Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-550053/5/Kl/Rd

Linz, 08.02.2002

VwSen-550053/5/Kl/Rd Linz, am 8. Februar 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 8. Kammer (Vorsitzender: Dr. Linkesch, Berichterin: Dr. Klempt, Beisitzer: Dr. Leitgeb) über die Berufung der T, vertreten durch Rechtsanwälte, gegen den Bescheid der Oö. Landesregierung vom 15.1.2002, Fin-090.882/6-2002-Schü/Spr, wegen Zurückweisung eines Antrages auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens nach dem Oö. Vergabegesetz zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 58, 59 und 61 Oö. Vergabegesetz, LGBl.Nr. 59/1994 idF LGBl.Nr. 79/2000.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Bescheid der Oö. Landesregierung vom 15.1.2002, Fin-090.882/6-2002-Schü/Spr, wurde der Antrag der T vom 28.12.2001, eingelangt bei der Nachprüfungsbehörde am 3.1.2002, auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens iZm der Ausschreibung Trockenbau Wände "TB02" beim Neubau des LKH V im Grunde der §§ 58 und 59 Oö. Vergabegesetz, LGBl.Nr. 59/1994 idF LGBl.Nr. 45/2000, als unzulässig zurückgewiesen.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass ein Nachprüfungsverfahren gemäß § 59 Abs.1 leg.cit. nur vor erfolgter Zuschlagserteilung beantragt werden kann, dies in gegenständlicher Rechtssache allerdings nach erfolgtem Zuschlag vorgenommen wurde, weshalb der Antrag auf Einleitung des Nachprüfungsverfahrens als unzulässig zurückzuweisen war. Die L hat mit Schreiben vom 17.12.2001 der ARGE T, den Zuschlag erteilt. Somit erfolgte die Zuschlagserteilung durch den Auftraggeber unzulässigerweise innerhalb der Frist des § 59 Abs.1a Oö. Vergabegesetz. An diese Vorgangsweise durch den Auftraggeber ist durch die gesetzliche Bestimmung allerdings kein Sanktionsmechanismus geknüpft (lex imperfecta), sodass die Zuschlagserteilung, obwohl unzulässig, nicht mehr bekämpft werden kann.

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und darin dargelegt, dass die Auftraggeberin am 7.12.2001 die Antragstellerin über die Zuschlagsentscheidung informierte, woraufhin am 12.12.2001 per Fax Mitteilung gemäß § 31 Abs.4 leg.cit. beantragt wurde. Diese wurde mit Schreiben vom 17.12.2001 verfasst. Am gleichen Tag, also am 17.12.2001 wurde rechtswidrig der Zuschlag der Bietergemeinschaft P erteilt. Hievon wurde die Bf nicht informiert, sondern sie erfuhr davon erst durch den Bescheid über die Zurückweisung einer einstweiligen Verfügung. Der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung verbunden mit dem Antrag auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens wurde innerhalb der Stillhaltefrist eingebracht. Der bekämpfte Bescheid geht in unrichtiger rechtlicher Beurteilung davon aus, dass die Zuschlagserteilung während der Stillhaltefrist gemäß § 59 Abs.1a Oö. Vergabegesetz zwar unzulässig und daher gesetzwidrig ist, aber keine Nichtigkeit zur Folge habe. Dagegen wurde ausgeführt, dass diese Bestimmung mit der Novelle LGBl.Nr. 45/2000 infolge der Ökopunkte-Entscheidung des EuGH in das Oö. Vergabegesetz eingefügt wurde. In der Ökopunkte-Entscheidung wurde ausgesprochen, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die dem Vertragsschluss vorangehende Entscheidung des Auftraggebers darüber, welchem Bieter er den Zuschlag erteilen wird, in jedem Fall einem Nachprüfungsverfahren zugänglich zu machen. Es muss daher einem übergangenen Bieter unabhängig von der Möglichkeit eines Schadenersatzes nach dem Vertragsabschluss die Möglichkeit offen stehen, eine Aufhebung der Zuschlagsentscheidung erwirken zu können. Gleiches bringt auch die Regierungsvorlage der Oö. Landesregierung zur Vergabegesetz-Novelle 2000, Beilage 782/2000, XXV. Gesetzgebungsperiode, zum Ausdruck. Der Gesetzgeber will damit eine rechtswirksame Zuschlagserteilung innerhalb der Stillhaltefrist verhindern. Auch eine rein zivilrechtliche Beurteilung des Sachverhalts führt zu dem Ergebnis, weil § 879 Abs.1 ABGB einen Vertrag, der gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, mit Nichtigkeit bedroht. Fehlt jedoch eine ausdrückliche Nichtigkeitsanordnung - wie etwa in § 59 Abs.1a Oö. Vergabegesetz - muss der Normzweck durch Interpretation ermittelt werden, wobei gerade im Zweck dieser Bestimmung gelegen ist, einen effektiven Rechtsschutz iSd Ökopunkte-Entscheidung zu bieten. Dieser effektive Rechtsschutz kann nur dann erreicht werden, wenn Verträge, die innerhalb der Stillhaltefrist geschlossen werden, mit Nichtigkeit bedroht sind. Ebenso führt auch der Grundsatz des Vorranges des Gemeinschaftsrechts vor nationalen Regelungen zwingend zur Rechtsfolge der Nichtigkeit der Zuschlagserklärung während der Stillhaltefrist. Ein effektiver Rechtsschutz iSd EuGH-Judikatur kann nur sichergestellt sein, wenn eine Zuschlagserteilung innerhalb der Stillhaltefrist mit Nichtigkeit bedroht ist. Schließlich wurde noch auf andere österr. Vergabegesetze, zB § 53a Bundesvergabegesetz oder § 1 iVm § 5 Tiroler Vergabegesetz verwiesen, die ausdrücklich eine Nichtigkeit vorsehen. Aus den angeführten Gründen sei daher der Antrag zu Unrecht zurückgewiesen worden.

3. Die Oö. Landesregierung als Nachprüfungsbehörde erster Instanz hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsakt vorgelegt.

Im Grunde des § 67a Abs.1 Z1 AVG iVm § 58 Abs.2 Oö. Vergabegesetz hat der Oö. Verwaltungssenat durch eine Kammer zu entscheiden.

Eine öffentliche mündliche Verhandlung kann gemäß § 67d Abs.2 Z1 AVG unterbleiben, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Die Auftraggeberin hat im Rahmen des Parteiengehörs eine Stellungnahme abgegeben und den Berufungsausführungen entgegengehalten, dass der EuGH nicht fordere, dass eine unzulässige Zuschlagserteilung jedenfalls nichtig sein müsse; der EuGH erachte ein Zuschlagsverbot (ausdrücklich) nicht einmal für erforderlich. Es steht sohin der Landesgesetzgeber keineswegs im Widerspruch zur Rechtsprechung des EuGH, wenn er an die Missachtung des Zuschlagsverbots keinen "Sanktionsmechanismus" knüpft. Auch lässt die landesgesetzliche Regelung keinen Spielraum zur richtlinienkonformen Auslegung.

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Folgender Sachverhalt steht als erwiesen fest:

Die L als Auftraggeberin hat betreffend das Projekt Neubau des LKH V den Bereich Trockenbau Wände "TB02" als Bauleistung im offenen Verfahren ausgeschrieben. Die Angebotsfrist endete am 28.9.2001. Die Öffnung der Angebote erfolgte am 1.10.2001, die Zuschlagsfrist endete mit 1.2.2002.

Noch vor Ablauf der Angebotsfrist legte die Bw ein Angebot für die ausgeschriebene Leistung Trockenbau Wände "TB02".

Die Auftraggeberin hat mit Schreiben vom 7.12.2001, eingelangt am 10.12.2001, Mitteilung über die Zuschlagsentscheidung gemacht. Am 12.12.2001 beantragte die Bw eine Mitteilung gemäß § 31 Abs.4 Oö. Vergabegesetz. Die Mitteilung der Gründe bzw Vorteile des erfolgreichen Angebots durch die Auftraggeberin erfolgte mit Schreiben vom 17.12.2001.

Noch am selben Tag, nämlich am 17.12.2001, wurde der erfolgreichen Bieterin der Auftrag betreffend das Gewerk Trockenbau Wände "TB02" erteilt. Es ist somit der Zuschlag am 17.12.2001 erfolgt.

