Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-550114/4/Li/Rd

Linz, 08.10.2003

 

 

 VwSen-550114/4/Li/Rd Linz, am 8. Oktober 2003

DVR.0690392
 

 

 

B E S C H E I D
 
 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Hans Linkesch über den Antrag der S. Bau GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. K., auf neuerliche Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Vergabeverfahren zur Vergabe der Baumeisterarbeiten für den Neubau der Wirtschaftsbrücke und Grabenbrücke aus dem Baulos Umfahrung Rohr B 122 Voralpen Straße, Gemeinde Rohr im Kremstal, des Auftraggebers Land Oberösterreich, vertreten durch das Amt der Oö. Landesregierung, Abteilung Brücken- und Tunnelbau, Kärntnerstraße 12, 4021 Linz, zu Recht erkannt:

Dem Antrag auf neuerliche Erlassung einer einstweiligen Verfügung wird Folge gegeben.

Die Erteilung des Zuschlages und die Abwicklung des Auftrages im Vergabeverfahren zur Vergabe der Baumeisterarbeiten für den Neubau der Wirtschaftsweg- und Grabenbrücke aus dem Baulos Umfahrung Rohr B 122 Voralpen Straße, Gemeinde Rohr im Kremstal, wird bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Nachprüfungsantrag, längstens jedoch bis zum 3. November 2003, ausgesetzt bzw untersagt.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 1, 2, 5 Abs.3, 11, 12 Abs.3, 15 Abs.1 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz, LGBl.Nr. 153/2002.

 

Begründung:

 

1. Mit Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates vom 11. September 2003, VwSen- wurde die Erteilung des Zuschlages und die Abwicklung des Auftrages im gegenständlichen Nachprüfungsverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Nachprüfungsantrag, längstens jedoch bis 8. Oktober 2003, ausgesetzt bzw untersagt. Mit Schreiben vom 22. September 2003 wurde RR A. als Amtssachverständiger für Finanzierungsangelegenheiten bestellt. Aufgrund dieser Bestellung wurde der Amtssachverständige ersucht, schriftlich Befund und Gutachten hinsichtlich entscheidungsrelevanter Fragen zu erstatten und dieses im Zuge einer mündlichen Verhandlung zu erörtern. Am 26. September 2003 übermittelte der Sachverständige sein Gutachten dem Oö. Verwaltungssenat.

 

Die Antragstellerin stellte am 2. Oktober 2003 das im Spruch ersichtliche Begehren und verwies einleitend zunächst auf die schriftlichen Ausführungen in ihrem verfahrenseinleitenden Antrag vom 8. September 2003. Zusätzlich zu den bereits vorgetragenen Argumenten habe sich aber die Sachlage einerseits durch das bevorstehende Ablaufen der Geltungsdauer der einstweiligen Verfügung, andererseits durch den bisherigen Gang des Verfahrens geändert. Dieses nehme im Hinblick auf die Komplexität des Sachverhaltes längere Zeit in Anspruch, sodass zur Sicherstellung des Vergaberechtsschutzes die neuerliche Erlassung einer einstweiligen Verfügung erforderlich sei. Es sei beabsichtigt, Zuschlagskriterien unrichtig anzuwenden und den Antragsteller als Bestbieter zu übergehen. Aus der Stellungnahme des Auftraggebers (Beilage/15) ergebe sich, dass ein vorläufiges Auftragsschreiben bereits vorbereitet sei und daher die Zuschlagserteilung ohne Erlassung der einstweiligen Verfügung unmittelbar bevorstehe. Die im Antrag vom 8. September 2003 dargestellten und bezifferten Nachteile und der drohende ideelle Schaden durch den Verlust einer Referenzbaustelle seien weiterhin gegeben. Auch ein schutzwürdiges Interesse des Auftraggebers an einer rechtsrichtigen Vergabeentscheidung spreche für die Erlassung der einstweiligen Verfügung.

 

Der Oö. Verwaltungssenat übermittelte den Antrag vom 2. Oktober 2003 dem Auftraggeber und wies auf die Möglichkeit der Stellungnahme bis längstens 6. Oktober 2003, 12.00 Uhr einlangend, hin.

 

Der Auftraggeber hat binnen offener Frist eine Stellungnahme zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung vom 2. Oktober 2003 erstattet und sich darin gegen eine neuerliche einstweilige Verfügung ausgesprochen. Begründend wird vom Auftraggeber ausgeführt, dass ein großes öffentliches Interesse am raschen Beginn der Bauarbeiten darin besteht, dass durch die geplante Umfahrung Rohr eine erhebliche Entlastung des Ortskerns und damit verbunden, auch eine allgemeine Hebung der Verkehrssicherheit eintreten würde bzw die gesundheitlichen Aspekte für die Bürger von Rohr nicht außer Acht gelassen werden dürfen. Weiters bestehe ein wesentliches wirtschaftliches Interesse des Auftraggebers an einer raschen Vergabe, wegen der auf maximal ein Jahr gebundenen Preisbasis.

Im Übrigen werde vom Auftraggeber darauf verwiesen, dass nach Konstituierung der Landesregierung und nach erfolgreichem Abschluss der Verhandlungen über das politische Programm eine neue Situation gegeben sein werde. Wegen des politischen Zieles, dass das Land Oberösterreich weiterhin schuldenfrei bleibe, sei es möglich, dass die Vorfinanzierungen nicht zum Tragen kämen. Die ausschreibende Stelle werde daher zu prüfen haben, ob nicht Gründe nach § 105 Abs.2 Z3 1. Satz BVergG gegeben seien.

Der vorliegende Antrag ist rechtlich wie folgt zu beurteilen:

 

Zur Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates wird auf die Ausführungen im Erkenntnis vom 11. September 2003, VwSen-, verwiesen.

 

Zur Frage der Zulässigkeit einer neuerlichen Erlassung einer einstweiligen Verfügung wird auf die Ausführungen bei Hahnl, Bundesvergabegesetz, Kommentar, Neuer Wissenschaftlicher Verlag, Wien, E.10. zu § 171 (S. 703 ff) und die dort zitierten Entscheidungen des Bundesvergabeamtes (insbesondere BVA vom 14.2.2001, N-61, 65/00-30, BVA 22.2.2002, N-136/01-22) sowie auf BVA 20.12.2002, 12N-58/02-28 und BVA 2.6.2003, 17N-46/03-25, verwiesen.

 

Daraus ergibt sich, dass eine nochmalige Beantragung einer einstweiligen Verfügung während der Dauer des anhängigen Nachprüfungsverfahrens bis zur Entscheidung in der Hauptsache insbesondere im Sinne einer gemeinschaftsrechtskonformen Interpretation des Bundesvergabegesetzes zulässig ist. § 171 BVergG ist inhaltlich diesbezüglich mit § 11 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz ident, sodass sich der Oö. Verwaltungssenat dieser Judikatur jedenfalls im gegenständlichen Anlassfall anschließt. Zur Verhinderung der Schädigung von Interessen der Antragstellerin muss daher unter Beachtung des Grundsatzes der Effektivität vom Gemeinschaftsrecht eine neuerliche einstweilige Verfügung zulässig sein.

Es ist evident, dass aufgrund der Komplexität des Verfahrens die Einhaltung der einmonatigen Verfahrensdauer nach § 15 Abs.2 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz nicht möglich sein wird. Es musste ein Gutachten eingeholt werden, das Parteiengehör jeweils gewahrt, Parteistellungen geklärt und eine Ladungsfrist sowie sonstige Termine gewahrt werden. Dies kann nicht zur Folge haben, dass der rechtsuchende Bieter wegen kurz bemessener Fristen im Nachprüfungsverfahren, seine Rechtsschutzmöglichkeiten verliert.

 

Eine neuerliche Prüfung der Zulässigkeit einer einstweiligen Verfügung hat zum Zeitpunkt der Erlassung einer neuerlichen einstweiligen Verfügung zu erfolgen. Hinsichtlich der grundsätzlichen Interessenslage ist gegenüber der Erlassung der Entscheidung vom 11. September 2003, VwSen-, keine entscheidende Änderung eingetreten. Es ist daher unter Verweis auf die in dieser Entscheidung enthaltenen Darlegungen auszuführen, dass weiterhin das Interesse der Antragstellerin an der Erlangung des Auftrages dem nunmehr erstmals im Schreiben vom 6. Oktober 2003, BauB-, dargelegten Interesse des Auftraggebers gegenüber stehen. Bei Zutreffen der Ausführungen der Antragstellerin wäre der beabsichtigte Zuschlag des Auftraggebers rechtswidrig. Die Chance, den Auftrag erteilt zu bekommen, kann nach Zuschlagserteilung an die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin nicht wieder hergestellt werden. Der drohende Schaden kann zwar hinsichtlich entgegangenen Gewinns, der Kosten der Erstellung des Angebotes und der Teilnahme an dem Nachprüfungsverfahren durch Schadenersatz abgegolten werden, nicht jedoch hinsichtlich eines Referenzprojektes, zumal Referenzprojekte bei Ausschreibungen regelmäßig zum Nachweis der Leistungsfähigkeit verlangt werden und für potenzielle Bieter notwendig sind.

 

Die behauptete Rechtswidrigkeit besteht im Übergehen der Antragstellerin als Bestbieterin. Die Klärung dieser Frage bleibt dem Hauptverfahren vorbehalten. Dem Ausgang dieses Verfahrens kann im Zuge einer einstweiligen Verfügung nicht vorgegriffen werden. Da auch weiterhin nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Zuschlagsentscheidung rechtswidrig ist, muss im Rahmen der Erlassung einer einstweiligen Verfügung von der Möglichkeit der Schädigung von Interessen der Antragstellerin ausgegangen werden.

 

Den Interessen der Antragstellerin stehen die Interessen des Auftraggebers am raschen Beginn der Bauarbeiten sowohl aus Gründen der Verkehrsentlastung und der Verkehrssicherheit im Ortskern von Rohr und der Reduktion der gesundheitlichen Belastung der Bürger von Rohr als auch dem wirtschaftlichen Interesse am Erhalt der auf max. 1 Jahr gebundenen Preisbasis gegenüber.

 

Dem allgemein gehaltenen Vorbringen des Auftraggebers zur Verkehrsentlastung, zur Verkehrssicherheit und zur gesundheitlichen Belastung der Bürger von Rohr kann kein solches öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens beigemessen werden, das bei einer Abwägung mit den dargelegten Interessen der Antragstellerin geeignet wäre, von der Erlassung einer einstweiligen Verfügung abzusehen.

Diese Interessen werden in dieser Allgemeinheit offensichtlich mit jedem Ortsumfahrungsprojekt verfolgt. Eine akute Gefährdung der Öffentlichkeit ist jedenfalls nicht zu befürchten.

 

Auch der vorgebrachte allfällige Verzögerungsschaden, der durch den Verlust der Preisbindung eintreten könnte, vermag kein Überwiegen der nachteiligen Folgen der beantragten einstweiligen Verfügung zu begründen. Vor allem scheint das Vorbringen dieses Schadens aber dann wenig überzeugend, wenn gleichzeitig vom Auftraggeber ein Widerruf der Ausschreibung erwogen wird.

 

Diesen Interessen steht das Interesse der Antragstellerin an der Erteilung des Zuschlags gegenüber. Wenn das Antragsvorbringen zutrifft, ist ihr der Zuschlag zu erteilen. Diese Frage zu klären, ist Gegenstand des Hauptverfahrens. Die denkbare Beeinträchtigung der Interessen der Antragstellerin ist jedenfalls im Nachhinein nicht mehr gut zu machen. Somit überwiegen auch unter Berücksichtigung des Vorranges des vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes die Interessen der Antragstellerin an der Erlassung einer einstweiligen Verfügung jene des Auftraggebers und der Öffentlichkeit an der Fortführung des Vergabeverfahrens und damit einem Absehen von der Erlassung einer einstweiligen Verfügung.

 

Zur Interessensabwägung kann im Übrigen auf die Ausführungen des Oö. Verwaltungssenates in der Entscheidung vom 11. September 2003, VwSen-, verwiesen werden.

 

Schließlich ist auch auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach bei der Interessenabwägung im Zusammenhang mit dem Vergaberechtsschutz auch das öffentliche Interesse an der Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter zu berücksichtigen ist (vgl. VfGH 25.10.2001, B 1369/01), was jedoch erst im Zuge einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abschließend beurteilt werden kann, sodass auch aus diesem Grunde die Erlassung einer einstweiligen Verfügung im spruchgemäß stattgebenden Zeitraum unabdingbare Voraussetzung für das weitere Hauptverfahren ist.

 

Da die Zuschlagsentscheidung angefochten ist, kommt als geeignete Maßnahme lediglich die Untersagung der Erteilung des Zuschlages in Frage. Es handelt sich daher um das gelindeste Mittel iSd § 11 Abs.4 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz. Die Dauer der einstweiligen Verfügung ergibt sich aus § 11 Abs.5 leg.cit.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von insgesamt 13 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

Dr. Linkesch
 

 
 

 

2. EV, neuerliche einstweilige Verfügung zulässig

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum