Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-530378/2/Re/Sta

Linz, 27.10.2005

 

 

 

VwSen-530378/2/Re/Sta Linz, am 27. Oktober 2005

DVR.0690392

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Werner Reichenberger über die Berufung des R L, P, D, vom 5. Oktober 2005, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Kr. vom 12. September 2005, Ge20-102-2003, betreffend die Verfügung von Zwangsmaßnahmen gemäß § 360 Abs.1 GewO 1994, zu Recht erkannt:

 

Anlässlich der Berufung wird der bekämpfte Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Kr. vom 12. September 2005, Ge20-102-2003, behoben.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4, 67a Abs.1 und 67d Abs.2 Z1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 idgF (AVG) und §§ 359a und 360 Abs.1 der Gewerbeordnung 1994 idgF (GewO 1994).

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Mit dem bekämpften Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Kr. vom 12. September 2005, Ge20-102-2003, hat die belangte Behörde gegenüber R L, P, ausgesprochen, dass die gewerbebehördlich genehmigungspflichtige, jedoch ohne erforderliche gewerbebehördliche Genehmigung betriebene Dachdeckerei- und Spenglereibetriebsanlage auf dem Gst. Nr. der KG. U, Standort D, in der Marktgemeinde P, im Grunde des § 360 Abs.1 GewO 1994 geschlossen wird. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, der belangten Behörde sei mit Schreiben der Marktgemeinde P vom 17. September 2003 zur Kenntnis gebracht worden, dass der Berufungswerber am Standort D in P einen Dachdeckerei- und Spenglereibetrieb betreibe. Auf Grund der angeschlossenen Fotos sei davon auszugehen gewesen, dass die Betriebsanlage ohne die erforderliche gewerbebehördliche Genehmigung betrieben werde und somit eine Übertretung gemäß § 366 Abs.1 Z2 GewO vorliege. Bei einer Betriebsanlage in Form einer Dachdeckerei und Spenglerei sei auf Grund der darin verwendeten Geräte bzw. der ausgeübten Tätigkeiten davon auszugehen, dass Nachbarn durch Lärm beeinträchtigt werden könnten, womit eine Genehmigungspflicht im Sinne des § 74 Abs.2 begründet würde. Mit Schreiben vom 9. März 2005 und mit Verfahrensanordnung vom 19. April 2005 sei der Berufungswerber aufgefordert worden, um entsprechende gewerbebehördliche Genehmigung unter Fristsetzung anzusuchen und so einen der Rechtsordnung angemessenen Zustand herzustellen. Dieser Aufforderung sei der Berufungswerber bis dato nicht nachgekommen, weshalb bescheidgemäß zu entscheiden gewesen sei.

 

Gegen diesen Bescheid hat Herr R L als Verpflichteter mit Schreiben vom 5. Oktober 2005, der Post zur Beförderung übergeben am selben Tag und somit innerhalb offener Frist Berufung erhoben. Darin bringt er im Wesentlichen vor, er habe auf Grund der Probleme im momentanen Standort reagiert und ein Grundstück im Gewerbegebiet von P erworben, um sein Gewerbe im Laufe des kommenden Jahres dorthin verlagern zu können. Am 28. Oktober 2005 stehe bereits ein Termin für die Bauverhandlung fest, und zwar für den Bau einer Halle auf dem erworbenen Grundstück. Er beschäftige zwei Angestellte und zwei freiberuflich arbeitende Mitarbeiter, die auf Grund der Schließung ohne Beschäftigung wären. Er benötige zur Verwirklichung dieses Vorhabens finanzielle Mittel, die er bei Schließung des Betriebes nicht aufbringen könne, da die Auftragslage derzeit gut sei und im Winter er zwangsläufig zur vorübergehenden Einstellung der Tätigkeit gezwungen sei. Er ersuche daher, die Schließung des Betriebes zum momentanen Zeitpunkt nicht zu bewirken.

 

Diese Berufung wurde von der belangten Behörde zuständigkeitshalber dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Berufungsentscheidung vorgelegt.

 

Eine Äußerung zum Berufungsvorbringen wurde von der belangten Behörde nicht vorgebracht.

 

Ein Widerspruch im Grunde des § 67h Abs.1 AVG wurde nicht erhoben.

 

Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates ergibt sich aus § 359a GewO 1994.

 

Im Grunde des § 67d Abs.2 Z1 AVG konnte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung entfallen, da der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

 

Erwägungen des Unabhängigen Verwaltungssenates:

 

Der belangten Behörde wurde mit Schreiben der Standortgemeinde P vom 17. September 2003 mitgeteilt, dass bekannt sei, dass der Berufungswerber in der Halle des ehemaligen Sägewerkes einen Dachdeckerei- und Spenglereibetrieb ausübe. Es seien verschiedene Maschinen zur Metallbearbeitung aufgestellt und würden auch mit Flex, Schweißbrenner und Schweißgerät Arbeiten durchgeführt. Fotoaufnahmen des Gebäudes und der aufgestellten Maschinen waren dieser Anzeige angeschlossen. Auf den Fotoaufnahmen ist auch eine äußere Geschäftsbezeichnung sichtbar angebracht.

 

Die belangte Behörde hat den nunmehrigen Berufungswerber bereits mit Schreiben vom 25. September 2003 aufgefordert, um Erteilung der Betriebsanlagengenehmigung anzusuchen. Eine baubehördliche Bewilligung wurde mit Bescheid der Marktgemeinde P vom 20. Jänner 1976 für die Errichtung einer Sägehalle mit Wohntrakt erteilt.

 

Mit Schreiben vom 9. März 2004 wurde der Berufungswerber neuerlich aufgefordert, um die erforderliche gewerbebehördliche Genehmigung anzusuchen. Auch im Rahmen einer Vorsprache bei der belangten Behörde wurde dem Berufungswerber die Genehmigungspflicht mitgeteilt und wurden ihm auch Antragsformulare übergeben. Auch mit Schreiben vom 9. März 2005 wurde er zur Antragstellung aufgefordert. Schließlich erging mit Erledigung vom 19. April 2005 eine Verfahrensanordnung gemäß § 360 Abs.1 GewO 1994, womit der Berufungswerber aufgefordert wurde, für den am Standort D konsenslos betriebenen Dachdeckerei- und Spenglereibetrieb innerhalb Frist um die Erteilung der gewerbebehördlichen Genehmigung unter Anschluss von Projektsunterlagen anzusuchen, dies ohne weitere Begründung.

 

Mit Strafverfügung vom 21. April 2005 wurde über den Berufungswerber wegen des Betriebes dieser Anlage ohne Betriebsanlagengenehmigung eine Geldstrafe verhängt. Schließlich wurde mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom 12. September 2005 die ohne erforderliche gewerbebehördliche Genehmigung betriebene Dachdeckerei- und Spenglereibetriebsanlage auf dem Gst. Nr. der KG. U, geschlossen.

Gemäß § 360 Abs. 1 GewO 1994 hat die Behörde, wenn der Verdacht einer Übertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z. 1, 2 oder 3 besteht, unabhängig von der Einleitung eines Strafverfahrens, den Gewerbeausübenden bzw. den Anlageninhaber mit Verfahrensanordnung zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes innerhalb einer angemessen, von der Behörde zu bestimmenden Frist aufzufordern; eine solche Aufforderung hat auch dann zu ergehen, wenn der Verdacht einer Übertretung gemäß § 367 Z. 25 besteht und nicht bereits ein einschlägiges Verfahren gemäß § 78 Abs. 2, § 79 c Abs. 4 oder § 82 Abs. 3 anhängig ist. Kommt der Gewerbeausübende bzw. der Anlageninhaber dieser Aufforderung innerhalb der gesetzten Frist nicht nach, so hat die Behörde mit Bescheid die zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes jeweils notwendigen Maßnahmen, wie die Stilllegung von Maschinen oder die Schließung von Teilen des Betriebes oder die Schließung des gesamten Betriebes, zu verfügen.

 

Als allgemeine Voraussetzung für ein Vorgehen nach § 360 der GewO 1994 führt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur für die Verfügung von Maßnahmen die tatsächliche Ausübung der Tätigkeit bzw. den tatsächlichen Betrieb der Betriebsanlage an. Der normative Inhalt des § 360 Abs.1 leg.cit. setzt für die Anordnung jeweils notwendiger Maßnahmen das weiterhin gegebene Nichtvorliegen eines der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes voraus (VwGH 20.1.1987, 86/04/0139).

Dabei darf die Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes durch jeweils notwendige Maßnahmen lediglich der contrarius actus zu jenen Zuwiderhandlungen sein, hinsichtlich der der Verdacht einer Verwaltungsübertretung besteht.

 

Die in § 360 Abs.1 GewO 1994 geregelte Ermächtigung zur Verfügung einstweiliger Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen hat zur Voraussetzung, dass eine solche Maßnahme erst nach einer entsprechenden Aufforderung (Verfahrensanordnung zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes....) gesetzt werden darf. Das Fehlen dieser Voraussetzung - nämlich einer Aufforderung im Sinne des Gesetzes - bewirkt, dass die Maßnahme als mit dem Mangel eines gesetzlichen Erfordernis behaftet, unzulässig ist.

 

Im Sinne der zitierten Gesetzesbestimmung ist zwischen dem vom Anlageninhaber zu setzenden Verhalten und den von der Behörde zu verfügenden Maßnahmen zu unterscheiden. Sache des Anlageninhabers ist es, den der Rechtsordnung entsprechenden Zustand herzustellen und zwar auf die von ihm zu wählende Art und Weise, dh., mit den von ihm zu wählenden Maßnahmen. Tut er dies innerhalb der festgesetzten Frist nicht, so hat die Behörde die zur Erreichung des Sollzustandes notwendigen Maßnahmen zu verfügen. In der Verfahrensanordnung ist somit der Sollzustand so hinreichend konkret zu beschreiben, dass kein Zweifel daran bestehen kann, welches Ergebnis der Anlageninhaber innerhalb der gesetzten Frist zu bewirken hat (VwGH 16.7.1996, 96/04/0062).

 

Dies ist im vorliegenden Fall nicht geschehen. Insbesondere auf Grund der der verfahrenseinleitenden Anzeige angeschlossenen Fotodokumentationen ist davon auszugehen, dass im gegenständlichen Fall tatsächlich Nachbarn im Nahebereich der Anlage existieren und dass es sich bei der Einrichtung und beim Betrieb dieser Anlage tatsächlich um eine genehmigungspflichtige Anlage handelt. Der nicht der Rechtsordnung entsprechende Zustand findet sich somit in der Einrichtung des gegenständlichen Betriebes durch Aufstellung von Maschinen etc. und durch den Betrieb derselben. Die Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes im Sinne des § 360 Abs.1 GewO 1994 kann daher nur durch Außerbetriebnahme von Maschinen bzw. durch Schließung der Anlage erfolgen. In der im gegenständlichen Verfahren jedoch ergangenen Verfahrensanordnung vom 19. April 2005, Ge20-102-2003, wurde dem Berufungswerber aufgetragen, "für den am Standort D konsenslos betriebenen Dachdeckerei- und Spenglereibetrieb bis spätestens 30. Mai 2005 um die Erteilung der gewerbebehördlichen Genehmigung bei der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Kr. unter Anschluss der erforderlichen Projektsunterlagen in 4-facher Ausfertigung anzusuchen."

 

Diese Verfahrensanordnung ist jedoch nicht geeignet, den obigen Anforderungen der Judikatur zu entsprechen, fordert sie den Anlageninhaber doch nur auf, ein entsprechendes Ansuchen zu stellen. Mit Einbringen eines Ansuchen alleine kann jedoch nicht der der Rechtsordnung entsprechende Zustand im Sinne des § 360 Abs.1 GewO 1994 hergestellt werden. Liegt somit zu diesem Zeitpunkt noch keine gewerberechtliche Betriebsanlagengenehmigung vor, darf daher die Anlage, unabhängig davon, ob bereits ein Ansuchen eingebracht worden ist oder nicht, noch nicht betrieben werden.

 

Die Verpflichtung zur Antragstellung kann daher auch nicht rechtskonform den "contrarius actus" zum vorliegenden, nicht der Rechtsordnung entsprechenden Zustand darstellen, sondern kann dies nur durch Aufforderung zur Außerbetriebnahme bzw. Schließung der nicht genehmigten Anlage oder Anlagenteile erfolgen.

 

Da somit dem bekämpften Bescheid eine nicht dem § 360 Abs.1 GewO 1994 vollständig entsprechende Verfahrensanordnung zu Grunde liegt, kann darauf aufbauend ein rechtskonformer Bescheid betreffend Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen nach § 360 Abs.1 GewO 1994 nicht gestützt werden, weshalb insgesamt auf Grund der dargestellten Sach- und Rechtslage wie im Spruch zu entscheiden war.

 

Der Berufungswerber wird an dieser Stelle ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Behebung des angefochtenen Bescheides ausschließlich aus formellen Gründen zu erfolgen hatte und den Betrieb der verfahrensgegenständlichen Anlage in keiner Weise legalisiert. Die in der Berufung angesprochene Tatsache, dass Ende Oktober ein Termin für eine Bauverhandlung feststehe (unabhängig davon, ob nicht klar ist, ob es sich um die baurechtliche Bauverhandlung oder allenfalls auch um die gewerbebehördliche Genehmigungsverhandlung handelt) kann bis zur bescheidmäßigen Erteilung der erforderlichen gewerberechtlichen Betriebsanlagengenehmigung den Betrieb der konsenslos betriebenen Anlage nicht rechtfertigen und stellt daher dieser Betrieb auch weiterhin einen nicht der Rechtsordnung entsprechenden und somit verwaltungsstrafrechtlich relevanten Zustand dar.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

  1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.
  2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in der Höhe von 13 Euro angefallen.

 

 

Dr. Reichenberger

 

 

Beschlagwortung:

§ 360 Abs.1 GewO; Verfahrensanordnung; Contrarius actus;

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum