Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-521277/7/Fra/Bb/Sp

Linz, 03.08.2006

 

 

 

VwSen-521277/7/Fra/Bb/Sp Linz, am 3. August 2006

DVR.0690392

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung der Frau G A, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. RR Schärding, vom 27.3.2006 gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 9. März 2006, Zl. VerkR21-582-2005 betreffend Entziehung der Lenkberechtigung der Klasse B wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 13.7.2006, zu Recht erkannt:

 

Die Berufung wird abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4 iVm § 67a AVG iVm § 7 Abs.1 Z1, Abs.3 Z5 und Abs.4 sowie §§ 24 Abs.1 Z1, 25 Abs.1 und Abs.3 FSG.

§ 64 Abs.2 AVG.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufungswerberin wegen mangelnder Verkehrszuverlässig die Lenkberechtigung für die Klasse B für die Dauer von drei Monaten, gerechnet ab 30.12.2005 (Abnahme des Führerscheines) bis einschließlich 30.3.2006 entzogen und ausgesprochen, dass für diesen Zeitraum keine neue Lenkberechtigung erteilt werden darf.

Einer allfälligen Berufung wurde gemäß § 64 Abs.2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung vom bringt die Bw anwaltlich vertreten im Wesentlichen vor, dass zu Unrecht davon ausgegangen worden sei, dass ihre Verkehrszuverlässigkeit nicht mehr gegeben sei und ihr auch der Vorwurf der "Fahrerflucht" nicht vorgeworfen werden könne. Aus ihr bis heute nicht nachvollziehbaren Gründen habe sie die auf der Fahrbahn liegende Person überhaupt nicht wahrgenommen sondern vollkommen übersehen. Sie sei am 9.10.2005 mit ihrem Wagen von ihrem zu Hause zu ihrem Arbeitsplatz gefahren. Hiebei sei sie - ohne dass sie nur im Entferntesten daran gedacht hatte - über den am Boden liegenden S K gefahren bzw. habe sie diesen mit den linken Rädern im Kopfbereich angefahren. Erst nachdem schon am Arbeitsplatz herumerzählt worden sei, dass es am Morgen dieses Tages einen Verkehrsunfall gegeben hätte, bei welcher eine Person überfahren worden war und erst nachdem sie auf dem Nachhauseweg an der Unfallstelle aufgestellte Grablichter bemerkt hatte, habe sie sich daran erinnert, ungefähr an dieser Stelle am Morgen ein Klopfgeräusch wahrgenommen zu haben. Sie habe diesem Geräusch keine Bedeutung beigemessen, da sie optisch überhaupt keine Wahrnehmung gemacht habe. Ihr erster Gedanke sei gewesen, über ein Stück Holz, einen Ast oder Kotbrocken gefahren zu sein. Dieser Gedanke habe auch insofern nahe gelegen, da zum damaligen Zeitpunkt die Straße von zahlreichen Verunreinigungen betroffen gewesen wäre. Sie habe auch keinerlei Begleitumstände bemerkt, welche derart gewesen wären, dass sie veranlasst gewesen wäre, ihren Pkw anzuhalten. Ein erfolgter Aufmerksamkeitsfehler, wie er ihr unterlaufen sei, stelle für sich allein genommen keinen Grund dar, anzunehmen, dass ihre Verkehrszuverlässigkeit nicht gegeben sei bzw. dass ihr "Fahrerflucht" vorzuwerfen sei. Eine bestimmte Tatsache iSd § 7 Abs.3 Z5 FSG liege ihres Erachtens nicht vor. Für eine derartige Annahme sei die unabdingbare Voraussetzung, dass einem Fahrzeuglenker entweder überhaupt bewusst werde, dass er in einen derartigen Verkehrsunfall verwickelt war oder dass ihm zumindest der Vorwurf gemacht werden könne, trotz Vorliegens von Begleitumständen sein Fahrzeug nicht angehalten zu haben. In ihrem Fall seien die Umstände doch gänzlich anders gelegen, nämlich habe sie bei Annäherung an die Unfallstelle überhaupt keinerlei Wahrnehmungen gemacht, dass hier überhaupt etwas auf der Fahrbahn liegt. Das leichte Klopfgeräusch, welches sie zunächst auf eine Fahrbahnverunreinigung zurückgeführt habe, sei ebenfalls nicht geeignet gewesen, in ihr den Verdacht zu erwecken, sie sei in einen Unfall verwickelt. Im konkreten Fall sei ihr zu unterstellen, dass sie eine Person, welche auf der Fahrbahn gelegen war, nicht wahrgenommen hat. Dies sei der Vorwurf im gerichtlichen Strafverfahren gewesen und sei sie deshalb wegen fahrlässiger Tötung gemäß § 80 StGB verurteilt worden. Sie habe niemals versucht den Verkehrsunfall bzw. die tragischen Folgen zu bagatellisieren. Wie hätte sie anhalten sollen, wenn sie gar nicht bemerkt habe, dass sie in einen Verkehrsunfall verwickelt war. Auch ein bloßer Aufmerksamkeitsfehler für sich alleine betrachtet stelle noch keine bestimmte Tatsache iSd § 7 Abs.3 Z5 FSG dar. Der Umstand allein, dass sie wegen fahrlässiger Tötung strafrechtlich verurteilt worden sei, sage ebenso noch nichts darüber aus, ob ihr gegenüber auch der Vorwurf von "Fahrerflucht" erhoben werden könne. Das von ihr zum Unfallszeitpunkt vernommene Klopfgeräusch sei keinesfalls solch ein Begleitumstand gewesen. Ihr sei kein Mangel an Begleitwissen vorwerfbar - sie habe überhaupt nicht daran gedacht, dass sie in einen Verkehrsunfall verwickelt gewesen war und könne sie daher begrifflich auch schon gar nicht Fahrerflucht, also ein Vergehen nach § 4 Abs.1 lit. a StVO begangen haben. Dies wäre jedoch Voraussetzung dafür, dass auf Grund der Bestimmung des § 7 Abs.3 Z5 FSG die Behörde hätte davon ausgehen können, dass sie nicht mehr verkehrszuverlässig sei. Sie könne und wolle den Vorwurf "Fahrerflucht" begangen bzw. eine bei einem Verkehrsunfall verletzte Person hilflos im Stich gelassen zu haben, aus persönlichen Gründen nicht auf ihr sitzen lassen.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding hat die Berufung samt Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Dieser hatte durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 67a Abs.1 AVG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 13.7.2006, an welcher die Berufungswerberin sowie ihr Rechtsvertreter zum Sachverhalt befragt wurden, ein Vertreter der erstinstanzlichen Behörde gehört wurde und der Amtssachverständige für Verkehrstechnik, Ing. R H, ein Gutachen hinsichtlich der Frage, ob der Bw objektive Umstände zu Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen sie die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit Personenverletzung zu erkennen vermocht hätte, erstattet hat.

