Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-550168/6/Kl/Pe

Linz, 12.11.2004

 

 

 VwSen-550168/6/Kl/Pe Linz, am 12. November 2004

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S
 
 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über den Nachprüfungsantrag der F B Ges.m.b.H. & Co. KG, betreffend Vergabeverfahren der Stadtgemeinde G über die Lieferung "Lkw Trägerfahrzeug mit Kehrmaschinenaufbau für 6 m³ Nutzinhalt", zu Recht erkannt:

 

 

Dem Nachprüfungsantrag vom 5.11.2004 wird Folge gegeben und die angefochtene Zuschlagsentscheidung vom 22.10.2004, per Fax eingegangen am 2.11.2004, den Zuschlag der Firma G GmbH, zu erteilen, für nichtig erklärt.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 1, 2 und 13 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz - Oö. VNPG, LGBl. Nr. 153/2002 iVm § 100 Abs.1 Bundesvergabegesetz 2002 - BVergG, BGBl. I Nr. 99/2002.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Eingabe vom 5.11.2004, per Fax eingebracht am 5.11.2004, rechtzeitig verbessert am 8.11.2004, wurde von der F B Ges.m.b.H. & Co. KG der Antrag auf Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens und Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung vom 22.10.2004 gestellt.

Begründend wurde zunächst vorgebracht, dass die Antragstellerin das mit 22.10.2004 datierte Schreiben erst am 2.11.2004 erhalten hat, mit dem die Zuschlagsentscheidung zugunsten der Firma G mitgeteilt wurde. Ein Maileingang am 22.10.2004 konnte nicht verzeichnet werden. Die Antragstellerin habe ein ausschreibungsgemäßes Angebot gelegt und sei nach ihrer Ansicht Bestbieterin. Sie liege im Bereich des Preises vor der G und werden auch die gewünschten Spezifikationen erfüllt. Offensichtlich sei die Kehrmaschine des Mitbewerbers im Bereich Bedienung besser beurteilt worden. Dazu wurde vorgebracht, dass die eingesetzte Kommission mit einigen Fahrern sich mit der Maschine des Mitbewerbers sehr ausführlich auseinandergesetzt habe, hingegen für die Maschine der Antragstellerin nur zwei sehr kurze Vorführungen stattgefunden hätten und zudem nicht alle Mitglieder der Kommission anwesend gewesen seien. Die Maschine sei daher bewertet worden, ohne dass sie offensichtlich ausreichend gesehen worden sei. Auch im Bereich Kundendienst sei die Antragstellerin nicht objektiv bewertet worden. Sie biete dem Kunden in unmittelbarer Nähe eine große Organisation mit werksgeschulten Mitarbeitern. Die präsumtive Bestbieterin hätte ihren Firmensitz in und nur proforma vor Ort eine Servicestelle mit offensichtlich fehlender Erfahrung mit Kehrmaschinen eingesetzt.

Aufgrund der derzeitigen Auftragslage hätte die Antragstellerin ein großes Interesse am betreffenden Auftrag. Für Vorführung und Projektbearbeitung hätte sie 2.500 Euro aufgewendet. Der Vertragsabschluss hätte für sie durch die regionale Nähe enorme Bedeutung. Der Imageverlust könnte infolge zu weiteren Auftragsverlusten führen. Ihre Kehrmaschine werde in Oberösterreich aufgebaut und sichere daher die Antragstellerin Arbeitsplätze. Auch werde dieser Auftrag zur Auslastung der Montage benötigt. Als Schaden wurde voraussichtlich ein Schaden in Form eines entgangenen Umsatzverlustes von ungefähr 127.500 Euro benannt. Darüber hinaus wären die Kosten für die gesamte Projektbearbeitung inklusive Vorführungen verloren. Die Antragstellerin fühlt sich in ihrem Recht, dass der Zuschlag ihr erteilt wird, weil sie Bestbieterin sei, verletzt.

