Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-530293/2/Bm/Sta

Linz, 01.03.2005

VwSen-530293/2/Bm/Sta Linz, am 1. März 2005

DVR.0690392

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Michaela Bismaier über die von Herrn und Frau Dipl.-Vw. H und H O, Frau E U, Herrn F P, Herrn und Frau F und T G, Frau I D, Herrn und Frau H und M W, Herrn und Frau W und E E, Herrn und Frau Dr. H und Dr. M S, sowie von Herrn Dr. M und Frau G L, zugleich mit der Berufung gegen den Genehmigungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 21.12.2004, Ge20-10-20-25-2004, mit welchem über Antrag der Holzindustrie S GmbH, F, die gewerbebehördliche Genehmigung für die Änderung der Sägewerksbetriebsanlage durch Errichtung und Betrieb einer Biomasse-Kraft-Wärme-Kopplungsanlage auf Basis eines Dampfprozesses zur Erzeugung von Wärme und Strom, Gst. Nr. , KG. F, erteilt worden ist, gestellten Anträge gemäß § 78 Abs.1 GewO 1994 auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der gleichzeitig eingebrachten Berufungen zu Recht erkannt:

Den Berufungen gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 21.12.2004, Ge20-10-20-25-2004, betreffend gewerbebehördliche Genehmigung für die Änderung der Sägewerksbetriebsanlage durch Errichtung und Betrieb einer Biomasse-Kraft-Wärme-Kopplungsanlage auf Gst. , KG. F, wird die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 iVm § 67h Abs.1 AVG iVm § 78 Abs.1 GewO 1994.

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 21.12.2004, Ge20-10-20-25-2004, hat die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck über Antrag der Holzindustrie S GmbH, F, die gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung für die Änderung der Sägewerks-Betriebsanlage durch Errichtung und Betrieb einer Biomasse-Kraft-Wärme-Kopplungsanlage unter Vorschreibung von Auflagen erteilt.

Gegen diesen Bescheid haben unter anderem die Nachbarn H und H O, E U, F P, F und T G, I D, H und M W, W und E E, Dr. H und Dr. M S, sowie Dr. M und Frau G L, binnen offener Frist Berufung erhoben. Gleichzeitig mit der Erhebung dieser Berufungen wurde die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung für diese Berufungen beantragt. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, die besondere Situation des Einzelfalles liege im konkreten Fall einerseits in der immensen Größenordnung der gegenständlichen KWK-Anlage, andererseits in dem Umstand begründet, dass entgegen sämtlicher gesetzlicher Vorschriften seitens der erkennenden Behörde die Vorbelastung durch das bereits bestehende Kraftwerk der Konsenswerberin größtenteils außer Acht gelassen worden oder dieses zumindest nur dann einbezogen worden sei, wenn es im Sinne der Konsenswerberin sei. Besonders sei darauf hinzuweisen, dass trotz der gezählten 97 Auflagen eine Gefährdung für die Gesundheit und das Leben der Anrainer bzw. Bevölkerung F geradezu zu erwarten sei, weil die nunmehr genehmigte KWK-Anlage selbst nach den bisher vorliegenden (unvollständigen) Gutachten zumindest bezüglich CO und NO2 absolut an den Grenzwerten der Schadstoffemissionen sei, obwohl die Vorbelastungen diesbezüglich weitestgehend nicht einbezogen worden seien und die gegenständliche KWK-Anlage tatsächlich als getrennt vom dem Sägewerk und dem bestehenden Kraftwerk beurteilt werde. Im Spruch des angefochtenen Bescheides sei offenbar lediglich aus formalen Gründen das Projekt als Änderung der Sägewerksbetriebsanlage bezeichnet. Angesichts des sowohl baulichen (Rohrgutförderungsanlage) als auch betrieblichen Zusammenhanges wäre es der erkennenden Behörde verwehrt gewesen, die gegenständliche KWK-Anlage als Erweiterung eines Sägewerkes zu genehmigen ohne im Einzelnen zu prüfen, ob das beantragte Vorhaben wegen des erwähnten Zusammenhanges grenzwertüberschreitend und daher gesundheitsschädlich und unzumutbar sei. Unter dieser Prämisse hätten allerdings sämtliche durch die bereits bestehende Holzindustrie S verursachten Vorbelastungen an Schadstoffen, Staub, Lärm, Geruchsbelästigung etc. allen Gutachten zu Grunde gelegt werden müssen und wäre diesfalls mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Überschreitung der Grenzwerte von zumindest CO und NO2 evident bzw. geradezu auf der Hand liegend. Tatsächlich sei in den von der erkennenden Behörde zu Grunde gelegten Gutachten die KWK-Anlage isoliert einer Begutachtung unterzogen worden. Beispielsweise wurde die Staubbelastung des bereits bestehenden Kraftwerkes nicht ausreichend berücksichtigt und überhaupt die Schadstoffbelastung im Detail so derartig vermengt, dass eine ausreichende und nachvollziehbare Beurteilung geradezu verhindert worden sei. Die Gutachten seien daher in großen Teilen unschlüssig, unvollständig und untereinander auf Grund der Heranziehung unterschiedlicher Prämissen widersprüchlich und daher als Grundlage für einen Genehmigungsbescheid nicht geeignet. Hervorzuheben sei in Bezug auf die konkrete örtliche geografische Situation auch die Beckenlage des V, welche mit den im meteorologischen Gutachten herangezogenen Werten nicht annähernd vergleichbar sei. Eine oft wochenlange Inversionslage bedinge, dass die ausgestoßenen Schadstoffe keinen Abtransport bzw. Verteilung durch Wind etc. erfahren könnten, sodass die beantragte KWK-Anlage eine zusätzliche Belastung in einem unverantwortbaren und unzumutbaren Ausmaß mit sich bringe. Bedenke man, dass die beantragte Anlage schadstoffbezogen an die Grenzwerte heranreiche und die durch die bereits bestehende Holzindustrie S hervorgerufenen Immissionen dazu zu addieren seien, so bedarf es keiner Diskussion darüber, ob die beantragte KWK-Anlage gesundheitsgefährdend sei oder nicht, dies liege vielmehr auf der Hand. In diesem Zusammenhang werde auf die Ausführungen des Oö. Umweltanwaltes auf Seite 6 der schriftlichen Stellungnahme vom 16.8.2000 verwiesen, aus der sich ergebe, dass der Staubniederschlag in Frankenmarkt mit 104 mg/m2.d wesentlich höher sei, als im gesamten Stadtgebiet Wels, der bei ca. 80 mg/m2.d gelegen sei. Die Intention des Verfassungsgerichtshofes im Erkenntnis G319/01 vom 1.3.2002 sei es gewesen, das Interesse der Nachbarn, mögliche aus der Errichtung oder aus dem Betrieb einer Betriebsanlage resultierenden Gefahren für ihr Leben oder ihre Gesundheit während einem laufenden Berufungsverfahren zu berücksichtigen. Das rechtsstaatliche Gebot nach einem notwendigen Interessensausgleich zwischen Genehmigungs- und Berufungswerber würde bei der gegenständlichen Größenordnung der Anlage gröblich verletzt werden und sofortiger Vollzug faktisch den Sinn einer Berufung ad absurdum führen. Für die Nachbarn wäre damit ein unwiederbringlicher gesundheitlicher Schaden verbunden. Ohne Einholung der mehrmals beantragten Gutachten unter Zugrundelegung der tatsächlich vorliegenden örtlichen Prämissen bezüglich Lärm, Schadstoffe und geografischer/meteorologischer Besonderheit könne eine Beurteilung der Auswirkungen der beantragten Anlage wohl nicht bzw. nur unter Außerachtlassung der faktischen Effizienz des Rechtsschutzes eines jeden Nachbarn erfolgen. Es sei daher dringend geboten, den gegenständlichen Berufungen aufschiebende Wirkung im Sinne der §§ 78 Abs.1 GewO 1994 zuzuerkennen.

Die belangte Behörde hat die Berufungen gemeinsam mit den Anträgen auf aufschiebende Wirkung und dem bezughabenden Verfahrensakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat für Oberösterreich am 23.2.2005 vorgelegt und keinen Widerspruch im Grunde des § 67h Abs.1 AVG erhoben. Von der belangten Behörde wurde auch eine Gegenäußerung zum Berufungsvorbringen nicht erstattet.

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Gemäß § 78 Abs.1 GewO 1994 dürfen Anlagen oder Teile von Anlagen vor Eintritt der Rechtskraft des Genehmigungsbescheides errichtet oder betrieben werden, wenn dessen Auflagen bei der Errichtung und beim Betrieb der Anlage eingehalten werden. Dieses Recht endet mit der Erlassung des Bescheides über die Berufung gegen den Genehmigungsbescheid, spätestens jedoch 3 Jahre nach der Zustellung des Genehmigungsbescheides an den Genehmigungswerber. Die zur Entscheidung berufene Behörde hat die Inanspruchnahme dieses Rechtes auszuschließen, wenn der Begründung der Berufung zu entnehmen ist, dass auf Grund der besonderen Situation des Einzelfalles trotz Einhaltung der Auflagen des angefochtenen Bescheides eine Gefährdung des Lebens und der Gesundheit zu erwarten ist.

Im gegenständlichen Fall liegt ein Genehmigungsbescheid im Sinne des § 78 Abs.1 GewO 1994 vor, mit welchem von der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck die gewerbebehördliche Betriebsanlagenänderungsgenehmigung für das von der Holzindustrie S GmbH beantragte Vorhaben erteilt worden ist. Im Sinne der zitierten Gesetzesbestimmung darf diese Anlage somit trotz erhobener Berufung errichtet und betrieben werden, wenn die Auflagen des Bescheides bei der Errichtung und beim Betrieb der Anlage eingehalten werden, sofern nicht die zur Entscheidung berufene Behörde (in gegenständlicher Angelegenheit der Oö. Verwaltungssenat) die Inanspruchnahme dieses Rechtes ausschließt.

In der gegen den Bescheid eingebrachten Berufung bringen die Berufungswerber zwar vor, dass eine Gefährdung der Gesundheit durch den Betrieb der Biomasse-Kraft-Wärme-Kopplungsanlage zu erwarten ist, bei der Formulierung ihres gleichzeitig gestellten Antrages im Grunde des § 78 GewO 1994 übersehen die Berufungswerber jedoch, dass § 78 Abs.1 leg.cit. ein Antragsrecht der Nachbarn nicht vorsieht. Schon aus diesem Grunde kann dem Antrag der Berufungswerber alleine für sich zulässigerweise nicht stattgegeben werden.

Der Unabhängige Verwaltungssenat kommt jedoch auch auf Grund des vorliegenden Akteninhaltes nicht zum Ergebnis, dass auf Grund der besonderen Situation des Einzelfalles trotz Einhaltung der Auflagen des angefochtenen Bescheides eine Gefährdung des Lebens und der Gesundheit zu erwarten ist. Die Errichtung einer Biomasse-Kraft-Wärme-Kopplungsanlage stellt keine derartige besondere Situation bzw. Einzelfall dar, die schon aus diesem Grund eine Gesundheitsgefährdung besorgen lässt; stellt doch der Oö. Umweltanwalt im Zuge der mündlichen Verhandlung fest, dass das geplante Biomasse-Heizkraftwerk aus Sicht des Umweltschutzes grundsätzlich zu begrüßen ist und dabei auch zu bedenken ist, dass durch die neue Kesselanlage ein bestehender Kessel (Anmerkung: möglicherweise nicht mehr dem Stand der Technik entsprechender) zumindestens teilweise substituiert wird.

Die Berufungswerber stützen ihre Anträge auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung im Wesentlichen auf das im Zuge des Ermittlungsverfahrens eingeholte luftreinhaltetechnische Gutachten und auf das diesem zu Grunde liegende meteorologische Gutachten der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik vom Dezember 2003 samt Ergänzungen und bemängeln unter Hinweis auf die Stellungnahme des Umweltanwaltes, dass diese Gutachten von falschen Prämissen ausgehen würden und damit eine unrichtige Beurteilung der zu erwartenden Emissionen von Luftschadstoffen erfolge.

Vom Umweltanwalt wurde aber in seiner Stellungnahme ebenso darauf hingewiesen, dass die geplante Kesselanlage grundsätzlich hinsichtlich der Begrenzung der Emissionen von Luftschadstoffen dem Stand der Technik entspricht, wenngleich darauf hingewiesen wird, dass grundsätzlich durch Einsatz anderer Technologien wesentlich niedrigere Emissionswerte - die allerdings über den Stand der Technik hinausgehen - erreicht werden können. Wenn vom Oö. Umweltanwalt auch vorgebracht wird, dass die im umweltmeteorologischen Gutachten der ZAMG, Wien, getroffene Annahme hinsichtlich der Vor-, Zusatz- und zu erwartenden Gesamtbelastung auf Grund der verwendeten Methodik als relativ unsicher anzusehen ist, hatte er jedoch in diesem Zusammenhang auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Beseitigung dieser Unsicherheiten keineswegs ein anderes Ergebnis der umweltmeteorologischen Beurteilung zufolge haben muss.

Schon gar nicht kann daraus von vornherein eine über die unzumutbare Belästigung hinausgehende Gefährdung des Lebens und der Gesundheit von Anrainern - und nur diese berechtigt zur Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung - geschlossen werden.

Zudem wurden die vom Umweltanwalt bemängelten fehlenden Immissionsmessungen am Standort F im ergänzenden Gutachten vom 14.9.2004 berücksichtigt und bleiben nach diesem Gutachten (in die auch die von der bestehenden Anlage verursachte Vorbelastung Eingang gefunden haben muss) auch bei Berücksichtigung der meteorologischen Messreihe der Station Frankenmarkt die Ergebnisse der Maximalabschätzung aufrecht.

Im vorliegenden Fall wurde von der Erstbehörde ein umfangreiches Ermittlungsverfahren durch Einholung eines lärmtechnischen, maschinenbautechnischen, energietechnischen, luftreinhaltetechnischen Gutachtens und - basierend auf diesen Gutachten - eines medizinischen Gutachtens durchgeführt und als Entscheidungsgrundlage herangezogen.

Es ist den Berufungswerbern insofern zuzustimmen, als die zur Verfügung stehende Zeit für die Abgabe der Stellungnahme zu diesen Gutachten relativ knapp bemessen war, doch wird dies im Berufungsverfahren zu sanieren und die vorgebrachten Einwendungen zu berücksichtigen sein. Die eingeholten Gutachten lassen jedenfalls nicht den Schluss zu, dass auf Grund der besonderen Situation des Einzelfalles trotz Einhaltung der Auflagen des angefochtenen Bescheides eine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit zu erwarten ist.

Abschließend wird jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass mit dem Recht, die Anlage schon vor Eintritt der Rechtskraft des Genehmigungsbescheides errichten und betreiben zu können, für die Konsenswerberin auch das Risiko eventueller Bescheidabänderungen im Zuge des Berufungsverfahrens verbunden ist.

Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang auch wohl die im Berufungsverfahren zu klärende Frage des Anwendungsbereiches des Oö. ElWOG für das gegenständliche Vorhaben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Mag. B i s m a i e r

Beachte: 

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde eingestellt.

VwGH vom 14.09.2005, Zl.: 2005/04/0081-10

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