Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-530352/2/Re/Hu

Linz, 12.09.2005

 

 

 

VwSen-530352/2/Re/Hu Linz, am 12. September 2005

DVR.0690392

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Werner Reichenberger über die Berufung des A L, T, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 19. Juli 2005, Zl. Ge20-28-2005, betreffend die Vorschreibung zusätzlicher Auflagen gemäß § 79 Abs.1 GewO 1994 zu Recht erkannt:

 

Der bekämpfte Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Freistadt

vom 19. Juli 2005, Ge20-28-2005, wird behoben.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4, 67a Abs.1, 67d Abs.1 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 idgF (AVG);

§§ 356 Abs.1 und 79 Abs.1 der Gewerbeordnung 1994 idgF (GewO 1994).

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat mit dem Bescheid vom 19. Juli 2005 gegenüber Herrn A L, M, T, als Konsensinhaber des Gastbetriebes "B" in T, Grundstück Nr. und , der KG T, drei zusätzliche Auflagen mit nachstehendem Inhalt vorgeschrieben:

 

  1. Die Hauptstiegenanlage vom Gastraum im Erdgeschoss in die Kellerbar ist so zu ändern, dass die maximale Steigungshöhe 18 cm und die Auftrittsbreite mindestens 28 cm beträgt.
  2. Ein Notausgang von der Kellerbar ins Freie ist zusätzlich zur vorhandenen Hauptstiege nach dem Stand der Technik zu errichten und eine diesbezügliche gewerbebehördliche Genehmigung zu erwirken.
  3. Bis zur Umsetzung der Auflagenpunkte 1 und 2 ist der Betrieb der Kellerbar einzustellen.

 

Dies im Wesentlichen mit der Begründung, der betroffene Teil der Anlage sei mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 28. März 1972, Ge-215-1972, erfasst worden. Bereits bei der damaligen mündlichen Verhandlung sei laut Verhandlungsschrift vom 21. März 1972 auf die "relativ steile Treppe" hingewiesen worden. Im Rahmen einer gewerbebehördlichen Überprüfung am 14. April 2005 habe der gewerbetechnische Amtssachverständige festgestellt, dass das zulässige Steigungsverhältnis derartiger Stiegen nach der derzeit geltenden Norm bei weitem überschritten sei. Die Stiegenanlage entspreche nicht den Anforderungen an eine Hauptstiege bzw. an einen Fluchtweg. Der an der Südwestseite errichtete Notausgang in Form eines Stiegenaufganges ins Freie verfüge nicht über eine gewerbebehördliche Bewilligung. Er entspreche auch nicht den Anforderungen an einen Fluchtweg. Das Steigungsverhältnis sei zu steil und die Wendelung zu eng. Im Zuge des Fluchtweges befänden sich Stolperstufen und Durchgangshöhen von weniger als 2 m, außerdem fehle eine Notbeleuchtungsanlage. Der Betrieb der Kellerbar sei sicherheitstechnisch nur bei Vorhandensein eines Notausganges vertretbar. Im Falle eines Brandereignisses sei für die Gäste in der Bar keinerlei Fluchtmöglichkeit vorhanden. Ein zusätzlicher Notausgang sei unbedingt notwendig. Die Hauptzugangsstiege sei aufgrund ihrer Steilheit mit einem erhöhten Unfallsrisiko verbunden. Auch vom Arbeitsinspektorat sei der Hauptstiegenabgang zur Kellerbar und der Notausgang als nicht der Arbeitsstättenverordnung entsprechend kritisiert worden. Da Gefahren für Leib und Leben von Personen höher einzustufen seien als wirtschaftliche Interessen im Rahmen eines Betriebes, sei die vom § 79 Abs.1 GewO 1994 geforderte Verhältnismäßigkeit jedenfalls gegeben.

 

Gegen diesen Bescheid hat Herr A L mit Eingabe vom 2. August 2005 innerhalb offener Frist Berufung erhoben. Er bringt darin im Wesentlichen vor, die Kellerbar sei 1971 erweitert und im Zuge dessen auch gewerberechtlich genehmigt worden. Bei Umbauarbeiten 1997 sei das Heizhaus in die Kellerbar verlegt worden. Es habe vom damaligen Bausachverständigen den Ratschlag gegeben, einen Stiegenaufgang zu errichten. Dieser entspreche aus Platzgründen nicht den Vorschriften eines Notausganges, habe jedoch trotzdem eine Verbesserung der Situation dargestellt. Der Gastbereich in der Kellerbar habe sich dadurch verringert. Weitere Beanstandungen laut Verhandlungsschrift vom 19. August 2004 seien erledigt worden. Dies habe auch finanziellen Aufwand bedeutet. Für die S OEG wäre es nicht rentabel, das Lokal ohne Kellerbar zu führen.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat diese gegenständliche Berufung vom 2. August 2005 gemeinsam mit dem bezughabenden Verfahrensakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt und keinen Widerspruch im Grunde des § 67h AVG erhoben. Im Rahmen der Berufungsvorlage wurde von der belangten Behörde darauf hingewiesen, dass laut einem Schreiben der L GmbH vom 26. August 2005 Konsensinhaberin der gegenständlichen Betriebsanlage die L GmbH, N, T, sei. Der bekämpfte Bescheid vom 19. Juli 2005 sei jedoch gegenüber Herrn A L, M, T, ausgestellt und diesem persönlich zugestellt worden.

 

Aus § 67a Abs.1 AVG ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates durch ein Einzelmitglied für die gegenständliche Angelegenheit.

 

Im Grunde des § 67d Abs.1 AVG konnte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung entfallen.

 

Erwägungen des Unabhängigen Verwaltungssenates:

 

Dem vorgelegten Verfahrensakt ist zu entnehmen, dass die Genehmigung für die gegenständliche gastgewerbliche Betriebsanlage in Bezug auf Tanzsaal und Kellerbar mit Bescheid vom 28. März 1972, ausgestellt für Herrn A L, erteilt wurde.

 

Mit Bescheid vom 21. Februar 1994 wurde über Antrag des Herrn A L die Errichtung eines Tanzcafes (Einbau in den bestehenden Gasthof) als Änderung der Betriebsanlage gewerbebehördlich genehmigt.

 

Ein am 24. April 1995 ergangener Bescheid gemäß § 79 GewO 1994, betreffend die Vorschreibung zusätzlicher Auflagen in Bezug auf die Musikanlage, erging ebenfalls an Herrn A L, M, T.

 

Erstmals mit Eingabe vom 2. Februar 2000 tritt die S OEG als Antragstellerin in Bezug auf die gegenständliche gastgewerbliche Betriebsanlage auf und ersucht um Genehmigung für einen neu geplanten Fluchtweg, unterzeichnet vom gewerberechtlichen Geschäftsführer A L. Als solcher tritt er auch im Rahmen der Überprüfung der Betriebsanlage in Bezug auf Fluchtwegsituation am 31. Jänner 2000 an Ort und Stelle auf und wurde daher mit Bescheid vom 16. Februar 2000, Ge20-4-2000, der S OEG die Änderungsgenehmigung durch Errichtung eines Notausganges gemäß § 359b GewO 1994 erteilt.

 

Eine Verfahrensanordnung gemäß § 360 Abs.1 Z3 GewO 1994 wiederum erging persönlich an Herrn A L, ebenso wie der Genehmigungsbescheid vom 20. August 2004, Ge20-41-2004, betreffend die gewerbebehördliche Genehmigung für die Änderung durch Erhöhung der Personenzahl im Gastbetrieb "B" von 120 auf 230, obwohl im Briefkopf der zugrunde gelegenen Antragstellung die L GmbH, Tragwein, N, aufscheint.

 

In der Niederschrift vom 14. April 2005 wiederum wird A L als Genehmigungsinhaber angeführt und unterfertigt dieser auch die Stellungnahme des Konsensinhabers, dies im Zusammenhang mit einer Überprüfung der gegenständlichen gewerblichen Betriebsanlage.

 

Die Berufung gegen den nunmehr bekämpften Bescheid trägt im Briefkopf die L GmbH und wird unterfertigt von A L als natürliche - und nicht als Vertreter einer juristischen - Person. Als Betreiberin wird darin die S OEG angeführt.

 

Eine ergänzende Anfrage der belangten Behörde an den Berufungswerber ergibt, dass dieser ausdrücklich die L GmbH als aktuelle Konsensinhaberin bekannt gibt.

 

Gemäß § 79 Abs. 1 GewO 1994 hat die Behörde, wenn sich nach Genehmigung der Anlage ergibt, dass die gemäß § 74 Abs. 2 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind, die nach dem Stand der Technik und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zur Erreichung dieses Schutzes erforderlichen anderen oder zusätzlichen Auflagen (§ 77 Abs. 1) vorzuschreiben... .

 

Die Behörde hat solche Auflagen nicht vorzuschreiben, wenn sie unverhältnismäßig sind, vor allem, wenn der mit der Erfüllung der Auflagen verbundene Aufwand außer Verhältnis zu dem mit den Auflagen angestrebten Erfolg steht. Dabei sind insbesondere Art, Menge und Gefährlichkeit der von der Anlage ausgehenden Emissionen und der von ihr verursachten Immissionen sowie die Nutzungsdauer und die technischen Besonderheiten der Anlage zu berücksichtigen.

 

Gemäß § 80 Abs.5 GewO 1994 wird die Wirksamkeit der Genehmigung durch einen Wechsel in der Person des Inhabers der Anlage nicht berührt.

 

Insbesondere unter Bezugnahme auf die zuletzt zitierte Bestimmung des § 80 Abs.5 GewO 1994 ist auf die darin verankerte dingliche Wirkung einer Betriebsanlagengenehmigung hinzuweisen und erstreckt sich diese nicht nur auf den Bescheid betreffend die Genehmigung bzw. die Änderung der Betriebsanlage und die darin vorgeschriebenen Auflagen, sondern auch auf z.B. nach § 79 GewO 1994 vorgeschriebene Maßnahmen.