Mit Eingabe vom 28.12.2001, eingelangt am 3.1.2002, brachte die Bw einen Nachprüfungsantrag und einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ein. Der Nachprüfungsantrag war im Wesentlichen gegen die vorläufige Zuschlagsentscheidung zugunsten der Bietergemeinschaft P gerichtet und strebte eine Aufhebung der vorläufigen Zuschlagsentscheidung und die Zuschlagserteilung an die Antragstellerin an. Dies wurde mit der Heranziehung eines rechtswidrigen Zuschlagskriteriums, der Unterlassung der Prüfung des Alternativangebots und Verfahrensfehlern im Vergabeverfahren begründet.

Eine Verständigung über die Zuschlagserteilung an die Bw erfolgte nicht. Diese erlangte erst mit dem den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zurückweisenden Bescheid der Oö. Landesregierung Kenntnis über den Zuschlag.

5. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

5.1. Gemäß § 59 Oö. Vergabegesetz, LGBl.Nr. 59/1994 idF LGBl.Nr. 79/2000, ist ein Nachprüfungsantrag, der sich gegen die Zuschlagsentscheidung richtet, nur zulässig, wenn der Antragsteller eine Mitteilung gemäß § 31 Abs.4 beantragt hat und ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Mitteilung einzubringen.

Gemäß § 59 Abs.1a leg.cit. ist die Zuschlagserteilung in der Zeit zwischen der Zuschlagsentscheidung und dem Ende der Frist für die Einbringung eines dagegen gerichteten Nachprüfungsantrages (Abs.1 letzter Satz) unzulässig.

5.2. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Nachprüfungsantrag zurückgewiesen. Zum Nachprüfungsantrag hat die belangte Behörde zunächst zu Recht dargelegt, dass die Voraussetzungen für diesen Antrag gemäß § 59 Abs.1 leg.cit. erfüllt sind. Allerdings geht die belangte Behörde weiters davon aus, dass ein Zuschlag bereits erteilt wurde und daher ein Nachprüfungsverfahren gemäß § 59 Abs.1 leg.cit. vor erfolgter Zuschlagserteilung nicht in Betracht kommt bzw der Antrag unzulässig ist. Diesen Ausführungen kann durch den Oö. Verwaltungssenat nicht gefolgt werden.

Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes liegt auf der Hand, dass die Mitteilung der Zuschlagsentscheidung am 10.12.2001 bei der Bw einlangte, diese innerhalb einer Woche einen Antrag auf Mitteilung nach § 31 Abs.4 Oö. Vergabegesetz stellte und diesem Antrag mit 17.12.2001 nachgekommen wurde. Innerhalb von weiteren zwei Wochen, also jedenfalls bis zum 31.12.2001 stand die Frist zur Einbringung eines Nachprüfungsantrages offen und war daher eine Zuschlagserteilung gemäß § 59 Abs.1a Oö. Vergabegesetz unzulässig. Es war daher die Zuschlagserteilung vom 17.12.2001 unzulässig. In diesem Zusammenhang stellt sich aber die grundsätzliche Frage, welche Rechtswirkung die gesetzliche Erklärung der Unzulässigkeit hat.

5.3. Festgestellt wird, dass die Bestimmung des § 59 Abs.1a Oö. Vergabegesetz durch die Oö. Vergabegesetz-Novelle 2000, LGBl.Nr. 45/2000 eingefügt wurde. In der Regierungsvorlage zur Oö. Vergabegesetz-Novelle 2000, Beilage 782/2000, zum kurzschriftlichen Bericht des Oö. Landtages, XXV. Gesetzgebungsperiode, wurde zu dieser Bestimmung ausgeführt: "Die derzeitige Regelung über das Zuschlagsverbot dient dem Schutz der Bieter vor der Schaffung vollendeter Tatsachen durch den Auftraggeber, der ansonsten während eines anhängigen Nachprüfungsverfahrens plötzlich den Zuschlag erteilen könnte. Da nunmehr die Zuschlagserteilung durch Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung anzukündigen ist, besteht dieses Schutzbedürfnis nur mehr zwischen der Zuschlagsentscheidung bis zum Ende der Frist für die Einbringung des Nachprüfungsantrages. Nach Einbringung des Nachprüfungsantrages kann die Zuschlagserteilung - so wie bisher - durch einstweilige Verfügung ausgesetzt werden. Im Zusammenhalt mit Abs.1 und § 31 Abs.4 ergibt sich somit, dass, wenn zwar eine Begründung beantragt aber kein Nachprüfungsantrag gestellt wird, die Zuschlagserteilung maximal vier Wochen (zuzüglich des Postenlaufes) gehemmt werden kann."

Schon aus diesen Ausführungen erhellt, dass das gesetzliche Zuschlagsverbot eine Zuschlagserteilung verunmöglichen will, also die Zuschlagserteilung (für maximal vier Wochen) hemmen will. Eine Sanktion für den Fall der Zuwiderhandlung gegen das Zuschlagsverbot wurde allerdings vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich ausgesprochen.

Ein Vergleich mit dem Bundesvergabegesetz zeigt, dass eine entsprechende Regelung im § 53a Bundesvergabegesetz 1997 durch die Novelle BGBl. I Nr. 125/2000 getroffen wurde, wobei im Abs. 2 der Bestimmung festgelegt ist, dass "der Zuschlag bei sonstiger Nichtigkeit nicht innerhalb einer Stillhaltefrist von zwei Wochen ab Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung gemäß Abs.1 erteilt werden darf". Wesentlich bei dieser Bestimmung ist, dass schon der Gesetzgeber für den Fall der Zuwiderhandlung die Sanktion der Nichtigkeit des Zuschlags, also die Nichtigkeit des Vertrages geregelt hat. Im Bericht des Verfassungsausschusses, XXI. Gesetzgebungsperiode, Beilage Nr. 360, zu den stenographischen Protokollen NR, wird dazu angeführt: "Diese Anpassungen betreffend die 'Umsetzung' des Ökopunkte-Erkenntnisses des EuGH und die befristete bundesverfassungsrechtliche Absicherung des Status quo im Bereich der Rechtsschutzorganisation."

Auch im zur Begutachtung versendeten Entwurf eines Bundesgesetzes über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 2002 - BVergG) Stand 19.12.2001, 11.45 Uhr, ist im § 98 Abs.1 Satz 1 vorgesehen: "Der Zuschlag darf bei sonstiger Nichtigkeit nicht innerhalb einer Stillhaltefrist von zwei Wochen ab Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung gemäß Abs.1 erteilt werden ...". In den Erläuterungen hiezu wird ausgeführt: "Im Lichte des Erkenntnisses des EuGH in der Rs C-81/98, Alcatel u.a. ("Ökopunkte") wird nunmehr die organisationsinterne Zuschlagsentscheidung einem Bekanntmachungsverfahren unterworfen. Ein entgegen den Vorschriften des Abs.1 erteilter Zuschlag ist zivilrechtlich nichtig, dh, der Leistungsvertrag zwischen Auftraggeber und Bieter entfaltet ex tunc keine Wirkung. Durch diese Sanktion wird sichergestellt, dass dem Erkenntnis des EuGH in ausreichender Weise Rechnung getragen wird." In weiterer Folge wird auch in § 170 Abs.7 des BVergG 2002 angeordnet, dass der Auftraggeber bei sonstiger Nichtigkeit den Zuschlag bis zur Entscheidung über den Antrag (auf einstweilige Verfügung) nicht erteilen darf. Auch diese Bestimmung begründen die Erläuterungen "als flankierende Maßnahme zur effektiven 'Umsetzung' des Urteils des EuGH in der Rs C-81/98 (Alcatel "Ökopunkte")."

Schon aus diesen Gesetzesmaterialien ist ersichtlich, dass sowohl der Oö. Landesgesetzgeber als auch der für die öffentliche Auftragsvergabe des Bundes zuständige Bundesgesetzgeber dem Zuschlagsverbot in der Sperrfrist mit einer absoluten Nichtigkeit (mit ex tunc Wirkung) zum Durchbruch verhelfen wollen.

5.4. Jedenfalls sind aber sowohl die Bestimmungen des Vergabegesetzes des Bundes als auch des Landes in Umsetzung des Gemeinschaftsrechtes, gegenständlich insbesondere der RL 89/665/EWG des Rates vom 21.12.1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge sowie der dazu ergangenen Judikatur des EuGH ergangen. Insbesondere hat der EuGH in der Rechtssache C-81/98 (Alcatel "Ökopunkte") ausgesprochen, dass Art. 2 Abs.1 Buchstaben a und b iVm Abs.6 Unterabs.2 der RL 89/665 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge dahin auszulegen ist, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die dem Vertragsschluss vorangehende Entscheidung des Auftraggebers darüber, mit welchem Bieter eines Vergabeverfahrens er den Vertrag schließt, in jedem Fall einem Nachprüfungsverfahren zugänglich zu machen, in dem die übergangenen Bieter unabhängig von der Möglichkeit, nach dem Vertragsabschluss Schadenersatz zu erlangen, die Aufhebung der Entscheidung erwirken können, wenn die Voraussetzungen hiefür erfüllt sind. In der Randnummer 33 und 34 führt er dazu aus, dass sich aus der ersten und zweiten Begründungserwägung der RL ergibt, dass die RL 89/665 darauf gerichtet ist, die auf einzelstaatlicher Ebene wie auf Gemeinschaftsebene vorhandenen Mechanismen zur Durchsetzung der Gemeinschaftsrichtlinien im Bereich des öffentlichen Auftragswesens zu verstärken, vor allem dann, wenn Verstöße noch beseitigt werden können. Insoweit sind nämlich die Mitgliedstaaten nach Art.1 Abs.1 der RL 89/665 verpflichtet, wirksame und möglichst rasche Nachprüfungsverfahren einzuführen, um sicherzustellen, dass die Gemeinschaftsrichtlinien im Bereich des öffentlichen Auftragswesens beachtet werden. Weiters stellt er fest, dass sich schon aus dem Wortlaut von Art.2 Abs.6 der RL 89/665 ergibt, dass die dort vorgesehene Beschränkung der Nachprüfungsverfahren nur die nach Abschluss des der Zuschlagsentscheidung folgenden Vertrages bestehende Lage betrifft. So unterscheidet die RL 89/665 zwischen dem Vertragabschluss vorausgehenden Stadium, auf das Art.2 Abs.1 anwendbar ist und dem im nachfolgenden Stadium, für das ein Mitgliedsstaat nach Art.2 Abs.6 Unterabs.2 vorsehen kann, dass die Befugnisse der Nachprüfungsinstanz darauf beschränkt sind, einer durch einen Rechtsverstoß geschädigten Person Schadenersatz zuzuerkennen. Eine andere Auslegung würde dazu führen, dass die wichtigste Entscheidung des Auftraggebers, nämlich der Zuschlag, systematisch den Maßnahmen entzogen wäre, die gemäß Art.2 Abs.1 der RL 89/665 im Rahmen der Nachprüfung nach Art.1 zu ergreifen sind. Damit wäre das in Randnummer 34 dieses Urteils in Erinnerung gerufene Ziel der RL 89/665 in Frage gestellt, wirksame und rasche Verfahren einzuführen, mit denen rechtswidrige Entscheidungen des Auftraggebers zu einem Zeitpunkt nachgeprüft werden können, zu dem Verstöße noch zu beseitigen sind. Auch die fehlende Festlegung einer Zeitspanne zwischen der Zuschlagsentscheidung und dem Vertragsschluss kann nach dem Urteil des EuGH keine Auslegung der RL 89/665 rechtfertigen, aufgrund deren die Entscheidungen über den Zuschlag öffentlicher Aufträge systematisch den Maßnahmen entzogen wären, die gemäß Art.2 Abs.1 der RL 89/665 im Rahmen der Nachprüfung nach Art.1 zu ergreifen sind.

Es kann daher unter Beachtung des Grundsatzes des Vorranges des Gemeinschaftsrechts vor dem nationalen Recht, konkret also der Bestimmungen der RL 89/665 und der dazu ergangenen Judikatur des EuGH die im anzuwendenden § 59 Abs.1a Oö. Vergabegesetz geregelte Unzulässigkeit der Zuschlagserteilung in der Zeit zwischen Zuschlagsentscheidung und der Frist zur Einbringung eines Nachprüfungsantrages gemeinschaftsrechtskonform nur so interpretiert werden, dass das Zuschlagsverbot eine Rechtsunwirksamkeit des Zuschlags ex tunc und damit zivilrechtlich eine Nichtigkeit des Vertrages bewirkt.