 

4.1. Daraus ergibt sich folgender entscheidungswesentliche Sachverhalt:

 

Die Bw lenkte zur Vorfallszeit den Kombi mit dem Kennzeichen mit einer Geschwindigkeit von etwa 60 bis 70 km/h in Waizenkirchen, auf der Heiligenberger Landesstraße 1213 aus Richtung Heiligenberg kommend in Richtung Waizenkirchen. Sie war auf dem Weg zu ihrer Arbeitsstelle. Zu diesem Zeitpunkt herrschte Dämmerung und die Fahrbahn war trocken. Im Ortschaftsbereich Auweidenholz, Höhe km 0,251 - auf einem gerade verlaufenden Teilstück der Heiligenberger Landesstraße - überfuhr die Bw mit den linken Rädern ihres Kombis den auf der Fahrbahn quer zur Fahrtrichtung der Berufungswerberin liegenden S K, wodurch dieser tödlich verletzt wurde.

Die Bw gab anlässlich ihrer niederschriftlichen Einvernahme am 9.10.2005 an, während der Fahrt plötzlich "einen Schlag bzw. ein Geräusch" verspürt zu haben. Auf der Fahrbahn habe sie nichts wahrgenommen bzw. liegen gesehen. Da sie der Meinung war, über ein größeres Stück Holz oder Ast gefahren zu sein, habe sie ihre Fahrt ohne anzuhalten bis nach Waizenkirchen zu ihrem Arbeitsplatz fortgesetzt.