 

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat die Stadtgemeinde G als Auftraggeberin am Nachprüfungsverfahren beteiligt. In ihrer Stellungnahme vom 9.11.2004 gibt sie bekannt, dass nach Durchführung des Vergabeverfahrens und den Beschlüssen innerhalb der Gemeindegremien nach Auswertung der einzelnen Angebote mit Schreiben vom 22.10.2004, übermittelt am 22.10.2004 per E-Mail an die von den jeweiligen Bietern bekannt gegebenen Mailadressen, eine Verständigung über die Zuschlagsentscheidung erging. Innerhalb der 14-tägigen Stillhaltefrist haben Firmenvertreter der bietenden Unternehmen mit der Stadtgemeinde telefonisch Kontakt aufgenommen und wurde in der Folge innerhalb dieser Stillhaltefrist per Fax die beabsichtigte Vergabeentscheidung zusätzlich zur Kenntnis gebracht. Es wurde darauf hingewiesen, dass bei der Vergabe das Bestbieterprinzip vorgesehen war und die Bewertung durch die Mitarbeiter des Wirtschaftshofes eindeutig ausgefallen ist. Als Vertragswerkstätte wurde die Firma H aus genannt. Seitens der Stadtgemeinde G können daher auch diese dargestellten Vorwürfe nicht nachvollzogen werden. Gleichzeitig wurden die angeforderten (zum Parallelverfahren) zusätzlichen Unterlagen, nämlich Schreiben über die Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung an alle Bieter samt Zustellnachweisen, Angebotsunterlagen der Antragstellerin, Verständigung von der Einbringung eines Nachprüfungsantrages und Schriftverkehr mit der Antragstellerin einschließlich jenes des Aufklärungsgespräches vorgelegt.

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die vorgelegten Schriftstücke und Unterlagen. Weil bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass die bekämpfte Entscheidung für nichtig zu erklären ist, kann die öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 12 Abs.2 Z2 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz entfallen.

 

Aus den Unterlagen ist nachgewiesen, dass laut Bekanntmachung in der ALZ, Folge 15 vom 22.7.2004, die Stadtgemeinde G einen Lieferauftrag "Lkw Trägerfahrzeug mit Kehrmaschinenaufbau für 6 m³ Nutzinhalt" im offenen Verfahren im Unterschwellenbereich ausgeschrieben hat. Die Angebotseröffnung erfolgte am 16.8.2004. Drei Bieter haben Angebote eingebracht.

 

Weiters ist ersichtlich, dass die Auftraggeberin mit 22.10.2004 datiertem Schreiben den drei Bietern die Zuschlagsentscheidung, nämlich den Zuschlag an die Firma G GmbH, zu erteilen, bekannt machen wollte. Sie hat ein E-Mail an die Bestbieterin gesendet und es wurde das Einlangen per E-Mail von der Bestbieterin am 9.11.2004 bestätigt. Die Zusendung per E-Mail an die weiteren Bieter wurde von der Auftraggeberin nicht nachgewiesen. Eine Mitbieterin wurde daraufhin mit 28.10.2004 datiertem Schreiben, per Fax versendet am selben Tage um 13.54 Uhr, von der Zuschlagsentscheidung in Kenntnis gesetzt. Der Antragstellerin wurde mit 2.11.2004 datiertem Schreiben, per Fax eingelangt am selben Tag um 11.58 Uhr bzw. 13.23 Uhr, die Zuschlagsentscheidung mitgeteilt.

 

Nach den vorgelegten Ausschreibungsunterlagen, Vorbemerkungen zum Leistungsverzeichnis, ist unter dem Abschnitt "Vergabegrundlagen" die Vergabe nach dem Bestbieterprinzip festgelegt. Als Kriterien wurden der Preis mit maximal 60 Punkten, die Bewertung des Bedienungspersonals mit maximal 20 Punkten, der Standort der Vertragswerkstätte mit maximal 11 Punkten und die technischen Spezifikationen mit maximal 9 Punkten festgelegt. Auch wurde die nähere Bewertung der einzelnen Kriterien ausgeführt. Nach der Angebotsprüfungszusammenstellung wurde das Angebot der Antragstellerin hinsichtlich der einzelnen Kriterien wie folgt bewertet: Preis mit 54,588 Punkten, Vertragswerkstätte mit 11 Punkten, Bewertung des Betriebspersonals mit 0 Punkten, technische Spezifikationen mit insgesamt 3 Punkten, sodass auf das Gesamtangebot 68,588 Punkte entfallen. Hinsichtlich der präsumtiven Bestbieterin erfolgte folgende Bewertung: Hinsichtlich Preis 53,172 Punkte, Vertragswerkstätte 11 Punkte, Bewertung des Bedienungspersonals 20 Punkte und technische Spezifikationen 4,5 Punkte, also eine Gesamtpunktezahl von 88,672 Punkten. Die weitere Bieterin erhielt für den Preis 60 Punkte, für die Vertragswerkstätte 11 Punkte, für die Bewertung des Betriebspersonals 0 Punkte und für die technischen Spezifikationen 6,4 Punkte, also insgesamt 77,4 Punkte.

4. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Die Stadtgemeinde G ist öffentliche Auftraggeberin im Sinn des § 7 Abs.1 Z1 BVergG bzw. des § 1 Abs.2 Z1 Oö. VNPG. Der Auftragswert der gegenständlichen Ausschreibung überschreitet nicht den Schwellenwert von mindestens 200.000 Euro bei Lieferaufträgen im Sinn des § 9 Abs.1 Z2 BVergG. Die gegenständliche Vergabe unterliegt daher dem Oö. VNPG; es sind daher die gesetzlichen Bestimmungen für den Unterschwellenbereich anzuwenden (§ 17 Abs.1 BVergG).

 

4.2. Gemäß § 2 Abs.2 und § 13 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz ist der unabhängige Verwaltungssenat bis zur Zuschlagserteilung zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen das BVergG und die dazu ergangenen Verordnungen zuständig

  1. zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie
  2. zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller bzw. der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte.

Der Oö. Verwaltungssenat hat eine im Zuge eines Vergabeverfahrens ergangene Entscheidung eines Auftraggebers bzw. einer Auftraggeberin für nichtig zu erklären, wenn sie

  1. im Widerspruch zu Bestimmungen des BVergG oder den hierzu erlassenen Verordnungen steht und
  2. für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss ist.

 

Die Zuschlagsentscheidung ist gemäß § 20 Z13 lit.a sublit.aa BVergG eine gesondert anfechtbare Entscheidung (vgl. § 3 Abs.1 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz), welche gemäß § 9 und Teil II Z1 der Anlage zu § 9 des Oö. Vergabenachprüfungsgesetzes in der Frist gemäß § 100 Abs.2 BVergG angefochten werden kann.

 

Der Nachprüfungsantrag vom 5.11.2004 richtet sich gegen die Zuschlagsentscheidung vom 22.10.2004 bzw. 2.11.2004 und erfüllt nach rechtzeitiger Verbesserung die Zulassungsvoraussetzungen.

Durch den Verweis auf die Frist gemäß § 100 Abs.2 BVergG in Teil II Z1 der Anlage zu § 9 Oö. VNPG handelt es sich funktional um eine Rechtsmittelfrist. Eine solche beginnt ganz allgemein erst dann, wenn der Rechtsmittelberechtigte die Möglichkeit hat, Kenntnis vom Inhalt der anzufechtenden Entscheidung zu erlagen (vgl. Hahnl, BVergG, nwV, S. 503). Der Antrag ist daher auch rechtzeitig eingebracht.

 

Mit Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates vom 9.11.2004, VwSen-550167/4/Kl/Rd/Pe, wurde dem Antrag einer Mitbieterin auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung stattgegeben und die Zuschlagserteilung bis zur Entscheidung im Nachprüfungsverfahren, längstens aber bis 4.12.2004 untersagt.

 

4.3. Gemäß § 2 Abs.2 Z2 und § 13 Abs.1 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz hat der unabhängige Verwaltungssenat im Rahmen der von der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte die Nichtigerklärung der angefochtenen Zuschlagsentscheidung auszusprechen, wenn sie im Widerspruch zu den Bestimmungen des BVergG oder der hiezu erlassenen Verordnungen steht und für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss ist.

 

Als Beschwerdepunkte führte die Antragstellerin aus, dass sie Bestbieterin sei, ihr die höchste Punktezahl zuzusprechen sei und sie daher den Zuschlag erhalten müsste. Sie sei daher im Recht auf Zuschlagserteilung verletzt.