Diese sogenannte dingliche Wirkung einer Betriebsanlagengenehmigung bewirkt weiters, dass von einer einmal erteilten Genehmigung jeder neue Inhaber Gebrauch machen kann, er also keiner neuerlichen Anlagengenehmigung bedarf. Umgekehrt obliegt dem neuen Inhaber die Erfüllung bzw. Einhaltung aller dem Vorgänger vorgeschriebenen Auflagen, ohne dass es hiezu eines neuen und gesonderten Auftrages der Gewerbebehörde bedürfte.

 

Nach der aktuellen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes darf eine Auflage im Sinne des § 77 Abs.1 und § 79 der Gewerbeordnung nur gegen den Inhaber einer Betriebsanlage normativ wirken. Das Wesen von Auflagen besteht darin, dass die Verwaltungsbehörde in einen dem Hauptinhalt nach begünstigenden Bescheid belastende Gebote oder Verbote als Nebenbestimmungen aufnimmt, mit denen der Inhaber des Rechtes für den Fall der Gebrauchnahme zu einem bestimmten im Wege der Vollstreckung erzwingbaren Tun oder Unterlassen verpflichtet wird. Es handelt sich somit um "bedingte Polizeibefehle", die erst dann wirksam werden, wenn der Bewilligungswerber von der ihm erteilten Bewilligung Gebrauch macht. Erst im Falle der Gebrauchnahme werden die Auflagen zu unbedingten Aufträgen.

 

Aus dieser Judikatur ist abzuleiten, dass Auflagen im Sinne des § 79 GewO 1994 nur als an den Inhaber einer Betriebsanlage gerichtete normative Aussprüche ergehen dürfen, da sie von diesem bei Gebrauchnahme der Betriebsanlagengenehmigung einzuhalten bzw. zu erfüllen sind.

 

Im gegenständlichen Fall wird in der Berufung des Bescheidadressaten, Herrn A L, ausdrücklich behauptet und von der belangten Behörde im Vorlagebericht vom 29. August 2005 bestätigt, dass Konsensinhaberin der gegenständlichen Betriebsanlage die L GmbH, N, T, sei. Aus den Berufungsausführungen, welche zwar den Briefkopf der L GmbH tragen, jedoch von Herrn A L persönlich (nicht firmenmäßig) unterfertigt sind, ist abzuleiten, dass das Lokal weder von A L noch von der L GmbH, sondern von der S OEG betrieben wird. (arg.: "Für die S OEG wäre es wahrscheinlich nicht mehr rentabel, ohne Kellerbar das Lokal zu führen, da die Fixkosten gleich bleiben.")

 

Der bekämpfte Bescheid richtet sich somit weder an Konsensinhaber noch an Betreiber, somit nicht an den Inhaber des gegenständlichen Lokales, weshalb er bereits aus diesem Grunde zu beheben war.

 

Aus verfahrensökonomischen Gründen ist darauf hinzuweisen, dass vor einem weiteren behördlichen Vorgehen in Bezug auf die gegenständliche gastgewerbliche Betriebsanlage zunächst der tatsächliche derzeitige Inhaber derselben (und zwar nach der Judikatur des VwGH im Licht des § 309 ABGB) festzustellen und in der Folge zu berücksichtigen sein wird, dass es sich beim angesprochenen Notausgang um einen Anlagenteil handelt, welcher gewerbebehördlich nicht genehmigt ist, gegenüber einem solchen - nicht genehmigten - Anlagenteil die Vorschreibung von Auflagen nach § 79 GewO 1994 aber nicht möglich ist. Weiters ist eine Betriebseinstellung einer Anlage im Grunde des § 79 GewO 1994 nicht durchsetzbar, sondern wäre im Falle der weiteren, durch Sachverständigengutachten begründeten Sorge um Leib oder Leben von Personen (Arbeitnehmer, Gäste etc.) das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Verfahren nach § 360 GewO 1994 zu prüfen.

 

Aufgrund der dargestellten Sach- und Rechtslage war wie im Spruch zu entscheiden.

 

Der Berufungswerber, welcher offensichtlich auch als gewerberechtlicher Geschäftsführer für die S OEG auftritt, wird an dieser Stelle ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Ergebnis dieses Verfahrens ausschließlich formalrechtlich begründet ist, aus dem Akteninhalt jedoch unschwer erkennbar ist, dass für einen allenfalls beabsichtigten weiteren Betrieb insbesondere der gegenständlichen Kellerbar Maßnahmen ehestmöglich durchzuführen sein werden.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Bei diesem Verfahren sind Stempelgebühren in der Höhe von 13 Euro angefallen.

 

 

Dr. Reichenberger

 

Beschlagwortung:

§ 79 Abs. GewO; Inhaber der Betriebsanlage;

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