Dieser Sachverhalt ergibt sich aufgrund der Angaben in der Anzeige der PI Waizenkirchen sowie der eigenen Aussagen der Bw vor der Polizeiinspektion und im Berufungsschriftsatz. Weiters stützen sich diese Feststellungen auf die Aussagen der Bw anlässlich der mündlichen Verhandlung.

 

Bei der Berufungsverhandlung brachte die Bw über Befragen ua. vor, dass es ihr leid tue; sie habe schon im gerichtlichen Verfahren alles gesagt. Am Vorfallstag sei bei der Pause am Vormittag über diesen Unfall gesprochen worden. Um 19.00 Uhr habe sie Dienstschluss gehabt und sei die selbe Strecke zurück nach Hause wie immer gefahren. An der Unfallsörtlichkeit habe sie Grablichter gesehen und auch ein paar Jugendliche, welche dort standen. Erst dann sei ihr der Gedanke gekommen, dass sie in diesem Bereich in der Früh ein Geräusch verspürt habe. Es sei ein Geräusch gewesen, das entsteht, wenn man über einen Ast oder einen Kotbrocken fährt. Das Geräusch sei für sie nicht außergewöhnlich gewesen. Im Rückspiegel habe sie gesehen, dass hinter ihr ein Fahrzeug fährt. Jedenfalls habe sie im Spiegel ein Licht von einem Fahrzeug gesehen. Bei der nachfolgenden Kreuzung habe sie dann wegen Querverkehrs ihr Fahrzeug angehalten. Von der Unfallsörtlichkeit bis zu ihrer Arbeitsstelle betrage die Entfernung ca. 3 bis 4 km. Nach Rücksprache mit ihrem Mann sei sie dann am selben Tag noch zur Polizei gefahren, weil sie gedacht habe, es könnte sein, dass sie in diesen Unfall verwickelt gewesen war. Das Auto habe sie gleich bei der Polizeidienststelle gelassen. Es wurde abgestellt und untersucht.

 

Der Vertreter der Bw führt bei der Berufungsverhandlung aus, dass die Unfallstelle, wie aus den Lichtbildern hervorgehe, zum Unfallszeitpunkt durch Verunreinigungen verschmutzt war und daher der Schluss der Bw, sie hätte dieses Geräusch durch das Überfahren eines Verschmutzungsgegenstandes wahrgenommen, durchaus logisch und nachvollziehbar sei. Er verwies nochmals darauf, dass sich seine Mandantin nicht verhalten hat wie ein typischer Fahrerflüchtiger. Sie habe auch gesehen, dass hinter ihr jemand nachfährt.

Ein Aufmerksamkeitsfehler sei nie in Abrede gestellt worden. Das Delikt der fahrlässigen Tötung, welches von Anfang an akzeptiert wurde, habe mit dem gegenständlichen Sachverhalt nur mittelbar zu tun.

Das gesamte Beweisverfahren habe ergeben, dass ein Verstoß gegen die Bestimmungen des § 4 StVO im Sinn einer "Fahrerflucht" im gegenständlichen Fall nicht gegeben war. Nicht nur die Ergebnisse des Sachverständigengutachtens im Verwaltungsstrafverfahren, sondern auch die Zeugeneinvernahmen im gerichtlichen Verfahren, nämlich der Arbeitskolleginnen und das zu würdigende Verhalten der Bw nach dem Unfall lasse den Schluss zu, dass sie von einem Verkehrsunfall nichts bemerkt hatte. Auch seien keine Begleitumstände beim Unfall selbst - außer dem von Anfang an zugestandenen Schlag oder Rumpler - gegeben gewesen, welche die Bw veranlassen hätte müssen, den Schluss zu ziehen, dass sie in einen Verkehrsunfall verwickelt war. Absolut nicht Gegenstand des Verfahrens könne der Umstand sein, dass Frau A den am Boden liegenden S K über einen Zeitraum von 5 1/2 Sek. visuell nicht wahrgenommen hatte, da diese sorgfaltswidrige Handlung ohnehin bereits im gerichtlichen Strafverfahren als fahrlässige Tötung im Sinne des § 80 StGB geahndet und auch Frau A deswegen völlig zu Recht verurteilt wurde.

 

Über Befragen des Sachverständigen führt die Bw aus, dass sie einen Stoß nicht bemerkt habe. Das Auto habe sie nicht verrissen. Sie war alleine im Fahrzeug und hatte außer der Hundebox im hinteren Teil des Fahrzeuges nichts zugeladen.

 

Der Amtssachverständige für Verkehrstechnik, Herr Ing. R H, kam in dem bei der Berufungsverhandlung erstatteten Gutachten zu dem Schluss, dass aus technischer Sicht unter Zugrundelegung des Obduktionsprotokolls vom 11.10.2005, Zl. L051279/Ha/Ke, davon auszugehen ist, dass das Überfahren mit beiden Rädern zustande gekommen ist. Unterstellt man eine Fahrgeschwindigkeit von ca. 60 bis 65 km/h, so ergebe sich aufgrund des Radstandes des Fahrzeuges zwischen dem vorderen und dem hinteren Rad ein Zeitunterschied von ungefähr 0,15 Sek. Wenn man davon ausgeht, dass keine Lenkreaktion stattgefunden hat und die Fahrlinie gleich behalten wurde, so ist es plausibel, dass der Schädel mit beiden Rädern überrollt worden ist.

Aus Versuchen wisse man, dass die biomechanische Belastbarkeit eines Schädels ausreicht, um beim Überfahren eine eindeutig wahrnehmbare Stoßreaktion feststellen zu können. Durch ein einseitiges Überfahren müsste eine Lenkradreaktion wahrnehmbar sein, die parallel mit einem Geräusch auftritt. Die Größe des auftretenden Stoßes bzw. der Lenkradreaktion ist auf alle Fälle als wahrnehmbar einzustufen. Aufgrund eines Stoßes oder eines wahrgenommenen Geräusches könne aber nicht darauf geschlossen werden, welcher Gegenstand bzw. welches Objekt überfahren wurde. Aus dem Verlauf der Stoßkraft oder aus dem Frequenzzeitmuster des Geräusches seien derartige Ableitungen nicht zulässig. Die Erstaussage der Bw vor der Polizei, dass die Bw ein Geräusch und einen Schlag verspürt hatte, sei für ihn plausibel.

 

Der Vertreter der Bezirkshauptmannschaft Schärding beantragte die Abweisung der Berufung. In erster Linie verwies er auf die Begründung des angefochtenen Bescheides. Bei der Berufungsverhandlung habe man unabhängig von seiner Begründung davon ausgehen können, dass mit beiden Rädern des Fahrzeuges der Bw der Kopf des Herrn K überfahren wurde. Soweit er das interpretieren dürfe, verursache dies eine entsprechende Stoßreaktion, die sich auch auf eine Reaktion des Lenkrades überträgt, sodass unabhängig von seiner Auffassung bezüglich der visuellen Wahrnehmbarkeit aufgrund der Sachverständigenäußerungen die Bw von der Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit Personenschaden ausgehen hätte müssen und daraus ergibt sich aufgrund der Judikatur und der Bestimmungen des § 4 StVO die Zulässigkeit der bestraften Delikte.

 

Der UVS vertritt in freier Beweiswürdigung die Auffassung, dass das zu Grunde liegenden Gutachten des Sachverständigen für Verkehrstechnik schlüssig ist und nicht den Erfahrungen des Lebens und den Denkgesetzen widerspricht.

Der Sachverständige hat nämlich in überzeugender Weise dargetan, dass einerseits durch das Überfahren des Schädels eine wahrnehmbare Stoßreaktion auftritt und andererseits durch das einseitige Überfahren eine Lenkradbewegung parallel mit einem Geräusch. Die Stoß- und die Lenkradreaktion muss von einem Lenker eines Kraftfahrzeuges bei entsprechender Aufmerksamkeit jedenfalls wahrgenommen werden. Diese vom Sachverständigen auch wissenschaftlich untermauerten Aussagen konnten in unbedenklicher Weise der Entscheidung zu Grunde gelegt werden. Auch die Bw und ihr Vertreter haben gegen dieses Gutachten keinen Einwand erhoben.

 

6. In rechtlicher Hinsicht hat der UVS wie folgt erwogen:

 

Gemäß § 24 Abs.1 Z1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.

 

Eine wesentliche Voraussetzung für die Erteilung der Lenkberechtigung bildet gemäß § 3 Abs.1 Z2 FSG die Verkehrszuverlässigkeit (§ 7).

 

Gemäß § 25 Abs.1 FSG ist bei der Entziehung der Lenkberechtigung auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist aufgrund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.

 

Gemäß § 25 Abs.3 FSG ist bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen.

 

Gemäß § 7 Abs.1 Z1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht aufgrund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird.

 

Gemäß § 7 Abs.3 Z5 FSG hat als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs.1 zu gelten, wenn jemand es unterlassen hat, nach einem durch das Lenken eines Kraftfahrzeuges selbst verursachten Verkehrsunfall, bei dem eine Person verletzt wurde, sofort anzuhalten oder erforderliche Hilfe zu leisten oder herbeizuholen.

 

Gemäß § 7 Abs.4 FSG sind für die Wertung der in Abs.1 genannten und in Abs.3 beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend, wobei bei den in Abs.3 Z14 und 15 genannten bestimmten Tatsachen die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit nicht zu berücksichtigen ist.

 

Die in Z5 des § 7 Abs.3 FSG genannte bestimmte Tatsache setzt voraus, dass es der Lenker eines Kraftfahrzeuges im Falle eines selbst verursachten Verkehrsunfalles, bei dem eine Person verletzt bzw. getötet wurde, unterlassen hat, sofort anzuhalten oder die erforderliche Hilfe zu leisten oder herbeizuholen.

 

Der bekämpften Entziehungsmaßnahme liegt zugrunde, dass die Bw am 9.10.2005 als Lenkerin eines Kraftfahrzeuges einen Verkehrsunfall mit tödlichem Ausgang - sie überfuhr auf einem gerade verlaufenden Teilstück mit den linken Rädern ihres Kombis den Schädel des auf der Farbahn quer zur Fahrtrichtung der Bw auf dem Rücken liegenden S K - verschuldet hat. Sie hat die Fahrt ohne anzuhalten fortgesetzt und ohne sich um das Unfallopfer zu kümmern. Das Verhalten der Bw war somit kausal für den gegenständlichen Verkehrsunfall, bei dem eine Person getötet wurde. Sie hat die ursächliche Beteiligung an diesem Verkehrsunfall auch nie Abrede gestellt.

 

Im Erkenntnis vom 3.8.2006, VwSen161293/8/Fra/Bb/Sp wurde durch den Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes näher dargelegt, dass Übertretungen des § 4 Abs.1 und Abs.2 StVO 1960 nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch fahrlässig begangen werden können. Dazu genügt es, dass dem Beschuldigten Umstände bewusst werden oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er auf seine Beteiligung am Verkehrsunfall und die Verletzung bzw. Tötung einer Person schließen konnte. In diesem konkreten Fall hat der UVS im angesprochenen Erkenntnis festgestellt, dass die Bw den Tatbestand des § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960 begangen hat und bei gehöriger Aufmerksamkeit den von ihr verursachten Verkehrsunfall, der die Tötung eines Menschen zur Folge hatte, hätte bemerken müssen. Auf die umfassende Begründung - insbesondere auf die Seiten 7 bis 9 - darf verwiesen werden.

 

Im Hinblick auf die Feststellung, dass die Bw nach dem Verkehrsunfall nicht angehalten und somit eine Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960 begangen hat, hat sie eine bestimmte Tatsache iSd § 7 Abs.3 Z5 FSG verwirklicht.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seiner Rechtssprechung zur früher geltenden Bestimmung nach dem Kraftfahrgesetz dargelegt, dass das Nicht-Sofort-Anhalten nach einem selbst verschuldeten Verkehrsunfall, bei dem eine Person getötet wurde, eine bestimmte Tatsache nach § 66 Abs.2 lit.g erster Fall KFG (nunmehr: § 7 Abs.3 Z5 FSG) bildet. Dieser Tatbestand setzt keine Bestrafung wegen unterlassener Hilfeleistung voraus. Er stellt auch nicht darauf ab, ob eine Hilfeleistung überhaupt noch möglich war (VwGH vom 21.5.1986, Zl. 84/11/0280).

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner einschlägigen Judikatur auch immer wieder zum Ausdruck gebracht, dass für die Beantwortung der Frage der Verwerflichkeit eines Verhaltens nach einem Verkehrsunfall darauf ankommt, von welcher Bedeutung das Fehlverhalten dieser Person für die Verkehrssicherheit war (vgl. etwa. VwGH 19.2.1986, Zl. 84/11/0050). Es kommt auch darauf an, dass die "Fahrerflucht" nach einem Personenschaden begangen wurde, der ein Anhalten und eine Hilfestellung für den Verletzten verlangt hätte. Es muss sich also um ein Verhalten des Unfalllenkers handeln, das eine Sinnesart aufzeigt, die eine schwere Gefährdung der Verkehrssicherheit befürchten lässt (VwGH 21.10.1993, Zl. 92/11/0295). Auch kommt es dabei auf den Grad der Wahrscheinlichkeit an, dass ein Personenschaden eingetreten sein könnte (VwGH 19.2.1986, Zl. 84/11/0050).

 

Im Rahmen der Wertung war zu Gunsten der Bw zu berücksichtigen, dass sie bis zum Vorfallszeitpunkt gänzlich unbescholten war und es sich nach der Aktenlage um die erste Entziehung der Lenkberechtigung handelt. Positiv wirkte sich auch ihr Geständnis aus.

Abgesehen davon war auch der Zeitraum des Wohlverhaltens seit des verursachten Verkehrsunfalles zu berücksichtigen. Die seit der Tat bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Entziehungsbescheides verstrichene Zeit ist zwar zu kurz, um entscheidend zugunsten der Bw ins Gewicht zu fallen, dennoch war aber ihr Wohlverhalten im Gesamten zu berücksichtigen.

Bei der Entziehung der Lenkberechtigung handelt es sich um keine Strafe, sondern eine administrative Maßnahme zum Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer oder sonstiger Rechtsgüter vor verkehrsunzuverlässigen KFZ-Lenkern (VwGH vom 18.3.2003, Zl. 2002/11/0062; vom 22.11.2002, Zl. 2001/11/0108; vom 23.4.2002, Zl. 2000/11/0184).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bilden bei der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit (allfällige) berufliche, wirtschaftliche, persönliche und familiäre Nachteile, welche mit der (Dauer der) Entziehung der Lenkberechtigung verbunden sind, kein wie immer geartetes Beweisthema (VwGH vom 30.5.2001, Zl. 2001/11/0081; vom 23.4.2002, Zl. 2000/11/0182; vom 11.4.2002, Zl. 99/11/0328).

Im angefochtenen Bescheid wurde die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung mit drei Monaten, beginnend ab 30.12.2005 bis einschließlich 30.3.2006 festgesetzt. Daraus ergibt sich somit eine Verkehrsunzuverlässigkeit nach Beendigung der Tat im Ausmaß von rund sechs Monaten (Oktober 2005 bis März 2006).

Zur Festsetzung der Dauer der prognostizierten Verkehrsunzuverlässigkeit ist die zu erstellende Prognose maßgebend, wann die Bw die Verkehrszuverlässigkeit wiedererlangen wird.

Es ist im konkreten Fall nicht nur darauf abzustellen, ob die Bw zum Zeitpunkt der Tatbegehung verkehrsunzuverlässig war, sondern es ist weiters im Rahmen der Wertung zu beurteilen, ob diese Verkehrsunzuverlässigkeit zum Zeitpunkt der Erlassung des Entziehungsbescheides noch andauerte bzw. die Verkehrszuverlässigkeit für die Dauer des Entzuges der Lenkberechtigung gegeben war.

 

Bei Abwägung aller Umstände kann die Auffassung der belangten Behörde - die ohnehin die gesetzlich vorgesehene Mindestentziehungsdauer festgesetzt hat - die Bw, sei für rund sechs Monate als verkehrsunzuverlässig anzusehen nicht als rechtswidrig erkannt werden. Die mit dem angefochtenen Bescheid verfügte Maßnahme verletzt daher keine Rechte der Bw.

Die Behörde kann iSd § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung einer Berufung immer dann ausschließen, wenn die Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit entzogen wird (siehe die in Walter-Thienel, Verwaltungsverfahren, 2. Auflage, E24 zu § 64 AVG (Seite 1222f) zitierten zahlreichen VwGH-Entscheidungen sowie die Beschlüsse des VfGH vom 21.10.2005, B 1282/05 und des VwGH vom 6.10.2005, AW 2005/11/0053).

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Fall sind Stempelgebühren in der Höhe von 13 Euro angefallen.

 

 

Dr. F r a g n e r

 

 

 

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