 

4.4. Nach den Behauptungen der Antragstellerin und den Nachweisen der vorgelegten Unterlagen wurde ein mit 22.10.2004 datiertes Schreiben an die Antragstellerin über die Mitteilung der Zuschlagsentscheidung verfasst und darin die Anordnung der E-Mailzustellung an die Adresse getroffen. Nach den Behauptungen der Antragstellerin ist dieses Mail nie bei ihr eingelangt. Auch die Auftraggeberin hat trotz Aufforderungsschreiben des Oö. Verwaltungssenates vom 5.11.2004 einen Zustellnachweis für diese E-Mailzustellung am 22.10.2004 an die Antragstellerin nicht vorgelegt und nicht beigebracht. Vielmehr legte die Auftraggeberin ein weiteres mit 2.11.2004 datiertes Schreiben an die Antragstellerin vor, welches nachweislich laut Sendebericht mit Fax am 2.11.2004 um 11.58 Uhr bzw. 13.23 Uhr der Antragstellerin übermittelt wurde. Das genannte mit 22.10.2004 datierte Schreiben ging per E-Mail lediglich bei der Bestbieterin ein, was diese auch mit einem E-Mail am 9.11.2004 bestätigte. Auch die weitere Bieterin behauptet in einem weiteren Nachprüfungsantrag, dass sie das E-Mail am 22.10.2004 nicht erhalten hätte, sondern vielmehr erst ein mit 28.10.2004 datiertes Verständigungsschreiben über die Zuschlagsentscheidung, das bei ihr per Fax am 28.10.2004, 13.57 Uhr laut Sendebericht eingelangt ist. Dies wurde durch die Nachweisunterlagen der Auftraggeberin belegt. Auch hinsichtlich dieser Bieterin liegt ein Nachweis über eine E-Mailzustellung nicht vor.

 

Gemäß § 100 Abs.1 BVergG hat der Auftraggeber den Bietern gleichzeitig, unverzüglich und nachweislich elektronisch oder mittels Telefax mitzuteilen, welchem Bieter der Zuschlag erteilt werden soll. Ein unter Verstoß gegen die gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes bestehende Verpflichtung zur Mitteilung der Zuschlagsentscheidung erfolgter Zuschlag ist nichtig.

 

Gemäß § 100 Abs.2 BVergG darf der Zuschlag bei sonstiger Nichtigkeit nicht innerhalb einer Stillhaltefrist von 14 Tagen ab Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung gemäß Abs.1 erteilt werden.

 

Gemäß § 20 Z42 BVergG ist eine Zuschlagsentscheidung die an Bieter abgegebene nicht verbindliche Absichtserklärung, welchem Bieter der Zuschlag erteilt werden soll.

 

Im konkreten Fall ist davon auszugehen, dass die gegenständlich angefochtene Handlung der Auftraggeberin mit Ausnahme der Voraussetzungen des § 100 Abs.1 BVergG jedenfalls die übrigen Voraussetzungen für das Vorliegen einer Zuschlagsentscheidung erfüllt. So hat der interne Willensbildungsprozess bei der Auftraggeberin ordnungsgemäß stattgefunden, der Bekanntgabe an die Bieter kommt ein Erklärungswert nach außen zu und die Handlung ist der Auftraggeberin zuzurechnen. Darüber hinaus ist die Bekanntgabe ausnahmslos an sämtliche Bieter ergangen. Darin wurde mitgeteilt, wem der Zuschlag erteilt werden soll. Sowohl nach der Rechtsprechung des BVA und des VfGH sowie des europäischen Rechts, wurde daher eine Zuschlagsentscheidung als Willenserklärung, der Erklärungswert nach außen zukommt und die dem Auftraggeber zuzurechnen ist, erlassen.

 

Fraglich ist hingegen, ob die nach außen in Erscheinung getretene Zuschlagsentscheidung (nach der Definition des § 20 Z42 BVergG) mangels der Einhaltung der Bekanntmachungsvorschrift gemäß § 100 Abs.1 Satz 1 BVergG einen tauglichen Anfechtungsgegenstand iSd § 20 Z13 lit.a sublit.aa BVergG bildet oder ob sie per se nichtig und somit als nicht existent anzusehen ist.

 

Das Bundesvergabeamt hat in seiner Entscheidung vom 19.9.2003, 10N-81/03-12, ausgeführt: "Wesentlich ist dabei, ob es in der dogmatischen Begrifflichkeit einen Unterschied geben kann zwischen der einen zulässigen Anfechtungsgegenstand bildenden und somit für die Nachprüfung verfahrensrelevanten Zuschlagsentscheidung einerseits und andererseits der die Rechtsfolgen des § 100 BVergG auslösenden und somit vollwirksamen Zuschlagsentscheidung, wobei der letzte Begriff neben den Voraussetzungen für die "verfahrensrelevante Zuschlagsentscheidung" zusätzlich auch die Voraussetzungen des § 100 Abs.1 erster Satz BVergG erfüllt. Zur Beantwortung dieser Frage ist zunächst festzuhalten, dass § 100 BVergG nicht dem Rechtsschutz (Verfahrensrecht), sondern dem materiellen Recht des BVergG (iSd Art.14b B-VG) zuzurechnen ist. Dieser Bestimmung kommt daher prima vista für die Auslegung des Begriffs (und des Vorhandenseins) der Entscheidung bzw. Zuschlagsentscheidung im Verfahrensrecht keine Bedeutung zu. Diese Unterscheidung wird gerade im Hinblick auf die Kompetenzbestimmung des Art.14b B-VG und der damit zusammenhängenden Regelungskompetenz der Landesgesetzgeber offenbar. Somit kennen auch die gesetzlichen Vergabevorschriften eine Unterscheidung zwischen dem materiellen Recht und dem Verfahrensrecht. Es ist daher grundsätzlich davon auszugehen, dass diese beiden Rechtsteilbereiche unterschiedliche Begrifflichkeiten beinhalten können. Die Möglichkeit des Vorliegens von unterschiedlichen Begrifflichkeiten wird auch durch den Gesetzestext des BVergG 2002 selbst indiziert. So lautet die Überschrift zu § 100 BVergG: ‚Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung'. Auf den ersten Blick ist diese Überschrift zwar insofern irreführend, als dem nachprüfungsrechtlichen Entscheidungsbegriff notwendigerweise jedenfalls eine gewisse Publizität zu eigen ist ....... Geht man allerdings davon aus, dass § 100 BVergG eine, im materiellen Recht weitere Rechtsfolgen auslösende Bekanntmachungsvorschrift einer verfahrensrelevanten Zuschlagsentscheidung ist, erhält die bei § 100 BVergG gewählte Überschrift ‚Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung' Sinnhaftigkeit. ..... Damit lässt sich aus § 100 BVergG samt dessen Überschrift ableiten, dass der Gesetzgeber zwischen der verfahrensrelevanten Zuschlagsentscheidung und der die Rechtsfolgen des § 100 BVergG auslösenden, vollwirksamen Zuschlagsentscheidung unterscheidet."

Diese Rechtansicht wird auch in einem verstärkten Senat vom BVA am 9.2.2004, 10N-137/03-20, bekräftigt (vgl. auch "Formmangel der Mitteilung der Zuschlagsentscheidung; zur Frage der absoluten Nichtigkeit oder Nichtigerklärung bei Verletzung der Formvorschriften" in ZVB 2004/09, S. 254ff).

Dieser Rechtsauffassung hat sich auch der Oö. Verwaltungssenat angeschlossen (vgl. VwSen-550162/5/Kl/Pe u.a.m.). Es ist daher die gegenständlich angefochtene Zuschlagsentscheidung aus Sicht des Nachprüfungsverfahrens als verfahrensrelevante (existente) Entscheidung des Auftraggebers und daher tauglicher Anfechtungsgegenstand gemäß § 20 Z13 lit.a sublit.aa BVergG anzusehen.

 

Dabei geht der Oö. Verwaltungssenat von folgenden weiteren Überlegungen aus:

Gemäß Art.II Abs.2 A Z2 EGVG haben die unabhängigen Verwaltungssenate das AVG voll anzuwenden. Dem AVG liegt der Bescheid als anfechtbare Entscheidung zugrunde. Gemäß der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sowie des Verfassungsgerichtshofes zum Bescheidbegriff bzw. zur Qualität einer Entscheidung als Bescheid gemäß § 58 AVG muss an eine behördliche Erledigung hinsichtlich der Wertung als Bescheid nach ihrem Inhalt ein strenger Maßstab angelegt werden und ist dann die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid nur dann nicht wesentlich, wenn der Inhalt einer behördlichen Erledigung, also ihr Wortlaut und ihre sprachliche Gestaltung, keinen Zweifel darüber aufkommen lässt, dass die Behörde die Rechtsform des Bescheides gewählt hat. Dabei ist der Bescheid als Ganzes zu beurteilen. Schließlich wurde ausgesprochen, dass die Frage nach dem Bescheidcharakter einer Erledigung nicht zu Lasten der Partei beantwortet werden darf (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österr. Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Seite 434f mit Nachweisen). Die Judikatur stellt daher Form und Inhalt einer Erledigung in gewisse Wechselbeziehung. Weil die Zuschlagsentscheidung des Auftraggebers ebenfalls als anfechtbare Entscheidung im Nachprüfungsverfahren vor der Nachprüfungsbehörde einer Rechtsbeurteilung unterzogen wird, kann die Bestimmung des § 58 AVG und die dazu ergangene Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts analog herangezogen werden. Demnach ist auch bei der gegenständlich ergangenen Zuschlagsentscheidung aus dem Inhalt klar der Wille des Auftraggebers und der Wille zur Erlassung einer Entscheidung ersichtlich und kommt daher der in § 100 Abs.1 Satz 1 BVergG angeordneten Übermittlungsart keine existenzbedrohende Bedeutung zu. Dies insbesondere auch deshalb, weil - wie auch schon das Bundesvergabeamt in der obzit. Entscheidung ausgeführt hat - § 100 Abs.1 BVergG eine Bestimmung des materiellen Rechts darstellt und daher die Formalvoraussetzung dieser Bestimmung nur wesentlich ist für die Rechtswirkungen gemäß § 100 Abs.2 BVergG, nämlich die Auslösung der Stillhaltefrist von 14 Tagen "ab Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung gemäß Abs.1". Die Bekanntgabe iSd Formalvorschriften des § 100 Abs.1 Satz 1 BVergG stellt daher nur eine wesentliche und existenzbegründende Vorschrift für die Auslösung der Stillhaltefrist und die Nichtigkeit eines trotzdem erfolgten Zuschlages bzw. die Nichtigkeit eines Zuschlages entgegen der gesetzlichen Mitteilungsverpflichtung dar. Eine Bedeutung im Nachprüfungsverfahren im Hinblick auf die Existenz der Entscheidung kommt der Bestimmung des § 100 Abs.1 Satz 1 BVergG nicht zu.

 

Diese Auslegung entspricht im Übrigen auch der Judikatur des EuGH, der grundsätzlich von einem weiten Begriff der in einem Nachprüfungsverfahren anfechtbaren Entscheidung ausgeht (vgl. z.B. EuGH 28.10.1999, C-81/98, Alcatel Austria). Wenngleich auch das europäische Recht im hier vorliegenden Unterschwellenbereich - mit Ausnahme der Gemeinschaftsgrundsätze - keine unmittelbare Wirkung entfaltet, so ist doch das gesamte Rechtsschutzsystem des BVergG in starker Anlehnung an die europäischen Regelungen konstruiert und hält der Gesetzgeber in den Materialien grundlegend fest, dass die Begriffe "Nachprüfung" bzw. "Nachprüfungsverfahren" dem Gemeinschaftsrecht entlehnt sind und das gesamte BVergG "die Regelungen des EG-Vergaberechts unter Wahrung eigenständiger Wesenszüge des österreichischen Rechtssystems in das innerstaatliche Recht umsetzen" (1.118 Blg.NR. 21. GP). Auch der Verfassungsgerichtshof geht von einer doppelten Bindungswirkung des Gesetzgebers an Gemeinschaftsrecht und österreichisches Verfassungsrecht aus und stellte sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierungen zwischen der Rechtsposition von Bietern und Bewerbern im Unter- und Oberschwellenbereich als verfassungswidrig fest (VfGH 9.11.2001, G10/01 u.a.).

 

Aus der Sicht des Nachprüfungsverfahrens als Verwaltungsverfahren nach dem AVG darf daher nach der bereits zitierten Judikatur der Höchstgerichte als auch der Judikatur des EuGH ein Fehler in der Entstehung einer Handlung des Auftraggebers und das Risiko der Qualifikation dieser Handlung des Auftraggebers nicht dem Rechtsschutzsuchenden aufgebürdet werden. Bei anderer Auslegung hätte es nämlich sonst der Auftraggeber durch Fehler der Bekanntmachung der Zuschlagsentscheidung in der Hand, den Erfolg bzw. Misserfolg des von der Antragstellerin eingeleiteten Nachprüfungsverfahrens zu steuern. Dies wäre aber mit einem effektiven Rechtsschutz nicht vereinbar. Die Annahme der Nichtexistenz der Zuschlagsentscheidung bzw. des Nichtingangsetzens der Stillhaltefrist würde den Bieter jeglichen Rechtsschutzes berauben (vgl. auch die Judikatur des Oö. Verwaltungssenates, VwSen-550132/6/Kl/Pe vom 5.3.2004 sowie VwSen-550162/5/Kl/Pe).

