Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-550164/13/Ste

Linz, 22.11.2004

 

 VwSen-550164/13/Ste Linz, am 22. November 2004

DVR.0690392
 

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Vizepräsident Mag.Dr. Wolfgang Steiner über den Antrag der Dipl.Ing. H L KG für Bauwesen, vertreten durch Dr. G L, im Vergabeverfahren "Abwasserbeseitigungsanlage St. Marienkirchen am Hausruck, Bauabschnitt 06 - Baulos 01", nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

 

  1. Dem Nachprüfungsantrag wird stattgegeben und die Entscheidung der Gemeinde St. Marienkirchen am Hausruck als Auftraggeberin im Vergabeverfahren über die Abwasserbeseitigungsanlage St. Marienkirchen am Hausruck, Bauabschnitt 06 - Baulos 01 vom 11. Oktober 2004, den Zuschlag betreffend die Erd-, Baumeister- und Installationsarbeiten der Firma S erteilen zu wollen, wird für nichtig erklärt.
  2. Die im Teilnahmeantrag der Firma S vom 17. November 2004 gestellten Anträge auf Abweisung des Nachprüfungsantrags und auf Kostenersatz werden als unbegründet abgewiesen.

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I: §§ 67a Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG; §§ 1 bis 3, 6 und 13 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz - Oö. VNPG, §§ 98 und 93 Bundesvergabegesetz - BVergG

Zu II: Zusätzlich § 18 Abs. 4 Oö. VNPG.

 

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit Eingabe vom 22. Oktober 2004 wurde von der Dipl.Ing. H L KG für Bauwesen (in der Folge: Antragstellerin) der Antrag auf Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens vor erfolgter Zuschlagserteilung und Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung sowie auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, der Gemeinde St. Marienkirchen am Hausruck als Auftraggeberin die Zuschlagserteilung bis zur Entscheidung im Nachprüfungsverfahren, längstens aber bis 22. November 2004, zu untersagen, gestellt.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass im Zuge des Vergabeverfahrens fristgerecht zwei ausschreibungsgemäße Angebote gelegt worden seien. Die Angebote seien - in beiden von der Auftraggeberin ausgeschriebenen Varianten für die Kanalrohr-Qualitäten GFUP und Steinzeug - jeweils an preislich erster Stelle gereiht worden. Ungeachtet dessen hat sich die Auftraggeberin dazu entschlossen, das Angebot der Antragstellerin wegen angeblicher Mängel hinsichtlich der Nachvollziehbarkeit des Gesamtpreises - ohne nähere Begründung - auszuscheiden und eine auf einen Mitbewerber ausgestellte Zuschlagsentscheidung zu fällen.

Zum Schaden wurde insbesondere der entgangene Auftrag, 32.365,95 Euro für den entgangenen Gewinn sowie Kosten der Anbotslegung von 4.200 Euro geltend gemacht.

Ein Antrag auf Kostenersatz wurde von der Antragstellerin bis zum Zeitpunkt der Entscheidung (§ 74 Abs. 2 zweiter Satz AVG) nicht gestellt.

 

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat die Gemeinde St. Marienkirchen am Hausruck als Auftraggeberin am Nachprüfungsverfahren beteiligt. Mit Schreiben vom 25. Oktober 2004 gab die Gemeinde St. Marienkirchen am Hausruck eine Stellungnahme ab, in der lediglich darauf hingewiesen wurde, dass "aus der Sicht der Gemeinde die Entscheidung möglichst rasch erfolgen und für die Gemeinde St. Marienkirchen a.H. zu einem kostengünstigen Ergebnis führen" sollte. Hinsichtlich der Begründung verweist die Gemeinde darauf, dass der Vergabevorschlag des Auftraggeber-Prüfingenieurs zwar auf die nunmehrige Antragstellerin gelautet hätte; zu diesem Vorschlag wurde jedoch laut Schreiben des Amts der Oö. Landesregierung, Abteilung Wasserwirtschaft vom 11. Oktober 2004 wegen Mängel hinsichtlich der Nachvollziehbarkeit des Gesamtpreises das Einvernehmen nicht hergestellt, wobei zur näheren Begründung auf ein Schreiben des Landes Oberösterreich vom 25. Oktober 2004 verwiesen wird.

Mit gleichen Schreiben legte die Gemeinde die geforderten Vergabeakten samt Originalangeboten vor.

2.2. Mit Erkenntnis vom 28. Oktober 2004 wurde dem Antrag der Antragsstellerin auf Erlassung einer Einstweiligen Verfügung stattgegeben und der Auftraggeberin im vorliegenden Vergabeverfahren die Erteilung des Zuschlags bis zur Entscheidung in diesem Nachprüfungsverfahren, längstens aber bis 22. November 2004, gemäß § 11 Oö. VNPG untersagt.

2.3. Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenats ergibt sich aus § 2 Abs. 2 Z. 2 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz - Oö. VNPG, LGBl. Nr. 153/2002, wonach der Unabhängige Verwaltungssenat bis zur Zuschlagserteilung zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen der Auftraggeberin zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen das Bundesvergabegesetz im Rahmen der von der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte zuständig ist.

Gemäß § 67a Abs. 1 letzter Satz AVG entscheiden in den Angelegenheiten der Nachprüfung im Rahmen der Vergabe von Aufträgen im Unterschwellenbereich die Unabhängigen Verwaltungssenate durch Einzelmitglied. Im vorliegenden Fall liegt ein Bauauftrag vor, der jedenfalls unter den Schwellenwert von 5 Millionen Euro und damit nach § 9 Abs. 1 Z. 3 BVergG in den Unterschwellenbereich fällt. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist daher zur Entscheidung durch ein Einzelmitglied berufen.

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in die vorgelegten Schriftsätze, Unterlagen und Stellungnahmen sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 17. November 2004. Die Antragstellerin sowie die Auftraggeberin haben an der Verhandlung durch ihre gesetzlichen Vertreter und Rechtsvertreter teilgenommen. Auf Seiten der Auftraggeberin nahmen auch zwei Vertreter jener Ziviltechniker GmbH teil, die den Prüfbericht und den Vergabevorschlag erstellt hat (in der Folge kurz: Auftraggeber-Prüfingenieur).

