Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-104309/11/BR

Linz, 07.07.1997

VwSen-104309/11/BR Linz, am 7. Juli 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch seine 2. Kammer (Vorsitzender: Dr. Langeder, Berichter: Dr. Bleier, Beisitzer: Dr. Guschlbauer) über die Berufung des Herrn W vertreten durch Dr. K Rechtsanwalt, U, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau, vom 10. Dezember 1996, Zl.: VerkR96-21046-1996-Ro, wegen Übertretung nach § 99 Abs.1 lit.a iVm § 5 Abs.1 StVO 1960, nach der am 24. Februar 1997 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:

I. Der Berufung wird dem Grunde nach keine Folge gegeben; der Schuldspruch wird bestätigt. Die Geldstrafe wird jedoch auf 8.000 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf sieben Tage ermäßigt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl.Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 471/1995 - AVG iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 620/1995 - VStG.

II. Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten ermäßigen sich demzufolge auf 800 S. Für das Berufungsverfahren entfällt ein Verfahrenskostenbeitrag.

Rechtsgrundlage:

§ 64 u. § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau hat mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wider den Berufungswerber eine Geldstrafe von 14.000 S und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von vierzehn Tagen verhängt, weil er am 25.8.1996 um ca. 09.50 Uhr den Pkw mit dem Kennzeichen auf der U aus P kommend in Richtung U bei Stkm 1,700 in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe.

Die Erstbehörde legte ihrer Entscheidung das Ergebnis der Rückrechnung der Atemluftuntersuchung, welche um 11.17 u. 11.18 Uhr durchgeführt wurde und 0,34 mg/l ergeben hat, auf den Unfallszeitpunkt um 09.50 Uhr zugrunde. Sie ging demzufolge von einem den Grenzwert überschreitenden Alkoholisierungsgrad zum Unfallszeitpunkt aus.

2. In der fristgerecht erhobenen Berufung vermeinte der Berufungswerber u. a., daß etwa ein außergewöhnlicher Verlauf der Abbaukurve vorliegen könne und sich der Unfall auch etwas später ereignet haben konnte, so daß nicht mit einer für das Strafverfahren erforderlichen Sicherheit von einer Grenzwertüberschreitung zum Unfallszeitpunkt ausgegangen werden könne.

3. Die Erstbehörde hat den Akt am 14. Jänner 1997 zur Berufungsentscheidung vorgelegt; er langte am 16. Jänner 1997 beim unabhängigen Verwaltungssenat ein. Somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hat, da eine 10.000 S übersteigende Strafe verhängt worden ist, durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige Kammer zu entscheiden. Weil eingangs auch Tatsachen bestritten wurden, war eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung durchzuführen gewesen (§ 51e Abs.1 VStG).

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch die im Rahmen der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 24. Februar 1997 durch die Erörterungen des bereits zu diesem Zeitpunkt durch den Berufungswerber im Hinblick auf das Meßergebnis außer Streit gestellten Sachverhaltes. Im Einverständnis aller Verfahrensparteien und unter Verzicht auf eine weitere Verhandlung sowie dem Einverständnis der Einholung und Verwertung des Beweisergebnisses des im gleichen Zusammenhang beim LG unter 9E anhängigen Verfahrens, wurde dieses Beweisergebnis den Parteien zur Kenntnis gebracht. Das Gerichtsverfahren wurde am 3. Juli 1997 durch Urteil in erster Instanz abgeschlossen, wobei das berichtende Kammermitglied der Verhandlung als Zuhörer beiwohnte. Beigeschafft wurde noch der auch für das Gerichtsverfahren entscheidende Aktenvermerk des GP M über den Zeitpunkt des telefonischen Einlangens der Unfallmeldung.

5. Der Berufungswerber lenkte zur obigen Zeit an der genannten Örtlichkeit (lt. Spruch des Straferkenntnisses) seinen Pkw und geriet dabei vermutlich infolge überhöhter Geschwindigkeit und wegen der nassen Fahrbahn nach links von der Straße ab und prallte folglich gegen ein Haus. Dabei wurden sowohl er als auch seine Mitfahrer zum Teil schwer verletzt. Die Unfallmitteilung langte beim GP M um 09.55 Uhr ein (Beilage 1). Dies bedeutet, daß der Unfall und somit das Lenkende ziemlich exakt um 09.50 Uhr gelegen sein mußte. Der später festgestellte Alkoholgehalt der Atemluft ergab auf Grund des vorliegenden Meßergebnisses laut Gutachten des im Rahmen des Gerichtsverfahrens beigezogenen Sachverständigen eine Grenzwertüberschreitung zum Unfallszeitpunkt. Auf dieses Ergebnis stützte sich auch das Urteil des LG R wonach der Berufungswerber als alkoholisiert erachtet und die strafrechtliche Qualifikation nach § 88 Abs.1 u. 4 (§ 81 Z1 u. 2) StGB getroffen wurde.

5.1. Das in diesem Gerichtsverfahren unter Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen erstellte Gutachten besagt im wesentlichen, daß im Falle der Annahme des Unfallszeitpunktes um 09.50 Uhr unter Zugrundelegung eines stündlichen Abbauwertes von zumindest 0,1 Promille, rückgerechnet von einer Grenzwertüberschreitung ausgegangen werden muß (Beilage 4). Über einen sogenannten Ausreißer, welche in der Literatur bekannt sind aber äußerst selten vorkommt, könnte nur im Falle einer auch vorgenommenen Blutuntersuchung eine Aussage getroffen werden. Unter Zugrundelegung eines linearen Abbauwertes geht der Sachverständige unter Zugrundelegung des obigen Unfallszeitpunktes von einer Grenzwertüberschreitung aus. Nur im Falle eines Heranrückens an den Meßzeitpunkt im Ausmaß von einer halben Stunde könnte eine Grenzwertunterschreitung in Betracht kommen. Auch für den unabhängigen Verwaltungssenat vermögen keine Zweifel an den Ausführungen des Sachverständigen und ebenso nicht an den Angaben des Meldungslegers im Hinblick auf das Eingehen der Unfallmeldung um 09.55 Uhr gehegt werden. Es ergaben sich keine Anhaltspunkte dafür, daß der Unfallszeitpunkt etwa erst gegen 10.20 Uhr gelegen sein könnte. Die Chronologie der Aufzeichnungen, das Eingehen des Anrufes über die Unfallsverständigung um 09.55 Uhr und die mit 10.10 Uhr verzeichnete Aufforderung zum Alkotest ergeben ein in sich geschlossenes und logisch nachvollziehbares zeitliches Bild.

5.2. Die Parteien erklärten sich ausdrücklich mit der Verwertung des gerichtlichen Beweisergebnisses einverstanden. An der Verhandlung beim LG R nahm das berichtende Kammermitglied als Zuhörer teil. Die Anberaumung einer weiteren Verhandlung und eine abermalige unmittelbare Beweisaufnahme im Hinblick auf die Alkoholisierung und somit der gleichen Sache konnte sohin unterbleiben. Das hier verwertete Beweisergebnis wurde dem Berufungswerber gegenüber seinem Rechtsvertreter im Anschluß an die Gerichtsverhandlung vorläufig und unpräjudiziell der Sicht der 2. Kammer zur Kenntnis gebracht.

6. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich muß davon ausgehen, daß hier (noch) eine Gesetzesbestimmung zur Anwendung zu gelangen hat, welche mit Erkenntnis des VfGH vom 5. Dezember 1996 wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben wurde und seit 30. Dezember 1996 aus dem Rechtsbestand beseitigt ist, somit eine Doppelbestrafung stattfindet, welche bei Vorliegen einer Übertretung nach § 99 Abs.1 StVO 1960 im ausdrücklichen Ausschluß der Subsidiaritätsklausel gesetzlich angeordnet wird.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit dem Erkenntnis, G 86/96 u.a. vom 5.12.1996 die Wortfolge in § 99 Abs.6 lit.c "in Abs.2, 3 oder 4 bezeichnete" als verfassungswidrig aufgehoben. Somit gilt nunmehr die Subsidiaritätsklausel in der StVO 1960 uneingeschränkt und würde demnach auch den Fall des Berufungswerbers erfassen. Das hier zum Tatvorwurf erhobene Verhalten ist bereits auch vom Gerichts-(verfahren)urteil (hier durch Bestrafung) erfaßt.

Da jedoch der gegenständliche Fall (noch) nicht von der Anlaßfallwirkung erfaßt ist, war die "alte" = "verfassungswidrige" Rechtslage noch anzuwenden. Im Erkenntnis des VfGH wurden lediglich jene Fälle zu "Anlaßfällen" erklärt, welche zum Zeitpunkt des 5. Dezember 1996 bereits bei einem unabhängigen Verwaltungssenat oder dem VwGH anhängig waren. Dies trifft für den gegenständlichen Fall nicht zu.

Zur Strafzumessung:

Um dem hier mit der Anwendung einer objektiv verfassungswidrigen Bestimmung zu treffenden Schuldspruch die geringstmögliche nachteilige Auswirkung für den Berufungswerber zu verleihen, wird die gesetzliche Mindeststrafe verhängt.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. L a n g e d e r

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