 

4.5. Wie bereits oben dargestellt wurde, ist die Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung per E-Mail am 22.10.2004 nicht bei sämtlichen Bietern eingelangt und war daher im Sinn des § 100 Abs.1 BVergG nicht nachweislich, weil ein Nachweis der Zustellung nicht erbracht wurde. Nachweislich bedeutet nach der Rechtsprechung des VwGH "durch Nachweis bestätigt, belegt" nicht bloß nachweisbar. Die Bekanntgabe muss daher durch einen Nachweis dokumentiert sein, wobei die Dokumentationspflicht den Auftrageber trifft (sh. BVA wie oben). Hingegen ist die weitere Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung per 28.10. bzw. 2.11.2004 jeweils im Weg des Telefax nachweislich (Sendebericht) erfolgt, jedoch fehlt es an der gemäß § 100 Abs.1 BVergG gebotenen gleichzeitigen Mitteilung. Diese Bestimmung dient der Gleichbehandlung der Bieter (vgl. § 21 Abs.1 BVergG). Die Bieter werden dann nicht gleich behandelt, wenn die Mitteilung der Zuschlagsentscheidung zu unterschiedlichen Zeitpunkten bei ihnen einlangt. Ein Verstoß gegen die Bestimmung des § 100 Abs.1 BVergG im Hinblick auf die gleichzeitige Mitteilung ist daher auch als Verstoß gegen die Vergabegrundsätze gemäß § 21 Abs.1 BVergG (Gleichbehandlungsgebot) zu sehen.

 

Gemäß § 13 Abs.1 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz ist die Zuschlagsentscheidung für nichtig zu erklären, wenn sie im Widerspruch zu Bestimmungen des BVergG (konkret zu § 100 Abs.1 erster Satz BVergG) steht und für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss ist.

Auch diese kumulativ geforderte Voraussetzung für eine Nichtigerklärung liegt vor, weil ein in Folge einer nicht rechtmäßig bekannt gegebenen Zuschlagsentscheidung erteilter Zuschlag nichtig ist (§ 100 Abs.1 letzter Satz BVergG, wobei gemäß den obigen Ausführungen für das Zustandekommen einer Zuschlagsentscheidung im materiellrechtlichen Sinn die Einhaltung der Formvorschriften für die Mitteilung erforderlich ist). Zu diesem Ergebnis kommt auch das BVA in seiner Entscheidung vom 19.9.2003, 10N-81/03-12, RN 25.

 

Die Zuschlagsentscheidung ist rechtswidrig und daher aus diesem Grund für nichtig zu erklären.

 

4.6. Aus verfahrensökonomischen Gründen wurde darüber hinaus die Zuschlagsentscheidung der Auftraggeberin durch den Oö. Verwaltungssenat einer materiellen Beurteilung nach den übrigen Beschwerdepunkten unterzogen.

 

4.6.1. Gemäß § 20 Z13 lit.a sublitt.aa BVergG ist die Ausschreibung (§ 20 Z6 BVergG) eine gesondert anfechtbare Entscheidung und es wurde die gegenständliche Ausschreibung in der gemäß § 9 und Teil II Z1 der Anlage zu § 9 des Oö. VNPG festgelegten Frist nicht angefochten. Es sind daher alle jene Mängel, die die Ausschreibung betreffen, wegen Verfristung von einer weiteren Nachprüfung präkludiert. Die Ausschreibung ist daher rechtskräftig und rechtswirksam geworden.

Wenn daher in der Ausschreibung das Bestbieterprinzip festgelegt wurde und die Zuschlagskriterien wie unter den Feststellungen (Punkt 3.) ausgeführt festgelegt wurden, so sind insbesondere die Zuschlagskriterien von der Antragstellerin nicht rechtzeitig angefochten worden und daher wirksam geworden. Dies bedeutet, dass die Antragstellerin die rechtskräftigen Zuschlagskriterien bei der nunmehrigen Angebotsprüfung gegen sich gelten lassen muss.

Zwar überlässt Art.30 Abs.1 lit.b BKR dem öffentlichen Auftraggeber die Wahl der Kriterien für die Zuschlagserteilung, doch kommen nur Kriterien in Betracht, die der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots dienen. Sie müssen geeignet sein, das dem Auftraggeber zustehende Burteilungsermessen nach objektiven Gesichtspunkten zu handhaben und dürfen kein willkürliches Auswahlelement enthalten (EuGH vom 20.9.1988, C-31/87). Verfügt er grundsätzlich bei der Auswahl der Kriterien über einen sehr weiten Beurteilungsspielraum, ist er aber doch insofern beschränkt, als er das auch für die Privatwirtschaftsverwaltung geltende Sachlichkeitsgebot des Gleichheitssatzes zu beachten hat (Korinek/Holoubek, Grundlagen staatlicher Privatwirtschaftsverwaltung [1993], 196).

Diesen Gesichtspunkten der Objektivität und des Sachlichkeitsgebotes erscheint das Kriterium "Beurteilung des Betriebspersonals" ohne Angaben der Maßstäbe, wonach das Betriebspersonal beurteilt, nicht nachzukommen. Wegen der oben angeführten Präklusion kann dieser Mangel nicht mehr geltend gemacht und aufgegriffen werden. Es ist daher von der unanfechtbar gewordenen Ausschreibung auszugehen.

 

4.6.2. Es ist daher das Vergabeverfahren zwischen der Ausschreibung und der nächsten gesondert anfechtbaren Entscheidung, nämlich der nunmehr angefochtenen Zuschlagsentscheidung, einer Überprüfung zu unterziehen. Nach den vorliegenden Angebotsunterlagen und der weiters vorgelegten Angebotsprüfungszusammenstellung ist nachvollziehbar belegt, dass die Antragstellerin in der Angebotsbewertung nicht die höchste Punktezahl erreichte. So erhielt sie beim Preis nur 54,588 Punkte (gegenüber der höchsten Punktezahl von 60 Punkten). Weiters erhielt sie - entgegen ihren Antragsbehauptungen und wie sämtliche Mitbewerber - die höchste Punktezahl (11 Punkte) bei der Vertragswerkstätte. Allerdings wurden ihr laut Beurteilung des Betriebspersonals keine Punkte vergeben (im Gegensatz dazu erhielt die Bestbieterin die höchstmögliche Punktezahl von 20 Punkten). Hinsichtlich der technischen Spezifikationen erhielt die Antragstellerin 3 Punkte, also weniger Punkte als ihre Mitbewerber (die Bestbieterin erhielt 4,5 Punkte, eine weitere Mitbewerberin 6,4 Punkte). Allerdings ist aufgrund der Gewichtung der Kriterien selbst bei Vergabe der Höchstpunktezahl bei den technischen Spezifikationen von 9 Punkten - unter Berücksichtigung der erzielten Punktezahl beim Kriterium Preis und der Höchstpunktezahl für den Standort der Vertragswerkstätte - eine Punktezahl, die jene der Bestbieterin übersteigt, nicht erreichbar. Zum Kriterium der Bewertung des Betriebspersonals wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen. Die Bewertung des Betriebspersonals mit der Höchstpunktezahl zugunsten der Bestbieterin ist belegt. Die mangelnde Objektivität und Sachlichkeit des Kriteriums ist im nunmehrigen Vergabeverfahrensstadium nicht mehr anfechtbar. Es haftet daher der Zuschlagsentscheidung keine Rechtswidrigkeit an.

 

4.7. Ein Ausspruch auf Ersatz der entrichteten Gebühren wurde von der Antragstellerin nicht geltend gemacht. Nach § 74 Abs.2 AVG ist der Kostenersatzanspruch so zeitgerecht zu stellen, dass der Ausspruch über die Kosten in den Bescheid aufgenommen werden kann. Mangels eines Antrages war daher ein Kostenersatz nicht auszusprechen.

 

5. In der gegenständlichen Angelegenheit sind Stempelgebühren in der Höhe von 16,60 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs-gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 
 

Dr. Klempt
 

 
Beschlagwortung:

Zuschlagsentscheidung, nicht gleichzeitig, nicht nachweislich; Nichtigerklärung; Präklusion der Anfechtung der Ausschreibung

 
 

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