Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-521238/2/Ki/Bb/Da

Linz, 07.03.2006

 

 

VwSen-521238/2/Ki/Bb/Da Linz, am 7. März 2006

DVR.0690392

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Kisch über die Berufung des Herrn F S, geb. , M, M, vom 16.2.2006 gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 24.1.2006, Zl. VerkR21-44-2006/BR, betreffend Anordnung einer Nachschulung zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG iVm §§ 30a Abs.1, Abs.2 Z12 und Abs.3 sowie 30b Abs.1 und Abs.3 FSG.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben angeführten Bescheid hat die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn angeordnet, der Berufungswerber (Bw) habe innerhalb von drei Monaten, gerechnet ab Rechtskraft des Bescheides, ein Fahrsicherheitstraining gemäß § 13b der Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr über die Durchführung des Führerscheingesetzes (Führerscheingesetz-Durchführungsverordnung - FSG-DV), BGBl. II Nr. 320 idF BGBl. II Nr. 223/2004, zu absolvieren.

 

Begründet wurde diese Anordnung mit zwei rechtskräftig festgestellten Verwaltungsübertretungen nach § 102 Abs.1 KFG.

 

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber innerhalb offener Frist die Berufung vom 16.2.2006 eingebracht.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt. Dieser hatte durch das laut Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 67a Abs.1 AVG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt.

Eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung wurde nicht beantragt und es wurde im vorliegenden Falle die Durchführung einer Verhandlung nicht für erforderlich gehalten, weil sich der entscheidungsrelevante Sachverhalt aus der Aktenlage ergibt (§ 67d Abs.1 AVG).

 

4.1. Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

 

Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 27.10.2005, Zl. VerkR96-7358-2005-Kb, wurde dem Bw zur Last gelegt, er habe am 24.9.2005 um 10.30 Uhr im Ortsgebiet von St. Peter a.H., auf der B148 bei Strkm 29,350 Pettenbach, einen dem Kennzeichen nach bestimmten PKW gelenkt ohne sich vor Antritt der Fahrt, obwohl es ihm zumutbar war, davon zu überzeugen, dass das von ihm verwendete Fahrzeug den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspricht, da festgestellt wurde, dass die für die verkehrs- und betriebssichere Verwendung des PKW maßgebenden Teile nicht den Vorschriften entsprachen, obwohl Kraftfahrzeuge und Anhänger so gebaut und ausgerüstet sein müssen, dass durch ihren sachgemäßen Betrieb weder Gefahren für den Lenker oder beförderte Personen oder für andere Straßenbenützer noch Beschädigungen der Straße oder schädliche Erschütterungen noch übermäßig Lärm, Rauch, übler Geruch, schädliche Luftverunreinigungen oder vermeidbare Beschmutzungen anderer Straßenbenützer oder ihrer Fahrzeuge entstehen. Es wurde u.a. festgestellt, dass die Bodenfreiheit weniger als 60 mm betrug und alle vier Räder in eingefedertem Zustand an den Radläufen scheuerten bzw anstanden.

Er habe dadurch Verwaltungsübertretungen nach § 102 Abs.1 iVm § 4 Abs.2 KFG 1967 begangen. Diesbezüglich wurden wider ihn in den Punkten 3. und 4. der angesprochenen Strafverfügung zwei Geldstrafen in der Höhe von jeweils 40 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe je 18 Stunden) verhängt.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat wie folgt erwogen:

 

5.1. Für den gegenständlichen Berufungsfall sind folgende Bestimmungen des FSG maßgeblich:

 

Gemäß § 30a Abs.1 FSG ist, hat ein Kraftfahrzeuglenker eines der in Abs.2 angeführten Delikte begangen, unabhängig von einer verhängten Verwaltungsstrafe, einer etwaigen Entziehung der Lenkberechtigung oder sonstiger angeordneter Maßnahmen eine Vormerkung im Örtlichen Führerscheinregister einzutragen. Die Vormerkung ist auch dann einzutragen, wenn das in Abs.2 genannte Delikt den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung verwirklicht. Für die Vornahme der Eintragung ist die Rechtskraft des gerichtlichen oder des Verwaltungsstrafverfahrens abzuwarten. Die Eintragung der Vormerkung ist von der das Verwaltungsstrafverfahren führenden Behörde, im Fall einer gerichtlichen Verurteilung von der Behörde des Hauptwohnsitzes vorzunehmen und gilt ab dem Zeitpunkt der Deliktsetzung. Der Lenker ist über die Eintragung und den sich daraus möglicherweise ergebenden Folgen durch einen Hinweis im erstinstanzlichen Strafbescheid zu informieren.

 

(2) Folgende Delikte sind gemäß Abs.1 vorzumerken:

.................