Es hat der VfGH im Erkenntnis vom 21.6.2001, B 2037/99, betreffend die analoge Regelung des § 109 Abs.8 BVergG ausgesprochen, dass der vergebenden Stelle somit verwehrt ist, innerhalb der Sperrfrist den Zuschlag zu erteilen. Eine andere Interpretation führte nämlich zum Ergebnis, dass es der Auftraggeber in der Hand hätte, durch Abschluss eines Vertrages innerhalb der Sperrfrist den vergabespezifischen Rechtsschutz zu unterlaufen, da schließlich nach Zuschlagserteilung eine Zuständigkeit des BVA zur Erlassung einstweiliger Verfügungen und zur Nichtigerklärung von Entscheidungen nicht mehr besteht. Dies widerspräche nicht nur dem System des geteilten Rechtsschutzes im Vergaberecht (vgl. VfSlg. 15.106/1998), sondern stünde auch in Widerspruch zu den Anforderungen, die sich nach der Entscheidung des EuGH vom 28.10.1999, Rs C-81/98, Alcatel Austria AG ua, Slg. 1999, I-7671 ff, aus der Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG ergeben.

Die Unmöglichkeit und damit Nichtigkeit des Zuschlages in der Sperrfrist sieht daher der VfGH als unabdingbar, um einen effektiven Rechtsschutz iSd Rechtsmittel-RL und der dazu ergangenen EuGH-Judikatur zu gewährleisten.

Dieser Grundsatz ist auch - unbeschadet der fehlenden ausdrücklichen Nichtigkeit im Oö. Vergabegesetz - auf das Oö. Vergabegesetz anzuwenden.

Unter Zugrundelegung dieser Erwägungen hat daher ein wirksamer Zuschlag noch nicht stattgefunden, weshalb ein Nachprüfungsantrag gegen die Zuschlagsentscheidung (vor erfolgter Zuschlagserteilung) zulässig ist. Es war daher in der Stattgabe der Berufung der angefochtene Bescheid über die Zurückweisung des Antrages aufzuheben.

5.5. Aber auch die zivilrechtlichen Erwägungen der Bw - die allerdings nicht unmittelbar im Nachprüfungsverfahren zum Tragen kommen - führen zum selben Ergebnis.

Wie bereits oben aufgezeigt wurde, bringt sowohl der Bundesvergabegesetzgeber ausdrücklich als auch der Landesvergabegesetzgeber indirekt durch das Zuschlagsverbot in der Stillhaltefrist (Frist zur Einbringung des Nachprüfungsantrages gegen die Zuschlagsentscheidung) zum Ausdruck, dass durch das Zuschlagsverbot eine Zuschlagserteilung und damit das Zustandekommen eines Vertrages (zB gemäß § 31 Abs.6 Oö. Vergabegesetz) gehemmt werden soll. Es ist daher zur Beurteilung des Vertrages als zivilrechtliches Rechtsgeschäft § 879 Abs.1 ABGB heranzuziehen, wonach ein Vertrag, der gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt, nichtig ist. Das verbotene Geschäft ist nur nichtig, wenn dies in der Verbotsnorm ausgesprochen ist oder wenn dies der Zweck der Verbotsnorm erfordert. Dabei tritt die Nichtigkeit nur in dem Umfang ein, als es der Zweck der Verbotsnorm erfordert (vgl. Dittrich-Tades, ABGB, 33. Auflage, S. 360f mJN). Während das Bundesvergabegesetz ausdrücklich die Nichtigkeit des verbotenen Vertrages ausspricht, ist nach dem Willen des Gesetzgebers des Oö. Vergabegesetzes ein ebenfalls dahin gerichteter Zweck der Verbotsnorm ersichtlich. Es ist daher auch aus nationalen zivilrechtlichen Überlegungen - welche allerdings erst in einem zivilgerichtlichen Verfahren anzustellen sind - von der Nichtigkeit des Vertragsverhältnisses auszugehen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro (entspricht  2.476,85 S) zu entrichten.

Dr. Linkesch

Beschlagwortung:

Zuschlag in der Sperrfrist, Nichtigkeit, gemeinschaftsrechtskonforme Interpretation, Nachprüfung vor Zuschlagserteilung ist zulässig.

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum