Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-550167/4/Kl/Rd/Pe

Linz, 09.11.2004

 

 

 VwSen-550167/4/Kl/Rd/Pe Linz, am 9. November 2004

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S
 
 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über den Antrag der M GesmbH, vertreten durch Rechtsanwaltspartnerschaft K & A, auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Vergabeverfahren der Stadtgemeinde G über die Lieferung "Lkw Trägerfahrzeug mit Kehrmaschinenaufbau für 6 m³ Nutzinhalt", zu Recht erkannt:

Dem Antrag wird stattgegeben und der Auftraggeberin Stadtgemeinde G die Erteilung des Zuschlages bis zur Entscheidung in diesem Nachprüfungsverfahren, längstens aber bis 4. Dezember 2004, untersagt.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 1, 2, 3 und 11 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz, LGBl.Nr. 153/2002.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Eingabe vom 4.11.2004, beim Oö. Verwaltungssenat eingelangt am 5.11.2004, wurde von der M GesmbH der Antrag auf Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens und Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung sowie auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, der Auftraggeberin die Zuschlagserteilung bis zur Entscheidung im Nachprüfungsverfahren, längstens aber für die Dauer von einem Monat nach Antragstellung, zu untersagen, gestellt.

Begründend wurde vorgebracht, dass die Auftraggeberin im August 2004 die Ausschreibung für ein Lkw Trägerfahrzeug mit Kehrmaschinenaufbau für 6 m³ Nutzinhalt im offenen Verfahren vorgenommen habe. Die Ausschreibung sei im Juli/August 2004 (Angebotsabgabe bis 16.8.2004, 10.00 Uhr) erfolgt.

Die Antragstellerin habe im Rahmen dieser Ausschreibung fristgerecht und ordnungsgemäß die Angebote Nr. 32-02350/04 und (Alternativangebot) Nr. 32-02351/04) gelegt. Das Angebot Nr. 32-02350/04 habe als Variante 1 ein Trägerfahrzeug/Fahrgestell MAN über eine Angebotssumme von 139.200 Euro brutto bzw 116.000 Euro netto enthalten und stamme vom 12.8.2004. Das Alternativangebot (Variante 2) habe sich auf ein Trägerfahrzeug/Fahrgestell IVECO mit einem Preis von 133.200 Euro brutto bzw 111.000 Euro netto bezogen. Auch dieses Angebot habe vom 12.8.2004 gestammt und seien sohin fristgerecht und ordnungsgemäß von der Antragstellerin zwei, der Ausschreibung konform laufende Angebote gelegt worden, denen die in der Ausschreibung bezeichneten Unterlagen ordnungsgemäß angeschlossen gewesen seien.

 

Obwohl die Ausschreibungsunterlagen von mehreren potentiellen Bietern entgegengenommen worden seien, haben - wie sich bei der Angebotsöffnung herausgestellt habe - letztlich nur drei Bieter an der Ausschreibung teilgenommen. Dabei habe es sich um die Firma G GesmbH für A-T, die Firma B GesmbH & Co KG, sowie um die Antragstellerin gehandelt.

 

Die Antragstellerin habe ihrer Ansicht nach das technisch und wirtschaftlich beste Angebot gelegt und habe sie überdies ein essentielles wirtschaftliches Interesse an der Erteilung des Zuschlages, zumal sie Arbeitsmaschinen, wie jene, die Inhalt der gegenständlichen Ausschreibung bilden, erzeuge und vertreibe.

 

Die Ausschreibung sei nach dem Bestbieterprinzip unter Festlegung mehrerer Kriterien, nämlich des Preises (max. 60 Punkte), der Bewertung des Anbotes durch das Bedienungspersonal (max. 20 Punkte), des Standortes der Vertragswerkstätten (max. 11 Punkte) sowie der technischen Spezifikation (max. 9 Punkte), wobei die Einzelwerte aus Preis und Qualität hinsichtlich sämtlicher Kriterien addiert würden und die Bieterin mit der höchsten Punktezahl eben Bestbieter sei, erfolgt.

 

Bei ordnungsgemäßer Prüfung der Angebote wären auf Basis der Vergabegrundlagen die Angebote der Mitbieter als für die Zuschlagserteilung ungeeignet zu erkennen gewesen. Dies, da bei zutreffender Summierung der für den einzelnen Bieter zu vergebenden Einzelwerte die Antragstellerin mit der höchsten Punktezahl erkannt und somit als Bestbieterin ermittelt hätte werden müssen. Die Zuschlagsentscheidung habe die Antragstellerin sohin auch in ihrem Recht, verfassungsmäßig gleichbehandelt und nicht diskriminiert zu werden, verletzt. Überdies habe die Entscheidung auch gegen die Grundsätze der Anwendung der ÖNORMEN und die direkt anwendbaren materiellen Vergaberichtlinien verstoßen.

 

Hinsichtlich der Rechtzeitigkeit des Antrages wurde ausgeführt, dass die Auftraggeberin mit Schreiben vom 28.10.2004 mitgeteilt habe, dass beabsichtigt sei, den Zuschlag der Firma G zu erteilen.

Die Zuschlagsentscheidung sei - entgegen den Ausführungen der Auftraggeberin in erwähnten Schreiben vom 28.10.2004 - nicht bereits am 22.10.2004 an die E-Mail-Adresse versandt worden.

 

Zum Schaden wurde ausgeführt, dass die Antragstellerin die Trägerfahrzeuge zunächst selbst zuzukaufen habe. Die Aufbauten würden dann von der Antragstellerin selbst erzeugt und würden sich auf Basis dieser Grundlage Zuschläge für die Weiterveräußerung an die Auftraggeberin ergeben. Diese liegen für das Trägerfahrzeug bei rund 7 % und für den Kehrmaschinenaufbau bei 15 %.

Von der Antragstellerin wurden der entgangene Erlös, der Verlust von Referenzen sowie der Ersatz der geleisteten Pauschalgebühren, geltend gemacht.

 

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat die Stadtgemeinde G als Auftraggeberin am Nachprüfungsverfahren beteiligt. Eine Stellungnahme ist bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht eingelangt.

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Die Stadtgemeinde G ist öffentliche Auftraggeberin iSd § 7 Abs.1 Z1 BVergG bzw des § 1 Abs.2 Z1 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz (kurz: Oö. VNPG). Der Auftragswert der gegenständlichen Ausschreibung überschreitet nicht den Schwellenwert von mindestens 200.000 Euro bei Lieferaufträgen iSd § 9 Abs.1 Z2 Bundesvergabegesetz 2002 - BVergG. Die gegenständliche Vergabe unterliegt daher dem Oö. VNPG; es sind daher die gesetzlichen Bestimmungen für den Unterschwellenbereich anzuwenden.

 

Gemäß § 2 Oö. VNPG obliegt dem unabhängigen Verwaltungssenat die Nachprüfung von Entscheidungen gemäß § 1 Abs.1 leg.cit. Bis zur Zuschlagserteilung ist der unabhängige Verwaltungssenat zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen das Bundesvergabegesetz und die dazu ergangenen Verordnungen zuständig

  1. zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie
  2. zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen des Auftraggebers bzw der Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller bzw der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte.

 

Der gegenständliche Antrag ist rechtzeitig und zulässig.

 

3.2. Gemäß § 11 Oö. VNPG hat, sobald das Nachprüfungsverfahren vor Zuschlagserteilung eingeleitet ist, der unabhängige Verwaltungssenat auf Antrag durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen zu ergreifen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern. Vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat der unabhängige Verwaltungssenat die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers bzw der Antragstellerin, der sonstigen Bewerber oder Bieter bzw Bewerberinnen oder Bieterinnen und des Auftraggebers bzw der Auftraggeberin sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist von ihrer Erlassung abzusehen. In einer einstweiligen Verfügung ist die Zeit, für welche die Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Sie tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch, wenn die einstweilige Verfügung ein Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich betrifft, einen Monat nach Antragstellung oder mit der Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates über den Antrag auf Nichtigerklärung außer Kraft.

 

Bereits zu der vorausgegangenen sinngemäßen Regelung des Bundesvergabegesetzes 1997 führte Bernd Elsner, Vergaberecht, Linde Verlag, auf Seite 86 aus: Die Entscheidung hängt von einer Abwägung der möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers und einem allfälligen besonderen öffentlichen Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens ab. Dabei muss es sich um ein "besonderes" öffentliches Interesse handeln. Es wird nämlich (hoffentlich) bei jeder öffentlichen Auftragsvergabe ein öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens und Vergabe eines Auftrages bestehen. Aber auch daran, dass Vergabeverfahren fehlerfrei ablaufen, besteht öffentliches Interesse. Eine Nichterlassung einstweiliger Verfügungen wird daher nur bei sonstiger Gefahr für Leib und Leben und besonderer Dringlichkeit zulässig sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn besondere Interessen der Daseinsvorsorge gefährdet würden.

 

Art.2 Abs.4 Satz 1 der Rechtsmittelrichtlinie darf nicht fälschlicherweise so ausgelegt werden, dass der vorläufige Rechtsschutz regelmäßig leerläuft. Mit diesem Interesse ist nicht das bei jeder Auftragsvergabe bestehende öffentliche Interesse an der zügigen Abwicklung gemeint.

 

Nach der Beschlusspraxis des EuGH kommt es in der Interessensabwägung maßgeblich darauf an, wer durch sein Verhalten die besondere Dringlichkeit der Auftragsvergabe verursacht hat. Für die öffentlichen Auftraggeber ergibt sich daraus eine echte Obliegenheit zu rechtzeitig geplanten und durchgeführten Beschaffungsvorgängen. Das Rechtsschutzinteresse des diskriminierten Bieters kann insoweit nur vom vorrangigen Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter der Allgemeinheit zurückgedrängt werden (vgl. Schenk, Das neue Vergaberecht, 1. Auflage 2001, S. 172f).

 

Auch der Verfassungsgerichtshof hat insbesondere in seiner Entscheidung zu Zl. B 1369/01 vom 15.10.2001 ein öffentliches Interesse im Hinblick auf das Postulat effizienten Einsatzes öffentlicher Mittel in der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter gesehen, dem die Nachprüfung des Vergabeverfahrens letztlich dienen soll.

 

In Anbetracht der Tatsache, dass es sich bei der Lieferung eines Lkw Trägerfahrzeuges mit einem Kehrmaschinenaufbau nicht um eine vordringliche Leistungserbringung handelt, kann daraus geschlossen werden, dass eine Gefährdung von Leib und Leben nicht aktuell ist. Auch trifft die Auftraggeberin im Hinblick auf die Rechtsnatur des Provisorialverfahrens und auf die allgemeine Mitwirkungspflicht der Parteien im Verwaltungsverfahren die Behauptungslast betreffend die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen. Die Auftraggeberin hat aber konkret mit der Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung drohende Nachteile nicht dargelegt, sodass davon auszugehen ist, dass die nachteiligen Folgen des vorläufigen Zuschlagsverbotes nicht überwiegen und daher dem Antrag stattzugeben ist (vgl. BVA 1.12.2000, N-56/00-9). Es hat daher die Antragstellerin glaubwürdig und denkmöglich dargelegt, dass ihr durch die behauptete Rechtswidrigkeit der Entgang des Auftrages droht, sohin ein Schaden, der nur durch die vorläufige Untersagung der Zuschlagserteilung abgewendet werden kann. Abgesehen von dem vorausgesetzten öffentlichen Interesse an der Vergabe des gegenständlichen Auftrages ist aber ein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens weder durch die Auftraggeberin vorgebracht worden noch dem Oö. Verwaltungssenat zur Kenntnis gelangt. Vielmehr ist bei der Interessensabwägung iSd Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu berücksichtigen, dass der Auftraggeber ein Interesse an der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebotes, also an einem rechtmäßigen Vergabeverfahren haben muss. Es ist daher zu berücksichtigen, dass bei rechtmäßiger Ermittlung des günstigsten Angebotes unter Umständen die Auftraggeberin eine Kostenersparnis erwarten würde, die den aus der Verfahrensverzögerung allenfalls auftretenden Kosten entgegenzuhalten ist bzw diese Kosten aufheben würde. Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Vergabekontrollinstanzen, dass ein öffentlicher Auftraggeber bei der Erstellung des Zeitplanes für eine Auftragsvergabe die Möglichkeit von Nachprüfungsverfahren und die damit einhergehende Verzögerung ins Kalkül zu ziehen hat, zu verweisen. Dass sich durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung eine Verzögerung der Bedarfsdeckung und ein organisatorischer und finanzieller Mehraufwand ergeben kann, liegt in der Natur der Sache. Da kein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an einem möglichst raschen Vertragsabschluss geltend gemacht wurde und auch nicht auf der Hand liegt, war dem Antrag stattzugeben.

Die im Vorbringen der Antragstellerin behaupteten Rechtswidrigkeiten sind zumindest denkmöglich. Eine Überprüfung, ob die behaupteten Rechtswidrigkeiten auch tatsächlich vorliegen, war im Rahmen des Provisorialverfahrens nicht durchzuführen.

 

Die Dauer der Aussetzung der Zuschlagserteilung ergibt sich aus § 11 Abs. 5 Oö. VNPG.

 

Die einstweilige Verfügung ist gemäß § 11 Abs.6 Oö. VNPG sofort vollstreckbar.

 

4. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in der Höhe von 45,40 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 
 

Dr. Klempt
 

 

Beschlagwortung:

keine besonderen, überwiegenden öffentlichen Interessen

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