Z 12. Übertretungen des § 102 Abs.1 KFG 1967, wenn ein Fahrzeug gelenkt wird, dessen technischer Zustand oder dessen nicht entsprechend gesicherte Beladung eine Gefährdung der Verkehrssicherheit darstellt, sofern die technischen Mängel oder die nicht entsprechend gesicherte Beladung dem Lenker vor Fahrtantritt auffallen hätten müssen; ............

 

(3) Werden zwei oder mehrere der in Abs.2 angeführten Delikte in Tateinheit begangen, so zählt die Eintragung in das Örtliche Führerscheinregister als eine Vormerkung.

 

Gemäß § 30b Abs.1 FSG ist unbeschadet einer etwaigen Entziehung der Lenkberechtigung eine besondere Maßnahme gemäß Abs.3 anzuordnen:

  1. wenn zwei oder mehrere der im § 30a Abs.2 genannten Delikte in Tateinheit (§ 30a Abs.3) begangen werden oder ..............

 

(3) Als besondere Maßnahmen kommen die Teilnahme an

  1. Nachschulungen gemäß der Verordnung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie über verkehrspsychologische Nachschulungen (Nachschulungsverordnung - FSG-NV), BGBl. II Nr. 357/2002,
  2. Perfektionsfahrten gemäß § 13a der Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr über die Durchführung des Führerscheingesetzes (Führerscheingesetz-Durchführungsverordnung - FSG-DV), BGBl. II Nr. 320 idF BGBl. II Nr. 223/2004,
  3. das Fahrsicherheitstraining gemäß § 13b der Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr über die Durchführung des Führerscheingesetzes (Führerscheingesetz-Durchführungsverordnung - FSG-DV), BGBl. II Nr. 320 idF BGBl. II Nr. 223/2004,
  4. Vorträgen oder Seminaren über geeignete Ladungssicherungsmaßnahmen oder
  5. Unterweisungen in lebensrettenden Sofortmaßnahmen gemäß § 6 der Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr über die Durchführung des Führerscheingesetzes (Führerscheingesetz-Durchführungsverordnung - FSG-DV), BGBl. II Nr. 320 idF BGBl. II Nr. 223/2004

in Betracht. Die zu absolvierende Maßnahme ist von der Behörde festzusetzen, wobei darauf Bedacht zu nehmen ist, dass die Maßnahme geeignet ist, im Wesentlichen den Unrechtsgehalt der gesetzten Delikte aufzuarbeiten. Es ist jene Maßnahme zu wählen, die für den Betroffenen am besten geeignet ist, sich mit seinem Fehlverhalten auseinanderzusetzen, sich die Gefahren im Straßenverkehr bewusst zu machen und durch entsprechende Bewusstseinsbildung, auch im Hinblick auf die Notwendigkeit einer unfallvermeidenden defensiven Fahrweise und die fahrphysikalischen Grenzen beim Betrieb eines Kraftfahrzeuges, einen Rückfall in weitere Verkehrsverstöße zu vermeiden.

 

(4) Der von der Anordnung der besonderen Maßnahme Betroffene hat der Behörde eine Bestätigung jener Einrichtung, bei der die besondere Maßnahme absolviert wurde, über die Teilnahme und seine Mitarbeit vorzulegen.

 

5.2. Unbestritten bleibt, dass der Bw ein Kfz in Betrieb genommen hat, welches nicht den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entsprach. Aus den vorliegenden Verfahrensunterlagen geht hervor, dass der Bw mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 27.10.2005, Zl. VerkR96-7358-2005-Kb, hiefür rechtskräftig bestraft wurde.

Die angeführte Strafverfügung wurde dem Bw am 24.11.2005 im Wege der Polizeiinspektion 4950 Altheim nachweisbar zugestellt und ist - mangels Anfechtung - in Rechtskraft erwachsen. Gegenteiliges behauptet der Bw nicht.

Mit der Rechtskraft der Bestrafung steht bindend fest, dass die Übertretungen der betreffenden Person vorliegen, weshalb es sowohl der belangten Behörde als auch dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich als Berufungsbehörde verwehrt ist, die Grunddelikte in Frage zu stellen.

 

Nachdem, wie bereits dargelegt wurde, die erwähnte Strafverfügung in Rechtskraft erwuchs, hat die Kraftfahrbehörde in Bindung an die Entscheidung der Strafbehörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid ein Fahrsicherheitstraining angeordnet.

Wie aus der gesetzlichen Anordnung des § 30a Abs.3 FSG hervorgeht, zählt für zwei in Tateinheit begangenen Delikte, die Eintragung in das Örtliche Führerscheinregister als eine Vormerkung. Dies hat die belangte Behörde, wie den Verfahrensunterlagen zu entnehmen ist, treffend abgeleitet.

 

Für die Berufungsbehörde stellt sich aber die Rechtsfrage, ob diese zwei Delikte, welche zugleich bei einer einzigen Fahrt - demnach in Tateinheit - begangen wurden, als eine Begehung von zwei der in § 30a Abs.2 FSG angeführten Delikte zu werten und somit von Deliktsbegehung in Tateinheit im Sinne des § 30a Abs.3 und § 30b Abs.1 Z1 FSG auszugehen und eine begleitende Maßnahme anzuordnen ist.

 

§ 30b Abs.1 Z1 FSG sieht vor, dass eine besondere Maßnahme anzuordnen ist, wenn zwei oder mehrere Vormerkdelikte in Tateinheit begangen werden.

Diese Regelung ist insoweit klar, als dass bei zwei verschiedenen Delikten des § 30a Abs.2 FSG, die mit einer Handlung verwirklicht werden und bei zwei gleichen Delikten des § 30a Abs.2 FSG, die zweimal hintereinander begangen wurden, jeweils eine entsprechende Maßnahme anzuordnen ist.

 

Der gegenständliche Berufungsfall gestaltet sich aber derart, dass dasselbe Delikt -die Übertretung nach § 102 Abs.1 iVm § 4 Abs.2 KFG - gleichzeitig zweimal verwirklicht wurde.

Wollte der Gesetzgeber durch die Verwendung der Wortfolge "der im § 30a Abs.2 FSG genannten Delikte" nun tatsächlich auch zwei Übertretungen des § 102 Abs.1 KFG, die bei einer einzigen Fahrt begangen wurden, von der sofortigen Anordnung einer Maßnahme umfasst sehen? Liegen hier wirklich zwei Delikte vor?

Nach Auslegung des Gesetzeswortlautes gelangt die Berufungsbehörde zur Auffassung, dass die Formulierung des § 30b Abs.1 Z1 FSG ".........wenn zwei oder mehrere der im § 30a Abs.2 genannten Delikte in Tateinheit (§ 30a Abs.3) begangen werden", nicht zwingend mit der Begehung zweier Delikte gleichzusetzen ist. Die Interpretation des Gesetzestextes lässt den Schluss auf eine tateinheitliche Begehung von "zwei verschiedenen Vormerkdelikten" des § 30a Abs.2 Z1 bis Z13 FSG zu. Widrigenfalls hätte der Gesetzgeber dies wohl klarer zu umschreiben vermocht. Es macht doch einen gravierenden Unterschied, ob ein Lenker in Tateinheit etwa zusätzlich ein anderes Delikt begeht.

 

Auf den konkreten Fall bezogen, bedeutet dies, dass die zwei gleichzeitig bei einer einzigen Fahrt begangenen Übertretungen nach dem Kraftfahrgesetz - die jeweils einer gesonderten Bestrafung unterzogen wurden - als ein Delikt iSd § 30a Abs.2 FSG zu qualifizieren sind. Es ist hier nicht von Deliktsbegehung in Tateinheit im Sinne von § 30a Abs.3 und § 30b Abs.1 Z1 FSG auszugehen und nicht sofort eine besondere Maßnahme anzuordnen.

 

Auch im Hinblick auf die gesetzliche Wortfolge in § 30a Abs.1 Z12 FSG "....... wenn ein Fahrzeug gelenkt wird, dessen technischer Zustand eine Gefährdung der Verkehrssicherheit darstellt, sofern die technischen Mängel.........", wird die Auffassung des Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich bekräftigt, dass die beiden Übertretungen nach dem Kraftfahrgesetz als ein Delikt im Sinne des § 30a Abs.2 FSG zu qualifizieren sind, woraus sich folglich ergibt, dass für das eine tateinheitliche Lenken noch keine Maßnahme anzuordnen ist.

 

In diesem Zusammenhang darf auch auf den Erlass des BMVIT - II/ST4 (Rechtsbereich Kraftfahrwesen und Fahrzeugtechnik), GZ. BMVIT-179.716/0001-II/ST4/2006, Betreff: Kinderbeförderung, 26. KFG-Novelle, vom 10.2.2006, verwiesen werden, in welchem unter den angeführten Punkten Nachstehendes ausgeführt wird:

7.3.1. Wenn zB mehrere Kinder in einem Fahrzeug nicht entsprechend gesichert sind, so ist - auch wenn mehrere Bestrafungen erfolgt sind - nur eine Vormerkung vorzunehmen.

7.3.2. In einem solchen Fall ist auch nicht von Deliktsbegehung in Tateinheit im Sinne von § 30a Abs.3 und § 30b Abs.1 Z1 FSG auszugehen und nicht sofort eine besondere Maßnahme anzuordnen.

 

Dieser Erlass stellt zwar auf die Kinderbeförderung ab, doch kann im vorliegenden Verfahren die rechtliche Beurteilung nicht anders gesehen werden, zumal dies im Ergebnis zu einer Ungleichbehandlung führen würde.

 

Der Berufung war Folge zu geben und die angeordnete Maßnahme zu beheben.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180  Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro angefallen.

 

 

 

Mag. K i s c h

 

 

Beschlagwortung:

2 Delikte wegen Übertretung des § 102 (1) KFG 1967 in Tateinheit führen nicht zu einer sofortigen Nachschulung

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