Als Partei zur mündlichen Verhandlung wurde weiters die S AG, Schatzdorferstraße 9, 4021 Linz, geladen (in der Folge kurz: mitbeteiligte Partei), die durch ihren Rechtsvertreter bei der mündlichen Verhandlung einen mündlichen Antrag auf Teilnahme am Nachprüfungsverfahren gestellt hat und damit weiterhin Partei im Nachprüfungsverfahren ist (§ 5 Abs. 2 Oö. VNPG). Die S AG stellte inhaltlich gleichzeitig den Antrag, den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin abzuweisen und diese zum Ersatz der von der S AG entrichteten Gebühren zu verpflichten.

In der mündlichen Verhandlung wurden als Zeugen HR Dipl.Ing. G F, Amt der Oö. Landesregierung, Abteilung Wasserwirtschaft, und Ing. A G, Dipl.Ing. L KG, vernommen.

 

3. Auf Grund der vorliegenden Unterlagen und den beiderseitigen Vorbringen sowie der öffentlichen mündlichen Verhandlung geht der Oö. Verwaltungssenat bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

3.1. Mit Kundmachung vom 21. Juni 2004, Amtliche Linzer Zeitung Folge 13/2004, Seite 22, wurde das Vorhaben ABA St. Marienkirchen am Hausruck, BA 06, Baulos 01, Erd- und Baumeisterarbeiten für die Ortskanalisation im Rahmen eines offenen Verfahrens ausgeschrieben. Die Anbotseröffnung erfolgte am 7. Juli 2004. Eine genaue rechnerische und sachliche Überprüfung der Angebote ergab am 9. August 2004 eine Reihung der Angebote dahingehend, dass an erster Stelle die L KG (mit zwei Varianten) und die S AG an dritter Stelle gereiht wurde. Es wurde daher das erstgereihte Unternehmen als Billigstbieterin (in der Variante GFUP mit einer Angebotssumme von 684.269,23 Euro) zur Vergabe vorgeschlagen.

In Vorbereitung dieses Vorschlags wurden vom Auftraggeber-Prüfingenieur (telefonisch) von der L KG ergänzende Unterlagen und Erläuterungen erbeten, die diese mit Schreiben vom 5. August 2004 zur Verfügung stellte. Diese Unterlagen enthielten auch die entsprechenden Preisermittlungs-Formblätter K 7 sowie zwei Seiten "Preiszergliederung".

Auf Grund eines schriftlichen Ersuchens des Auftraggeber-Prüfingenieurs wurden diesem von der L KG mit Schreiben vom 17. September 2004 neuerlich ergänzende Erläuterungen zu elf konkreten Anbotspositionen übermittelt, wobei die einzelnen Positionen im Detail erläutert wurden sowie ergänzend eine Referenzliste angeboten wurde, die ua. auch die ABA G, ABA Lohnsburg und ABA H enthält. Allgemein wurde festgehalten, dass die Einheitspreise auf Grund firmeneigener Überlegungen, Erfahrungswerte und Komponenten gestaltet werden dürfen. Auf Grund der gegebenen Marktsituation sei es natürlich notwendig, alle Synergieeffekte in die sicherlich knappe Preisgestaltung einfließen zu lassen, die Gewichtung und Zuteilung der Gesamtkosten auf die jeweiligen Einzelpositionen sei in Summe jedoch nachvollziehbar.

Diese Stellungnahme der Antragstellerin wurde mit Schreiben des Auftraggeber-Prüfingenieurs vom 22. September 2004 dem Amt der Oö. Landesregierung, Abteilung Wasserwirtschaft (in der Folge kurz: Förderungsstelle), übermittelt. In diesem Schreiben wurde zum Angebot der Antragstellerin wörtlich ausgeführt:

"Zu einigen wesentlichen Positionen wurde von der Fa. L eine detaillierte Stellungnahme nachgefordert. Diese Stellungnahme wird zur Kenntnis genommen und dieser Ergänzung beigelegt.

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass manche wesentliche Positionen (z.B.: Aushub und Bettung) mit sehr niedrigen Einheitspreisen versehen sind, die als nicht kostendeckend erscheinen.

Der Leistungsansatz, dass 66,7 m³/h Aushube erfolgen kann, ist aus unserer Sicht nur bei optimalen Boden- und Oberflächenverhältnissen (freies Baufeld) möglich.

Der niedrige Preis für die Bettung ergibt sich lt. Stellungnahme der Fa. L aus der Nähe bzw. dem Preisnachlass des Materiallieferanten.

Die sehr geringen Einheitspreise bei den Regiesätzen für die Arbeiter und die Baumaschinen sind sicherlich nicht kostendeckend, werden aber mit den Stehzeiten, die bei jeder Baustelle auftreten können, begründet.

Das Angebot der Fa. L ist, wie auch aus den K7-Blättern hervorgeht, im wesentlichen so aufgebaut, dass sämtliche Arbeitskräfte und Baumaschinen hauptsächlich beim Rohrverlegen, und damit in der Rohrposition, kalkuliert sind. Durch diesen Kalkulationsansatz ergeben sich natürlich geringere Einheitspreise bei den Erdarbeiten.

Aus unserer Sicht ist das vorgelegte Angebot zwar nicht ausgewogen kalkuliert (siehe Vergabebericht), auf Grund der Preisgestaltungen ist ein Nachteil des Auftraggebers eher nicht zu erwarten.

Die Einheitspreise erscheinen in einigen Bereichen aus bauwirtschaftlicher Sicht nicht plausibel, sind aber anhand der vorgelegten K7-Blätter rechnerisch nachvollziehbar.

Da die Erfahrungen mit dieser Baufirma bei den Bauvorhaben ABA H und ABA Lohnsburg grundsätzlich zufriedenstellend waren, und in der weiteren vertieften Angebotsprüfung keine unzumutbare Preisgestaltung nachgewiesen werden konnte, und die Preiszusammensetzung nachvollziehbar ist, erscheint aus unserer Sicht die Fa. DI L KG weiterhin als Best- und B auf."

3.2. Mit Schreiben vom 11. Oktober 2004 teilte das Land Oberösterreich, Abteilung Wasserwirtschaft, der Gemeinde St. Marienkirchen am Hausruck mit, dass zu dem mit Prüfbericht der Bauleitung vom "08. September 2004" vorgelegten Vergabevorschlag mit einer beabsichtigten Zuschlagserteilung an die Firma L das Einvernehmen als nicht hergestellt gilt, da bei der Prüfung Mängel hinsichtlich der Nachvollziehbarkeit des Gesamtpreises festgestellt wurden, "die gemäß Punkt 98 des BVG zum Ausscheiden des Anbotes führen". Bei einer Vergabe an die Firma S AG bestünde kein Einwand.

Mit Telefax vom 11. Oktober 2004 wurden daraufhin vom Auftraggeber-Prüfingenieur alle Bieter gemäß § 100 BVergG davon informiert, dass für das genannte Bauvorhaben der Zuschlag an die Fa. S, Linz, vorgesehen ist.

Auf deren (telefonische) Anfrage hin wurde mit Telefax vom 13. Oktober 2004 der Antragstellerin vom Auftraggeber-Prüfingenieur ergänzend "die Vergabeentscheidung des Amtes der Oö. Landesregierung" wie folgt übermittelt:

"Ihr Angebot wurde bei der Vergabe nicht berücksichtigt, da bei der Prüfung Mängel hinsichtlich der Nachvollziehbarkeit des Gesamtpreises festgestellt wurden und damit laut BVG Pkt. 98 Ihr Angebot auszuscheiden ist."

3.3. Mit Schreiben vom 25. Oktober 2004, berichtet das Land Oberösterreich, Abteilung Wasserwirtschaft, genehmigt von HR Dipl.Ing. G F der Gemeinde St. Marienkirchen am Hausruck ergänzend:

"Entsprechend den Förderungsrichtlinien des Bundes bzw. Bedingungen des Förderungsvertrages sind die Vergabeunterlagen dem jeweiligen Land zu Herstellung des Einvernehmens im Hinblick auf Förderfähigkeit vorzulegen.

Im gegenständlichen Fall handelt es sich um einen Bauauftrag im Unterschwellenbereich, welcher in einem offenen Verfahren ausgeschrieben wurde. Die ha. Prüfung erfolgte gemäß Bundesvergabegesetz 2002 und brachte das Ergebnis, dass die nach der Angebotseröffnung an erster Stelle gelegene Firma Dipl.Ing. L aufgrund vorgefundener Mängel gemäß § 98 Abs. 3 BVergG ausgeschieden wurde. Die Gründe dafür lagen darin, dass einige als wesentlich gekennzeichnete Positionen mit sehr niedrigen Einheitspreisen ausgepreist wurden.

[Es folgt eine Liste von elf Positionen.]

Entsprechende Aufklärungen und die K7-Blätter wurde vom Planer teilweise mit dem Vergabebericht vorgelegt. Weitere ergänzende Stellungnahmen des Planers bzw. der Firma L wurden nach Aufforderung nachgereicht.

Vom Planer wird grundsätzlich im Vergabebericht festgestellt, dass die extrem niedrige Bewertung der wesentlichen Positionen der Erdarbeiten den Verdacht für einen Versuch von Preisumlagerungen mit sich bringt. Es wurden deshalb die Massenermittlung für die Ausschreibung noch einmal geprüft. Diese Prüfung ergab keine wesentlichen Veränderungen der Aushub- und Bettungsmassen.

Im Zuge einer ergänzenden Stellungnahme wird vom Planer festgestellt, dass manche wesentliche Positionen (z.B.: Aushub, Bettung etc.) mit sehr niedrigen Einheitspreisen versehen sind, die als nicht kostendeckend erscheinen. Auch der Leistungsansatz, dass 67 m³/h Aushub erfolgen kann, ist aus Sicht der prüfenden Stelle nur bei optimalen Boden- und Oberflächenverhältnissen (freies Baufeld), welches im gegenständlichen Fall jedoch nicht gegeben ist, möglich. Bei der Durchsicht der K7-Blätter wurde weiters festgestellt, dass sämtliche Arbeitskräfte und Baumaschinen hauptsächlich bei den Rohrpositionen kalkuliert wurden. Die Einheitspreise erscheinen in einigen Bereichen nicht plausibel.

Das Angebot der Fa. L ist insgesamt sehr unausgewogen kalkuliert. Einige als wesentlich gekennzeichnete Positionen wurden nicht als kostendeckend kalkuliert. In der Kalkulation wurden einige Positionen in die Rohr- und Schachtpositionen (Schachtboden) umgelegt. Für die Leistungsgruppen 20 und 22 ergeben sich ca. 42 % der gesamten Angebotssumme.

Die sehr geringen Einheitspreise bei den Regiearbeiten sowohl für Personal als auch für Maschinen sind sicherlich nicht kostendeckend (sämtliche Regieleistungen wurden nicht kostendeckend angeboten) und werden von der Firma L mit Stehzeiten, die bei jeder Baustelle auftreten können, begründet.

Nach § 91 Abs. 2 Ziff. 4 BVergG umfasst die Prüfung der Angebote auch die Prüfung der Angemessenheit der Preise. Dies erfolgte im Zuge einer vertieften Angebotsprüfung bei den wesentlichen Positionen da aufgrund der vergleichbaren Erfahrungswerte begründete Zweifel an der Angemessenheit der Preise besteht. Die Prüfung erfolgt nicht nur im Hinblick eines zur Leistung ungewöhnlich niedrigen Gesamtpreises (mehr als 30 % unter der Kostenschätzung), sondern auch auf zu niedrige Einheitspreise in wesentlichen Positionen. Wo nicht kostendeckend kalkuliert wurde, wurden entweder nicht nachvollziehbare Kostenansätze gewählt oder die direkt zuordenbaren Personal- und Materialkosten sowie Betriebskosten (Grenzkosten) konnten nicht nachgewiesen werden.

Gem. § 98 Abs. 3 wäre das Angebot der Firma L, aufgrund der nicht plausiblen Zusammensetzung des Gesamtpreises auszuscheiden und das Einvernehmen hinsichtlich Förderungsfähigkeit der gegenständlichen Leistung bei der Zuschlagserteilung an die Firma L gilt als nicht hergestellt."

3.4. Die Antragstellerin tritt diesen Ausführungen im Nachprüfungsantrag und in einer ergänzenden Stellungnahme vom 10. November 2004 unter Hinweis auf die bereits im Rahmen des Prüfverfahrens zur Verfügung gestellten ergänzenden Unterlagen (Aufklärungsschreiben) im Einzelnen entgegen. Sie betont, dass insbesondere die gerügten Einheitspreise jeweils knapp, aber kostendeckend kalkuliert sind. Aus den vorgelegten K7-Formblättern und der zusätzlich vorgelegten Preiszergliederung ergibt sich nachvollziehbar die Darstellung und kalkulatorische Berechnung der mit den unternehmensspezifischen einheitlichen Vortriebspartie-Arbeitsgängen verbundenen ökonomischen Vorteile. Diese Vorgangsweise wurde auch beim Referenzprojekt ABA G erprobt. Die dort aus der Abwicklung resultierenden Endabrechungs-Daten wurden für die nunmehrige Anbotsstellung ausgewertet und genützt. Diese Ansätze stellen somit aus der Erfahrung erklärbare Kalkulationsansätze dar. Zusätzlich habe die Antragstellerin bautechnisch-geologisch unmittelbar vergleichbare, örtlich benachbarte Referenzprojekte abgewickelt und daraus Erfahrungen gewonnen, was die dargestellten günstigen Angebotspreise mit ermöglicht hat.

Selbst die bewusste Kalkulation einzelner Angebots-Positionen unter den Selbstkosten sei noch kein Grund, ein Angebot auszuscheiden, weil es eine dem Verbot des Verkaufes unter dem Einstandspreis entsprechende Regelung im Vergaberecht nicht gibt, vielmehr kommt es allenfalls nur auf eine unplausible Zusammensetzung des Gesamtpreises sowie allenfalls daraus abgeleitete Risiken von Kostenerhöhungen für den Auftraggeber an. Es bestehe keine Gefahr für einen Bietersturz und auch keine Anhaltspunkte dafür, dass selbst geringfügige Massenänderungen dazu führen könnten, dass der gegebene doch erhebliche Preisvorsprung zur Gänze aufgezehrt werden könnte.

3.5. Einige der von der Antragstellerin angebotenen Einheitspreise liegen deutlich unter dem gewichteten Mittelpreis, der sich aus Erfahrungen und Preisstatistiken der Förderungsstelle ergibt, zum Teil liegen die Preise auch unter den dort registrierten niedrigsten Einheitspreisen (vgl. die Niederschrift über die öffentliche mündliche Verhandlung, in der Folge kurz: Verhandlungsniederschrift - RZ 03).

3.6. Der Förderungsstelle lagen bei ihrer Entscheidung sämtliche Dokumente, insbesondere auch die von der Antragstellerin nachgereichten Erläuterungen einschließlich der K7-Blätter und der Preiszergliederung vor. Konkret wurden elf Positionen beanstandet. Die "einheitliche Vortriebspartie-Arbeitsgänge" waren der Förderungsstelle bei ihrer Entscheidung nicht bekannt (vgl. Verhandlungsniederschrift - RZ 04 und 05).

Die Preiszergliederung wurde von der Förderungsstelle nicht konkret geprüft. Daraus ergaben sich Missverständnisse, da der Förderungsstelle bei bestimmten Positionen deren genauer Umfang nicht klar war (etwa die Frage, ob bei den kalkulierten Bagger-Zeiten und -Kosten auch die Betriebsmittel enthalten sind - vgl. Verhandlungsniederschrift - RZ 06).

Eine Besichtigung der oder eine Erhebung zu den konkreten geologischen und sonstigen Bauverhältnissen vor Ort hat es von der Förderungsstelle nicht gegeben. Die Aussage (im Schreiben vom 25. Oktober 2004), dass im konkreten Fall die Boden- und Oberflächenverhältnisse nicht optimal gegeben wären, dass die Leitungseinbauten also beispielsweise im Straßenbereich oder bei beengten Platzverhältnissen stattzufinden haben, wurde vor Ort nicht überprüft (vgl. Verhandlungsniederschrift - RZ 07).

Die von der Antragstellerin genannten Referenzprojekte wurden im Rahmen der Prüfung der Zuschlagskriterien nicht geprüft (vgl. Verhandlungsniederschrift - RZ 08).

Die von der Auftraggeberin vorgenommenen Annahmen zu den Regiearbeiten, stellen Vermutung dar, die auf den Erfahrungen der Förderungsstelle basieren. Im konkreten Fall gibt es dafür keine Anhaltspunkte. Die Richtigkeit der Annahme der Verrechnung über mögliche Nachtragsangebote kann nicht vom Schreibtisch aus und schon gar nicht vor der Bauausführung geprüft werden (vgl. Verhandlungsniederschrift - RZ 14)

Die Frage einer spekulativen Preisgestaltung wurde von der Förderungsstelle nicht näher geprüft, weil aus ihrer Sicht bereits der Gesamtpreis nicht plausibel gewesen ist (vgl. Verhandlungsniederschrift - RZ 16).

Der Preisunterschied vom erst- zum zweitgereihten Anbieter war im Verfahren so, dass bei geringen Massenunterschieden keine Änderung der Reihenfolge zu erwarten war (vgl. Verhandlungsniederschrift - RZ 13).

Das Arbeitstaktverfahren "einheitliche Vortriebspartie-Arbeitsgänge" der Antragstellerin stellt eine planmäßige Gestaltung aller Arbeitsgänge unter Nutzung aller denkbaren Synergieeffekte dar. Ausgehend von in der Praxis erhobenen Werten wird jeder Arbeitsschritt genau definiert und im Gesamtsystem abgestimmt eingebettet (vgl. Verhandlungsniederschrift - RZ 20 und 21).

Auf Grund der Stellungnahme der Antragstellerin (insbesondere jener vom 17. September 2004 sowie der K7-Blätter samt der Preiszergliederung) sowie den ergänzenden Erläuterungen in der öffentlichen mündlichen Verhandlung durch den Zeugen Ing. A G sind für den Unabhängigen Verwaltungssenat alle elf fraglichen Positionen nachvollziehbar begründbar.

 

3.7. Der Sachverhalt ergibt sich aus den vorliegenden Unterlagen sowie den Aussagen im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung. Die von den Zeugen erläuterten technischen Darlegungen sind logisch nachvollziehbar und lassen keinen Zweifel an der Richtigkeit offen.

 

Hinsichtlich der technischen Machbarkeit des Arbeitstaktverfahrens "einheitliche Vortriebspartie-Arbeitsgänge" ergaben sich Widersprüche zwischen dem Zeugen HR Dipl.Ing. G F und Ing. A G. Für Dipl.Ing. F waren die Darlegungen und vorgelegten ergänzenden Unterlagen zum Verfahren letztlich nicht abschließend beurteilbar. Aus seiner Sicht ergaben sich jedenfalls - ausgenommen der niedrigen Ansätze - keine besonderen Merkmale, die die niedrigen Ansätze besonders rechtfertigen würden. Rationell zu arbeiten sei im Interesse jedes Unternehmens gelegen. Das Arbeitstaktverfahren an sich sei in der Bauwirtschaft durchaus üblich. Demgegenüber betonte Ing. A G die Vorteile des Verfahrens, wobei für alle wesentlichen Positionen detaillierte Prozessbeschreibungen erstellt wurden; sie werden ständig verbessert und auf Grund der bei bereits abgewickelten Vorhaben gewonnenen Erfahrung und Daten nachkalkuliert und angepasst.

 

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenats, dem zu dieser Frage als Beispiel die Prozessbeschreibung Arbeitstaktverfahren "Geschachteter Aushub" (für die Angebots-Position 030313A) vorliegt, kann im Ergebnis nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass die beschriebene Vorgangsweise der Antragstellerin nicht nachvollziehbar wäre. Zwar verkennt der Unabhängige Verwaltungssenat nicht, dass das Verfahren von Ing. A G mit entwickelt wurde. Er hat jedoch unter Wahrheitspflicht die Annahmen und das Verfahren sowie die Berechnung objektiv schlüssig nachvollziehbar dargestellt und bestätigt. Auch die schriftlich vorliegende Übersicht enthält im Detail schlüssige und nachvollziehbare Angaben und Berechnungen. Sie wurden im Ergebnis auch vom Auftraggeber-Prüfingenieur im Rahmen der mündlichen Verhandlung nach einer überschlagsmäßigen Berechnung als nachvollziehbar eingstuft (vgl. Verhandlungsniederschrift - RZ 23).

 

Demgegenüber konnte HR Dipl.Ing. G F seine Bedenken nur auf seine allgemeine Erfahrung und darauf stützen, dass im Normalfall eine andere Darstellungsform üblich sei. Er hat auch bei der Gesamtbewertung einigen - aus seiner Sicht weniger wichtigen - Details nicht jene Bedeutung beigemessen, die ihnen auch auf Grund der vielleicht unkonventionellen Darstellungsweise im Ergebnis allerdings zukommen.

 

Nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenats ist es allerdings nicht Aufgabe eines Vergabeverfahrens im Ergebnis jede Entwicklung oder Neuerung faktisch dadurch zu behindern oder unmöglich zu machen, dass sie schon deswegen nicht näher inhaltlich hinterfragt wird, weil sie der üblichen Darstellungsweise oder bisher sonst gebräuchlichen Übungen oder Vorgangsweisen nicht (exakt) entspricht.

Im Übrigen haben weder die Gemeinde St. Marienkirchen am Hausruck selbst als Auftraggeberin noch der Auftraggeber-Prüfingenieur weder in ihrer Stellungnahme noch in der öffentlichen mündlichen Verhandlung (weiter) Bedenken gegen die Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit der Darstellung und Kalkulation der Antragstellerin vorgebracht.

 

4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 2 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz, LGBl. Nr. 153/2002 - Oö. VNPG obliegt dem Unabhängigen Verwaltungssenat die Nachprüfung von Entscheidungen gemäß § 1 Abs. 1 Oö. VNPG. Bis zur Zuschlagserteilung ist der Unabhängige Verwaltungssenat zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen das Bundesvergabegesetz 2002 (BVergG) und die dazu ergangenen Verordnungen zuständig

  1. zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie
  2. zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen der Auftraggeberin im Rahmen der von der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte.

4.2. Die Gemeinde St. Marienkirchen am Hausruck ist öffentliche Auftraggeberin iSd. § 7 Abs. 1 Z. 1 BVergG und des § 1 Abs. 2 Z. 1 Oö. VNPG. Es wurden Kanal- und Straßenbauarbeiten (Erd-, Baumeister- und Installationsarbeiten) für das Vorhaben Abwasserbeseitigungsanlage St. Marienkirchen am Hausruck, Bauabschnitt 06 - Baulos 01 im offenen Verfahren ausgeschrieben. Der Auftragswert der zu prüfenden Ausschreibung überschreitet nicht den Schwellenwert von mindestens 5 Millionen Euro bei Bauaufträgen iSd. § 9 Abs. 1 Z. 3 BVergG. Die Vergabe unterliegt daher dem BVergG und dem Oö. VNPG; es sind daher die gesetzlichen Bestimmungen für den Unterschwellenbereich anzuwenden.

 

Gemäß § 3 Abs. 1 Oö. VNPG kann ein Unternehmer (§ 20 Z. 32 BVergG) bzw. eine Unternehmerin, der bzw. die ein Interesse am Abschluss eines dem BVergG unterliegenden Vertrages behauptet, vor der Zuschlagserteilung beim Unabhängigen Verwaltungssenat die Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung (§ 20 Z. 13 BVergG) des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern ihm bzw. ihr durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

 

Die beabsichtigte Zuschlagserteilung wurde der Antragstellerin per Telefax am 11. Oktober 2004 bekannt gegeben.

 

4.3. Der vorliegende Nachprüfungsantrag wurde am 22. Oktober 2004 vor Zuschlagserteilung - und damit rechtzeitig - eingebracht und erfüllt auch sämtliche sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen.

 

4.3.1. Der Nachprüfungsantrag richtet sich im Punkt a (Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung) gegen eine gesondert anfechtbare Entscheidung (§ 20 Z.13 lit. a sublit. aa BVergG) und ist damit auch gemäß § 6 Abs. 2 Oö. VNPG zulässig.

 

4.3.2. Der Nachprüfungsantrag richtet sich im Punkt b (Nichtigerklärung der vorgelagerten Entscheidung über den Ausschluss der Angebote gemäß § 98 BVergG) formal zwar gegen eine nicht gesondert anfechtbare Entscheidung, wurde jedoch im Zusammenhang mit dem im Punkt a gestellten Antrag gemeinsam gestellt; die Entscheidung wurde also verbunden angefochten. Der Unabhängige Verwaltungssenat wäre nicht zuständig, eine nicht gesondert anfechtbare Entscheidung für nichtig zu erklären. Dies ergibt sich aus § 6 Abs. 2 Oö. VNPG iVm. § 20 Z. 13 lit. a sublit. aa BVergG, der im offenen Verfahren ausschließlich die Ausschreibung, sonstige Festlegungen während der Angebotsfrist und die Zuschlagsentscheidung selbst als gesondert anfechtbare Entscheidungen nennt. Auch die Erläuterungen im Ausschussbericht (1118 BlgNr 21. GP 52) gehen daon aus, dass das Ausscheiden einen eigenen Verfahrensabschnitt darstellt, "der jedoch nicht mit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung beendet wird."

 

Die inhaltlichen Gesichtspunkte zum Ausscheiden der Angebote waren ohnehin im Rahmen der Beurteilung des Antrags auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung mitzubehandeln. Ein gesonderter Abspruch über das auf Nichtigerklärung der nicht gesondert anfechtbaren Entscheidung lautende Begehren (das wohl auch als Eventualbegehren angesehen werden kann) war daher entbehrlich.

 

4.4. Gemäß § 98 Z. 3 BVergG hat die vergebende Stelle vor der Wahl des Angebotes für die Zuschlagsentscheidung auf Grund des Ergebnisses der Prüfung Angebote auszuscheiden, "die eine - gegebenenfalls durch eine vertiefte Angebotsprüfung festgestellte - nicht plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises (z.B. spekulative Preisgestaltung) aufweisen."

 

Gemäß § 93 Abs. 3 BVergG sind Angebote einer vertieften Angebotsprüfung zu unterziehen, wenn sie aufgrund von Erfahrungswerten

  1. einen im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrigen Gesamtpreis aufweisen,
  2. zu hohe oder zu niedrige Einheitspreise in wesentlichen Positionen gemäß § 67 Abs. 4 aufweisen, oder
  3. nach Prüfung gemäß § 2 begründete Zweifel an der Angemessenheit von Preisen entstehen lassen.

 

Nach § 93 Abs. 4 BVergG ist bei einer vertieften Angebotsprüfung zu prüfen, ob die Preise betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar sind. Geprüft werden kann insbesondere, ob

  1. im Preis aller wesentlichen Positionen alle direkt zuordenbaren Personal-, Material-, Geräte-, Fremdleistungs- und Kapitalkosten enthalten sind und ob die Aufwands- und Verbrauchsansätze nachvollziehbar sind,
  2. der Einheitspreis (Pauschalpreis, Regiepreis) für höherwertige Leistungen grundsätzlich höher angeboten wurde als für geringerwertige Leistungen,
  3. die gemäß § 76 Abs. 3 Z. 3 geforderte Aufgliederung der Preise oder des Gesamtpreises (insbesondere der Lohnanteile) aus der Erfahrung erklärbar ist.

Nach § 93 Abs. 5 BVergG hat der Auftraggeber eingegangene Erläuterungen in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit des gewählten Fertigungs- oder Bauverfahrens bzw. der Dienstleistung, die gewählten technischen Lösungen, außergewöhnliche günstige Bedingungen, über die der Bieter bei der Erbringung der Leistung verfügt, oder die Originalität der Leistung des Bieters bei der Überprüfung entsprechend zu berücksichtigen. Die vom Bieter erteilten Auskünfte sind der Niederschrift über die Prüfung der Angebote beizuschließen.

 

Der Regelungszusammenhang des genannten § 98 Z. 3 und der zitierten Regelungen des § 93 BVergG stellt sich demnach so dar, dass der Einschub im § 98 Z. 3 BVergG (lediglich) in dem Sinn auf eine allfällig vorgenommene vertiefte Angebotsprüfung verweist, dass verdeutlicht wird, woraus sich eine "nicht plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises" ergeben kann. Inhaltlich wird damit auf den Inhalt einer vertieften Angebotsprüfung abgestellt, die im § 93 Abs. 4 BVergG näher umschrieben ist. Wenn dort im Einleitungssatz davon die Rede ist, dass "die Preise betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar" sein müssen, so wird damit der Begriff "plausibel" im § 98 Z. 3 BVergG näher umschrieben.

 

Kein unmittelbarer Zusammenhang besteht jedoch zwischen § 98 Z. 3 und § 93 Abs. 3 BVergG, der ja lediglich die Voraussetzungen für eine vertiefte Angebotsprüfung umschreiben, jedoch nichts über deren Inhalt aussagt.

 

4.5. Vorweg sieht sich der Unabhängige Verwaltungssenat noch zu folgenden Ausführungen veranlasst. Das vorliegende Vergabeverfahren ist dadurch gekennzeichnet, dass sich die Gemeinde St. Marienkirchen am Hausruck als Auftraggeberin bei der Begründung ihrer Zuschlagsentscheidung praktisch ausschließlich auf die Begründung der Förderungsstelle des Landes beruft. Diese Förderungsstelle des Landes Oberösterreich prüft die Vergabeentscheidungen der Gemeinden jeweils im Hinblick auf die mitverwendeten Förderungsmittel des Bundes und des Landes, wobei offenbar inhaltlich die Vergabegesetze angewendet werden. Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, dass die Förderungsstelle weder als Behörde nach den Vergabegesetzen noch im Rahmen der Gemeindeaufsicht tätig wird.

 

Der Entscheidung der Förderungsstelle kommt daher keine wie immer geartete Bindungswirkung im Vergabeverfahren zu. Der Unabhängige Verwaltungssenat verkennt damit nicht die schwierige Lage für die Gemeinde, die - will sie die für sie sicher unabdingbar notwendigen Fördermittel in Anspruch nehmen - sich faktisch nach der Ansicht der Förderungsstelle des Landes richten wird müssen. Damit ist - quasi neben dem gesetzlich geregelten Vergabeverfahren - ein (weiteres) (privatwirtschaftliches) Verfahren etabliert, das in der Praxis wesentliche Wechselwirkungen auf das Vergabeverfahren hat.

 

Dies zeigt auch der vorliegende Fall, in dem der Vergabevorschlag der Gemeinde (des Auftraggeber-Prüfingenieurs) ja zunächst auf die Antragstellerin lautete und erst nach der "Prüfung zur Einvernehmensherstellung" auf Grund der dabei geäußerten Ansicht der Förderungsstelle geändert wurde. Für den Unabhängigen Verwaltungssenat ist jedoch letztlich entscheidend, dass die Förderungsstelle eben nicht als Vergabenachprüfungsbehörde eingerichtet ist.

 

Im vorliegenden Vergabeverfahren hat sich die Gemeinde St. Marienkirchen am Hausruck als Auftraggeberin bei der Begründung ihren Entscheidungen zum Ausschluss der Antragstellerin und Erteilung des Zuschlags an die mitbeteiligte Partei ausschließlich auf die Beurteilung der Förderungsstelle berufen. Bei der dargestellten Rechtslage hat dies zur Folge, dass sich die Gemeinde die Entscheidung der Förderungsstelle auch zurechnen lassen muss und allfällige Fehler und Widersprüche zu gesetzlichen Bestimmungen bei der Beurteilung durch die Förderungsstelle zu ihren Lasten gehen.

 

4.6. Zu prüfen bleibt damit, ob die von der Antragstellerin angebotenen und im Zuge der vertieften Angebotsprüfung erläuterten und begründeten Preise plausibel im Sinn von "betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar" sind. Dabei umfasst die Prüfung der Preisplausibilität vor allem die (formale) Nachvollziehbarkeit der Kalkulation anhand der vom Bieter bekannt gegebenen Daten (vgl. BVA 29. April 1997, N-9/96 zit. nach Schwartz, Bundesvergabegesetz RZ 4 zu § 98).

 

Dies ist nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenats im Ergebnis der Fall. Wie im Sachverhalt dargestellt, hat die Antragstellerin zu allen fraglichen Positionen schlüssig nachvollziehbare Erläuterungen gegeben. Die Gegenargumentation der Auftraggeberin (Förderungsstelle) ist aus der Sicht der im Vergabeverfahren anzuwendenden Bestimmungen ihrerseits nicht nachvollziehbar und nicht begründet. Konkret wurden (lediglich) sehr niedrige Einheitspreise in elf Positionen genannt und diese mit dem bisher üblichen Preisniveau verglichen und für nicht kostendeckend angesehen. Auch wurden faktische Annahmen getroffen (etwa zu den Boden- und Oberflächenverhältnissen), ohne dass diese Annahmen näher begründet wurden. Auch die Annahmen zu den Regiearbeiten basieren lediglich auf Vermutungen und werden der Entscheidung (zumindest implizit) zugrunde gelegt, obwohl die Frage einer Verrechnung über Nachtragsangebote ausschließlich nach einer Bauabwicklung beurteilt werden kann. Im Übrigen steht dem auch der Punkt D 20 der Angebotsbestimmungen entgegen, wonach Regiearbeiten nur jeweils nach konkreter Anforderung durch die Bauaufsicht des Auftraggebers zu leisten sind und daher kein Wahlrecht eines Auftragnehmers besteht.

 

Mit dem Hinweis auf begründete Zweifel an der Angemessenheit der Preise verkennt die Auftraggeberin (Förderungsstelle), dass diese Angemessenheit bei der Entscheidung über das Ausscheiden von Angeboten keine unmittelbare Rolle spielt, sondern allenfalls (nur) als Indiz für eine spekulative Preisgestaltung dienen kann.

 

Sind in Relation zu Mitbewerbern selbst hohe oder niedrige Einheitspreise angeboten, die aber nicht auf ein spekulatives Angebot hindeuten, und ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Preise wesentlicher Positionen einer vertieften Angebotsprüfung nicht standhalten würden, ist das Angebot nicht auszuscheiden (B-VKK 13. August 1997, S-60/97, zit. nach Schwartz, Bundesvergabegesetz RZ 4 zu § 98).

 

Aus dem Wortlaut des § 98 Z. 3 BVergG ergibt sich, dass eine nach § 93 festgestellte Unangemessenheit eines Preises nicht jedenfalls zum Ausscheiden des Anbotes führt. Lediglich Angebote, die eine nicht plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises aufweisen, sind auszuscheiden. Das Ergebnis einer vertieften Angebotsprüfung stellt damit lediglich ein Indiz, eine Vermutung dar und wird erst dann zur Gewissheit, wenn andere Bedingungen ebenfalls auf die nicht plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises hindeuten (vgl. Hahnl, Bundesvergabegesetz 2002, K.2. zu § 98 mit Hinweis auf Kropik, Die Wertung von kalkulatorischen Kosten im Rahmen der vertieften Angebotsprüfung von Bauleistungen, ZVB 2001/35, 81). Solche sind im vorliegenden Fall jedoch nicht erkennbar.

 

Auch nicht kostendeckende Angebote können eine plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises aufweisen und sind nicht in jedem Fall auszuscheiden (vgl. Stmk. VKS 5. Dezember 2000, S-12-2000/19, zit. nach Gölles, Judikaturüberblick zum "angemessenen, plausibel zusammengesetzten Gesamtpreis, dessen Verhältnis zur Leistung nicht ungewöhnlich (niedrig) ist", ZVB 2002/49, 119).

 

Wenn weiters bemängelt wird, dass nicht nachvollziehbare Kostenansätze gewählt wurden oder die direkt zuordenbaren Personal- und Materialkosten sowie Betriebskosten nicht nachgewiesen werden konnten, so kann dies vom Unabhängigen Verwaltungssenat seinerseits deswegen nicht nachvollzogen werden, weil die Antragstellerin sämtliche Punkte schriftlich und im Zuge der öffentlichen mündlichen Verhandlung aufklären konnte.

 

Im Übrigen ist nicht wirklich nachvollziehbar, ob und inwieweit die Auftraggeberin (Förderungsstelle) die von der Antragstellerin nachgereichten Daten und Fakten (aus den Aufklärungsschreiben) bei der Überprüfung berücksichtigte. Jedenfalls liegt dem Unabhängigen Verwaltungssenat darüber keine Niederschrift vor (vgl. § 93 Abs. 5 BVergG).

 

Hätte die Auftraggeberin (Förderungsstelle) alle im § 93 Abs. 4 und 5 BVergG genannten Punkte im Detail geprüft, kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass sie zu einem anderen Ergebnis bei der Entscheidung über das Ausscheiden des Anbots der Antragstellerin gekommen wäre. Es durfte jedenfalls nicht von vornherein ausgeschieden werden.

 

Auf Grund der zu den einzelnen strittigen Punkten von der Antragstellerin dargelegten erklär- und nachvollziehbaren Fakten und Daten, ergibt sich ebenso erklär- und nachvollziehbar der angebotene Gesamtpreis. Er ist damit nicht unplausibel zusammengesetzt, insbesondere ergeben sich auch keine Anhaltspunkte für eine spekulative Preisgestaltung. Das Angebot der Antragstellerin durfte daher nicht nach § 98 Z. 3 BVergG ausgeschieden werden.

 

Die Entscheidung der Auftraggeberin zum Ausscheiden des Angebots der Antragstellerin erfolgt damit im Widerspruch zu den Bestimmungen des BVergG.

 

Bei der gegebenen Konstellation, dass nämlich die Antragstellerin im (ursprünglichen) Vergabevorschlag als Erstgereihte aufschien, folgt daraus unmittelbar, dass auch der dem Ausscheiden nachfolgende Verfahrensschritt, nämlich die Zuschlagserteilung an die mitbeteiligte Partei im Widerspruch zu den Bestimmungen des BVergG erfolgte, weil sie auf einer anderen tatsächlichen Basis getroffen wurde. Dass die Zuschlagserteilung für den Ausgang des Vergabeverfahrens in diesem Fall von wesentlichem Einfluss ist, ist evident. Die Zuschlagsentscheidung war daher gemäß § 13 Abs. 1 Oö. VNPG für nichtig zu erklären.

 

Aus den genannten Gründen war daher dem Antrag spruchgemäß stattzugeben (Spruchpunkt I).

 

4.7. Bei diesem Ergebnis braucht auf die weiteren im Nachprüfungsantrag und im Zuge der öffentlichen mündlichen Verhandlung vorgebrachten Behauptungen der Antragstellerin nicht weiter eingegangen zu werden.

 

 

5. Gemäß § 5 Abs. 2 Oö. VNPG sind bei Nachprüfungsverfahren betreffend die Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung neben den im Abs. 1 genannten Parteien jene Bieter bzw. Bieterinnen des Vergabeverfahrens Partei des Nachprüfungsverfahrens, deren rechtliche Interessen durch die Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenats unmittelbar berührt werden könnten. Die Bieter bzw. Bieterinnen verlieren ihre Parteistellung, sofern sie nicht spätestens binnen einer Frist von einer Woche nach der Verständigung gemäß § 3 Abs. 3 schriftlich oder in der mündlichen Verhandlung mündlich einen Antrag auf Teilnahme am Nachprüfungsverfahren gestellt haben.

 

Die Erstgereihte Bieterin S AG stellte in der mündlichen Verhandlung am 17. November 2004 einen Teilnahmeantrag gemäß § 5 Abs. 2 Oö. VNPG, der alle Erfordernisse des § 7 Oö. VNPG erfüllt. Gründe für eine Unzulässigkeit iSd. § 7 Abs. 2 Oö. VNPG liegen nicht vor, sodass die S AG im vorliegenden Nachprüfungsverfahren Parteistellung zukommt.

 

Da dem Nachprüfungsantrag der Dipl.Ing. L KG stattzugeben war, war der von der mitbeteiligten Partei gestellte Antrag auf Abweisung des Nachprüfungsantrags als unbegründet abzuweisen; dazu wird auf die Ausführungen im Punkt 4. verwiesen. Ebenfalls abzuweisen war der Antrag auf Kostenersatz, weil der Anspruch auf Ersatz der entrichteten Gebühren gemäß § 18 Abs. 4 Oö. VNPG zur Voraussetzung hat, dass die Antragstellerin - wenn auch nur teilweise - obsiegt, was im vorliegenden Nachprüfungsverfahren allerdings nicht der Fall ist (Spruchpunkt II).

 

 

6. Ein Ersatz der Gebühren nach § 18 Abs. 4 Oö. VNPG war der Antragstellerin nicht zuzusprechen, da sie keinen entsprechenden Antrag auf Kostenersatz gestellt hat (§ 74 Abs. 2 zweiter Satz AVG).

 

 

7. Im Verfahren sind für die Antragstellerin Stempelgebühren in der Höhe von 59,80 Euro angefallen. Für den Teilnahmeantrag der mitbeteiligten Parten sind Stempelgebühren in der Höhe von 13 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt jeweils bei.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Mag.Dr. Wolfgang Steiner

 

 

 
 

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