Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-530277/2/Bm/Sta

Linz, 08.03.2005

 

 

 VwSen-530277/2/Bm/Sta Linz, am 8. März 2005

DVR.0690392
 

 
 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Michaela Bismaier über die Berufung des A A, E, W, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Kr. vom 28.12.2004, Ge20-99-2004, mit dem Herrn H J S, M, die gewerbebehördliche Genehmigung für die Erweiterung der Betriebsanlage durch die Errichtung und den Betrieb einer weiteren Mehlsiloanlage im Bäckereibetrieb auf Gst. Nr. , KG. M, erteilt wurde, zu Recht erkannt:

 

Aus Anlass der Berufung wird der angefochtene Bescheid aufgehoben; die Angelegenheit wird zur neuerlichen Augenscheinsverhandlung unter Zuziehung des Berufungswerbers und Erlassung eines neuen Bescheides an die Gewerbebehörde I. Instanz zurückverwiesen.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.2 iVm § 67h Abs.1 AVG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Mit oben bezeichnetem Bescheid wurde Herrn H J S die gewerbebehördliche Genehmigung für die Erweiterung der Betriebsanlage durch die Errichtung und den Betrieb einer weiteren Mehlsiloanlage im Bäckereibetrieb im Standort Gst. Nr. , und , KG. M, nach Maßgabe der bei der mündlichen Verhandlung vorgelegenen und als solche gekennzeichneten Projektsunterlagen und des in der mitfolgenden Verhandlungsschrift enthaltenen Befundes, welcher einen ergänzenden Bestandteil des Bescheides bildet, unter Vorschreibung von Auflagen, erteilt.

 

Gegen diesen Bescheid hat das A W binnen offener First Berufung erhoben und in der Berufung im Wesentlichen vorgebracht, dass der Konsenswerber beabsichtige, drei Mehlsiloanlagen im Kellergeschoss der gegenständlichen Betriebsanlage aufzustellen und dieser Raum keinen konstruktiven Explosionsschutz im Sinne des § 20 VEXAT aufweise.

Gemäß § 20 Abs.2 VEXAT seien für Silos oder Bunker, die Schüttgüter enthalten, die staubexplosionsfähige Atmosphären bilden können, jedenfalls Maßnahmen nach Abs.1 Z1 und Z2 zu treffen.

Der Gesetzgeber verlange demnach unabhängig davon, ob organisatorisch oder technisch eine Zündquelle sicher ausgeschlossen werden könne, dass bei Schüttgütern, die eine staubexplosionsfähige Atmosphäre bilden können - Getreidemehle können eine staubexplosionsfähige Atmosphäre bilden - die vorgesehenen Maßnahmen des § 20 Abs.1 Z1 und 2 VEXAT jedenfalls zu treffen seien. Dem zu beurteilenden Projekt sei zu entnehmen, dass weder explosionsfeste Bauweise noch eine Explosionsunterdrückung oder Explosionsdruckentlastung vorgesehen werde. Es sei daher um Ausnahme von der Erfüllung des § 20 VEXAT angesucht worden. Eine Begründung für das Ausnahmebegehren liege nicht vor.

 

Die bescheiderstellende Behörde sei bei ihrer Entscheidung davon ausgegangen, dass nur die Bestimmungen des § 20 Abs.1 VEXAT zum Tragen kommen würden und die vorgesehenen begleitenden Maßnahmen ausreichend seien. Wie bereits oben ausgeführt, sei diese Einschätzung unzulässig und sei entweder eine Ausnahme von § 20 VEXAT notwendig oder sei das Ansuchen wegen Rechtswidrigkeit zurückzuweisen und die Genehmigung zu versagen.

 

Unabhängig von einer Begründung für das Ausnahmebegehren habe der Arbeitgeber Maßnahmen vorzusehen, die zumindest den gleichen Schutz der Arbeitnehmer gewährleisten. Diese Ersatzmaßnahmen und Voraussetzungen für eine Zustimmung für eine Ausnahme sei mit Erlass vom BMWA vom 26.3.2003, Zl. 4661.208/70-III/2/03 iVm Erlass vom 31.7.2004, Zl. BMWA - 461.308/5033-III/2/2004 geregelt. Diese geforderten Ersatzmaßnahmen, insbesondere ein Gutachten einer akkreditierten Stelle, eines Ziviltechnikers oder eines gerichtlich beeideten Sachverständigen einschlägiger Fachrichtung, in dem beschrieben werde, welche geprüfte Abweichungen bzw. wirksame Ausschließung von Zündquellen zugelassen werden können, fehle.

Das Vorliegen dieses Gutachtens sei aber eine Voraussetzung für die Zulassung einer Ausnahme von § 20 VEXAT.

 

Die Genehmigung der Mehlsiloanlage sei daher rechtswidrig erfolgt.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Kr. hat diese Berufung, ohne Widerspruch gemäß § 67h Abs.1 AVG zu erheben, dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich samt bezughabenden Verwaltungsverfahrensakt vorgelegt.

Eine Stellungnahme zu den Berufungsausführungen wurde nicht abgegeben.

 

Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt I. Instanz; da sich aus diesem bereits der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt und bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte eine öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 67d Abs.1 Z1 AVG entfallen.

 

 

Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

Gemäß § 93 Abs.1 ASchG ist eine Arbeitsstättenbewilligung nicht erforderlich für genehmigungspflichtige Betriebsanlagen im Sinne der Gewerbeordnung 1994.

 

Nach Abs.2 leg.cit. sind in den in Abs.1 angeführten Genehmigungsverfahren die Belange des Arbeitnehmerschutzes zu berücksichtigen. Dem jeweiligen Genehmigungsantrag sind die in § 92 Abs.3 genannten Unterlagen anzuschließen. Die genannten Anlagen dürfen nur genehmigt werden, wenn sie den Arbeitnehmerschutzvorschriften entsprechen und zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden geeigneten Bedingungen und Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen für die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer vermieden werden.

 

Nach § 95 Abs.3 AschG kann die zuständige Behörde im Einzellfall auf begründeten Antrag des Arbeitgebers Ausnahmen von den Bestimmungen der in Durchführung des § 6 Abs.4 sowie des 2. bis 4. und 6. Abschnittes erlassenen Verordnungen zulassen, wenn nach den Umständen des Einzelfalles zu erwarten ist, dass die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer auch bei Genehmigung der Ausnahme gewährleistet sind oder dass durch eine andere vom Arbeitgeber vorgesehene Maßnahme zumindest der gleiche Schutz erreicht wird, wie bei Einhaltung der betreffenden Bestimmungen der Verordnung und die Genehmigung dieser Ausnahme nicht gemäß Abs.1 ausgeschlossen ist.

 

§ 20 der Verordnung explosionsfähige Atmosphären - VEXAT lautet:

  1. Können im Inneren von Betriebseinrichtungen (wie Behältern, Silos oder Rohrleitungen), in denen sich explosionsgefährdende Bereiche bilden können, wirksame Zündquellen nicht organisatorisch und technisch sicher ausgeschlossen werden, sind

  1. Maßnahmen zu treffen, die die Auswirkung von Explosionen auf ein für Arbeitnehmer/innen unbedenkliches Maß beschränken (wie insbesondere explosionsfeste Bauweise, Explosionsunterdrückung oder eine Explosionsdruckentlastung ohne Gefährdung der Arbeitnehmer/innen),
  2. erforderlichenfalls mit Maßnahmen zu kombinieren, die die Ausbreitung von Explosionen verhindern (insbesondere Verhindern der Flammen- und Explosionsübertragung auf gefährdete Bauteile oder Bereiche durch explosionstechnische Entkoppelung).

 

  1. Für Silos oder Bunker, die Schüttgüter enthalten, die staubexplosionsfähige Atmosphären bilden können, sind jedenfalls Maßnahmen nach Abs.1 Z1 und 2 zu treffen.

Aus der Formulierung "jedenfalls" in Abs.2 ist zu schließen, dass für Silos grundsätzlich ein konstruktiver Explosionsschutz erforderlich ist, wenn das enthaltene Schüttgut explosionsfähige Atmosphäre bilden kann - unabhängig davon, ob Zündquellen organisatorisch und technisch sicher ausgeschlossen werden können.

Mehlstaub kann in der Regel explosionsfähige Atmosphären bilden, weshalb Mehlsilos ex lege mit konstruktivem Explosionsschutz versehen sein müssen (siehe hiezu auch Erlässe des BMWA vom 26.6.2003, Zl. 4661.208/70-III/2/03 und vom 31.7.2004, Zl. 461.308/5033-II/2/2004).

 

Fest steht, dass in gegenständlicher Angelegenheit eine Mehlsiloanlage, welche einen solchen konstruktiven Explosionsschutz im Sinne des § 20 VEXAT aufweisen muss, zur gewerbebehördlichen Genehmigung beantragt wurde.

Die belangte Behörde hat auf Grund dieses Ansuchens ein Betriebsanlagengenehmigungsverfahren nach § 81 GewO 1994 unter Mitanwendung der Arbeitnehmerschutzvorschriften eingeleitet.

Im Zuge des darüber durchgeführten Ermittlungsverfahrens hat die belangte Behörde jedoch rechtsirrig § 20 Abs.2 VEXAT außer Acht gelassen und keinerlei Erhebungen bzw. Feststellungen darüber getroffen, ob im gegenständlichen Fall Maßnahmen nach § 20 Abs.1 Z1 und 2 getroffen worden sind.

Trotz des Hinweises des Vertreters des A W, dass diese offenbar nicht vorliegen, wurden auch keine weiteren Erhebungen im Sinne des § 95 Abs.3 ASchG durchgeführt und schließlich das Betriebsanlagengenehmigungsverfahren mit Bescheid vom 28.12.2004 ohne Berücksichtigung der Verordnung über den Schutz der Arbeitnehmer/innen vor explosionsfähigen Atmosphären - VEXAT, insbesondere des § 20 dieser Verordnung, abgeschlossen.

 

Die vorliegenden Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens sind nicht geeignet, eine ausreichende Grundlage für die Beantwortung der Frage zu bilden, ob für den Betrieb der gegenständlichen Anlage entsprechende Maßnahmen nach § 20 Abs.1 Z1 und 2 VEXAT getroffen wurden oder ob gegebenenfalls nach Antragstellung des Arbeitgebers im Sinne des § 95 Abs.3 ASchG Ausnahmen von der Verordnung explosionsfähiger Atmosphäre - VEXAT zuzulassen sind.

 

Nach Auffassung des Oö. Verwaltungssenates erscheint zur Vervollständigung der notwendigen Ermittlungsergebnisse als Entscheidungsgrundlage für die Erlassung des Bescheides im Hinblick auf die mitanzuwendenden Arbeitnehmerschutzvorschriften die Durchführung einer mündlichen Augenscheinsverhandlung mit Sachverständigenbeweis betreffend die Erfüllung des § 20 Abs.2 VEXAT - unter Zuziehung des Vertreters des Arbeitsinspektorates - im Sinne des § 66 Abs.2 AVG als unvermeidlich.

Die Behebung des bekämpften Bescheides samt Zurückverweisung zur neuerlichen Entscheidung soll auch dem Konsenswerber die Antragstellung nach § 95 Abs.3 ASchG ermöglichen, sollten sich die Feststellungen des Vertreters des Arbeitsinspektorates, dass ein konstruktiver Explosionsschutz jedenfalls nicht vorhanden ist, als zutreffend erweisen. Hinsichtlich dieses Antrages wird wiederum auf die oben zitierten Erlässe des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit verwiesen, wonach eine Ausnahme vom konstruktiven Explosionsschutz nur gewährt werden darf, wenn durch ein Gutachten einer akkreditierten Stelle, eines Ziviltechnikers oder eines gerichtlich beeideten Sachverständigen einschlägiger Fachrichtung geprüfte Abweichungen zugelassen und nachgewiesen werden. Auch in diesem Fall erscheint eine mündliche Augenscheinsverhandlung zur Erörterung dieses Gutachtens zwischen den Verfahrensparteien erforderlich.

 

Auf Grund der dargestellten Sach- und Rechtslage war wie im Spruch zu entscheiden.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. B i s m a i e r

 
 

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