Pkw mit dem Kennzeichen aus Richtung P, Gemeinde W kommend auf der H Bezirksstraße bei km 0,700 im Bereich der Ortsdurchfahrt zwischen den Häusern H, in Richtung Marktplatz W gelenkt habe, wobei er sein Fahrzeug trotz eines ihm entgegenkommenden Fahrzeuges nicht angehalten habe, obwohl er nicht ausreichend ausweichen habe können.

2. Begründend führte die Erstbehörde im wesentlichen aus, daß auf Grund der zeugenschaftlichen Angaben der Besatzung des Straßendienstfahrzeuges, an welchem das Drehlicht eingeschaltet gewesen ist, dieses Fahrzeug zum Kollisionszeitpunkt bereits angehalten gehabt hatte, während das Fahrzeug des Berufungswerbers zu diesem Zeitpunkt noch in Bewegung gewesen sei. Der Berufungswerber sei der Verpflichtung des Fahrens auf halbe Sicht nicht nachgekommen. Der Verantwortung des Berufungswerbers, daß der Lenker des Schneepfluges rücksichtslos in die Engstelle eingefahren sei folgte die Erstbehörde nicht.

2.1. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht durch seinen ag. Rechtsvertreter erhobenen Berufung.

Im Ergebnis wird darin ausgeführt, daß die Fahrbahnverhältnisse an der Unfallsstelle zum Unfallszeitpunkt als eisglatt zu bezeichnen gewesen wären. Aus diesem Grund habe er unmittelbar vor dem Unfall eine äußerst geringe Fahrgeschwindigkeit eingehalten. Das zweitbeteiligte Fahrzeug sei ihm angesichts der Fahrbahn- und Sichtverhältnisse mit überhöhter Geschwindigkeit entgegengekommen. Aus diesem Grunde habe er sein Fahrzeug bis zum Stillstand abgebremst und sei das gegnerische Fahrzeug gegen sein stehendes Fahrzeug gestoßen. Dies beweise auch die Endstellung seines Fahrzeuges, nämlich als schräg nach rückwärts verschoben.

Zuletzt vermeint der Berufungswerber, daß die Kollisionsstelle innerhalb der halben Gefahrensichtstrecke liege, sodaß eine Übertretung nach § 10 Abs.2 StVO 1960 nicht vorliege. Er beantragte die Verfahrenseinstellung.

3. Die Erstbehörde hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt, somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Da keine 10.000 S übersteigende Strafe verhängt worden ist, ist der Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Zumal sich hier schon aus der Aktenlage auf Grund des umfangreichen erstbehördlichen Ermittlungsverfahrens der Sachverhalt deutlich darstellt, keine 3.000 S übersteigende Strafe verhängt wurde und ein diesbezüglich gesonderter Antrag nicht gestellt wurde, konnte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung unterbleiben (§ 51e Abs.2 VStG).

4. Wie aus den im Akt erliegenden Fotos zu erkennen ist, erfolgte die Kollision in Fahrtrichtung des Berufungswerbers bereits am Beginn der Engstelle. Das Straßendienstfahrzeug, an dem wie am Foto ersichtlich auch die Drehleuchten eingeschaltet waren, hatte die Engstelle in der Länge von ca. zehn Metern des in dessen Fahrtrichtung rechtsseitig gelegenen Hauses (dessen Länge mit etwa 10 Meter angenommen werden kann) zum Kollisionszeitpunkt mit seiner Fahrzeugvorderseite offenkundig bereits durchfahren gehabt. Dabei mußte sich der Berufungswerber unter der Annahme einer mit 30 km/h als "normal" bezeichneten Fahrgeschwindigkeit des Lkw's doch deutlich weiter von der Engstelle entfernt befunden haben als dies beim Straßendienstfahrzeug zum Zeitpunkt des Erreichens der Engstelle der Fall gewesen ist.

Der Pkw des Berufungswerbers wurde vor der Kollision auf der sichtlich sehr glatten und offensichtlich vor dem Unfallsbereich in Fahrtrichtung des Berufungswerbers kaum gestreuten Fahrbahn noch abgebremst. Die Blockierspur betrug neun Meter. Der Schneepflug war mit Schneeketten ausgerüstet. Es wurde zwar nicht festgestellt, jedoch wird zu Gunsten des Berufungswerbers von einer bestehenden Winterbereifung seines Fahrzeuges ausgegangen.

Andererseits ist es aber durchaus auch realistisch und es sind diesbezüglich die Zeugenaussagen der Besatzung des Straßendienstfahrzeuges nachvollziehbar, daß der Bremsweg des mit Schneeketten ausgerüsteten Fahrzeuges kürzer gewesen ist und der Lkw noch vor dem Fahrzeug des Berufungswerbers zum Stillstand gelangt ist. Während mit einem - selbst mit (Lamellen-)Winterreifen ausgerüsteten Fahrzeug auf schneeglatter Fahrbahn eine Bremsverzögerung von max. 2,5 m/sek/2 erreicht wird, beträgt die Verzögerungskomponente bei einem unbeladenen Lkw mit Schneeketten 3,5 m/sek/2 (Quelle: Tabelle des TÜV Bayern e.V. - Unfallreferat). Unter der Annahme des optimalen Verzögerungswertes bei der gegenständlichen Fahrbahnbeschaffenheit würde sich bereits aus der neun Meter langen Bremsspur unter Zugrundelegung einer Reaktionszeit von einer Sekunde und einer Bremsschwellzeit von 0,2 sek. eine Ausgangsgeschwindigkeit von 25 km/h ergeben. Der Anhalteweg wäre aus dieser Geschwindigkeit heraus bei 17 Meter gelegen (Berechnung mittels EVU-Unfallsrekonstruktionsprogramm v. Prof. Dr.Gratzer, Kraftfahrzeugsachverständiger). Nachdem jedoch der Berufungswerber auch noch durch die Kollision eine erhebliche Energie umgewandelt hat, muß die Ausgangsgeschwindigkeit doch deutlich höher gewesen sein.

Nachdem der Berufungswerber laut Gendarmerieprotokoll am Fahrzeug den dritten Gang eingelegt gehabt hatte, ist auch dieser Umstand ein Indiz für eine doch erheblich über 25 km/h liegende Annäherungsgeschwindigkeit an die Engstelle.

Es ist demnach nur unschwer nachvollziehbar, daß der Berufungswerber eine den Fahrbahnverhältnissen und insbesondere der Örtlichkeit nicht angepaßte Fahrgeschwindigkeit einhielt. Das Berufungsvorbringen ist daher inhaltlich haltlos.

5. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat nachfolgendes erwogen:

5.1. Der § 10 Abs.2 StVO 1960 lautet:

Kann nicht oder nicht ausreichend ausgewichen werden, so sind die einander begegnenden Fahrzeuge anzuhalten. In einem solchen Fall muß jenes Fahrzeug zurückgefahren werden, mit dem dies wegen seiner Art und wegen der örtlichen Verhältnisse leichter möglich ist.

5.1.1. Schon dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung ergibt sich, daß hier der Pkw und nicht der Lastkraftwagen - hier zusätzlich ein Straßendienstfahrzeug - gegebenenfalls zurückzufahren gehabt hätte. Hier erreichte der zweitbeteiligte Lastkraftwagen darüber hinaus die Engstelle bereits vor dem Berufungswerber. Die Entscheidung des Zufahrens auf die Engstelle trotz des bereits erkennbaren Gegenverkehrs war offenbar einerseits von einer offenbaren Fehleinschätzung und unzulässigen Annahme getragen, daß der Gegenverkehr vor der Engstelle anhalten würde.

5.1.2. Der Berufungswerbers unterliegt einem Rechtsirrtum wenn er vermeint auf das Anhalten des Lastkraftwagens vor der Engstelle in dieser Situation vertrauen haben zu dürfen. Vielmehr hätte er vor der Engstelle anzuhalten gehabt (OGH 9.4.1981, 8 Ob 25/81, ZVR 1982/297). Weil ihm dies auf Grund seiner Fahrgeschwindigkeit sichtlich nicht möglich war, hat er die ihm hier angelastete Verwaltungsübertretung zu verantworten (VwGH 29.10.1964, 1173/64). Ein Vorrangverzicht des Gegenverkehrs hätte erst dann angenommen werden dürfen, wenn das im Gegenverkehr befindliche Fahrzeug angehalten hätte. Dies behauptete aber der Berufungswerber nicht einmal selbst.

6. Bei der Strafzumessung ist gemäß 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

6.1. Konkret ist zur Strafzumessung auszuführen, daß die von der Erstbehörde verhängten Strafsätze noch sehr niedrig bemessen wurden. Ein strafmildernder Umstand kommt dem Berufungswerber nicht zu. Selbst bei bloß unterdurchschnittlichem Einkommen des Berufungswerbers kann der hier verhängten Strafe nicht mit Erfolg entgegengetreten werden. Die Strafe findet hier insbesondere aus Gründen der spezialpräventiven Überlegungen ihre Notwendigkeit, weil der Berufungswerber entweder in einem sehr wesentlichen Bereich einen Mangel in der Kenntnis der Verkehrsvorschriften aufweist oder er durch sein Fehlverhalten diesbezüglich eine geringe Verbundenheit mit diesem rechtlich geschützten Wert zum Ausdruck bringt.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. B l e i e r

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